Titel:
Anerkennung als Asylberechtigter wegen Strafverfolgung (Gülen-Bewegung)
Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3
Leitsatz:
Auch eine nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung zu befürchten hat (sog. „Politmalus“). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht;, Herkunftsland: Türkei;, befürchtete Verfolgung wegen einer dem Kläger zu Unrecht zugeschriebenen politischen Überzeugung durch ein rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügendes Strafverfahren sowie unverhältnismäßige Strafverfolgung und -bestrafung (glaubhaft);, laufendes Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation (Gülen-Bewegung/„FETÖ“), Türkei, Gülen-Bewegung, FETÖ, Ermittlungsverfahren wegen der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation, e-Devlet-Account, innerstaatliche Fluchtalternative
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27681
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Mai 2020 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger, nach eigenen Angaben türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
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Der Kläger, der nach eigenen Angaben im Februar 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland legal einreiste und im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Bundesgebiet alleine lebt, stellte im März 2019 einen Asylantrag beim Bundesamt. Sein Asylbegehren begründete der Kläger im Kern damit, dass er befürchte, in seinem Heimatland politisch verfolgt zu werden, da er zur Zeit des Putschversuches vom 15. Juli 2016 Schüler der Militärakademie gewesen sei. In der Zeit vor seiner Ausreise habe die türkische Polizei verstärkt damit begonnen, ehemalige Kommilitonen zu inhaftieren, u.a. sei auch sein eigener Bruder festgenommen worden.
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Mit Bescheid vom 20. Mai 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz jeweils ab (Nrn. 1-3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4 des Bescheids). Weiter forderte das Bundesamt den Kläger unter Androhung der Abschiebung in die Türkei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Nr. 5 des Bescheids) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheids). Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass sich aus dem Vortrag des Antragstellers keine Anhaltspunkte ergäben, die darauf hindeuteten, dass er aufgrund eines asyl- und flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmals von staatlicher Seite verfolgt werde. Es müsse deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragsteller keine asylrechtlich relevante Verfolgung zu erwarten habe, wenn er in die Türkei zurückkehre. Nationale Abschiebungsverbote wurden auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, humanitären und sozialen Situation im Heimatland geprüft, aber verneint.
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Der Kläger hat hiergegen fristgerecht Klage erhoben (M 1 K …). Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass die derzeitige Verfolgung in der Türkei nicht auf die Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung beschränkt sei und sich das Vorgehen gegen den Kläger in erster Linie darauf richte, dass er und seine Kollegen nicht regierungskonform eingestellt gewesen seien und somit wie der türkische Staatspräsident angekündigt habe, „gesäubert“ haben werden müssen. Zudem habe die Beklagte die Bedeutung der Militärschule nicht (hinreichend) berücksichtigt. Demnach habe der türkische Verteidigungsminister öffentlich erklärt, dass 95% der Militärschüler der Gülen-Bewegung zugehören würden. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens legte der Kläger eine Vielzahl von Beweismitteln vor, die belegen würden, dass gegen den Kläger bei der Oberstaatsanwaltschaft Bursa unter dem Aktenzeichen 2020/104992 ein Ermittlungsverfahren wegen der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation („FETÖ“; Gülen-Bewegung) geführt werde.
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen,
ihm den subsidiären Schutz zu zuerkennen,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
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Die Beklagte stellt keinen Antrag.
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Mit Beschluss vom 25. Juni 2020 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Zum 1. Januar 2022 wurde das Verfahren von der 28. Kammer übernommen.
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Am 26. August 2022 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der der Kläger persönlich angehört und befragt wurde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden, da sie zum Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden ist.
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2. Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache Erfolg.
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Der Kläger hat im insoweit gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihn unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Wegen der einzelnen rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den §§ 3 - 3d AsylG wird auf die Darstellung im angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG wird gewährt, wenn dem Betroffenen bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Rechtsverletzungen durch seinen Herkunftsstaat drohen, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzen, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in sein Heimatland zurückzukehren (vgl. BVerfG, U.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - juris Rn. 38 ff.). Als Asylberechtigter kann allerdings nicht anerkannt werden, wer über einen sicheren Drittstaat i.S.d. Art. 16a Abs. 2 GG in die Bundesrepublik eingereist ist oder wer aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.d Art. 16a Abs. 3 GG stammt.
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Gemessen hieran ist der Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen.
