Titel:
Teilweise erfolgreicher Eilrechtsschutz der Nachbarn gegen Neubau eines Gymnasiums
Normenketten:
BauGB § 33
BImSchG § 22 Abs. 1a
BayBO Art. 9 Abs. 1, Art. 54 Abs. 2, Art. 55 Abs. 1
Leitsätze:
1. Liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung gem. § 33 BauGB vor, richtet sich der Nachbarrechtsschutz nach den Inhalten des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans. Nachbarn können sich auf drittschützende Bestimmungen des künftigen Plans berufen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. In nachbarrechtlichen Streitigkeiten ist die Bestimmtheit der Baugenehmigung nur daraufhin zu prüfen, ob es dem Nachbarn möglich ist, festzustellen, ob und in welchem Umfang er durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen ist. Dabei kann sich eine zur Aufhebung einer im Nachbarrechtsstreit angefochtenen Baugenehmigung führende Unbestimmtheit auch aus widersprechenden Unterlagen ergeben, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht wurden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wertung des § 22 Abs. 1a BImSchG zur Sozialadäquanz von Kinderlärm ist auch für den Pausenlärm auf Schulhöfen heranzuziehen und gilt vor allem für die jüngeren Schüler. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
4. Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO ist die Errichtung der baulichen Anlagen, nicht aber der Errichtungsvorgang als solcher. Sicherheitsrechtliche Anforderungen an die Einrichtung der Baustelle, die gem. Art. 9 Abs. 1 BayBO u.a. so einzurichten ist, dass keine vermeidbaren Nachteile oder vermeidbaren Belästigungen für Nachbarn entstehen, sind der bauaufsichtlichen Überwachung gem. Art. 54 Abs. 2 S. 1 BayBO zuzuordnen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung für ein Gymnasium, Festsetzung von Pausenhofflächen im künftigen Bebauungsplan, Unbestimmtheit einer Baugenehmigung, Rechtsschutz gegen Baulärm, Sozialadäquanz von Kinderlärm, Abendveranstaltungen
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 21.06.2022 – M 11 SN 22.2434
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27696
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 2. Februar 2022 wird angeordnet, soweit in dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan EG Teilbereich Nord keine - entsprechend dem Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 67 „Gymnasium H…“ - klar abgrenzbare Pausenhoffläche vorgesehen ist, sondern sich der Aufenthaltsbereich der Schüler durch die Aufstellung von Sitzgelegenheiten und Tischtennisplatten im Zugangsbereich und durch Tisch Bank-Kombinationen sowie weitere Sitzgelegenheiten im „Obsthain“ auch darüber hinaus erstreckt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen haben die Antragsteller ¾ - als Gesamtschuldner -, der Beklagte ¼ zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Antragsverfahren - in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses - und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Gymnasiums mit Dreifach-Sporthalle.
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Die am 2. Februar 2022 erteilte Baugenehmigung ist gemäß § 33 BauGB erteilt worden; der Beigeladene hat die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans anerkannt. Der Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 67 „Gymnasium H…“, der eine Fläche für Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung „Schule mit Sporthalle und Sportanlagen“ festsetzt, ist am 13. Dezember 2021 als Satzung beschlossen und am 5. April 2022 bekanntgemacht worden. In dem Bebauungsplan sind Flächen für das Schulgebäude mit Pausenhof, eine Sporthalle und Sportanlagen (Außenflächen) vorgesehen; diese baulichen Anlagen sollen mit der Baugenehmigung auf den bisher unbebauten Außenbereichsgrundstücken errichtet werden. Das Grundstück der Antragsteller grenzt im Norden an die Baugrundstücke an. Dort ist nach den genehmigten Plänen der Zugangsbereich zum Gymnasium vorgesehen, der nach dem Freiflächengestaltungsplan EG Teilbereich Nord die notwendigen Zuwegungen, einen befestigten Vorplatz vor dem Eingang zur Schule sowie die Aufstellung von Tischtennisplatten und Sitzgelegenheiten enthält; weiter ist im nordöstlichen Bereich angrenzend zu einer Zugangsmöglichkeit im Erdgeschoss des Schulgebäudes ein „Obsthain“ mit Tisch Bank-Kombinationen sowie weiteren Sitzgelegenheiten vorgesehen.
