Inhalt

VG München, Beschluss v. 29.08.2022 – M 6 K 22.3487
Titel:

Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens (Diabetes mellitus Typ 2 mit intensivierter Insulintherapie)

Normenketten:
VwGO § 166
ZPO §§ 114 ff.
FeV § 11 Abs. 6 S. 1, S. 2, § 46 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 1, S. 2
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 S. 1 FeV darf nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden. Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Gleiches gilt für den genauen Grad der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 Abs. 6 S. 1 und 2 FeV festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss (so auch VGH München BeckRS 2021, 5831). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dient die Vorlage eines Gutachtens der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, so ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von der begutachtenden Stelle voraussichtlich benötigt wird (vgl. VGH München BeckRS 2021, 4337). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (abgelehnt), Fahrerlaubnisentziehung aufgrund Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens, Diabetes mellitus Typ 2 mit intensivierter Insulintherapie, Beibringungsfrist, Beibringung eines ärztlichen Gutachtens
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.10.2022 – 11 C 22.2076
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27374

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der am ...1956 geborene Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, L, M.
2
Der Antragsteller ist an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt. Die Erkrankung wird mit einer intensivierten Insulintherapie behandelt.
3
Aus einem, der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegten verkehrsmedizinischen Gutachten eines Diabetologen vom 20. November 2019 ergab sich, dass der Antragsteller zum Untersuchungszeitpunkt aufgrund seiner Diabetes mellitus Erkrankung und der verwendeten Therapieform nur unter Auflagen geeignet sei am Straßenverkehr teilzunehmen, da die Therapieüberwachung unzureichend sei. Es sei erforderlich, dass der Antragsteller ab sofort für die nächsten 3 Monate mindestens viermal täglich den Blutzucker messe, entsprechend dokumentiere und sich dann im Februar noch einmal beim Diabetologen vorstelle.
4
Das verkehrsmedizinische Folgegutachten vom 26. März 2020 stellte die Fahreignung für die Führerscheinklassen der Gruppe 1 und 2 mit Ausnahme der Fahrgastbeförderung fest. In dem Gutachten ist ausgeführt, dass ein relevanter Teil der Auflagen des Gutachtens vom November 2019 nicht erfüllt worden sei, gleichwohl die Diabetes Einstellung sehr stabil und ein erhöhtes Unterzuckerrisiko nicht erkennbar sei. Eine Nachbegutachtung solle bereits in einem Jahr erfolgen.
5
Mit Schreiben vom 8. Januar 2021 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur Nachuntersuchung bis zum 26. März 2021 auf.
6
Die Fragestellungen der Gutachtensanordnung lauteten:
7
„Ist Herr K. trotz des Vorliegens einer Erkrankung (Diabetes mellitus), die nach Nr. 5 der Anlage 4 FeV die Fahreignung infrage stellt in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden?
8
Liegt bei Herrn K. eine ausreichende Compliance (u.a. Krankheitseinsicht, kein bei Gebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf -ggf. selbstinduzierte Unteroder Überdosierung] usw. vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)?
9
Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 und 2 gerecht zu werden?
10
Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich Einzelfall begründete Auflage(n) nach Anlage 4 FeV (z.B. Ärztliche Kontrollen) erforderlich? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen? Wenn ja, warum?
11
Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten [Nach-] Begutachtung erforderlich? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand?“
12
Am 18. Januar 2021 erklärte sich der Antragsteller bereit ein Folgegutachten durchführen zu lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde übersandte daraufhin die Unterlagen an den vom Antragsteller benannten Arzt. Die Frist zur Beibringung des Folgegutachtens wurde von der Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der Covid-19 Pandemie bis Ende April verlängert. Im Folgenden bat der Antragsteller um eine weitere Fristverlängerung, da er die Nachuntersuchung nicht „ungeimpft“ durchführen lassen wolle. Er übersandte eine unter dem Datum 8. März 2021 erstellte privatschriftliche „eidesstattliche Versicherung“, dass er sich verpflichte bis zum Abschluss des Verfahrens keine Kraftfahrzeuge zu führen Die Frist zur Gutachtensbeibringung wurde von der Behörde ein weiteres Mal bis 31. Mai 2021 verlängert.
13
Am 4. Mai 2021 ging die Fahrerlaubnisakte wieder bei der Behörde ein, da sich der Antragsteller bei dem von ihm ausgesuchten Arzt nicht mehr gemeldet hatte.
14
Per E-Mail teilte der Antragsteller am 19. Mai 2021 mit, dass er noch keinen Impftermin erhalten habe. Eine weitere Fristverlängerung durch die Fahrerlaubnisbehörde erfolgte nicht.