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Im Fall des Klägers ist zwar keine Vorverfolgung gegeben, da gegen ihn bis zu seiner Ausreise noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war und er die Türkei auf legalem Wege mittels Flugzeug verlassen konnte. Eine asyl- und flüchtlingsschutzrelevante Gefährdung des Klägers im Falle der Rückkehr in die Türkei ergibt sich jedoch daraus, dass ihm dort mittlerweile mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) eine individuelle und rechtsstaatswidrige Verfolgung wegen der Zurechnung zur Gülen-Bewegung, die in der Türkei als Terrororganisation angesehen wird, droht. Dies gilt unabhängig davon, ob er tatsächlich das ihm zugeschriebene politische Merkmal - u.a. Mitgliedschaft in einer Terrororganisation - aufweist, weil ihm dieses Merkmal von seinem Verfolger jedenfalls zugeschrieben wird (vgl. § 3b Abs. 2 AsylG).
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aa) Aufgrund der vorgelegten Unterlagen aus dem Justizbereich sowie der Erkenntnisse des Einzelrichters aus der Anhörung und Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und dem dabei gewonnenen Bild von der Persönlichkeit des Klägers steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass spätestens seit 2020 gegen den Kläger in der Türkei wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation („FETÖ“, Gülen-Bewegung) ermittelt wird.
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Zwar mag die Bewertung im streitgegenständlichen Bescheid, dass der türkische Staat im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus der Türkei noch nicht konkret die Absicht gehabt oder jedenfalls noch nicht in Lauf gesetzt habe, diesen wegen vermeintlicher Beziehungen zur Gülen-Bewegung justiziell zu verfolgen, vertretbar gewesen sein. Allerdings ergeben die vom Kläger sukzessive in das gerichtliche Verfahren weiter eingebrachten Erkenntnisse, insbesondere auch die Ergebnisse der von ihm angestoßenen weiteren Ermittlungen zu seinem Fall durch Rechtsanwälte in der Türkei, dass seine damalige Befürchtung, dass auch gegen ihn ein - mutmaßlich in seinem Studium an einer Militär-Akademie seinen Anfang nehmendes - Ermittlungsverfahren geführt werden könnte, vollumfänglich berechtigt waren:
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Der Vortrag des Klägers im gerichtlichen Verfahren stellt sich als uneingeschränkt glaubhaft und vollständig überzeugend dar. Er hat dem Gericht vor allem durch die in das gerichtliche Verfahren eingereichten Erklärungen und Dokumente und sodann auch durch seine persönliche Darstellung in der mündlichen Verhandlung ein umfassendes, detailliertes, schlüssiges und damit insgesamt überzeugendes Bild vom Vorgehen des türkischen Staates gegenüber seiner Person gegeben. Der Kläger beantwortete die Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung spontan, detailliert, mit einer umfassenden Beleuchtung von Hintergründen und Zusammenhängen, ohne übertriebenen Eifer und damit inhaltlich wie auch nach der Art und Weise des persönlichen Vortrags insgesamt voll überzeugend. Die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren sukzessive vorgelegten Unterlagen aus dem türkischen Justizbereich, ausweislich derer gegen den Kläger bei der Oberstaatsanwaltschaft Bursa unter dem Aktenzeichen 2020/104992 ein Ermittlungsverfahren wegen der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation („FETÖ“; Gülen-Bewegung) geführt wird, hält der Einzelrichter ohne jeden Zweifel für authentisch und mithin für echt. Für die Authentizität der Dokumente spricht neben deren Umfang und äußerem Erscheinungsbild auch, dass sie sowohl inhaltlich als auch zeitlich miteinander konformgehen und sich mithin zu einem insgesamt widerspruchsfreien und umfassend aussagekräftigen Bild von der dem Kläger seitens des türkischen Staates auf Grund des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens drohenden Verfolgung verbinden. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger dem Gericht die Authentizität der Unterlagen zudem zweifelsfrei nachweisen, indem er sich in seinen persönlichen e-Devlet-Account eingeloggte und die vorgelegten Unterlagen aufrief. Dies gilt insbesondere für das bereits im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben des Gouverneursamts Bursa vom 25. März 2022, in dem das Amt gegenüber dem Verwaltungsgericht Bursa bestätigt, dass gegen den Kläger unter dem Aktenzeichen 2020/104992 ein Ermittlungsverfahren wegen der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation („FETÖ“; Gülen-Bewegung) geführt wird. Der Klägerbevollmächtigte erläuterte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung insoweit auch nochmals stimmig und nachvollziehbar, wie es zu dem Verwaltungsstreitverfahren gekommen ist, um was dort gestritten wird und, dass und weshalb das Gouverneursamt in diesem Verfahren inhaltliche Angaben zu dem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren machen musste, obwohl in dem Ermittlungsverfahren selbst wegen des dort ergangenen Einschränkungsbeschlusses wiederum keine (näheren) Auskünfte eingeholt haben werden können. Im Übrigen ist auch die Beklagte dem gesamten Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren - trotz ausdrücklicher, aber inhaltlich unbeantwortet gebliebener gerichtlicher Aufforderung - zu keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens mehr substantiiert entgegengetreten.