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Die Antragsteller haben gegen die Baugenehmigung Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt. Letzteren lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2022 ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob der zwischenzeitlich bekannt gemachte Bebauungsplan, gegen den die Antragsteller bislang keine Einwände erhoben hätten, wirksam sei, da sich nach summarische Prüfung keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Nachbarrecht, insbesondere das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, ergäben. Die von den Bauarbeiten ausgehenden Lärmimmissionen könnten nicht zur einer Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führen. Es sei zwischen dem Baugenehmigungsverfahren und Maßnahmen im Rahmen der repressiven Bauaufsicht zu differenzieren. Unzumutbare Lärmauswirkungen hinsichtlich der Veranstaltungsnutzung der Aula/Pausenhalle, des Vorplatzes mit Pausenflächen, Rettungsweg und Zufahrt zum Fahrradraum sowie bei der außerschulischen Nutzung der Sportanlagen seien nicht zu erwarten. Es beständen zwar durchaus Zweifel, ob der Bereich der maßgeblichen Pausenflächen in dem der Baugenehmigung beigefügten Lärmgutachten unter Heranziehung des genehmigten Freiflächengestaltungsplans tatsächlich realistisch angenommen worden sei. So erscheine insbesondere nicht plausibel, dass der „Obsthain“ auf der Nordseite des Schulgebäudes, der von den Pausenflächen innerhalb des Gebäudes unmittelbar zugänglich sei und darüber hinaus über Tische und Bänke verfügen solle, als Pausenfläche völlig unberücksichtigt geblieben sei. Ebenso erscheine nicht nachvollziehbar, weshalb die als Pausenfläche im Bereich des Vorplatzes maßgebliche Fläche noch vor dem Bereich des dort geplanten „Sitzrings“ und der vorgesehenen „Tischtennisplatte“ enden solle. Angesichts - eher unwahrscheinlichen - Richtwertüberschreitungen, dem geminderten Schutzanspruch der Antragsteller aufgrund der Lage des Grundstücks am Rand zum Außenbereich wie auch Überlegungen zur Sozialadäquanz der Kommunikation der Schüler sowie der ohne weiteres gegebenen Möglichkeit, ggf. durch Auflagen und organisatorische Maßnahmen auf etwaige Missstände zu reagieren, führe der im Rahmen des Lärmgutachtens wohl zu eng gezogene Bereich der Pausenflächen nicht dazu, dass im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiege. Das Vorhaben erweise sich voraussichtlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Stellplatzvorschriften bzw. aufgrund seiner verkehrlichen Auswirkung, aufgrund der geplanten Beleuchtungsanlagen sowie der Kubatur des Schulgebäudes gegenüber den Antragstellern als rücksichtslos; die geplante Ableitung des Niederschlagswassers bzw. Hang- und Schichtenwassers begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die gerügten Mängel hinsichtlich der Bestimmtheit der Baugenehmigung lägen nicht vor.
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Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend, dass schon bei der Genehmigungserteilung damit zu rechnen gewesen sei, dass bei der Bauausführung eine Überschreitung der Lärmgrenzwerte erfolgen werde. Ein Verstoß gegen die drittschützende Regelung des Art. 9 BayBO führe zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Auch verstoße das Bauvorhaben gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den „allgemeinen Schulbetrieb“ von 7.30 - 18.00 Uhr festgelegt, was an der Praxis weiterführender Schulmodelle erheblich vorbeigehe. Bei Veranstaltungen am Abend wie Elternabenden, Abschlussfeiern sowie Aufführungen und Darstellungen von Schülern handele es sich nicht um „seltene Ereignisse“ des Schulbetriebs. Das Verwaltungsgericht sei selbst davon ausgegangen, dass die Berechnung des Lärmgutachtens, die für den Pausenaufenthalt lediglich einzelne Bereiche des genehmigten Areals berücksichtige, an der Lebenswirklichkeit des Schulbetriebs vorbeigehe. Es sei völlig ungeklärt, inwieweit die schutzwürdigen Belange der Antragsteller durch den tatsächlichen Schulbetrieb gestört würden. Diese Unbestimmtheit gehe zu Lasten der erteilten Baugenehmigung. Bei der Beleuchtung hätte eine belastbare und nachvollziehbare Regelung nur durch die Festlegung von entsprechenden Beleuchtungsgrenzwerten erfolgen können.
