Inhalt

VG München, Beschluss v. 20.04.2022 – M 23 S 21.6685
Titel:

Verwertungsanordnung bezüglich eines sichergestellten Fahrzeugs

Normenketten:
PAG Art. 26 Abs. 3 S. 1, Art. 27 Abs. 1 Nr. 5
VwZVG Art. 3, Art. 4, Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Nach Art. 27 Abs. 1 Nr. 5 PAG ist die Verwertung einer sichergestellten Sache zulässig, wenn der Berechtigte sie nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt, obwohl ihm eine Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, dass die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird (sog. Warnfunktion). Dies setzt zudem voraus, dass die Sicherstellungsgründe entfallen sind und der Polizei der Berechtigte bekannt sind. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sinn und Zweck der Verwertungsanordnung ist, dass die Behörde feststellt, dass die Voraussetzungen für die Verwertung erfüllt sind, und sie gegenüber dem Adressaten verbindlich regelt, dass nunmehr von der Verwertungsbefugnis Gebrauch gemacht werden soll. Zugleich wird dem Adressaten die letzte Möglichkeit eingeräumt, die Verwertung der sichergestellten Sache durch deren Auslösung oder durch Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz zu verhindern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwertungsanordnung bezüglich eines sichergestellten Fahrzeugs, Sicherstellung eines KfZ zum Zwecke der Gefahrenabwehr, Anordnung der Verwertung, Warnfunktion, öffentliche Zustellung, Verwahrung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.09.2022 – 10 CS 22.1614
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27362

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den - für sofort vollziehbar erklärten - Bescheid des Antragsgegners vom 16. Dezember 2021, mit dem die Verwertung eines Lkws der Marke … mit dem (damaligen) Kurzzeitkennzeichen M - … binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids angeordnet wurde.
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Nach den polizeilichen Feststellungen (Bl. 1 der Behördenakte (BA) im Verfahren M 23 E 21.5253) des Polizeipräsidiums München (Polizeipräsidium) parkte das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am 28. September 2021, 0.00 Uhr auf der Fahrbahn auf Höhe des Anwesens T… straße …, M. in zweiter Reihe neben dem dort befindlichen Parkstreifen. Zudem war seit 28. September 2021, 0.00 Uhr das an dem Fahrzeug angebrachte Kurzzeitkennzeichen nicht mehr gültig. Lt. Angaben der diensthabenden Polizeibeamtin habe der Antragsteller überdies vor Ort nicht nachweisen können, in Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein; ein ordnungsgemäßes Parken des Lkws in der näheren Umgebung sei nicht möglich gewesen (Bl. 15 d.BA). Daraufhin ordnete die Polizeibeamtin um 00:32 Uhr die Abschleppung des KfZ an, die gegen 03.30 Uhr durch ein Abschleppunternehmen vollzogen wurde.
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Hiergegen hatte der Antragsteller unter dem Az. M 23 E 21.5253 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einen Antrag auf Herausgabe des Fahrzeugs im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt, der mit Beschluss des Gerichts vom 19. Januar 2022 abgelehnt wurde. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2022 (Az. 10 CE 22.441) abgelehnt. Zuvor war dem Antragsteller im Hinblick auf eine außergerichtliche Einigung mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Oktober 2021 mitgeteilt worden, dass nach Rücksprache mit dem Antragsgegner der Lkw unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen (d.h. insbesondere einer gültigen KfZ-Zulassung) sowie einer Anzahlung in Höhe eines Betrags von 200; - Euro bei der polizeilichen Verwahrstelle abgeholt werden könne. Nachdem der Antragsteller den Lkw nicht abgeholt hatte, teilte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 16. November 2021 im Verfahren M 23 E 21.5253 mit, dass das Fahrzeug nunmehr zur Verwertung heranstünde. Das Fahrzeug sei durch einen anerkannten Prüfer/Sachverständigen des Polizeipräsidiums auf einen Verkehrswert von 0,00 Euro geschätzt worden; aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei beabsichtigt, den Lkw bei einer Zollaktion versteigern zu lassen, so dass zugunsten des Antragstellers versucht werde, evtl. noch einen Versteigerungserlös zu erzielen. Mit weiterem gerichtlichen Schreiben vom 25. November 2021 wurde dem Antragsteller eröffnet, dass der Lkw bei Einhaltung der sonstigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere einer behördlichen Kraftfahrzulassung, entgegen der sonst üblichen Verwaltungspraxis des Antragsgegners, ohne jegliche Vorauszahlung aus der Verwahrung genommen werden könne.
