Inhalt

VGH München, Beschluss v. 29.09.2022 – 8 CE 22.1865
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen die Beseitigung einer Grundstückszufahrt zu einer Staatsstraße

Normenketten:
BayVwVfG Art. 43
BayStrWG Art. 18, Art. 19, Art. 21
Leitsätze:
1. Von der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts ist nur sein Regelungsinhalt erfasst, der durch Auslegung entsprechend § 133, § 157 BGB zu ermitteln ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch im Landesstraßenrecht gilt, dass nur die Neuanlage und die Änderung bestehender Zufahrten dem Sondernutzungsrecht unterstellt ist, weshalb Zufahrten, die "von alters her" bestehen oder dem Gemeingebrauch unterliegen, Bestandsschutz genießen, solange sie nicht verändert werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Zufahrt zu einer Staatsstraße außerhalb zur Erschließung bestimmter Teile der Ortsdurchfahrten ist eine nicht vom Anliegergebrauch umfasst Sondernutzung, für die eine Erlaubnis nur auf Zeit und auf Widerruf erteilt werden darf und deshalb keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf eine dauerhafte Nutzbarkeit der Zufahrt begründen kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. In einem nichtförmlichen Planungsverfahren ergibt sich nicht schon aus dem Fehlen einer verschriftlichten Abwägung ein Abwägungsmangel. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz, Darlegungserfordernis, Beseitigung einer Grundstückszufahrt an einer Staatsstraße, nichtförmliches Planungsverfahren, öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Regelungsinhalt einer Baugenehmigung, Abwägungsgebot, Beschwerde, Darlegungsanforderung, Verwaltungsakt, Tatbestandswirkung, Regelungsinhalt, Grundstückszufahrt, Staatsstraße, Beseitigung, Abwägungsmangel
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 13.07.2022 – M 2 E 21.5421
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27375

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren im Eilrechtsschutzverfahren die Einstellung von Bauarbeiten an einer Staatsstraße, soweit diese die Beseitigung ihrer Zufahrt betreffen.
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1. Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung B* … Sie führen dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Grundstück liegt ca. 1 km nördlich der geschlossenen Ortslage von B* … Entlang der nördlichen Grundstücksgrenze fließt die L* …; parallel zu dessen Westgrenze verläuft die Staatsstraße (St) 20**. Im Nordwesten des Grundstücks besteht eine asphaltierte Zufahrt zur St 20**. Nördlich der Zufahrt führt eine Brücke über die L* … („S* …brücke“). Das Grundstück ist zudem im Südosten (Kreisstraße TÖL *) mit Kraftfahrzeugen anzufahren.
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2. Mit Bescheid vom 1. Dezember 1992 erteilte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen eine Baugenehmigung zum Neubau eines Austragshauses mit Garagen und landwirtschaftlichen Räumen auf dem Grundstück. Darin wurden die „Bedingungen und Auflagen“ der Straßenbauverwaltung (Schreiben des Straßenbauamts Weilheim vom 20.11.1992) als „Nebenbestimmungen“ zum Bestandteil des Bescheids erklärt. In Nr. 2 der in Bezug genommenen Stellungnahme des Straßenbauamts Weilheim heißt es: „2. Zufahrt/Zugang zu oben genannter Straße: a) Eine neue direkte Zufahrt und ein neuer direkter Zugang darf/dürfen nicht angelegt werden; dies gilt auch für die Dauer der Bauarbeiten. b) Die/der bestehende Zufahrt/Zugang darf/dürfen in ihrer derzeitigen Lage nicht geändert werden. … g) Dem Bauwerber wird empfohlen, das Baugrundstück aus Sichtgründen über die Kreisstraße TÖL * zu erschließen.“
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Mit Bescheid vom 11. Februar 2015 erteilte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen den Antragstellern eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Biogasanlage. In Nr. VI („Nebenbestimmung des Staatlichen Bauamtes Weilheim [Straßenbau]“) lautet die Nr. 2: „Die bestehenden Zufahrtverhältnisse dürfen nicht verändert werden.“
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3. Der Antragsgegner plant die Erneuerung der „S* …brücke“ im nichtförmlichen Verfahren. Die Planung sieht die Schließung der Grundstückszufahrt der Antragsteller zur St 20** vor. Die Planungsbehörde begründet dies mit der Notwendigkeit einer Erhöhung der Trassierung zur Gewährleistung eines Freibords von 1,0 m bei einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100) und der regelwerkstechnischen Vorgabe zur Anbringung von Schutzplanken auf einer Länge von 80 m beidseitig vor der Brücke.