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Der Antragsgegner tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen, der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte bzw. die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
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Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Die Baugenehmigung entspricht in dem in Ziff. I des Tenors bestimmten Umfang nicht den Festsetzungen des Bebauungs- und Grünordnungsplan Nr. 67 „Gymnasium H…“ (1.1.) bzw. ist nicht ausreichend bestimmt (1.2.). Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet (2.).
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1.1. Liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung gemäß § 33 BauGB vor, richtet sich der Nachbarrechtsschutz nach den Inhalten des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans. Nachbarn können sich auf drittschützende Bestimmungen des künftigen Plans berufen (vgl. VGH BW, B.v. 29.3.2017 - 5 S 1389/16 - BauR 2017, 1322; OVG Rh-Pf, B.v. 3.4.2012 - 1 B 10136/12 - BauR 2012, 1362; OVG NW, B.v. 15.2.1991 - 11 B 2659/90 - BauR 1991, 442). Der Bebauungsplan sieht mit den Festsetzungen durch Planzeichen (sonstige Planzeichen 7.3) die Umgrenzung von Flächen für den Pausenhof vor, die sich im Vorplatzbereich des Gymnasiums nur auf einen kleinen Bereich beschränken. Nur diese Flächen wurden bei der schalltechnischen Beurteilung vom 17. September 2021 berücksichtigt, die sowohl Anlage der Begründung des Bebauungsplans als auch Bestandteil der Baugenehmigung vom 2. Februar 2022 ist. Die Begrenzung der Flächen für den Pausenhof im Bebauungsplan ist nachbarschützend. Aus der Begründung des Bebauungsplans, zu der auch die schalltechnische Beurteilung gehört, ergibt sich, dass die Flächen unter Berücksichtigung der Belange der angrenzenden Nachbarn festgelegt wurden (vgl. S. 15, 16 der Begründung des Bebauungsplans und S. 33, 34 bzw. Anlage C.2.4 ff. der schalltechnischen Beurteilung); insoweit wurde ermittelt, dass durch die Pausenhofflächen (mit Musikunterricht) die Lärmrichtwerte für ein reines Wohngebiet bei den Antragstellern eingehalten werden können.
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Der genehmigte Freiflächengestaltungsplan EG Teilbereich Nord wird aber der Begrenzung der Flächen für den Pausenhof im Zugangsbereich der Schule nicht gerecht. So fehlt bereits eine entsprechend dem Bebauungsplan festgelegte Pausenhoffläche. Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass nach den Darstellungen im Freiflächengestaltungsplan davon auszugehen sei, dass sich mit den dargestellten Sitz- und Freizeitmöglichkeiten ein größerer Aufenthaltsbereich im Zugangsbereich auch als Pausenhoffläche ergebe und die Flächen im „Obsthain“, die unmittelbar an die Pausenhofflächen im Gebäude anschließen würden und von dort auch zugänglich seien, zu berücksichtigen seien. Dies ist wie dargestellt aber kein Fehler des Lärmgutachtens, sondern der mangelnden Umsetzung der Festsetzungen des Bebauungsplans. Eine Befreiung von diesen Festsetzungen wurde mit der Baugenehmigung nicht beantragt und dürfte im Übrigen auch die Grundzüge der Planung berühren. Der mangelnden Umsetzung der Festsetzungen des Bebauungsplans kann auch nicht mit nachträglichen Auflagen begegnet werden; vielmehr ist ein Tekturantrag erforderlich.
