Titel:
kein Anspruch auf Ausbildungsduldung
Normenkette:
AufenthG § 2 Abs. 12 lit. a, § 60a Abs. 2, § 60c Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Leitsatz:
Der Anspruch auf Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) AufenthG entfällt, wenn eine qualifizierte Berufsausbildung erst nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens aufgenommen wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung (abgelehnt), Ausbildungsduldung, Qualifizierte Berufsausbildung, Assistenz- oder Helferausbildung, Ausbildung zur Pflegehilfskraft, Ausbildung zur Pflegefachkraft, Vorbereitendes Arbeitsverhältnis als hauswirtschaftliche Helferin, sonstige Duldungsgründe (verneint), qualifizierte Berufsausbildung, Pflegefachkraft, Assistenzausbildung, Helferausbildung, Pflegehilfskraft
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27812
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen ihre bevorstehende Abschiebung.
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1. Die Antragstellerin, am ... 1987 geboren und ausweislich des vorgelegten gültigen Reisepasses türkische Staatsangehörige, reiste am 5. März 2020 gemeinsam mit ihrem Ehemann sowie den 2012 und 2015 geborenen minderjährigen Töchtern in das Bundesgebiet ein. Dabei verfügte sie über ein am 2. März 2020 ausgestelltes Schengen-Visum mit einer Geltungsdauer von fünf Tagen.
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Am 15. April 2020 beantragten die Antragstellerin und ihre Familienangehörigen Asyl. Der Asylantrag der Antragstellerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 16. Juli 2021 vollumfänglich abgelehnt, wobei die Antragstellerin zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen ab Bekanntgabe bzw. ab Unanfechtbarkeit des Bescheides aufgefordert, ihr die Abschiebung in die Türkei bzw. in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht und ein auf 30 Monate ab der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet wurde. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Dezember 2021 (Az.: W 5 K 21. ...) abgewiesen. Der Asylfolgeantrag des Ehemannes der Antragstellerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 8. Juli 2021 abgelehnt, die hiergegen erhobene Klage mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. November 2021 (Az.: W 5 K 21. ...) abgewiesen.
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Am 2. August 2021 erteilte die Regierung von Unterfranken - Zentrale Ausländerbehörde Bayern, ZAB - der Antragstellerin auf ihren Antrag und mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vom 21. Juli 2021 eine Beschäftigungserlaubnis für die Tätigkeit als hauswirtschaftliche Helferin bei der Caritas Einrichtungen gGmbH in Bad Kissingen. Die Erlaubnis war mit der Nebenbestimmung versehen: „Erlischt mit Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht“.
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Mit Schreiben vom 6. Mai 2022 ließ die Antragstellerin bei der ZAB eine Ausbildungsduldung beantragen, da ihr bisheriger Arbeitgeber bereit und willens sei, ihr einen Ausbildungsplatz als Altenpflegehelferin anzubieten. Die Familie habe sich in die deutschen Lebensverhältnisse tendenziell weitgehend integriert und bemühe sich unvermindert weiter um ihre Integration. Aus der vorgelegten Bestätigung des Arbeitgebers vom 5. Mai 2022 gehe das Ausbildungsplatzangebot ab 1. September 2022 mit dem Vorbehalt des Nachweises des Mittelschulabschlusses hervor (S. 333 der eAkte). Des Weiteren wurden verschiedene Nachweise über den Besuch von Orientierungs- bzw. Integrationskursen für die Antragstellerin und ihren Ehemann sowie Schulzeugnisse der Töchter vorgelegt.
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Mit Schreiben vom 18. Mai 2022 hörte die ZAB die Antragstellerin zur beabsichtigten Ablehnung der Ausbildungsduldung an (S. 382/383 der eAkte). Eine Stellungnahme der Antragstellerin liegt nicht vor.
