Titel:
Widerruf einer Waffenbesitzkarte - Verstöße gegen Aufbewahrungsvorschriften im Wohnhaus
Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, Abs. 2 Nr. 5, § 36, § 45 Abs. 5
AWaffV § 13
Leitsatz:
§ 36 WaffG verbietet es dem Waffenbesitzer zwar nicht, in der eigenen Wohnung und dem eigenen befriedeten Besitztum seine Waffen bei sich zu tragen, solange er die tatsächliche Kontrolle über die Waffe hat und die erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Der Waffenbesitzer verstößt jedoch gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften, wenn er mehrere Waffen und Munition an verschiedenen Stellen offen im Obergeschoss seines Hauses liegen lässt und sich zudem in einem dieser Zimmer in sein Bett legt und richtig schläft bzw. sich aus diesen Zimmer entfernt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Waffenbesitzkarte, Waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Aufbewahrungsverstöße, Gesetzlicher Sofortvollzug
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 14.07.2022 – M 7 S 22.2068
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27402
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs seiner Waffenbesitzkarte.
2
Er ist seit 22. August 2003 Inhaber eines Jagdscheins, der noch bis 31. März 2024 Gültigkeit besitzt. In seiner Waffenbesitzkarte Nr. … sind zwei Flinten, zwei Büchsen und ein Revolver eingetragen. Darüber hinaus besitzt der Antragsteller noch verschiedene erlaubnisfreie Waffen (Druckluftgewehre, Schreckschusspistole).
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Am 29. September 2021 durchsuchte die Polizei um ca. 9:20 Uhr das Wohnanwesen des Antragstellers. Dabei fanden die Polizisten die Waffen zum Teil griffbereit in verschiedene Räumen und in einer unversperrten Schublade. Munition lag in Schränken sowie offen in Regalen und auf Fensterbrettern.
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Der Antragsteller machte geltend, er habe sowohl um ca. 2:00 Uhr als auch ca. zehn Minuten vor Eintreffen der Einsatzkräfte vom Balkon aus mit einem Gewehr auf einen Marder und einen Fuchs geschossen, was ihm gemäß seiner Erlaubnis vom 27. Mai 2021 zum Fangen und Erlegen von Haarraubwild im befriedeten Bezirk gestattet sei.
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Nach Anhörung des Antragstellers widerrief das Landratsamt G.-P. (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 9. März 2022 die Waffenbesitzkarte Nr. … und traf verschiedene Nebenanordnungen. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, der Antragsteller sei waffenrechtlich unzuverlässig, da er Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahrt habe.
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Über die gegen den Bescheid vom 9. März 2022 erhobene Klage (Az. M 7 K 22.2065) hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Juli 2022 abgelehnt. Die Klage werde bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben. Die bei der Hausdurchsuchung festgestellte Aufbewahrungssituation rechtfertige in der Gesamtschau die Annahme, dass der Antragsteller seine Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahre und deshalb waffenrechtlich unzuverlässig sei. Im Übrigen überwiege im Falle eines gesetzlichen Sofortvollzugs unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse. Der Antragsteller habe keine Gründe vorgetragen, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste.
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Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, die beiden Langwaffen im Schlafzimmer, die Schrotpatronen und die Schachtel Patronenmunition auf der Fensterbank sowie die Patronen im Kleiderschrank des Ankleidezimmers stünden in unmittelbarem Zusammenhang und seien als Einheit zu betrachten. Er habe sich in den Stunden vor der Durchsuchung in diesen Räumen aufgehalten, um von dort aus auf einen Marder oder Fuchs zu schießen. In der konkreten Jagdsituation wäre es völlig lebensfremd, die Waffen und die Munition nach jedem Schuss wieder in ein Behältnis zu sperren. Auch bei der Jagd von einem Jägerstand könne der Betroffene nicht stets seine Waffe ein- und auspacken. Zum Beweis dafür werde ein Sachverständigengutachten angeboten. Der Antragsteller bemühe sich derzeit um eine entsprechende Stellungnahme des Bayerischen Jagdverbandes. Das Jagdrecht kenne die Schussbereitschaft sowie die Zugriffsbereitschaft. Unter letzterem werde verstanden, wenn sich die Waffe nicht in einem verschlossenen Behältnis befinde und mit wenigen Handgriffen unmittelbar in Anschlag gebracht werden könne. Dieser Situation entspreche die Örtlichkeit im Obergeschoss des Anwesens des Antragstellers, was anhand des beigefügten Grundrisses leicht zu erkennen sei. Dabei könne auch davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller, der sich im gesamten Zeitraum im Schlafzimmer aufgehalten habe, auch nicht tief und fest geschlafen habe, sondern auf entsprechende Geräusche des Wilds geachtet und allenfalls gelegentlich kurz eingenickt sei. Er habe den