15
Das geforderte Nachuntersuchungsgutachten ging nicht bis 31. Mai 2021 bei der Fahrerlaubnisbehörde ein.
16
Mit Schreiben vom 1. Juni 2021 wurde der Antragsteller zum bevorstehenden Entzug seiner Fahrerlaubnis angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Juni 2021 gegeben.
17
Mit Bescheid vom 6. Juli 2021 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, L, M entzogen (Nr. 1 des Bescheids) und dieser verpflichtet, seinen Führerschein spätestens innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der Nichtabgabe wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR angedroht (Nr. 4).
18
Gegen den Entziehungsbescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erhielt er durch Schreiben vom 10. August 2021 erneut Gelegenheit sich bis 27. August 2021 mit einer fachärztlichen Begutachtung einverstanden zu erklären. Der Antragsteller gab keine entsprechende Einverständniserklärung ab.
19
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2022 wurde der Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen.
20
Am 13. Juli 2022 erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte den Bescheid zu Entziehung der Fahrerlaubnis sowie den Widerspruchsbescheid aufzuheben.
21
Bereits das Folgegutachten vom 26. März 2020 sei fehlerhaft.
22
Außerdem habe er als über 60-jähriger Diabetiker zum Kreis der besonders vulnerablen Personen gehört und deshalb die Fahrtauglichkeitsuntersuchung nicht ohne die Covid-19 Schutzimpfung durchführen können. Ende März 2021 habe er noch keine Zusage des Impfschutzzentrums Hausham gehabt. Als erster Termin sei ihm der 25. Juni 2021 und als zweiter Termin der 6. August 2021 genannt worden. Zuvor habe es nur vereinzelte konkrete Angebote gegeben. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um das Monatsende gehandelt habe und seine Rente sowie die Gutschrift über die Grundsicherung im Alter noch nicht verfügbar gewesen seien, habe er das Angebot nicht annehmen können, da es ihm nicht möglich gewesen sei nach Hausham zu fahren. Für den öffentlichen Personennahverkehr habe er nicht die erforderlichen finanziellen Mittel gehabt und ein eigenes Kfz besitze er nicht. Die wenigen vor diesem Zeitraum angebotenen Impftermine des Impfzentrums Hausham habe der Antragsteller ebenfalls nicht wahrnehmen können, da er zeitlich verhindert gewesen sei. Etwa seit Mitte März 2020 habe er sich fast nur noch zu Hause aufgehalten, abgesehen von unabwendbaren Behördengängen und seinen Arztbesuchen in der für ihn zuständigen Diabetologenpraxis in München-Bogenhausen.
23
Mit am 13. Juli 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangener Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragte der Kläger
24
Prozesskostenhilfe.
25
Dem Antrag ist ein Bescheid über die Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beigefügt.
26
Mit Beschluss vom 25. August 2022 wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
27
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO analog).
II.
28
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.
29
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
30
Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach summarischer Prüfung ist die Klage in der Hauptsache zulässig, jedoch unbegründet, sodass sie voraussichtlich abzuweisen sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist regelmäßig derjenige der letzten Behördenentscheidung, hier also der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 23. Juni 2022 (Blatt 219 der Behördenakte des Landratsamts).
32
Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid verwiesen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
33
Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen folgendes auszuführen:
34
Die Fahrerlaubnisbehörde durfte zurecht von der Nichteignung des Antragstellers ausgehen.
35
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
36
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Nicht erforderlich ist also, dass eine solche Erkrankung oder ein solcher Mangel bereits feststeht. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78 = juris Rn. 26; Siegmund in Freymann/Wellner jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 19.4.2021, § 11 FeV Rn. 36). Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Gleiches gilt für den genauen Grad der Konkretisierung, die die von der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen muss (BVerwG, B.v. 5.2.2015 - 3 B 16.14 - BayVBl 2015, 421 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.3.2021 - 11 CS 20.2627 u.a. - juris Rn. 16 m.w.N.).
37
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sie ihn hierauf bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens hingewiesen hat (§ 11 Abs. 8 FeV).
38
Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20/15 - juris Rn. 19 m.w.N.).
39
Diese Voraussetzungen lagen vor. Für die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Zustellung der Gutachtensanordnung abzustellen. Zudem hat der Antragsgegner den Antragsteller bei seiner Gutachtensaufforderung auf die Folgen der Verweigerung der Mitwirkung hingewiesen (Seite 2 des Bescheids).
