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VG Regensburg, Urteil v. 10.05.2022 – RN 9 K 22.30449 , RO 9 K 22.30452, RO 9 K 22.30454
Titel:

Abschiebungsverbote, Zustellung, Schutzstatus, Bundesamt, Verfahren, Zuerkennung, Gerichtskosten, AufenthG, Voraussetzungen, Post, Vollstreckbarkeit, Vorlage, Schriftsatz, Kenntnis, Vermeidung von Wiederholungen

Schlagworte:
Abschiebungsverbote, Zustellung, Schutzstatus, Bundesamt, Verfahren, Zuerkennung, Gerichtskosten, AufenthG, Voraussetzungen, Post, Vollstreckbarkeit, Vorlage, Schriftsatz, Kenntnis, Vermeidung von Wiederholungen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.10.2022 – 15 ZB 22.30627
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27390

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten ihrer jeweiligen Verfahren zu tragen; für die Kläger im Verfahren RN 9 K 22.30449 gilt dies gesamtschuldnerisch. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren die Zuerkennung eines Schutzstatus.
2
Die Kläger sind georgische Staatsangehörige. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 18. oder 19. November 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 9. bzw. 25. Februar 2022 förmlich Asylanträge.
3
Die volljährigen Kläger zu 1., 2., 5. und 6. wurden am 10. bzw. 28. Februar 2022 beim Bundesamt persönlich angehört. Auf den Inhalt der jeweiligen Niederschriften wird verwiesen.
4
Mit drei Bescheiden vom 7. und 8. März 2022 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab. Ferner lehnte es die Anträge auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; für den Fall, dass sie die Ausreisefrist nicht einhalten sollten, wurde ihnen die Abschiebung nach Georgien oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Ferner wurden die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. bei fristgerechter Stellung eines Eilantrages bis zur Bekanntgabe seiner Ablehnung ausgesetzt. Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen im Sinne von § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG offensichtlich nicht vor. Auf die jeweiligen Bescheidsbegründungen wird Bezug genommen.
5
Alle drei Bescheide wurden am 15. März 2022 als Einschreiben zur Post gegeben (Adressat: Bevollmächtigter). Ausweislich des Ergebnisses der postalischen Sendungsverfolgung wurden alle drei Bescheide am 18. März 2022 zugestellt.
6
Gegen diese Bescheide ließen die Kläger am 30. März 2022 Klagen erheben und Eilanträge stellen (RN 9 S 22.30448, RN 9 S 22.30451, RN 9 S 22.30453). Mit drei Schriftsätzen vom 21. April 2022 wird geltend gemacht, dass die Klagen nicht verfristet seien. Die Frist zur Klageerhebung beginne nämlich erst ab Zustellung des Ablehnungsbescheides zu laufen. Vorliegend sei der Bescheid gar nicht zugestellt worden, weder gegen Empfangsbekenntnis (was bei der anwaltlichen Vertretung angebracht wäre) noch gegen eine ordnungsgemäße Zustellungsurkunde mit der Beschreibung des Zustellungsvorgangs und dem Namen des Zustellers. Auf diesbezügliche Rechtsprechung werde Bezug genommen. Die vorgelegte Sendungsverfolgung könne die Zustellung des Bescheides nicht belegen. Tatsächlich sei der Bescheid wie vorgetragen am 23. März 2022 angekommen. Im Übrigen wird zur Sache ausgeführt.
7
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.03.2022 und 08.03.2022 zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen oder den Klägern Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen oder subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass für die Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. die Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
8
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Bescheide sowie unter Hinweis auf Verfristung,
die Klagen abzuweisen.
9
Die Eilanträge blieben erfolglos (B.v. 1.4.2022). Die Rechtsstreitigkeiten in der Hauptsache wurden mit Beschlüssen vom 1. April 2022 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
10
Die Beteiligtenvertreter erklärten sich mit Schriftsätzen vom 21., 27. und 29. April 2022 mit Entscheidungen durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Ferner äußerte sich die Beklagte unter Vorlage weiterer Belege ergänzend zum Thema „Zustellung des Bescheides“. Der Klägervertreter erwiderte hierzu mit drei inhaltlich identischen Schriftsätzen vom 4. Mai 2022.
11
Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten in Eil- und Hauptsachen sowie der zugeleiteten Bundesamtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12
Die Klagen, über die gem. § 101 Abs. 2 VwGO entschieden wird, sind offensichtlich unzulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe des o.g. Eilbeschlusses Bezug genommen.
13
Das Vorbringen der Klägerseite aus dem Schriftsatz vom 21. April 2022 veranlasst keine anderweitige Beurteilung. Die Behörde hat gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) die Wahl zwischen den einzelnen darin vorgesehenen Zustellungsarten. Die hier erfolgte Zustellung gem. § 4 VwZG durch die Post mittels Übergabeeinschreiben ist mithin nicht zu beanstanden. Eine Verpflichtung zur Zustellung gegen Empfangsbekenntnis oder mittels Zustellungsurkunde sieht das VwZG nicht vor, auch nicht bei Bevollmächtigten. Ferner waren die Zustellungen gem. § 7 VwZG an den Bevollmächtigten gerichtet. Schließlich bestätigen die ergänzend zugeleiteten Auslieferungsbelege das Zustellungsdatum „18. März 2022“.
14
Nichts anderes ergibt sich aus den weiteren Darlegungen im Schriftsatz vom 4. Mai 2022. Die Ausführungen zu §§ 177 bis 182 ZPO sind schon deshalb nicht einschlägig, weil sich diese Regelungen auf einen Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde beziehen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Vorliegend geht es indes um eine Zustellung nach § 4 VwZG mittels Einschreiben, für die der Verweis auf § 177 bis 182 ZPO gerade nicht gilt. Im Übrigen hat das Gericht in Zusammenschau aller seitens der Beklagten vorgelegten Belege - ein Manipulationsinteresse ist nicht ersichtlich - keinen Zweifel daran, dass die maßgeblichen Bescheide am 18. März 2022 korrekt zugestellt worden sind. Dabei kommt es für die Zustellung entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten nicht auf dessen tatsächliches persönliches „In-den-Händenhalten“ der Bescheide an. Vielmehr ist Zustellungszeitpunkt nach § 4 Abs. 2 VwZG der Tag der Zustellung, welche auch durch Übergabe an eine andere empfangsberechtigte Person erfolgen kann. Soweit der Bevollmächtigte in diesem Zusammenhang ausführt, die die Auslieferungsbelege unterzeichnende Person sei der Kanzlei nicht bekannt, stuft dies das Gericht deshalb als Schutzbehauptung ein, weil diese Aussage nicht plausibel erläutert, wie er trotz vermeintlicher Übergabe der streitgegenständlichen Bescheide an eine nicht empfangsberechtigte, der Kanzlei unbekannte Person gleichwohl nach seiner Schilderung am 23. März 2022 tatsächliche Kenntnis von den Bescheiden erhalten konnte.
15
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
16
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.