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Einwände gegen die materielle Planreife (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB), d.h. auch die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanentwurfs in inhaltlicher Sicht (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 - BVerwGE 117, 25; VGH BW, B.v. 19.5.2008 - 3 S 2509/07 - BauR 2009, 212), wurden im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Frage der Wirksamkeit des zwischenzeitlich bekannt gemachten Bebauungsplans allerdings dahinstehen lassen, und die Lärmeinwirkungen auf das Grundstück der Antragsteller unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme geprüft, das bei Außenbereichsvorhaben - ein solches würde das Bauvorhaben darstellen, wenn der Bebauungsplan unwirksam wäre - in Bezug auf „schädliche Umwelteinwirkungen“ in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine ausdrückliche Regelung erfahren hat (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 - 4 C 3.16 - BVerwGE 159, 187). Geht man von diesem Ansatz aus, ist die Baugenehmigung hinsichtlich der Pausenhofflächen unbestimmt bzw. widersprüchlich, was die Antragsteller vorliegend mit Erfolg geltend machen können.
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1.2. Ein Baugenehmigungsbescheid, der auf die geprüften und revidierten Bauvorlagen verweist, ist hinreichend bestimmt, wenn es die Antragsunterlagen sind (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2014 - 4 B 21.14 - juris Rn. 9). In nachbarrechtlichen Streitigkeiten ist dabei die Bestimmtheit der Baugenehmigung nur daraufhin zu prüfen, ob es dem Nachbarn möglich ist, festzustellen, ob und in welchem Umfang er durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen ist. Dabei kann sich eine zur Aufhebung einer im Nachbarrechtsstreit angefochtenen Baugenehmigung führende Unbestimmtheit auch aus widersprechenden Plänen bzw. Unterlagen ergeben, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht wurden (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2021 - 1 ZB 21.735 - juris Rn. 6 m.w.N.). Wie oben ausgeführt stimmen die Darstellungen im genehmigten Freiflächengestaltungsplan EG Teilbereich Nord im Hinblick auf die für einen Pausenhof zur Verfügung stehenden Flächen mit den Annahmen des schalltechnischen Gutachtens vom 17. September 2021, das zum Gegenstand der Genehmigung erklärt wurde, nicht überein. Wird im Gegensatz zu den Annahmen im schalltechnischen Gutachten eine größere Fläche für den Pausenhof auf den Außenflächen in Anspruch genommen, ist derzeit jedenfalls nicht gesichert, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt sein könnte. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus. Soweit es rechtliche Überlegungen zur Sozialadäquanz des Pausenlärms aufstellt, weist der Senat darauf hin, dass dies vor allem für die jüngeren Schüler gilt, für die die Wertung des § 22 Abs. 1a BImSchG für Kinderlärm (bis 14 Jahre) zu berücksichtigen ist, die auch für Schulhöfe heranzuziehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2021 - 1 CS 20.2637 - juris Rn. 18; OVG NW, B.v. 15.6.2020 - 7 D 24/18.NE - BauR 2020, 1453) Auch können sich die Antragsteller mit ihrem Wohngrundstück am Rand zum Außenbereich und der Vorbelastung durch die Staats straße bei dem Gebot der Rücksichtnahme wohl nicht darauf berufen, dass die Werte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.1989 - 7 C 77.87 - BVerwG 81, 197). Diese Überlegungen können vor allem auch bei der Einhaltung der Pausenhofaußenflächen, die der Bebauungsplan vorsieht, im Schulbetrieb eine Rolle spielen, da diese selbst bei entsprechender baulicher Gestaltung und Lehreraufsicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung keine starren Grenzen sein können.
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Bei der anzustellenden Interessenabwägung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens führt die Widersprüchlichkeit bzw. Unbestimmtheit der Baugenehmigung zur teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Damit wird im Interesse der Antragsteller sichergestellt, dass hinsichtlich der Pausenhofflächen Klarheit besteht. Die Interessen des Beigeladenen werden nicht unzumutbar beeinträchtigt, da der Schulbetrieb erst im September 2024 aufgenommen werden soll und die Freiflächen erst zum Ende der Bauarbeiten hergestellt werden. Bauarbeiten werden damit nicht verzögert, der Beigeladene hat ausreichend Zeit, einen entsprechenden Tekturantrag einzureichen. Unabhängig von der Prüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplans durch die Gerichte ist auch davon auszugehen, dass sich der Beigeladene als Bauherr an die Festsetzungen des für ihn verbindlichen Bebauungsplans hält und nicht attraktive Aufenthaltsbereiche unmittelbar bzw. in Nähe der Nachbargrenzen schafft. Die entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans, die erst zum Schluss nach Einwänden Privater „zur Klarheit“ aufgenommen wurden, wurden wahrscheinlich übersehen.