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Mit Bescheid vom 5. Juli 2022 lehnte die ZAB die Erteilung einer Ausbildungsduldung ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (Fortsetzung einer mit Aufenthaltsgestattung begonnenen Ausbildung mit Duldung) scheide aus, da die Antragstellerin nicht schon als Asylbewerberin eine in der Vorschrift genannte Berufsausbildung aufgenommen habe. Nach § 2 Abs. 12a AufenthG liege eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handle, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt sei. Bei der - lediglich einjährigen - Ausbildung zur Pflegefachhelferin handle es sich somit nicht um eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne von § 60c Abs. 1 AufenthG. Auch eine Zusage für eine qualifizierte Anschlussausbildung liege nicht vor. Zudem sei die Antragstellerin nicht im Besitz einer Duldung im Sinne von § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bestimme als Erteilungsvoraussetzung, dass der Ausländer „im Besitz einer Duldung nach § 60a ist“ (und eine in Nummer 1 genannte Berufsausbildung aufnimmt). Darüber hinaus müsse der Ausländer nach § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht nur eine Duldung besitzen, sondern bei Antragstellung bereits seit drei Monaten im Besitz einer Duldung sein. Nachdem die Antragstellerin einen gültigen Reisepass besitze, sei ihr bislang keine Duldungsbescheinigung ausgestellt worden. Selbst wenn vorübergehend eine Duldung ausgestellt werden sollte, sei sie jedenfalls bei Antragstellung nicht seit drei Monaten im Besitz einer Duldung, sodass insofern jedenfalls ein Ausschlussgrund nach § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorliege. Weitere Ausschlussgründe könnten damit grundsätzlich dahinstehen, weil die Erteilung einer Ausbildungsduldung bereits aufgrund der vorgenannten Gründe ausgeschlossen sei. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (Erstaufnahme der Ausbildung bei Besitz einer Duldung). Diese scheitere bereits daran, dass es sich nicht um eine qualifizierte Berufsausbildung i. S. v. § 60c Abs. 1 AufenthG handle.
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2. Am 4. August 2022 ließ die Antragstellerin Klage mit dem Ziel der Erteilung einer Ausbildungsduldung erheben (Az.: W 7 K 22. ...).
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Zugleich ließ sie gemäß § 123 VwGO beantragen,
dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die Antragstellerin bis zu einer Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren nicht abzuschieben und ihr für diesen Zeitraum eine Ausbildungsduldung nebst Beschäftigungserlaubnis zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragstellerin sei nach dem Abschluss des Asylverfahrens ein Ausbildungsvertrag zur Pflegefachhelferin mit der Aussicht der anschließenden Weiterbildung zur Pflegefachfrau zum 1. September 2023 bis 31. August 2026 angeboten worden. Zur Ausbildung als Pflegefachhelferin reiche der Nachweis der Sprachkenntnisse A2 aus. Die ausbildende Stelle gehe erfahrungsgemäß davon aus, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Ausbildung auch Sprachkenntnisse zur anschließenden Berufsausbildung, d.h. Sprachkenntnisse auf dem Niveau von B1 erwerben werde. Nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag müsse die Antragstellerin ab dem 1. September 2022 mit ihrer Ausbildung beginnen, was unter den gegebenen Umständen jedoch nicht möglich sei. Des Weiteren habe der Antragsgegner am 2. August 2022, noch vor Ablauf der Klagefrist, einen Abschiebungsversuch unternommen, welcher jedoch an der zufälligen Abwesenheit des Ehemannes der Klägerin gescheitert sei. Vor diesem Hintergrund werde der Eilantrag gestellt.
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3. Für den Antragsgegner beantragt die ZAB, den Antrag abzulehnen.
