Titel:
Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizei
Normenketten:
ZPO §§ 114 ff.
VwGO § 166
PAG Art. 54 Abs. 1, Abs. 2, Art. 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
StGB § 129a, § 129b
StPO § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Für eine Klage auf Löschung personenbezogener Daten durch die Polizei wegen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Berechnung der Löschungsfrist und die Frage, ob Fall von geringerer Bedeutung vorliegt, im Hauptsacheverfahren zu klären sind. (Rn. 44 und 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizei, Strafrechtliches Ermittlungsverfahren (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung), Absehen von der Verfolgung im Inland, Gefahrenabwehr, Bezug des Klägers zur radikal-islamistischen Palästinenserorganisation, Hamas, Angaben im Asylverfahren des Klägers, Anspruch auf Löschung der Daten nach Ablauf der Regelfrist, Beginn des Laufs der Regelfrist, offen im Falle des Auseinanderfallens von Tatzeitraum und Bekanntwerden im Inland, ausländische terroristische Vereinigung, radikal-islamistische Palästinenserorganisation, Eintragung im Kriminalaktennachweis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27653
Tenor
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Herr Rechtsanwalt, beigeordnet.
Gründe
1
Der Kläger verfolgt einen Anspruch auf die Löschung einer Eintragung im Kriminalaktennachweis (KAN) sowie auf die Löschung von Daten im Integrationsverfahren Polizei (IGVP), der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei.
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1. Für die Person des Klägers ist im KAN ein Eintrag mit nachfolgendem Text vorhanden:
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„03.03.2017 (…) Personenüberprüfung in Staatsschutzsachen (Maßnahme)
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01.01.2009 (…) Bildung terroristischer Vereinigung im Ausland (StGB § 129b)
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Anlass: Gewalttäter politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie (Gefahrenabwehr)
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Zweck: Kontrolle, soweit nach Polizeirecht zulässig
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Vermerk: anlässlich BAMF-Anhörung gibt BER u.a. an, dass er durch die HAMAS zwangsrekrutiert und an Waffen ausgebildet worden sein soll. Die Ermittlungen erbrachten keinerlei Hinweise auf eine radikal-religiöse Einstellung bzw. eine erhöhte Gefährdungslage durch den BER
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Im IGVP ist für die Person des Klägers, neben sieben weiteren Eintragungen, folgender Eintrag in Bezug auf den vorgenannten KAN-Eintrag enthalten:
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Besitzende Dienststelle: KPI (Z) (…)
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Tatort Ortsname: unbekannt
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Delikte: Aufklär. krim. islamistischer Strukturen
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Ergänzende Angaben: Anlässlich BAMF-Anhörung gibt Betroffener u.a. an, dass er durch die HAMAS rekrutiert und an Waffen ausgebildet worden sein soll. Die Ermittlungen erbrachten keinerlei Hinweise auf eine radikal-religiöse Einstellung bzw. eine erhöhte Gefährdungslage durch den Betroffener.
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GBA eröffnet Ermittlungsverfahren gem. §§ 129a, 129b StGB, sieht jedoch gem. § 153 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO von der Verfolgung ab.“
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. April 2021 ließ der Kläger beim Landeskriminalamt die Löschung der Eintragungen in polizeilichen Datensystemen beantragen, soweit darin eine Verbindung des Klägers zur Hamas-Bewegung in Palästina genannt bzw. der Kläger als Gefährder bezeichnet sei. Der Kläger halte sich seit mehreren Jahren unbeanstandet im Bundesgebiet auf und sei mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Mit der Hamas habe der Kläger nichts zu tun, er lehne Gewaltanwendung ab.
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Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 teilte das Landeskriminalamt dem Kläger die in den Datenbeständen der Polizei - Landes-KAN und IGVP - vorhandenen Eintragungen mit und lehnte die Löschung der personenbezogenen Daten des Klägers, die ihn in Verbindung zur radikal-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas bringen, ab.
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Die Polizei könne Daten von Personen, die einer Straftat verdächtig seien, speichern, soweit dies zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Eine Löschung dieser zulässigen Datenspeicherung erfolge nach Ablauf der Regelfristen. Vorliegend hätten sich aus der Anhörung des Klägers im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausreichende Hinweise auf eine Gefahrenlage ergeben. Die weitere Fahndungsnotierung bis zum Ablauf der Regelfrist diene der Gefahrenabwehr, insbesondere durch den Hinweis auf die Waffenausbildung des Klägers aus Gründen der Sicherung der vor Ort tätigen Polizeibeamten. Die Speicherung im IGVP orientiere sich hinsichtlich der Löschung an der weiteren Speicherung im KAN.