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Mit nunmehr verfahrensgegenständlichem Bescheid des Polizeipräsidiums vom 16. Dezember 2021 hat der Antragsgegner die Verwertung des Lkws durch freihändigen Verkauf binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids angeordnet (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung von Nr. 1 angeordnet. Zur Begründung wird im Bescheid ausgeführt, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Oktober 2021, amtlich zugestellt am 9. Oktober 2021, unter dem Hinweis auf eine sonst zulässige Verwertung aufgefordert worden sei, das am 28. September 2021 sichergestellte Fahrzeug binnen einer Woche abzuholen. Nachdem dies bislang nicht erfolgt sei, werde nach Art. 27 Abs. 1 Nr. 5 Polizeiaufgabengesetz (PAG) die Verwertung des Fahrzeugs angeordnet. Aufgrund des geschätzten Verkehrswerts von 0,00 Euro werde die sofortige Vollziehung angeordnet, da die Kosten der weiteren Verwahrung außer Verhältnis zum Wert der sichergesellten Sache stünden. Die angefallenen Kosten lägen bis dato bereits bei 2.900 Euro.
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Mit Verfügung des Polizeipräsidiums vom 11. Januar 2022 wurde die öffentliche Zustellung des Verwertungsbescheids vom 16. Dezember 2021 nach Art. 15 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) angeordnet. Die Veröffentlichung erfolgte auf der Website https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/zustellungen/ …index.html in der Zeit vom 10. Februar 2022 bis 24. Februar 2022 (vgl. Anlage des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 7. Februar 2022).
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Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021, eingegangen am 28. Dezember 2021, hat der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Wege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Dezember 2021 wiederherzustellen.
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Zur Begründung führte er aus, dass ihm der Bescheid nicht an die im Bescheid angegeben Anschrift zugestellt worden sei. Den als Kopie bezeichneten Bescheid habe er gestern „von Frau R.“ erhalten. Zwischenzeitlich habe er gegen den Bescheid Widerspruch erhoben. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids. Die Voraussetzungen für eine Abschleppung hätten bereits nicht vorgelegen, Kosten könnten jedoch nur für rechtmäßige Amtshandlungen der Polizei erhoben werden. Nach Mitteilung des Gerichts vom 25. November 2021 im Verfahren M 23 E 21.5253 könne das Fahrzeug ohne Anzahlung abgeholt werden, so dass die Herausgabe nicht von der Zahlung geschuldeter Beträge abhängig gemacht werden könne, Art. 28 Abs. 5 Satz 3 PAG. Der amtliche Schätzwert sei völlig irreal, das Fahrzeug sei für 3.490 Euro erworben worden. Die Gegenstände, die nicht Zubehör seien, seien zu verwahren, der diesbezügliche Gesamtwert beliefe sich auf mehr als 3.000 Euro.
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Mit Beschluss des Gerichts vom 29. Dezember 2021 wurde der Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. Januar 2022 wurde der Antragsteller im Wege eines richterlichen Hinweises (§ 86 Abs. 3 VwGO) nochmals unter Fristsetzung aufgefordert, das Fahrzeug aus der polizeilichen Verwahrung zu nehmen.
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Der Antragsteller führte schriftsätzlich am 22. Januar 2022 aus, dass das PAG nicht anwendbar sei, sondern es sich um eine Maßnahme nach der Strafprozessordnung gehandelt habe, da der Lkw benutzt worden sei, die Ladung und die mitgeführten Gegenstände als Beweismittel wegen Verdachts des Diebstahls (vgl. §§ 94, 98, 11b ff Strafprozessordnung - StPO) zu verwahren. Der Antragsteller sei zudem vor Erlass des Bescheids nicht angehört worden. Darüber hinaus sei sein Führerschein sichergestellt worden, dieser werde aber zur Abholung des Lkws aus der Verwahrstelle benötigt. Ferner ergänzte der Antragsteller, dass das KfZ nicht nur herauszugeben, sondern auch in Form einer Bringschuld zurückzubringen sei.
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Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2022,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der verfahrensgegenständliche Lkw am 28. September 2021 behindernd und mit abgelaufenen Kurzzeitkennzeichen unzulässig in zweiter Reihe auf der Fahrbahn vor dem Anwesen T. H. str. …, München befunden habe. Die Polizei sei demnach befugt gewesen, die Abschleppung des Fahrzeugs nach Art. 25 Abs. 1 PAG anzuordnen und durch einen Abschleppdienst ausführen zu lassen. Dem Antragsteller sei bereits am 9. Oktober 2021 eine Abholaufforderung übersandt worden, so dass dementsprechend die Fristbemessung angemessen sei. Im Übrigen sei die Verwertung zulässig, da die Kosten der Verwahrung den Wert des Fahrzeugs überstiegen. Der Verwertungsbescheid vom 16. Dezember 2021 sei dem Antragsteller im Wege der öffentlichen Zustellung zugestellt worden. Ein vorheriger Zustellungsversuch sei am 20. Dezember 2021 gescheitert. Der Antragsteller habe zudem bereits seit 18. Dezember 2021 von der bevorstehenden Verwertung Kenntnis, da der Verwertungsbescheid der (bisherigen) Empfangsbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt worden sei.