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Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf eine Ausbildungsduldung. Auf die Gründe des Bescheides vom 5. Juli 2022 werde verwiesen. Das Angebot der Weiterbildung zur Pflegefachfrau im Anschluss an die Ausbildung der Antragstellerin als Pflegefachhelferin, sei entgegen § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Verwaltungsverfahren, insbesondere in der Anhörung, nicht geltend gemacht worden. Eine verbindliche Ausbildungsplatzzusage im Sinne von § 60c Abs. 1 Nr. 1 b) AufenthG sei erst am 18. Juli 2022 gegeben worden. Zudem sei die Antragstellerin bislang nicht im Besitz einer Duldung und damit auch bei Antragstellung nicht drei Monate im Besitz einer Duldung gewesen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei der Antragstellerin nach Eintritt der Ausreisepflicht ein vorübergehender Duldungsgrund vorgelegen habe, sei dieser spätestens mit der Zusage der Ausstellung eines Heimreisedokuments für den Ehemann durch das türkische Generalkonsulat am 14. Juni 2022 weggefallen. Damit habe insbesondere im maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der (qualifizierten) Ausbildungsplatzzusage am 18. Juli 2022 kein Duldungsgrund mehr vorgelegen. Dass hier bereits die vorherige Vorlage der Aufnahmebescheinigung für eine unqualifizierte Helferausbildung am 6. Mai 2022 als maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung für eine Ausbildungsduldung gelten solle, ergebe sich indes nicht aus § 60c Abs. 3 Satz 3 AufenthG. Die Beantragung einer Ausbildungsduldung auf Vorrat, obwohl ein qualifizierter Ausbildungsvertrag bzw. eine Zustimmung tatsächlich noch gar nicht vorliege, sei von § 60c Abs. 3 Satz 3 AufenthG gerade nicht gedeckt (mit Verweis auf VG Münster, B.v. 3.3.2020 - 8 L 7/20 - Rn. 8 f.). Zusätzlich zum fehlenden Duldungsgrund stehe seit Einleitung des PEP- (d.h. Passersatzpapier-)Verfahrens am 10. Mai 2022 schließlich noch § 60c Abs. 2 Nr. 5 d) AufenthG der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen.
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4. Für die Antragstellerin sowie ihre Familienangehörigen liegen gültige Reisepässe bzw. Passersatzpapiere vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
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Gemessen daran steht der Antragstellerin - deren Abschiebung nach Ablauf der Ausreisefrist im Bescheid des Bundesamtes konkret bevorsteht und die deshalb einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat - kein Anordnungsanspruch zur Seite. Denn sie hat nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung), und zwar weder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der beanspruchten Ausbildungsduldung (1.), noch aus sonstigen Gründen (2.).
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1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine Ausbildungsduldung gemäß § 60c AufenthG. Zwar hat sie diese knapp vier Monate vor dem geplanten Ausbildungsbeginn am 1. September 2022 und damit nicht verfrüht nach § 60c Abs. 3 Satz 1 AufenthG beantragt. Die Erteilungsvoraussetzungen des § 60c Abs. 1 AufenthG liegen aber nicht vor.
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Gemäß § 60c Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist eine Duldung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer in Deutschland (Nr. 1) als Asylbewerber eine (a)) qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufgenommen hat oder (b)) Assistenz- oder Helferausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufgenommen hat, an die eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf, für den die Bundesagentur für Arbeit einen Engpass festgestellt hat, anschlussfähig ist und dazu eine Ausbildungsplatzzusage vorliegt, und (im Falle der Nr. 1 a) oder b)) nach Ablehnung des Asylantrags diese Berufsausbildung fortsetzen möchte oder (Nr. 2) im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist und eine in Nummer 1 genannte Berufsausbildung aufnimmt.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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a) Die Antragstellerin kann keinen Anspruch auf Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) AufenthG beanspruchen, weil sie nicht als Asylbewerberin, d.h. vor dem rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens nach Ablauf der Frist für die Stellung und Begründung des Berufungszulassungsantrags gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG von einem Monat nach Zustellung des klageabweisenden Urteils vom 9. Dezember 2021, eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne des § 60c AufenthG aufgenommen hat.
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Bei der - gemäß der auflösenden Bedingung in der ihr am 2. August 2021 erteilten Beschäftigungserlaubnis - bis zum unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens ausgeübten Tätigkeit als Helferin in der Hauswirtschaft handelte es sich schon nicht um eine Ausbildung. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Antragstellerin auf dem Antragsformular, welches alternativ die Möglichkeiten „Beschäftigungserlaubnis“ oder „Ausbildungserlaubnis“ zum Ankreuzen enthielt, „Beschäftigungserlaubnis“ angekreuzt hat. Des Weiteren hat der Arbeitgeber in dem für nähere Angaben vorgesehenen Feld des Antragsformulars handschriftlich eingetragen, dass die Antragstellerin zunächst „im hauswirtschaftlichen Dienst“ beginne, eine Ausbildung sowie Beschäftigung in der Pflege aber „durchaus möglich“ sei. Dementsprechend hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. August 2021 auch ausdrücklich eine Beschäftigungserlaubnis und keine Ausbildungserlaubnis erteilt. Überdies ergibt sich auch nicht aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitszwischenzeugnis der Antragstellerin vom 2. Mai 2022 (S. 362/363 der eAkte), dass es sich bei ihrer Tätigkeit im hauswirtschaftlichen Dienst um eine „Ausbildung“ handelte, vielmehr war die Antragstellerin im Wesentlichen mit der Vor- und Nachbereitung, der Ausgabe, Portionierung und gegebenenfalls mundgerechten Zubereitung von Speisen, Geschirrabräumen und -spülen, Abfragen von Speise- und Getränkewünschen, Zusammenarbeit und Kommunikation mit Pflegekräften und dem Verteilen von Wäsche beschäftigt.