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2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. November 2021 ließ der Kläger rechtzeitig Klage erheben.
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Für die Person des Klägers lägen keine Hinweise auf eine radikal-religiöse Einstellung bzw. auf eine erhöhte Gefährdungslage vor. Davon gehe nach der Mitteilung des Landeskriminalamts auch die Polizei aus. Damit sei der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht entfallen, der Kläger könne einen Anspruch auf die Löschung der Daten im KAN nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG geltend machen. Für die Eintragungen in den sonstigen Datensammlungen der Polizei, insbesondere für die Eintragung im IGVP, bestehe der Löschungsanspruch aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG. Die Datensätze, die den Kläger in Verbindung zur radikal-islamistischen Palästinenserorganisation HAMAS bringen, seien deshalb zu löschen.
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Der Kläger lässt beantragen,
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den Beklagten zu verpflichten, die den Kläger in Verbindung zur radikal-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas bringenden Eintragungen im Bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) den bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems und Integrationsverfahren der Polizei (IGVP) zu löschen.
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Für das Klageverfahren ist unter Vorlage der notwendigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Eintragung im KAN beruhe auf den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen des von ihm betriebenen Asylverfahrens. Die Fahndungsnotierung diene der Gefahrenabwehr, insbesondere sei die weitere Speicherung zur Waffenausbildung des Klägers aus Gründen der Eigensicherung der Polizeibeamten bei einer eventuellen Kontrolle und dabei möglichen Konfliktsituationen notwendig. Der Vermerk zur Fahndungsnotierung im KAN trage den persönlichen Belangen des Klägers Rechnung.
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Ergänzend zur vorgelegten Behördenakte übermittelte der Beklagte Unterlagen zu den Ermittlungserkenntnissen der Kriminalpolizei zur Person des Klägers, der Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts sowie das Protokoll der Anhörung des Klägers durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Asylverfahrens.
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Auf die vorgenannten Unterlagen wird verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist erfolgreich. Für die zulässig erhobene Klage bestehen hinreichende Erfolgsaussichten i.S.d. § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) für den geltend gemachten Anspruch auf die Löschung der Daten zur Person des Klägers im KAN sowie auf die Löschung des darauf bezogenen Datensatzes im IGVP.
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 - NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ, a.a.O., Rn. 38).
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1. Die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage sind hinsichtlich des Löschungsanspruchs der Speicherung der Fahndungsnotierung im KAN zu bejahen.
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a) Die polizeiliche Befugnis zur Datenspeicherung im KAN ergibt sich aus Art. 54 Abs. 2 PAG. Nach dieser Norm, die eine Spezialregelung zur generellen Befugnisnorm in Art. 54 Abs. 1 KAG für die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei enthält, ist die Speicherung personenbezogener „Daten, die die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben,“ in Polizeiakten erlaubt. Diese Speicherung muss sich auf die „Gefahrenabwehr in Form der Verhütung oder Unterbindung von Straftaten oder auf die Strafverfolgung beziehen“ (Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Aufl. 2020, Art. 54 Rn. 1 f.).
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Vorliegend hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) im Asylverfahren vorgetragen, dass er als Jugendlicher bzw. Heranwachsender in Gaza von der Hamas zwangsrekrutiert und auch an Waffen ausgebildet worden ist (Anhörung vor dem Bundesamt am 3.3.2017; Bl. 51 ff. der Gerichtsakte). Diese Angaben des Klägers haben zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt wegen des „Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB geführt. Ergebnis dieses Ermittlungsverfahrens war nach den Feststellungen der Strafverfolgungsbehörde, dass aufgrund der Angaben des Klägers vor dem BAMF „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür bestehen, dass der strafmündige Kläger „an der ausländischen terroristischen Vereinigung Hamas als Mitglied beteiligt“ war (Vermerk des Generalbundesanwalts vom 6.9.2017; Bl. 55 ff. der Gerichtsakte).