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Am 23. Februar 2022 fand ein gerichtlicher Erörterungstermin statt, bei dem verschiedene außergerichtliche Einigungsmöglichkeiten mit den Beteiligten besprochen wurden. Der Antragsteller erklärte dabei zur Niederschrift des Gerichts, dass er beabsichtige, das Fahrzeug bis spätestens 9. März 2022 mit einer gültigen KfZ-Zulassung (z.B. mit einem Kurzzeitkennzeichen) aus der Verwahrstelle des Polizeipräsidiums abzuholen. Die Vertreterin des Antragsgegners verwies darauf, dass, sollte dies bis dahin nicht erfolgt sein, das Fahrzeug der Verwertung zugeführt werde.
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Mit Schriftsatz vom ... März 2022, eingegangen am selben Tag, hat der Antragsteller Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2021 unter dem Az. M 23 K 22.1508 erhoben.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die Behördenakte auch in den Verfahren M 33 S 21.6155 und M 23 K 22.1508 Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
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A. Der Antrag ist zulässig. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids ist wegen der Sofortvollzugsanordnung in Nr. 2 des Bescheids statthaft, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Der Antragsteller hat am 9. März 2022 gegen den Bescheid Anfechtungsklage erhoben, so dass jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 81) - vgl. § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO - ein (im Gegensatz zu einem Widerspruch) geeigneter Rechtsbehelf vorhanden ist, auf den sich eine mögliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beziehen kann.
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Damit fehlt dem Antragsteller auch nicht das Rechtschutzbedürfnis, denn der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehene Bescheid war bei Klageerhebung noch nicht in Bestandskraft erwachsen, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der Bescheid des Polizeipräsidiums vom 16. Dezember 2021 ist im Wege der öffentlichen Zustellung nach Art. 41 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i. V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG bekannt gegeben worden. Die Bekanntgabe erfolgte nicht schon durch den am 18. Dezember 2021 offenbar nur als Kopie übermittelten Bescheid an die u.U. bisherige Empfangsbevollmächtigte des Antragstellers. Damit galt der Bescheid nach Art. 15 Abs. 2 Satz 6 VwZVG frühestens am 25. Februar 2022 als zugestellt, da der Aushang der Bekanntmachung am 10. Februar 2022 erfolgt ist und dieser Tag nicht mitgerechnet wird, ohne dass es hierbei im Übrigen auf die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung ankäme.
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B. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach der hier vorzunehmenden Interessensabwägung war die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Nr. 1 des Bescheids nicht wiederherzustellen, da die Anordnung des Sofortvollzugs formell rechtmäßig war (I.) und das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das behördliche Sofortvollzugsinteresse nicht überwiegt (II.).
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I. Der Sofortvollzug in Nr. 2 des Bescheids wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise, nämlich auf den Einzelfall bezogen, begründet. In den zugegebenermaßen sehr knappen Ausführungen kommt nämlich dennoch hinreichend zum Ausdruck, warum aus Sicht der Behörde, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO überwiegt. Denn die Begründung lässt vorliegend - noch - im ausreichenden Maße erkennen, dass angesichts der bereits zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten von 2.900 Euro im Verhältnis zum amtlichen Schätzwert des Fahrzeugs von 0,00 Euro, die Kosten einer weiteren Verwahrung außer Verhältnis zum Wert der sichergestellten Sache stehen. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO hingegen nicht an.
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II. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei hat es im Rahmen einer eigenen originären Entscheidung zwischen dem Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die hierbei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung in der Regel zu verneinen. Im Falle von offenen Erfolgsaussichten ist eine reine Folgenabwägung vorzunehmen.