40
In dem Folgegutachten vom 26. März 2020 wurde ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung nach einem Jahr hingewiesen und dies auch damit begründet, dass der Antragsteller die Auflagen aus dem ersten Gutachten vom 18. November 2019 (bzw. 20. November 2019) nicht zuverlässig erfüllt hat. In diesem Ausgangsgutachten vom November 2019 ist dargelegt, dass, obwohl es sich um einen Typ 2 Diabetes handelt, aufgrund der erforderlichen intensivierten Insulintherapie durch Spritzen, eine besonders ausgeprägte Therapieüberwachung erforderlich ist, wenn der Betroffene noch mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen möchte.
41
Die Fahrerlaubnisbehörde hat deshalb das ihr eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß dahingehend ausgeübt, dass eine weitere Nachbegutachtung und Beibringung des entsprechenden Fahreignungsgutachtens erforderlich ist. Die Feststellungen des begutachtenden Arztes, dass der Antragsteller weder die erforderlichen 4 Blutzuckermessungen täglich, noch die geforderte Dokumentation der verabreichten Insulindosis vorgelegt hat, ebenso die geforderten Langzeitzuckerwerte vom 4. Quartal 2019 und 1. Quartal 2020, lassen Zweifel an der Krankheitseinsicht des Antragstellers aufkommen und führten dazu, dass der begutachtende Arzt im März 2020 eine Nachbegutachtung für erforderlich hielt, obwohl er nicht von einem akut erhöhten Unterzuckerrisiko ausgegangen war. Es ist also unzutreffend, dass - wie der Kläger meint - der begutachtende Arzt allein aus den mehrfach „ausgeschöpften“ Fristen auf fehlende Sorgfalt beim Umgang mit der Erkrankung geschlossen habe.
42
Die erforderliche Nachuntersuchung wird auch nicht durch die vom Kläger abgegebene privatschriftliche sogenannte „eidesstattliche Versicherung“, bis zum Abschluss des Verfahrens kein Kraftfahrzeug führen zu wollen, ersetzt. Eine solche Absichtserklärung ist ohne rechtliche Verbindlichkeit und kann die zeitnahe Überprüfung der Fahreignung nicht ersetzen.
43
Für das zu Recht geforderte Attest wurde dem Antragsteller zudem eine ausreichende Beibringungsfrist eingeräumt. Dient die Vorlage eines Gutachtens der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, so ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von der begutachtenden Stelle voraussichtlich benötigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 - 11 CS 20.3056 - juris). Im vorliegenden Fall war dem Antragsteller außerdem aufgrund der Vorbegutachtung bekannt, dass er ein Jahr nach dem Gutachten vom März 2020 eine weitere Begutachtung vornehmen lassen sollte. Die durch die Covid-19 Pandemie bedingten Risiken und Erschwernisse wurden durch wiederholte Fristverlängerungen berücksichtigt. Wenn der Antragsteller tatsächlich befürchtete, dass eine Infektion ohne Schutzimpfung für ihn besonders gravierende Folgen haben könnte, hätte er sich bereits anlässlich der von ihm selbst zitierten vereinzelten konkreten Impfangebote impfen lassen können. In diesem Zusammenhang erscheint es nicht plausibel, wieso der Antragsteller nicht imstande gewesen sein soll den Weg zu Impfterminen im Impfzentrum Landkreis Miesbach/Hausham zu organisieren, den deutlich weiteren Weg in seine Diabetologenpraxis in München-Bogenhausen jedoch bewältigt haben will.
44
Des Weiteren hätte der Antragsteller auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch ausreichend Zeit gehabt das geforderte Gutachten erstellen zu lassen. Die erneut eingeräumte Frist, um im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Einverständniserklärung bis 27. August 2021 abzugeben, lag deutlich nach dem genannten zweiten Impftermin vom 6. August 2021. Letztlich verging noch fast ein Jahr bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids.
45
Die Gutachtensanordnung vom 8. Januar 2021 war somit rechtmäßig, da die Behörde die geforderte Nachuntersuchung für erforderlich halten durfte. Es lagen ausreichend Tatsachen vor, die geeignet waren, Bedenken gegen die Fahreignung des Antragstellers zu begründen. Die Aufforderung genügt auch den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Anlassbezogenheit der Fragestellung nach § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FeV. Danach soll der Betroffene durch die Darlegung der Gründe, die Zweifel an der Fahreignung begründen, ebenso wie durch die Mitteilung der Fragestellung bereits in der an ihn gerichteten Beibringungsanordnung in die Lage versetzt werden, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung zu deren Beibringung rechtmäßig insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.
46
Die Entziehung der Fahrerlaubnis konnte somit auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden, da der Antragsteller das formell und materiell rechtmäßig angeforderte Gutachten trotz Fristverlängerung nicht vorgelegte.
47
Somit ist auch die - auf die Entziehung gestützte - Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
48
Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers kam es daher nicht an.
49
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.