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Des Weiteren handelte es sich bei der von der Antragstellerin vom 2. August 2021 bis zum unanfechtbaren Abschluss ihres Asylverfahrens ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Helferin auch nicht um eine - im Sinne des Aufenthaltsgesetzes - qualifizierte Berufsausbildung. Eine solche liegt gemäß § 2 Abs. 12a AufenthG vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Die Tätigkeit der Antragstellerin erfüllt schon nicht die erforderliche Dauer von mindestens zwei Jahren, abgesehen davon, dass sie nicht staatlich anerkannt oder vergleichbar geregelt ist. Die (generalistische) Ausbildung zur Pflegefachkraft ist in den §§ 5 ff. des Gesetzes über die Pflegeberufe vom 24. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2581, PflBG), welche zugleich die einschlägigen Anforderungen des Art. 31 der RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22, Berufsqualifikationsrichtlinie) im deutschen Recht umsetzen (Igl, Gesetz über die Pflegeberufe, 3. Aufl. 2021, § 5 Rn. 3 ff.), geregelt und damit staatlich anerkannt. Die Ausbildung dauert gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 PflBG höchstens fünf Jahre und ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 PflBG in theoretischen und praktischen Unterricht sowie in eine praktische Ausbildung gegliedert, wobei der Anteil der praktischen Ausbildung überwiegt; die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Abschlussprüfung ab. Eine solche qualifizierte Berufsausbildung hat die Antragstellerin nicht während der Dauer ihres Asylverfahrens aufgenommen. Die bloß vorgelagerte oder vorbereitende Tätigkeit als hauswirtschaftliche Helferin genügt insoweit nicht (OVG LSA, B.v. 4.3.2021 - 2 M 14/21 - juris Rn. 35 m.w.N.). Bei dieser Tätigkeit handelte es sich auch nicht um eine Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer, die bei erfolgreichem Abschluss (zusammen mit dem Hauptschulabschluss) gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) PflBG den Zugang zur Ausbildung als Pflegefachkraft eröffnet hätte.
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b) Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) AufenthG berufen, weil sie - unabhängig von der nunmehr vorliegenden Ausbildungsplatzzusage vom 5. Mai 2022 (S. 361 der eAkte) - nicht als Asylbewerberin eine Assistenz- oder Helferausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufgenommen hat, an die eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf, für den die Bundesagentur für Arbeit einen Engpass festgestellt hat, anschlussfähig ist. Anschlussfähig ist eine solche Ausbildung, wenn sie nach dem einschlägigen Ausbildungsrecht den Zugang zu einer qualifizierten Berufsausbildung (im Sinne des § 2 Abs. 12a AufenthG) vermittelt (Breidenbach in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 34. Ed., Stand 1.7.2021, AufenthG § 60c Rn. 14). Die von der Antragstellerin seit 2. August 2021 bis zum unanfechtbaren Abschluss ihres Asylverfahrens ausgeübte Tätigkeit als hauswirtschaftliche Helferin erfüllt nicht diese Voraussetzungen. Der Begriff der „Assistenz- oder Helferausbildung“ wird sowohl in § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) AufenthG als auch in der einschlägigen Bestimmung zum Ausbildungsrecht in § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) PflBG verwendet. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) PflBG hat Zugang zur Ausbildung als Pflegefachkraft (unter anderem), wer über den Hauptschulabschluss oder einen anderen als gleichwertig anerkannten Abschluss, zusammen mit dem Nachweis (unter anderem) einer erfolgreich abgeschlossenen landesrechtlich geregelten Assistenz- oder Helferausbildung in der Pflege von mindestens einjähriger Dauer verfügt, die die von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012 und von der Gesundheitsministerkonferenz 2013 als Mindestanforderungen beschlossenen „Eckpunkte für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege“ (BAnz AT v. 17.2.2016, B 3) erfüllt. Unter diesen Voraussetzungen wird auf den Nachweis des Mittelschulabschlusses verzichtet, welcher nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 PflBG (alleinige, d.h. ohne Berufsausbildung) Zugangsvoraussetzung ist.