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Vorliegend ergibt die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, dass die Klage gegen Nr. 1 des Bescheids voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Vorliegend hat der Antragsgegner die Verwertungsanordnung auf Art. 27 Abs. 1 Nr. 5 PAG gestützt. Danach ist die Verwertung einer sichergestellten Sache zulässig, wenn der Berechtigte sie nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt, obwohl ihm eine Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, dass die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird (sog. Warnfunktion). Dies setzt zudem voraus, dass die Sicherstellungsgründe entfallen sind und der Polizei der Berechtigte bekannt sind (vgl. Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Auflage 2020, Art. 27. Rn. 9; Nr. 27.4 VollzBek). Sinn und Zweck der Verwertungsanordnung ist daher, dass die Behörde feststellt, dass die Voraussetzungen für die Verwertung erfüllt sind, und sie gegenüber dem Adressaten verbindlich regelt, dass nunmehr von der Verwertungsbefugnis Gebrauch gemacht werden soll. Zugleich wird dem Adressaten die letzte Möglichkeit eingeräumt, die Verwertung der sichergestellten Sache durch deren Auslösung oder durch Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz zu verhindern (OVG RhPf, U.v. 3.9.2019 - 7 A 10049/19.OVG - beckonline Rn. 25).
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2. Die Voraussetzungen für die Verwertungsanordnung liegen vor.
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a) Dem Anhörungserfordernis des Antragstellers wurde hinreichend Rechnung getragen, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 PAG; in jedem Fall ist ein solches im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG (analog).
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b) Zudem waren die Voraussetzungen für die Sicherstellung des KfZ im Zeitpunkt der Verwertungsanordnung weggefallen. Dabei kommt es nach Auffassung der Einzelrichterin in diesem Zusammenhang nicht auf die Rechtmäßigkeit der Sicherstellunganordnung an (offen gelassen VG München, U.v. 24.3.2004 - M 7 K 03.1791 - n.v.). Denn die am 28. September 2021 angeordnete Sicherstellung des Lkw leidet jedenfalls nicht an einem offenkundigen und schweren Fehler und war damit wirksam (Art. 43 Abs. 1 und 3, 44 Abs. 1 BayVwVfG). Entgegen den Ausführungen des Antragstellers diente die Sicherstellung des Lkws aus Sicht der Polizeibeamten auch nicht der Strafverfolgung, sondern der Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und verfolgte damit präventivpolizeiliche Zwecke. Insofern war es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Abschleppanordnung nicht auf die StPO, sondern auf Art. 25 Abs. 1 PAG stützte. Keiner Entscheidung bedarf es somit, ob die Abschleppanordnung im Übrigen rechtmäßig, d.h. insbesondere verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei war. Ob Entsprechendes auch für einen auf Art. 28 Abs. 5 PAG gestützten Kostenbescheid gelten würde, bei dem ein etwaiger Veräußerungserlös nach Art. 27 Abs. 3 Satz 3 PAG ggf. in Ansatz gebracht würde, kann dahinstehen, da dieser jedenfalls nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist.
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Der Grund für die Sicherstellung zum Zwecke der Gefahrenabwehr nach dem PAG ist im Zeitpunkt der Anordnung der Verwertung weggefallen, da der Lkw jedenfalls nicht mehr verkehrsbehindernd geparkt war und bei Vorlage einer gültigen KfZ-Zulassung oder im Wege eines Abtransportes an den Berechtigten herausgegeben hätte werden können. Wie in den Beschlüssen des VG München vom 19. Januar 2022 (M 23 E 21.5253) sowie des BayVGH vom 25. Februar 2022 (10 CE 22.441) zum Ausdruck kommt, liegt der Umstand des automatisch und unmittelbar vor der polizeilichen Maßnahme abgelaufenen Kurzzeitkennzeichens in der Risikosphäre des Antragstellers. Dieser kann nicht verlangen, dass der Antragsgegner gerichtlicherseits dazu verpflichtet wird, ihm das Fahrzeug herauszugeben, ohne dass den straßenverkehrsrechtlichen Mindestanforderungen (hier Pflicht zur Zulassung zum Verkehr nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz - StVG) Genüge getan wird (vgl. zumindest auch Wertung des Art. 28 Abs. 2 S. 3 PAG). Auch wenn das Fahrzeug nicht mehr auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden soll - was der Antragsteller im Übrigen aber nicht vorträgt -, bedürfte es zumindest eines Kurzzeitkennzeichens zur Überführung des Kennzeichens bzw. eines Abtransportes des Fahrzeugs.