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2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
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2.1. So ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich eine Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht aus den von den Bauarbeiten ausgehenden Lärmimmissionen ergeben kann.
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Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO ist die Errichtung der baulichen Anlagen, nicht aber der Errichtungsvorgang als solcher. Sicherheitsrechtliche Anforderungen an die Einrichtung der Baustelle, die gemäß Art. 9 Abs. 1 BayBO u.a. so einzurichten ist, dass keine vermeidbaren Nachteile oder vermeidbaren Belästigungen für Nachbarn entstehen, sind der bauaufsichtlichen Überwachung gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO zuzuordnen. Dies gilt auch für die Errichtung eines Sonderbaus (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2017 - 15 ZB 16.1306 - juris Rn. 15; B.v. 21.4.2016 - 15 ZB 14.2572 - juris Rn. 23; B.v. 8.7.2013 - 2 CS 13.873 - juris Rn. 14; B.v. 23.8.2011 - 2 CS 11.1218 - juris Rn. 9; zu einer Art. 9 BayBO vergleichbaren landesrechtlichen Vorschrift OVG NW, B.v. 11.3.2021 - 2 B 86/21 - juris Rn. 10). Auch in Planfeststellungsverfahren wird die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durch baubedingte Immissionen als Frage des Vollzugs regelmäßig nicht berührt; es kommen hier ggf. nachträgliche Schutzauflagen oder Entschädigungsansprüche in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2020 - 7 A 9.19 - juris Rn. 100; B.v. 1.4.2016 - 3 VR 2.15 u.a. - NVwZ 2016, 1328). Bei dem Vollzug einer Baugenehmigung kann sich im konkreten Einzelfall ein Anspruch eines Nachbarn gemäß § 24 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auf ein behördliches Einschreiten zur Reduzierung von Lärmimmissionen ergeben, wobei die AVV Lärm zur Konkretisierung der Voraussetzungen heranzuziehen ist. Gerichtlich muss der Anspruch mit einem gegen den Antragsgegner gerichteten Verpflichtungsbegehren auf Einschreiten bzw. dem Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO geltend gemacht werden (vgl. VGH BW, B.v. 5.2.2015 - 10 S 2471/14 - BauR 2015, 1474; HessVGH, B.v. 31.5.2011 - 9 B 1111/11 - juris Rn. 5; OVG Rh-Pf, B.v. 8.12.2009 - 8 B 11243/09 - BauR 2010, 747).
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Die Einwände im Zulassungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung. Auch hier wird zunächst Art. 54 Abs. 2 BayBO als Befugnisnorm für das Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich übermäßigen Baulärms genannt. Soweit ausgeführt wird, dass nicht nur repressive, sondern auch präventive Maßnahmen in Betracht kommen könnten und diese vorliegend erforderlich gewesen seien, wird die zutreffende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass ein Unterlassen von präventiven Maßnahmen die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht berührt (vgl. UA Rn. 28), nicht in Frage gestellt. Die nicht begründete Behauptung, dass ein Verstoß gegen die drittschützende Vorschrift des Art. 9 BayBO zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führt, kann nach der genannten gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung keinen Erfolg haben. Einen Antrag gemäß § 123 VwGO auf bauaufsichtliches Einschreiten wegen unzumutbaren Baulärms haben die Antragsteller nicht gestellt; sie machen insoweit nur die Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung geltend. Im Übrigen führt der Zulassungsantrag auch nicht aus, welchen unzumutbaren Lärmbelastungen die Antragsteller aktuell ausgesetzt seien. Die besonders lärmintensiven Spezialtiefbauarbeiten sind zum Entscheidungszeitpunkt des Gerichts bereits beendet. Neben dem Angebot, Ersatzwohnraum zur Tageszeit in Anspruch zu nehmen, das die Antragsteller nicht angenommen haben, wurde im Übrigen der Forderung der Antragsteller zur Errichtung einer Lärmschutzwand nachgekommen (vgl. die ergänzende Behördenakte Bl. 373).