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Das Straßenbauamt Weilheim billigte den Antragstellern die Herstellung einer Ersatzzufahrt auf die St 20** zu; mangels einer diesbezüglichen Rechtspflicht wurde dies aber nur mit einem baulichen „Minimalaufwand“ in Aussicht gestellt. Gespräche der Beteiligten über Lage und Ausführung der Ersatzzufahrt blieben erfolglos.
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Mit den Bauarbeiten an der St 20** wurde begonnen. Die Schließung der Zufahrt der Antragsteller zur St 20** ist nach dem Bauzeitenplan am 27./28. Oktober 2022 vorgesehen.
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4. Die Antragsteller haben am 12. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragt, dem Antragsgegner durch Erlass einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Bauarbeiten vorläufig einzustellen, soweit ihr Grundstück in Anspruch genommen wird, hilfsweise soweit ihre Zufahrt zur St 20** betroffen ist.
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5. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 13. Juli 2022 abgelehnt. Der Hauptantrag bleibe erfolglos, weil das Grundstück der Antragsteller nicht in Anspruch genommen werde. Den Antragstellern stehe auch kein Anspruch auf vorläufige Beibehaltung ihrer Zufahrt zur St 20** zu (Hilfsantrag). Die Baugenehmigungen enthielten keine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis. Ein Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt sei auch aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht gegeben. Das Grundstück sei über die Kreisstraße TÖL * erschlossen. Als Straßenanlieger seien die Antragsteller nicht auf die Zufahrt zur St 20** angewiesen. Die Zufahrt TÖL * reiche auch für den Lieferverkehr aus; betriebliche Abläufe innerhalb des Grundstücks seien ggf. anzupassen. Das Straßenbauamt habe die Interessen der Antragsteller auf Beibehaltung der Zufahrt hinreichend abgewogen, den für die Schließung sprechenden öffentlichen Belangen aber den Vorzug gegeben. Eine Alternativtrasse dränge sich nicht auf. Auch eine wesentliche Änderung der Lärmimmissionen sei nicht zu erwarten.
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6. Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtschutzbegehren weiter. Die Behörden und Gerichte seien an die Regelung in den erteilten Baugenehmigungen (Auflagen/Nebenbestimmungen) gebunden, wonach eine neue direkte Zufahrt nicht angelegt und die bestehende Zufahrt nicht geändert werden dürfe (Tatbestandswirkung); zumindest sei dies im Rahmen der Abwägung zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigen. Die Belange der Antragsteller seien nicht ausreichend abgewogen worden. Eine schriftliche Abwägung sei den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Die Antragsteller hätten mit einer höheren Lärmbelastung zu rechnen, wie die schalltechnische Untersuchung des Büros Dr. S. vom 15. März 2022 belege. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Brücke im FFH-Gebiet liege.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 zu verpflichten, die Bauarbeiten an der St 20**, Erneuerung der L* …-Brücke, insoweit vorläufig einzustellen, als die im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. … Gemarkung B* … vorhandene Zufahrt zur St 20** laut beigefügtem Lageplan vom 20. August 1992 als Bestandteil der Baugenehmigung vom 1. Dezember 1992 (Az. A1333/92) betroffen sei und diesen Bereich vorläufig von der Baumaßnahme auszunehmen und in seinem jetzigen Zustand zu belassen.
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7. Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
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Die Beschwerde setze sich nicht mit den antragsablehnenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander und sei deshalb unzulässig.