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Abgesehen davon, dass es an dem erforderlichen Ausbildungscharakter sowie der mindestens einjährigen Dauer fehlt, erfüllt die von der Antragstellerin als Asylbewerberin ausgeübte Tätigkeit auch nicht das Kriterium einer „landesrechtlich geregelten Assistenz- oder Helferausbildung in der Pflege“. Ausgehend von den in der Bekanntmachung der von der 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012 und der 86. Gesundheitsministerkonferenz 2013 als Mindestanforderungen beschlossenen „Eckpunkten für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege“ vom 29. Januar 2016 (BAnz. AT v. 17.2.2016, B3) mit dem dort unter (1.) formulierten Berufsbild vermochten die von der Antragstellerin ausweislich des Arbeitszwischenzeugnisses (s.o.) konkret wahrgenommenen Tätigkeiten nicht die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Assistenzkraft und/oder Pflegehelferin zu vermitteln, welche unter anderem die Betreuung und Pflege von Menschen in verschiedenen Situationen, die selbständige Durchführung der Maßnahmen [Durchführungsverantwortung], die von einer Pflegekraft im Rahmen von deren Steuerungsverantwortung geplant, überwacht und gesteuert werden, die sichere Durchführung grundpflegerischer Maßnahmen in stabilen Pflegesituationen, die unterstützende Mitwirkung im Pflegeprozess bei der Erstellung von Biographie und Pflegeplanung, das Fortschreiben des Pflegeberichtes und die selbständige Dokumentation der eigenen Tätigkeiten, das rechtzeitige Erkennen von Notfallsituationen und Veränderungen der Pflegesituation im Alltag durch gezielte Beobachtung sowie angemessenes Handeln in solchen Situationen und die Mitwirkung bei der Durchführung ärztlich veranlasster therapeutischer und diagnostischer Verrichtungen wie Kontrolle von Vitalzeichen, Medikamentenausgabe, Injektionen und Inhalationen etc. unter Anleitung und Überwachung von Pflegekräften beinhalten. Davon geht auch die Arbeitgeberin der Antragstellerin ersichtlich nicht aus, weil sie der Antragstellerin in der Ausbildungsplatzzusage vom 5. Mai 2022 gerade einen S.platz für die einjährige Ausbildung zur Pflegefachhelferin anbietet. Ob diese angebotene Ausbildung zur Pflegefachhelferin, die nach Landesrecht nicht reglementiert ist (vgl. Dienstleistungsportal Bayern, https://www.eap.bayern.de/informationen/leistungsbeschreibung/277623773925, abgerufen am 28.9.2022), trotz der vorgesehenen Ausbildungsdauer von nur einem Jahr unter Umständen eine Ausbildung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 AufenthG darstellen kann (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2022 - 10 C 22.273 - juris Rn. 15 zu einer zweijährigen Ausbildung, die in einem staatlichen beruflichen Schulzentrum absolviert wird), kann vorliegend offenbleiben. Die bloß vorgelagerte oder vorbereitende Tätigkeit als hauswirtschaftliche Helferin genügt insoweit nicht (OVG LSA, B.v. 4.3.2021 - 2 M 14/21 - juris Rn. 35 m.w.N.).