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2.2. Soweit mit dem Zulassungsantrag geltend gemacht wird, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der „allgemeine Schulbetrieb“ von 7.30 Uhr - 18 Uhr festgelegt sei und Abendveranstaltungen am Gymnasium nicht berücksichtigt worden seien, bei denen es sich keinesfalls um „seltene Ereignisse“ des Schulbetriebes handle, ist eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht dargelegt.
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Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Schulbetrieb der geplanten Ganztagsschule Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis maximal 18 Uhr stattfindet. Ob aus der Betriebsbeschreibung, die Bestandteil der Baugenehmigung ist, allerdings der Schluss gezogen werden kann, dass mit dem Schulbetrieb zusammenhängende Veranstaltungen wie Elternabende und Schüleraufführungen in der Schule bzw. Aula nur in diesem Zeitraum durchgeführt werden dürfen, ist zweifelhaft. Die Nutzung der Aula/Pausenhalle wird in der Betriebsbeschreibung als eigener Punkt erwähnt und enthält im Gegensatz zu anderen Nutzungen keine Zeitangaben für schulinterne Veranstaltungen.
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Mit dem Zulassungsantrag wird aber nicht dargelegt, dass schulinterne Veranstaltungen nach 18 Uhr gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Bei Elternabenden, die üblicherweise einmal pro Schulhalbjahr stattfinden, ist nicht von einer maßgeblichen Lärmbelastung auszugehen. Sie finden nicht in den späten Abendstunden statt und das Kommen und Gehen verteilt sich hier. Theater- und Musikaufführungen durch die Schüler und Abschlussfeiern sind zwar auch Bestandteil des Schullebens, sie kommen aber nicht, wie die Antragsteller meinen, oft vor. Da es hier ausschließlich um Nutzungsfragen geht, hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht darauf hingewiesen, dass bis zur geplanten Aufnahme des Schulbetriebs ggf. noch Auflagen in Betracht kommen. Diese könnten ggf. die Zahl der Veranstaltungen regeln oder, ob am Abend eine schulinterne Nutzung der Aula als Szenefläche und eine Vereinsnutzung der Sporthalle bzw. Sportflächen möglich ist.
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2.3. Aus der Lichtimmissionsprognose, die Bestandteil der Baugenehmigung ergibt sich, dass die Werte für ein reines Wohngebiet, das zugunsten der Antragsteller berücksichtigt wurde, durch die geplante Beleuchtung des Sportplatzes und der Außenanlagen zum Teil weit unterschritten werden. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Auflage Nr. 84.5 Rechte der Antragsteller nicht verletzt werden. Substantiierte Einwände hierzu enthält das Zulassungsvorbringen nicht. Soweit bemängelt wird, dass Beleuchtungsgrenzwerte hätten festgelegt werden müssen, ist dies mit der Auflage Nr. 84.6 erfolgt.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Streitwertkatalog sieht bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung für die Streitwertfestsetzung einen Rahmen von 7.500 bis 15.000 Euro vor, soweit nicht ein höherer Schaden feststellbar ist. Innerhalb dieses Rahmens ist der Streitwert nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die der Kläger abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen festzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.1994 - 4 B 188.94 - juris Rn. 5). Angesichts des geltend gemachten Interesses der Antragsteller, die Bebauung mit einem großzügigen Schulkomplex auf den Nachbargrundstücken zu verhindern, ist eine Streitwertfestsetzung am oberen Ende angemessen (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2021 - 1 CS 20.2637 - juris; B.v. 15.2.2019 - 1 C 18.2435 - juris Rn. 4).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).