II.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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A. Die Beschwerde verfehlt über weite Strecken die Darlegungsanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss der Beschwerdeführer u.a. die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
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Dem wird nur genügt, wenn die Begründung erkennen lässt, aus welchen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen die Ausgangsentscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies setzt eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses voraus (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2022 - 8 CS 21.2389 - juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 18.7.2022 - 19 B 535/22 - juris Rn. 1 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a), an der es hier weitestgehend fehlt. Die Beschwerde beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage zu wiederholen, die im Ergebnis von derjenigen des Erstgerichts abweicht. Eine Auseinandersetzung mit der Ausgangsentscheidung ist allenfalls zu den Fragen des Regelungsinhalts der erteilten Baugenehmigungen (vgl. BA Rn. 27) und einer Verletzung des Abwägungsgebots (vgl. BA Rn. 42 f.) zu erkennen
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B. Soweit die Beschwerde dem Darlegungserfordernis noch entspricht, rechtfertigen die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Antragsteller aus den Baugenehmigungen vom 1. Dezember 1992 und 11. Februar 2015 keine Rechtsposition ableiten können, auf die ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung der Schließung ihrer Zufahrt zur St 20** gestützt werden könnte (vgl. BA Rn. 25 ff.). Soweit die Antragsteller geltend machen, die Behörden und Gerichte seien an die in Bezug genommenen Baugenehmigungen gebunden, die den Bestand der Zufahrt zur St 20** sicherten („Tatbestandswirkung“), können sie nicht durchdringen.
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Ein Verwaltungsakt entfaltet, solange er nicht aufgehoben ist, mit der in ihm verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung Bindungswirkung; diese Tatbestandswirkung folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 43 BayVwVfG (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2016 - 4 B 1.16 - NVwZ-RR 2016, 471 = juris Rn. 4; U.v. 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 = juris Rn. 19). Von der Tatbestandswirkung erfasst ist nur der Regelungsinhalt des Verwaltungsakts, der durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist (vgl. Müller in Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 9). Für dessen Auslegung maßgebend ist der erklärte Wille der Behörde, wie er bei objektiver Würdigung vom Standpunkt des Adressaten zu verstehen ist. Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2020 - 6 C 3.19 - BVerwGE 169, 1 = juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 31.8.2016 - 8 ZB 15.50 - AUR 2016, 435 = juris Rn. 9).
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Davon ausgehend lässt sich den in Bezug genommenen Baugenehmigungen kein Regelungsinhalt entnehmen, der einer Schließung der Zufahrt entgegenstünde.
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a) Eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18, 19 Abs. 1 Satz 1, 21 BayStrWG betreffend die Zufahrt zur St 20** wurde durch die Bauaufsichtsbehörde nicht erteilt. Art. 21 BayStrWG, der seit 1. Januar 2008 gilt, konzentriert die Entscheidungskompetenz für eine Sondernutzungserlaubnis bei der Bauaufsichtsbehörde, die über eine erforderliche Baugenehmigung entscheidet (vgl. auch LT-Drs. 15/7161 S. 74).
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aa) Aus der „Nebenbestimmung“ in der Baugenehmigung vom 11. Februar 2015, wonach „die bestehenden Zufahrtsverhältnisse nicht verändert werden dürfen“ (vgl. dort Nr. VII. 2.), geht nicht hervor, dass das Landratsamt neben der Baugenehmigung eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erteilen wollte (vgl. hierzu auch Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand September 2021, Art. 21 Rn. 8). Vielmehr enthält diese „Nebenbestimmung“ nur einen Hinweis auf die geltende Rechtslage.
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Diese stellt sich wie folgt dar: Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG gelten Zufahrten zu Staats- und Kreisstraßen außerhalb der zur Erschließung bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten (Art. 4 BayStrWG), wo das landwirtschaftliche Anwesen der Antragsteller liegt, als Sondernutzungen im Sinn des Art. 18 BayStrWG. Diese gesetzliche Fiktion schließt aus, dass unter den Voraussetzungen des Art. 19 BayStrWG geprüft werden muss, ob diese Art der Benutzung den Gemeingebrauch beeinträchtigen kann; das Gesetz unterstellt die Gefährdungsmöglichkeit als gegeben (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 19 Rn. 14). Solche Zufahrten gelten nur dann als Sondernutzungen, wenn sie neu angelegt oder geändert werden. Obwohl Art. 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BayStrWG - anders als § 8a Abs. 1 Satz 1 FStrG - nicht ausdrücklich bzw. eindeutig nur die Neuanlage und die Änderung bestehender Zufahrten dem Sondernutzungsrecht unterstellt, ist davon auch für das Landesstraßenrecht auszugehen (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 19 Rn. 18; Herber in Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Aufl. 2021, Kap. 25 Rn. 67). Zufahrten, die „von alters her“ bestehen oder dem Gemeingebrauch unterliegen, genießen also Bestandsschutz, solange sie nicht geändert werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2003 - 9 A 54.02 - NVwZ 2004, 231 = juris Rn. 23 zu § 8a FStrG).