Polizisten die Tür geöffnet und sei davon ausgegangen, dass es sich um den Postboten handele, der das Haus nicht betrete. Die Patronen in der Schublade des Buffetschranks im Keller seien dort wohl liegen geblieben, dabei handele es sich lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts. Die Schreckschusswaffe müsse nicht in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt werden. Das Druckluftgewehr habe der Antragsteller seit Jahren nicht benutzt und es habe sich mit den anderen Langwaffen im Waffenschrank befunden. Es treffe nicht zu, dass das Luftgewehr bei der Hausdurchsuchung auf dem Sessel gelegen habe. Es habe sich auch nicht in der Speisekammer befunden. Das Druckluftgewehr in der Garage sei defekt gewesen und habe nicht gespannt werden können. Der Antragsteller lebe alleine in dem Haus und habe allenfalls an der Hauseingangstür oder im Erdgeschoss Kontakt mit anderen Personen. Es könne daher in Abwägung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und der situativen Nachlässigkeit ohne jegliche Gefährdung für Dritte die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
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1. Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 5 des Waffengesetzes i.d.F.d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz in der Regel zu widerrufen, wenn Personen wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze, also des Waffengesetzes, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des Sprengstoffgesetzes oder des Bundesjagdgesetzes verstoßen haben. Bei summarischer Prüfung hat der Antragsteller gröblich gegen die Aufbewahrungspflichten aus § 36 WaffG i.V.m. § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung i.d.F.d. Bek. vom 27. Oktober 2003 (AWaffV, BGBl I S. 2123), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. September 2020 (BGBl I S. 1977), verstoßen, indem er Waffen und Munition an verschiedenen Stellen offen in seiner Wohnung liegen gelassen hat. Seine Ausführungen, die Situation in seinem Schlaf- und Ankleidezimmer sei mit der Situation auf einem Jägerstand vergleichbar, überzeugen nicht. Es mag sein, dass ein Jäger auf einem Jägerstand gelegentlich einnickt. Dabei hat er aber seine Waffe stets bei der Hand und hat daher die Kontrolle darüber. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Antragsteller sich nach dem Schuss um ca. 2:00 Uhr in sein Bett gelegt und richtig geschlafen hat und die Waffen in dieser Zeit an seiner Kommode gelehnt standen. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft dargelegt, dass er bis zum Läuten an der Haustür durch die Polizei den ganzen Morgen in seinem Schlaf- und Ankleidezimmer verbracht hat und sich z.B. auch nicht zum Frühstücken daraus entfernt hat. Damit ist bei summarischer Prüfung den Aufbewahrungsvorschriften nicht genüge getan, selbst wenn der Antragsteller alleine in seinem Haus wohnt. Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass § 36 WaffG es zwar nicht verbietet, in der eigenen Wohnung und dem eigenen befriedeten Besitztum seine Waffen bei sich zu tragen, solange der Waffenbesitzer die tatsächliche Kontrolle über die Waffe hat und die erforderlichen Vorkehrungen getroffen sind, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Das war hier aber nicht der Fall, da der Antragsteller die Waffen nicht bei sich getragen, sondern sie irgendwo abgestellt hat und die Munition griffbereit in der Nähe der Waffen lag. Er hatte daher nicht stets die tatsächliche Kontrolle über die Waffen und es kann zu keiner Zeit vollständig ausgeschlossen werden, dass Nachbarn, Bekannte, Verwandte oder auch Passanten an der Tür klingeln und eingelassen werden möchten. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen Ausnahmefall i.S.d. § 5 Abs. 2 WaffG handeln könnte, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob es sich angesichts der Auffindesituation der Waffen und der Munition um wiederholte Verstöße i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG handelt oder ob sogar ein Fall der absoluten Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG vorliegt.
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2. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht zutreffend und entscheidungstragend darauf abgestellt, dass im Falle des hier nach § 45 Abs. 5 WaffG gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs, eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unabhängig von deren Erfolgsaussichten nur dann in Betracht kommt, wenn besondere Gründe vorliegen, aus denen die Abwägung zugunsten der privaten Interessen des Antragstellers ausfallen muss. Solche Gründe hat der Antragsteller weder im erstinstanzlichen Verfahren noch mit seiner Beschwerde geltend gemacht. Seine Auffassung, es seien keine Gefahren für Dritte entstanden und deshalb könne mit der Vollziehung bis zur Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werden, widerspricht der Gesetzeslage. Er kann daher damit nicht durchdringen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).