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c) Auch auf der Grundlage des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ergibt sich kein Anspruch der Antragstellerin auf Ausbildungsduldung. Zum einen war die Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung ihres Duldungsantrags (vgl. § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und BayVGH, U.v. 4.8.2021 - 19 B 21.1268 - juris Rn. 20; vgl. auch SächsOVG, B.v. 10.1.2022 - 3 B 412/21 - juris Rn. 23; B.v. 3.2.2022 - 3 B 15.22 - juris Rn. 3; OVG Bln-Bbg., B.v. 26.5.2021 - 3 S 32/21 - juris Rn. 5) am 6. Mai 2022 nicht im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG. Zum anderen stand ihr auch kein Rechtsanspruch auf eine solche Duldung zu, sodass offenbleiben kann, ob ein solcher Anspruch im Rahmen des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ausreichend wäre (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60c Rn. 25; OVG LSA, B.v. 4.3.2021 - 2 M 14/21 - juris Rn. 23; wie hier offenlassend: BayVGH, U.v. 4.8.2021 - 19 B 21.1268 - juris Rn. 21 f. m.w.N.). Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung der Antragstellerin ist nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich, insbesondere liegen sowohl für sie selbst als auch für die beiden Töchter gültige Reisepässe sowie für den Ehemann ein Passersatzpapier (Heimreisedokument) vor. Des Weiteren ist die Abschiebung auch nicht im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil davon auszugehen ist, dass die Familienmitglieder gemeinsam mit der Antragstellerin in ihr Herkunftsland zurückkehren bzw. abgeschoben würden (vgl. § 43 Abs. 3 AsylG). Der Antragstellerin, die mit einem Schengen-Touristenvisum eingereist ist, aber nach der Einreise Asylantrag gestellt hat und nunmehr einen Aufenthalt für Ausbildungszwecke verfolgt, ist es zumutbar, die für diesen Aufenthaltszweck erforderliche Aufenthaltserlaubnis (§§ 16 ff. AufenthG) - sofern die weiteren Erteilungsvoraussetzungen vorliegen - nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 5 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Visum vom Herkunftsland aus zu beantragen (vgl. allgemein zur Nachholung des Visumverfahrens in der Türkei: VG Würzburg, B.v. 13.9.2022 - W 7 E 22.1291 m.w.N.).
27
d) Ob im Falle der Antragstellerin daneben - im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2022 - 10 C 22.273 - juris Rn. 16; U.v. 4.8.2021 - 19 B 21.1268 - juris Rn. 20, 35 ff.) - ein Ausschlussgrund nach § 60c Abs. 2 Nr. 2 oder 5 AufenthG vorliegt (vgl. zu § 60c Abs. 2 Nr. 5 c) AufenthG: BayVGH, B.v. 17.2.2022 - 10 C 22.273 - juris Rn. 17; B.v. 21.4.2021 - 19 C 21.278 - juris Rn. 9 ff.), kann nach dem Vorstehenden offenbleiben, da es bereits an den Erteilungsvoraussetzungen der Ausbildungsduldung fehlt.
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2. Die Antragstellerin hat auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Die Anspruchsvoraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegen, wie ausgeführt, offensichtlich nicht vor. Des Weiteren sind keine humanitären bzw. persönlichen Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG ersichtlich. Bei den in § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG genannten Gründen kann es nur um solche gehen, die nur eine weitere vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern (BVerwG, U.v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 - juris Rn. 18; SächsOVG, B.v. 10.1.2022 - 3 B 412/21 - juris Rn. 28 m.w.N.), wovon auch das Interesse an der ordnungsgemäßen Beendigung einer nicht unter § 60c Abs. 1 AufenthG fallenden Qualifizierungsmaßnahme erfasst sein kann (OVG LSA, B.v. 4.3.2021 - 2 M 14/21 - juris Rn. 50 m.w.N.). Eine solche Qualifizierungsmaßnahme lag bei der - überdies seit Januar 2022 beendeten - Tätigkeit der Antragstellerin als hauswirtschaftlicher Helferin aber nicht vor. Abgesehen davon läge die Duldungserteilung nach dieser Vorschrift selbst bei Vorliegen entsprechender humanitärer oder persönlicher Gründe im Ermessen des Antragsgegners, das vorliegend auch nicht auf Null reduziert ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG, wobei wegen der mit dem Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache eine Halbierung nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 des in der Hauptsache festzusetzenden halben Auffangwertes gemäß Ziffer 8.3 des Streitwertkatalogs (2.500,00 EUR) nicht angezeigt erscheint.