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Damit bestand für die Bauaufsichtsbehörde auch kein Anlass, eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 18 BayStrWG zu erteilen. Die Aussage, die bestehenden Zufahrtsverhältnisse dürften nicht verändert werden, entspricht Art. 19 Abs. 3 BayStrWG, wonach vor der Änderung einer erlaubnisbedürftigen Zufahrt eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG einzuholen ist.
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bb) Die vor dem Inkrafttreten des Art. 21 BayStrWG n.F. zum 1. Januar 2008 (GVBl S. 499) erteilte Baugenehmigung vom 1. Dezember 1992 kann eine straßenrechtliche Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 BayStrWG von vorneherein nicht ersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2016 - 8 ZB 15.50 - AUR 2016, 435 = juris Rn. 8). Im Übrigen gilt für deren Inhalt das zu der Baugenehmigung vom 11. Februar 2015 Gesagte.
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b) Die in den von den Antragstellern angeführten Baugenehmigungen in Bezug genommenen „Nebenbestimmungen“ sind entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht als Nebenbestimmungen im Rechtssinn, d.h. als „echte“ Auflagen oder Bedingungen im Sinn des Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 oder 4 BayVwVfG, einzuordnen.
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Bei den zahlreichen „Nebenbestimmungen“, mit denen Baugenehmigungen in der Praxis versehen werden, handelt es sich zu einem großen Teil nur um Hinweise, die das wiederholen oder bekräftigen, was ohnehin kraft Gesetzes gilt (vgl. Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 68 Rn. 73; Kraus/Schindler/Smehyl, Der Bescheid im öffentlichen Baurecht in Bayern, 1. Aufl. 2015 S. 36). So verhält es sich auch hier (vgl. oben Rn. 24 ff.). Die Einordnung als „echte“ Bedingung oder Auflage liegt fern. Die Wirkungen der Baugenehmigungen sollten nicht wegfallen, wenn die Zufahrt verändert wird (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG). Vielmehr wurde dem Bauwerber bereits im Jahr 1992 empfohlen, das Baugrundstück aus Sichtgründen über die Kreisstraße TÖL * zu erschließen (vgl. Bescheid vom 1.12.1992 i.V.m. Nr. 2g des Schreibens des Straßenbauamts vom 20.11.1992). Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Bauaufsichtsbehörde mit den in Bezug genommenen „Bedingungen und Auflagen“ der Straßenbauverwaltung erreichen wollte, dass das Unterlassen einer Veränderung der Zufahrt selbständig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG; vgl. auch Laser in Schwarzer/König, BayBO, Art. 68 Rn. 73). Hierfür bestand auch kein Anlass, weil die Straßenbaubehörde erforderlichenfalls nach Art. 18b BayStrWG tätig werden kann (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 18b Rn. 4).
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Aber selbst wenn man von einer „echten“ Nebenbestimmung ausginge, ließe sich hieraus nur eine Verpflichtung der Antragsteller, die Zufahrtsverhältnisse nicht zu verändern, aber kein Recht auf Fortbestand der Zufahrt zur St 20** stützen.
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b) Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. BA Rn. 28 bis 30) ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsteller an der Beibehaltung der vorhandenen Grundstückszufahrt zur St 20** vorläge.
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Soweit sich die Beschwerde auf das Urteil des Senats vom 1. Dezember 2009 (Az. 8 B 09.1980 - BayVBl 2010, 539 - juris) beruft, verkennt sie, dass hiernach aus der Erteilung einer Baugenehmigung zufahrtsrechtlich kein weitergehender Vertrauensschutz erwachsen kann, als ihn die Rechtsprechung für die Frage der Erschließungspflicht bei Vorliegen einer Baugenehmigung anerkannt hat (vgl. dort Rn. 32 a.E. unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 11.11.1987 - 8 C 4.86 - BVerwGE 78, 266 = juris Leitsatz 4 und Rn. 19; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 10.8.2021 - 8 CE 21.1989 - NVwZ-RR 2022, 15 = juris Rn. 47). Das Verwaltungsgericht hat sich darauf bezogen und festgestellt, dass das Grundstück der Antragsteller auch über die Zufahrt zur Kreisstraße TÖL * gesichert sei (vgl. BA Rn. 29). Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander; sie zeigt auch nicht auf, dass die Antragsteller entgegen der Auffassung des Ausgangsgerichts auf eine Zweiterschließung an der St 20** angewiesen wären.