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Diese im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewonnenen personenbezogenen Daten des Klägers konnte der Beklagte somit in den Kriminalakten speichern (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG).
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b) Die weitere Speicherung setzt voraus, dass die Speicherung „zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist“ (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 a.E. PAG). Damit ist eine Begrenzung der Speicherung personenbezogener Daten im Kriminalakt auf diejenigen Daten verbunden, die sich auf die „Gefahrenabwehr in Form der Verhütung oder Unterbindung von Straftaten oder auf die Strafverfolgung beziehen“ (Schmidbauer, PAG/POG, Art. 54 Rn. 18). Der Zweck der Speicherung liegt somit in der zukünftigen Gefahrenabwehr (Schmidbauer a.a.O. Rn. 24).
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Ausgehend von den strafrechtlichen Ermittlungen, die auf den eigenen Angaben des Klägers im Asylverfahren beruhen, bestand ein hinreichender Tatverdacht für die Begehung einer Straftat durch den Kläger. Das Absehen von der Verfolgung der Tat nach § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 StPO durch den Generalbundesanwalt (Verfügung vom 6.9.2017; Bl. 55 ff. der Gerichtsakte) wegen der Begehung der Straftat im Ausland lässt den Tatverdacht nicht entfallen (st. Rspr., zuletzt BayVGH, B.v. 17.3.2022 - 10 ZB 21.3222 - juris Rn. 6).
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Ohne Bedeutung ist es insoweit auch, dass nach dem vom Beklagten vorgelegten, und der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vorausgehendem Ermittlungsergebnis nach Auffassung der Polizei keinerlei Hinweise zu einer „religiös-radikalen Einstellung“ bzw. zum Vorliegen eines erhöhten Gefährdungspotentials in der Person des Klägers bestehen (Ermittlungsergebnis der Kriminalpolizeiinspektion (Z) vom 21.7.2017, S. 6; Bl. 48/50 R der Gerichtsakte). Denn auch trotz dieser Feststellungen kann die Polizei regelmäßig auf der Grundlage der durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen nach der Beendigung des Strafverfahrens nach § 153c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO ohne eine weitere eigenständige Prüfung zum Bestehen eines Restverdachts von der Tatbegehung des Klägers und damit von einem hinreichenden Tatverdacht i.S.d. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG und dem weiteren Bestehen des Restverdachts i.S.d. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG ausgehen (ausführlich VG Ansbach, U.v. 2.11.2021 - AN 15 K 20.00528 - BeckRS 2021, 37860 Rn. 37; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.6.2013 - 10 C 13.62 - juris Rn. 5).
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c) Die von der Polizei damit zulässig gespeicherten Daten sind nach Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen zu löschen. Dabei beträgt die Regellöschungsfrist für die Kriminalakten bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre. Da der Kläger die Straftaten nach den Feststellungen im Strafverfahren in den Jahren 2009 bis 2014 begangen und der Kläger - Geburtsjahrgang 1994 - zum Tatzeitpunkt noch Jugendlicher bzw. Heranwachsender gewesen ist, sind die personenbezogenen Daten im KAN damit regelmäßig nach fünf Jahren zu löschen.
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Die (Regel-) Frist für die Löschung beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist (Art. 54 Abs. 2 Satz 5 PAG). Der Beklagte geht - ohne weitere Begründung im angefochtenen Bescheid - vorliegend nach dem Eintrag im KAN insoweit davon aus, dass das letzte gespeicherte Ereignis im Jahr 2017 - dem Zeitpunkt der Anhörung des Klägers durch das Bundesamt - stattgefunden hat und von diesem Zeitpunkt aus sich die Löschungsfrist (im Oktober 2022) errechnet.
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Ob diese Berechnung der Löschungsfrist zutreffend ist, bedarf der weiteren Klärung im Hauptsacheverfahren, der Ausgang des Klageverfahrens ist insoweit als offen anzusehen. Die vom Kläger begangenen Straftaten beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Jahr 2014, in dem der Kläger aus Gaza geflohen und sich somit der Zwangsrekrutierung durch die Hamas entzogen hat. Auch wenn das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers erst durch die Anhörung vor dem Bundesamt bekannt geworden ist, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob das für die Fristberechnung i.S.d. Art. 54 Abs. 2 Satz 5 PAG maßgeblich letzte Ereignis mit der Beendigung der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung anzusetzen ist. In diesem Fall wäre die Regelfrist zur Löschung bereits abgelaufen.
