Titel:
Corona-Pandemie;, Geltungsdauer des Genesenennachweises;, Unzulässige Anträge, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Normenketten:
VwGO § 123
SchAusnahmV § 2 Nr. 4
CoronaEinreiseV § 2 Nr. 7
IfSG § 22a Abs. 2
16. BayIfSMV
Schlagworte:
Corona-Pandemie;, Geltungsdauer des Genesenennachweises;, Unzulässige Anträge, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27680
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Verkürzung der Gültigkeitsdauer des Genesenenstatus von sechs Monaten auf 90 Tage.
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Die Antragsteller verfügen über Digitale COVID-Zertifikate der EU, aus denen hervorgeht, dass sie am … November 2022 (Antragsteller zu 1) und … November 2022 (Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) jeweils positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurden und bis zum … Mai 2022 (Antragsteller zu 1) und … Mai 2022 (Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) als genesen gelten.
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Auf nationaler Ebene galten bis zum 14. Januar 2022 gemäß § 2 Nrn. 4 und 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung - SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) folgende Begriffsbestimmungen:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt, (…).“
(Hervorhebung nicht im Original)
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Unter der Internetadresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis (zuletzt aufgerufen am 18.3.2022) war mit dem Hinweis, dass die Vorgaben „ausschließlich vor und nach der durchgemachten Infektion nicht geimpfte Personen“ betreffen, unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Fachliche Vorgaben für Genesenennachweise, mit Wirkung vom 15.01.2022:
Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:
a) Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.
(Hervorhebung nicht im Original)
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Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom … März 2022 beantragten die Antragsteller bei Gericht:
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Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller zu 1) bis zum … Mai 2022 als genesene Person gilt und die Dauer seines Genesenenstatus nicht durch die Änderung des § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.
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Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin zu 2) bis zum … Mai 2022 als genesene Person gilt und die Dauer seines Genesenenstatus nicht durch die Änderung des § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.
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Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin zu 3) bis zum … Mai 2022 als genesene Person gilt und die Dauer seines Genesenenstatus nicht durch die Änderung des § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 14. Januar 2022 verkürzt worden ist.
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Die Antragsteller seien nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in seiner Fassung vom 14. Januar 2022 sei rechtswidrig. Insoweit würden sich die Antragsteller der in den Beschlüssen vom 22. Februar 2022 (M 26a E 22.662, M 26a E 22.663, M 26b E 22.730) geäußerten Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 03.03.2022 - 20 CE 22.536 -) anschließen. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Die besondere Eilbedürftigkeit bestehe für die Antragsteller darin, dass sie ohne einen Nachweis über einen Genesenenstatus aufgrund der 2G-Maßnahmen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in ihrer aktuellen Fassung nach Maßgabe der Änderungsverordnung vom 3. März 2022 von wesentlichen Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen seien und ihnen daher ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden könne.
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Der Antragsgegner führte mit Schreiben vom 16. März 2022 aus, dass vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 3.3.2022 - 20 CE 22.536) derzeit davon ausgegangen werde, dass der Genesenenstatus bis zu einer Neufassung des § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV bzw. bis zu einer anderweitigen Regelung des Genesenenstatus durch den Bund, sechs Monate betrage. Bis zu einer Änderung durch den Bund werde der Antragsgegner im Rahmen des Vollzugs nach dem Opportunitätsgrundsatz vorübergehend auf die Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. Erhebung von Bußgeldern bei Verstößen gegen die 15. BayIfSMV in den Fällen verzichten, in denen der positive PCR-Test mehr als 90 Tage, aber weniger als 6 Monate zurückliege. Da der Bund bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt habe, in dem er u.a. den Genesenenbegriff künftig unmittelbar selbst im IfSG regeln und der Zeitraum weiterhin auf maximal 90 Tage beschränkt sein werde. Da der rein formale Mangel in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV aller Voraussicht nach spätestens nächste Woche behoben sein werde, bestehe schon kein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller. Spätestens mit Abschluss des genannten Gesetzgebungsverfahrens werde auch kein Anordnungsanspruch bestehen. Auch der vorgetragene Anordnungsgrund werde jedenfalls mit Inkrafttreten des genannten Gesetzentwurfes nicht bestehen, denn auch die aufgeführten 2G-Zutrittsregelungen werden zu diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nach ebenfalls nicht mehr bestehen.
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Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 478) wurde mit Wirkung zum 19. März 2022 § 2 Nr. 5 SchAusnahmV aufgehoben und § 2 Nr. 4 SchAusnahmV wie folgt gefasst:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises im Sinne von § 22a Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes ist“
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Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsgeschehens und anderer Vorschriften vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 467) wurde in das Infektionsschutzgesetz mit Wirkung zum 19. März 2022 § 22a Abs. 2 eingefügt, der folgenden Inhalt hat:
„Ein Genesenennachweis ist ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn
1. die vorherige Infektion durch einen Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-NAAT oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) nachgewiesen wurde und 27
2. die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt.“
(Hervorhebung nicht im Original)
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Mit Schreiben vom 18. März 2022 wies das Gericht den Bevollmächtigten der Antragsteller daraufhin, dass angesichts der Ausführungen des Antragsgegners im Schreiben vom 16. März 2022 für den von den Antragstellern gegenüber dem Gericht geltend gemachten Begehren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe, und regte an, das Verfahren für erledigt zu erklären oder den mit Schreiben vom 10. März 2022 gestellten Eilantrag zurückzunehmen.