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Hinzu kommt, dass der von den Antragstellern angeführten Entscheidung eine Zufahrt im innerörtlichen Bereich zugrunde lag, die erlaubnisfrei im Rahmen des Gemeingebrauchs errichtet werden konnte (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2009 - 8 B 09.1980 - BayVBl 2010, 539 = juris Rn. 2, 19). Demgegenüber gilt die - hier vorliegende - Zufahrt zu einer Staatsstraße außerhalb der zur Erschließung bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten als Sondernutzung (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG; vgl. auch oben Rn. 25); sie ist damit nicht vom Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 - 8 ZB 18.734 - NVwZ-RR 2018, 758 = juris Rn. 8 m.w.N.). Eine solche Erlaubnis darf nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (Art. 18 Abs. 2 Satz 1 Bay-StrWG). Ausgehend davon ist die Erwartung der Anlieger, eine Zufahrt „auf freier Strecke“ einer Staatsstraße dauerhaft nutzen zu dürfen, nicht berechtigt.
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2. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichts (vgl. BA Rn. 39 ff.) ein Abwägungsfehler zulasten der Antragsteller vorläge.
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a) Ein Abwägungsmangel ergibt sich nicht aus dem Fehlen einer schriftlichen Abwägung. Der Umfang der Dokumentationspflicht für die Abwägung bei einer nichtförmlichen Planung kann nicht ohne Weiteres mit derjenigen in einem Planfeststellungsverfahren gleichgesetzt werden. Abgesehen davon hat ein Begründungsmangel selbst dort nur eine indizielle Bedeutung für das Fehlen einer sachgerechten Abwägung, d.h. Lücken in der Dokumentation oder Begründung rechtfertigen nicht ohne Weiteres den Schluss auf einen Abwägungsausfall oder ein Abwägungsdefizit. Erst wenn sich im Gerichtsverfahren herausstellt, dass eine Abwägung nicht oder auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Tatsachenmaterials stattgefunden hat, darf das Gericht daraus den Schluss auf die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ziehen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2011 - 7 A 3.10 - NVwZ 2011, 1124 = juris Rn. 84; BayVGH, U.v. 28.10.2020 - 8 A 18.40046 - DVBl 2021, 1099 = juris Rn. 56).
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b) Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass die Alternativenprüfung rechtsfehlerhaft wäre. Bei der Auswahl unter verschiedenen Planungsvarianten überschreitet die Planungsbehörde die Grenzen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann, wenn sich ihr entweder eine verworfene Alternative als eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen, weil sie für öffentliche und private Belange insgesamt schonender ist, oder wenn ihr infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 = juris Rn. 98; U.v. 22.10.2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 = juris Rn. 55). Dies legt die Beschwerde nicht dar.
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c) Soweit die Beschwerde pauschal darauf verweist, die Antragsteller hätten ausweislich der schalltechnischen Untersuchung des Büros Dr. S. vom 15. März 2022 mit einer höheren Lärmbelastung zu rechnen, setzt sie sich nicht mit der eingehenden Begründung des Ausgangsgerichts (vgl. BA Rn. 47 ff.) auseinander, dass die Planung keine wesentliche Änderung der Straße gemäß § 1 Abs. 2 16. BImSchV zur Folge hat.
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d) Dass die Brücke im FFH-Gebiet „L* …“ liegt, lässt keine fehlerhafte Abwägung eigener Belange der Antragsteller erkennen. Da sie nicht enteignungsbetroffen sind, steht ihnen kein Vollüberprüfungsanspruch hinsichtlich des objektiven Rechts zu (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 - 9 A 13.19 - BVerwGE 170, 262 = juris Rn. 17).
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG unter Anwendung von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind. Dass eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergangen ist, führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts, weil der Haupt- und Hilfsantrag denselben Streitgegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.10.2011 - 8 C 11.1091 - BayVBl 2012, 672 = juris Rn. 11).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).