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Angemerkt sei zudem, dass sich die Angabe des Klägers, dass in der Zeit vor seiner Ausreise damit begonnen worden ist, verstärkt Operationen gegen Militärkadetten durchzuführen, mit den bisherigen Erfahrungen der zuständigen 28. Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle jüngerer Vergangenheit (u.a. U.v. 18.5.2022 - M 28 K 19.33928; U.v. 5.5.2022 - M 28 K 19.34615; U.v. 5.5.2022 - M 28 K 19.34616; U.v. 12.4.2022 - M 28 K 20.31068) sowie den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln des Gerichts (vgl. etwa: Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation vom 6.12.2021, Türkei, S. 15 ff.) deckt.
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bb) Bei dieser Sachlage droht dem Kläger im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung durch ein rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügendes Strafverfahren sowie eine unverhältnismäßige Strafverfolgung.
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Zwar kann allein aus dem Akt der Strafverfolgung nicht darauf geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei staatlichen Maßnahmen, die allein dem - grundsätzlich legitimen - staatlichen Rechtsgüterschutz, etwa im Bereich der Terrorismusbekämpfung, dienen oder die nicht über das hinausgehen, was auch bei der Ahndung sonstiger krimineller Taten ohne politischen Bezug regelmäßig angewandt wird, nicht von politischer Verfolgung auszugehen. Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann jedoch in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (sog. „Politmalus“; BVerfG, B.v. 27.4.2004 - 2 BvR 1318/03 - juris Rn. 16; B.v. 4.12.2012 - 2 BvR 2954/09 - juris Rn. 24). Eine besondere Intensität der Verfolgungsmaßnahmen ist ein Indiz für das Vorliegen eines sog. Politmalus (vgl. BVerfG, B.v. 29.4.2009 - 2 BvR 78/08 - juris Rn. 18).
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Nach Auswertung der derzeit verfügbaren Erkenntnismittel für die Republik Türkei kann nach wie vor nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit davon ausgegangen werden, dass dort mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen (vermeintliche) Mitglieder und Unterstützer von Organisationen wie etwa der PKK, der DHKP-C oder der Gülen-Bewegung („FETÖ“), die in das Visier der türkischen Sicherheitsbehörden geraten, vorgegangen wird. Es bestehen insbesondere erhebliche Zweifel an der richterlichen Unabhängigkeit und an der fairen Prozessführung; so droht etwa mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung unter Missachtung des Schuldprinzips. Hinzu kommen in diesen Fällen (teils gravierende) Mängel bei den Verteidigungsmöglichkeiten und sonstige Repressionen (vgl. zu den Einzelheiten: Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation vom 6.12.2021, Türkei, S. 41 ff. sowie VG Karlsruhe, U.v. 2.12.2021 - A 2 K 2134/19 - juris; VG Magdeburg, U.v. 5.10.2021 - 7 A 55/18 MD - juris; VG Kassel, U.v. 24.6.2021 - 5 K 2481/19.KS.A - juris; VG Halle, U.v. 28.6.2021 - 6 A 556/17 HAL - juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 30.3.2021 - 14a K 4994/17.A - juris.).
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Da in einem solchen Fall der (zugeschriebenen) Unterstützung der Gülen-Bewegung von einem nicht nur regionalen, sondern landesweiten staatlichen Ergreifungsinteresse auszugehen ist, steht dem Kläger im Übrigen auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
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cc) Der Kläger hat im Übrigen auch glaubhaft gemacht, auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, weshalb sein Asylanspruch auch nicht nach Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen ist. Dass der Kläger auf dem Luftweg ausreiste, steht - entgegen der Ansicht des Bundesamts - der Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung nicht entgegen. Der Kläger hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass bis zu seiner Ausreise keine Ausreisesperre gegen ihn vorgelegen habe und er die Türkei daher legal habe verlassen können.
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b) Wegen des Anspruchs des Klägers auf eine Anerkennung als Asylberechtigter bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erweist sich der streitgegenständliche Bescheid insgesamt als rechtswidrig (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Er verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten und war folglich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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c) Nachdem der Kläger bereits mit seinen Hauptanträgen in vollem Umfang Erfolg hatte, war über seine Hilfsanträge nicht mehr zu entscheiden.
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3. Der Klage war deshalb vollumfänglich stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.