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d) Unabhängig vom Vorstehenden ist vorliegend aber jedenfalls weiter zu klären, ob der Kläger einen Anspruch auf die Prüfung der Erforderlichkeit der weiteren Speicherung seiner Daten auch schon vor dem (regelmäßigen) Fristablauf geltend machen kann. Insoweit kann sich der Kläger möglicherweise im konkreten Einzelfall auf einen subjektiven Rechtsanspruch aus Art. 54 Abs. 2 Satz 4 PAG berufen (vgl. Schmidbauer, PAG/POG, Art. 54 Rn. 41). Denn im Hinblick auf die über das Strafverfahren hinausgehenden Erkenntnisse des Beklagten könnte vorliegend ein Fall von geringerer Bedeutung zu bejahen sein. Im Hauptsacheverfahren wird deshalb zu klären sein, ob die gesetzlichen Voraussetzungen insoweit vorliegen.
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2. Die Speicherung im IGVP findet ihre Grundlage in Art. 54 Abs. 1 PAG, wonach die Polizei personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern und verarbeiten kann, soweit dies unter anderem (3. Alternative in Art. 54 Abs. 1 PAG) zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Diese Polizeiakten (vgl. Schmidbauer, PAG/POG, Art. 54 Rn. 2 und Rn. 13) dienen der Aufgabenerfüllung der Polizei, eine Verknüpfung mit dem Kriminalakt nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG ist unzulässig (Schmidbauer a.a.O. Rn. 15).
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a) Die Speicherung des vom Kläger angegriffenen Eintrags im IGVP in Bezug auf seine Verbindungen zur radikal-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas ist zu Recht erfolgt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (zu 1. a) und b)) Bezug genommen werden, die Speicherung des Vorgangs dient der Gefahrenabwehr. Insbesondere sind die auf den eigenen Angaben des Klägers in seiner Anhörung vor dem Bundesamt beruhenden Erkenntnisse zur Zwangsrekrutierung durch die Hamas und seine Ausbildung an Waffen während seiner Mitgliedschaft nicht unrichtig, was dem Grunde nach jedoch auch für die Speicherung (die Frage einer Berichtigung der Datenspeicherung ist vorliegend nicht streitgegenständlich) in der Vorgangsverwaltung nicht maßgebliches Kriterium ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2006 - 24 ZB 05.3074 - juris Rn. 21 f.).
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b) Ob zugunsten des Klägers ein Anspruch auf Löschung dieser Datenspeicherung besteht, ist am Maßstab des Art. 62 Abs. 2 PAG zu prüfen (Schmidbauer, PAG/POG, Art. 54 Rn. 16).
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Vorliegend kann sich für die zulässige Datenspeicherung ein Löschungsanspruch nur aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG ergeben, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei verweist die Vorschrift auf die Regelfristen aus Art. 54 Abs. 2 Satz 3 bis Satz 5 PAG, wonach ein Löschungsanspruch vorliegend regelmäßig nach dem Ablauf von fünf Jahren besteht.
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Im vorliegenden Verfahren zur Gewährung von Prozesskostenhilfe kann es dabei dahingestellt bleiben, welcher Zeitpunkt als Beginn für die Berechnung der Frist (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Satz 5 PAG) zugrunde zu legen ist. Denn selbst wenn für die Vorgangsverwaltung möglicherweise als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der Löschungsfrist auf das Bekanntwerden der Angaben des Klägers vor dem Bundesamt - und damit auf einen möglicherweise späteren Zeitpunkt als für die Löschung des Eintrags im KAN (vgl. oben zu 1. c)) - abzustellen ist, ist hinsichtlich des insoweit verfolgten Löschungsanspruchs in Bezug auf den Eintrag im IGVP von hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage auszugehen. Denn jedenfalls auch mit dem (insoweit noch in der Hauptsache zu klärenden) Ablauf der Löschungsfrist für den KAN ist eine weitere Datenspeicherung in der Vorgangsverwaltung nicht mehr notwendig.
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3. Dem nach der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.d. § 114 Abs. Satz 1 ZPO mittellosen Kläger war damit Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und der vertretungsbereite Bevollmächtigte beizuordnen.