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c) Dem Antragsteller wurde der Verwertungsbescheid samt Fristsetzung ordnungsgemäß zugestellt, so dass der erforderlichen Warnfunktion hinreichend Rechnung getragen wurde. Im Zeitpunkt der Zustellung lagen die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG für eine öffentliche Zustellung vor, da der Antragsteller unbekannten Aufenthalts im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG war, und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich war. Da die Zustellung eines Bescheides der Wahrung des rechtlichen Gehörs dient, ist eine öffentliche Zustellung nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung nicht oder nur schwer durchführbar ist; sie ist das letzte Mittel, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger auf andere Weise zu übermitteln. Die Voraussetzung, dass der Aufenthaltsort des Empfängers eines behördlichen Bescheides unbekannt ist, ist nicht schon dann erfüllt, wenn der Aufenthaltsort der Behörde unbekannt ist; vielmehr sind gründliche und sachdienliche Bemühungen um Aufklärung des gegenwärtigen Aufenthaltsortes erforderlich (z.B. durch Anfragen bei Polizei oder Einwohnermeldebehörden, Befragungen von Angehörigen vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 - 8 C 43-95 - juris). Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben lagen im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Annahme eines unbekannten Aufenthalts des Antragstellers dennoch vor. Zwar holte der Antragsteller regelmäßig - wie auch dem Gericht bekannt ist - die Post an der von ihm angegebenen c/o-Adresse in der … der D… ab, wo er jedoch nicht selbst wohnhaft ist. Allerdings wurden dort, ebenso gerichtsbekannt, regelmäßig nur Schreiben per einfachem Brief, jedoch keine förmlichen Zustellungen (etwa im Wege der Postzustellungsurkunde gemäß Art. 3 VwZVG) entgegengenommen, so dass es insoweit an einem zustellungsfähigen Aufenthaltsort des Antragstellers fehlte. Insbesondere legte der Antragsgegner auch dar, dass bereits im Dezember mindestens ein Zustellungsversuch an diese Adresse scheiterte; ein weiterer Zustellungsversuch war nicht zu fordern, da dessen Erfolglosigkeit feststand. Zudem bestehen auch keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass etwa eine Zustellung nach Art. 4 VwZVG erfolgsversprechend gewesen wäre. Im Übrigen ist vorliegend auch kein Vertreter oder Zustellbevollmächtigter vorhanden gewesen, an den die Zustellung möglich gewesen wäre, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZVG. Zudem lagen auch die weiteren Voraussetzungen gemäß Art. 15 Abs. 2 VwZVG vor. Die Website https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/zustellungen/index.html ist als Stelle zur öffentlichen Zustellung im Sinne von der Art. 15 Abs. 2 Satz 1 VwZVG von der Bayerischen Polizei allgemein bestimmt. Die dort unter dem Link einzusehende Benachrichtigung enthielt die nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 VwZVG erforderlichen Angaben, d,h. die Behörde, für die zugestellt wird, den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann. Zudem war der gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 4 VwZVG notwendige Hinweis (Drohung eines Rechtsverlustes) enthalten.
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d) Darüber hinaus war die in dem Bescheid enthaltene Fristsetzung von einer Woche ab Zustellung des Bescheids aufgrund der gegebenen Gesamtumstände ausreichend. Insoweit bestand für den Antragsteller während der fast fünfmonatigen Verwahrung bis zur Bekanntgabe des Verwertungsbescheids hinreichend Gelegenheit sein Fahrzeug wiederzuerlangen. Sowohl in dem unter Az. M 23 E 21.5253 geführten gerichtlichen Verfahren als auch im hiesigen Verfahren erfolgten mehrere Vorschläge - auch unter Vermittlung des Gerichts -, dem Antragsteller, die Herausnahme des Lkws - insbesondere auch unter Berücksichtigung seiner besonderen wirtschaftlichen Situation - zu ermöglichen. Dies zeigt sich etwa daran, dass der Antragsgegner - entgegen seiner üblichen Praxis - sogar zusagte, die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der vorherigen Zahlung der Kosten (Gebühren und Auslagen) abhängig zu machen. Der Antragsteller hat jedoch jedenfalls keine ernsthaften Versuche unternommen, sein Fahrzeug wiederzuerlangen. Die fehlende KfZ-Zulassung kann dabei wie gezeigt keine andere Bewertung rechtfertigen. Weiteres Kriterium in diesem Zusammenhang ist auch die Höhe der entstandenen Verwahrkosten im Verhältnis zum Wert der verwahrten Sache. Hätte der Antragsgegner noch weiter zugewartet, wären in Bezug auf den geschätzten Wert des Fahrzeugs unbillige Härten entstanden. Zudem obliegt dem Antragsgegner auch eine entsprechende Sorgfaltspflicht nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 PAG, um etwaige Wertminderungen des Fahrzeugs zu vermeiden.
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3. Da gemäß Art. 27 Abs. 3 Satz 3 PAG der Geldbetrag eines etwaigen Erlöses als Surrogat an die Stelle der verwerteten Sache tritt, bestehen auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG im Übrigen keine Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Höhe des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.