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Mit Schriftsatz vom … März 2022 teilte der Bevollmächtigte der Antragsteller mit, dass an dem Antrag festgehalten werde. Angesichts der gesetzlichen Regelung in § 22a Abs. 1 und Abs. 2 IfSG die Zusicherung des Antragsgegners vom 16. März 2022 hinfällig sei, so dass das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller wieder gegeben sei. Auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage seien sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch gegeben, da § 22a Abs. 2 IfSG in seiner am 19. März 2022 in Kraft getretenen Fassung rechtswidrig sei und die Antragsteller in ihren Rechten verletzte, was näher ausgeführt wurde. Die besondere Eilbedürftigkeit bestehe für die Antragsteller darin, dass sie ohne einen Nachweis über einen Genesenenstatus von weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen seien. Der Antragsgegner habe durch den Erlass der §§ 1, 2 und 3 der Verordnung vom 18. März 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 176) die BayIfSMV geändert und damit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, noch bis zum 2. April 2022 Zugangsbeschränkungen im Bereich der 2G-, 3G- und 3G+ Regeln (§§ 3 bis 5 der 15. BayIfSMV) aufrechtzuerhalten.
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Mit der 16. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) mit Geltung ab 3. April 2022 wurden die bis dahin bestehenden Einschränkungen für nicht gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 Geimpfte und nicht Genesene im Wesentlichen aufgehoben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
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1. Die Anträge der Antragsteller, die auf vorläufige Feststellung gerichtet sind, dass sie bis zum … Mai 2022 bzw. … Mai 2022 als genesene Personen im Sinne des § 2 Nr. 4 SchAusnahmV gelten, haben keinen Erfolg. Sie sind bereits unzulässig, da den Antragstellern zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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1.1. In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - juris Rn. 16 m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem für Klagen und Anträge, deren Erfolg die Rechtsstellung des Klägers bzw. Antragstellers nicht verbessern würde (Eyermann, VwGO vor § 40 Rn. 16, beck-online). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen.
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1.2. So liegt es hier. Soweit die Antragsteller vorgetragen haben, dass sie ohne einen Nachweis über einen Genesenenstatus aufgrund der 2G-Maßnahmen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in ihrer aktuellen Fassung nach Maßgabe der Änderungsverordnung vom 3. März 2022 von wesentlichen Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen seien und das dies auch nach Erlass der §§ 1, 2 und 3 der 15. BayIfSMV vom 18. März 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 176) weiterhin der Fall sei, da der Verordnungsgeber damit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, noch bis zum 2. April 2022 Zugangsbeschränkungen im Bereich der 2G-, 3G- und 3G+ Regeln (§§ 3 bis 5 der 15. BayIfSMV) aufrechtzuerhalten, kann diesem Vorbringen nach Inkrafttreten der Sechzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (16. BayIfSMV) vom 1. April 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 210) am 3. April 2022 nicht mehr gefolgt werden.
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Mit Inkrafttreten der 16. BayIfSMV sind die bislang bestehenden Einschränkungen für ungeimpfte und nicht genesene Personen weitgehend entfallen. Vielmehr besteht für volljährige Personen nur noch eine punktuell geltende 3G-Pflicht, soweit es den Zugang zu Einrichtungen, in denen vermehrt Personen anzutreffen sind, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen COVID-19-Krankheitsverlauf haben (vgl. § 3 der 16. BayIfSMV), betrifft sowie für den Zugang und die Tätigkeit in Schulen und Kindertageseinrichtungen für Lehrkräfte, an Schulen tätige Personen, Beschäftigte der Einrichtungen und Dritte (vgl. §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 3 und Abs. 4 der 16. BayIfSMV). Dass die Antragsteller von diesen Regelungen konkret betroffen sind, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Im Übrigen stünde den Antragstellern die Möglichkeit der Vorlage eines Testnachweises offen, der kostenlos durchgeführt werden kann (§ 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung - TestV).
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1.3. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsteller ihre Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits am 10. März 2022 bei Gericht gestellt haben, da - wie oben bereits ausgeführt - maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Anträge, die auch das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses umfasst, der der gerichtlichen Entscheidung ist. Für diese Verfahrenskonstellationen besteht - auch zur Vermeidung kostenrechtlicher Nachteile - die Möglichkeit, an einem gestellten Antrag bei veränderten Umständen wie einer geänderten Rechtslage nicht mehr festzuhalten, sondern diesen zurückzunehmen oder die Hauptsache für erledigt zu erklären. Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 18. März 2022 wird insoweit verwiesen.
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2. Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da mehrere Antragsteller gemeinschaftlich gegen den Antragsgegner vorgehen, ohne eine Rechtsgemeinschaft zu sein, werden die Streitwerte der einzelnen Anträge addiert. Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint eine Anhebung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angebracht. Die Streitwertfestsetzung dient der nachfolgenden Berechnung der Höhe der zu tragenden Verfahrenskosten.