Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 30.05.2022 – Au 1 E 22.1007
Titel:

Nachholung des Visumverfahrens

Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 2, § 25 Abs. 5, § 25b Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 60a Abs. 2
VwGO § 123
GG Art. 6
Leitsatz:
Es bestehen keine Zweifel, dass die Erteilung eines Visums bei Vorliegen einer Vorabzustimmung, in Nigeria grundsätzlich in absehbarer Zeit möglich ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Aufenthaltserlaubnis, Ehegattennachzug, Visumverfahren, Nigeria, Identitätsklärung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.10.2022 – 10 CE 22.1365
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27358

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der am ... 1983 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger und begehrt die Aussetzung des Vollzugs seiner Abschiebung bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
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Er reiste am 13. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28. April 2014 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 31. Januar 2018 als unzulässig ablehnte und die Abschiebung nach Nigeria androhte. Hiergegen erhob der Antragsteller zunächst eine Klage, die er aber am 24. April 2018 zurücknahm. Daraufhin stellte das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 25. April 2018 ein (Au 7 K 18.30316).
3
Am 31. März 2018 heiratete der Antragsteller eine deutsche Staatsangehörige und ließ mit Schriftsatz vom 19. Mai 2018 durch seinen damaligen Bevollmächtigten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen. Der Antragsgegner teilte daraufhin mit, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise und Wiedereinreise mit dem erforderlichen Visum nicht möglich sei. Deshalb erklärte der damalige neue Bevollmächtigte des Antragstellers mit E-Mail vom 30. November 2018, dass der Antragssteller damit einverstanden sei, bis zum 30. April 2019 freiwillig auszureisen, wenn ihm bis dahin der Aufenthalt unter den bisherigen Bedingungen ermöglicht werde. Dem Antragsteller wurden daraufhin ab dem 10. Januar 2019 Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 28. November 2019. Am 6. März 2019 registrierte er sich für die Durchführung des Visumverfahrens beim Deutschen Generalkonsulat in Lagos. Vor diesem Hintergrund erhielt er am 21. März 2019 eine Arbeitsgenehmigung sowie am 9. Oktober 2019 eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde zur Verwendung im Visumverfahren. Einen am 17. April 2019 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. Mai 2019 unter Hinweis auf das fehlende Visumverfahren ab. Der Bescheid ist bestandskräftig.
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Am 13. September 2019 teilte die Ehefrau des Antragstellers dem Landratsamt mit, dass vom Generalkonsulat in Lagos ein Termin am 4. November 2019 bestätigt worden sei. Anfang November gab sie an, der Antragsteller sei seit dem 27. Oktober 2019 verschwunden, weshalb ihn der Antragsgegner am 5. Februar 2020 zur Personenfahndung ausschrieb.
5
Am 25. Juni 2020 stellte der derzeitige Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Ziffer 1 AufenthG, den der Antragsgegner mit Schreiben vom 30. Juni 2020 unter Hinweis auf die bereits erfolgte bestandskräftige Entscheidung ablehnte. Den daraufhin gestellten Antrag auf Erteilung einer Duldung vom 4. Juli 2020 lehnte das Landratsamt unter Hinweis auf das Untertauchen des Antragstellers ab. Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Klage, welche auf die Löschung der Personenfahndung sowie die Erteilung einer Duldung gerichtet war. Die Löschung der Fahndungsausschreibung erfolgte am 8. Oktober 2020. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2020 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Abschiebung des Antragstellers ab (Au 1 E 20.1325). Nach Klagerücknahme wurde mit Beschluss vom 26. Januar 2021 das Klageverfahren eingestellt.
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Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2021 stellte der Bevollmächtigte erneut einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Am 13. Februar 2021 registrierte sich der Antragsteller ein weiteres Mal für einen Termin beim Deutschen Generalkonsulat in Lagos und wies dies gegenüber dem Antragsgegner durch Vorlage der entsprechenden Bestätigung nach. Vor diesem Hintergrund wurde ihm am 24. Februar 2021 eine Arbeitsgenehmigung erteilt. Zudem erhielt er am 25. Februar 2021 eine Duldung, die in der Folgezeit bis zum 31. März 2022 mehrmals verlängert wurde. Aufgrund einer Anfrage der Ausländerbehörde teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Lagos mit, dass an den Antragsteller am 4. Februar 2022 ein Termin am 3. März 2022 um 9 Uhr für die Beantragung des Familiennachzugs vergeben worden sei. Zu diesem Termin sei er nicht erschienen. Am 31. März 2022 händigte das Landratsamt dem Antragsteller eine Grenzübertrittsbescheinigung aus, wonach er das Vertragsgebiet der Schengen-Staaten bis zum 30. April 2022 zu verlassen habe.
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Mit Schriftsatz vom 9. November 2021 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG.
8
Den Antrag lehnte das Landratsamt ... mit Bescheid vom 31. März 2022 ab. Die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis scheitere bereits daran, dass der Antragsteller keine Duldung innehabe. Mangels Vorliegens von Duldungsgründen sei er lediglich im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung. Spätestens mit Vorlage seines neuen und gültigen nigerianischen Reisepasses seien sämtliche Duldungsgründe entfallen. Er sei auch nicht seit mindestens acht bzw. sechs Jahren ununterbrochen geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet. Vielmehr sei er seit dem 27. Oktober 2019 untergetaucht gewesen. Seit diesem Zeitpunkt seien ihm bis zum 25. Februar 2021 keine Duldungen mehr ausgestellt worden. Zudem habe er keine Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet nachgewiesen. Ferner sei er mangels Beschäftigungserlaubnis nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aufgrund seiner unerlaubten Einreise sowie seines Aufenthalts ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel liege ein Ausweisungsinteresse vor.
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Gegen den Bescheid ließ der Antragsteller am 21. April 2022 Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 1 K 22.1006). Gleichzeitig stellte er einen Antrag nach § 123 VwGO. Eine Begründung erfolgte nicht.
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Er beantragt,
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den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig und bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Hauptsacheantrag über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG und § 25 Abs. 5 AufenthG den Antragsteller nicht abzuschieben und ihm eine Duldungsbescheinigung nach § 60a AufenthG auszustellen.
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Der Antragsgegner hat die Akten vorgelegt, jedoch keinen Antrag gestellt.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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1. Gegenstand des Antrags ist eine einstweilige Anordnung zur Sicherung des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis.
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2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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3. Es kann dahingestellt bleiben, ob derzeit ein Anordnungsgrund vorliegt. Jedenfalls kann sich der Antragsteller nicht auf einen Anordnungsanspruch berufen. Die dargelegten Gründe genügen nicht für die Annahme, dass die Ausreise bzw. Abschiebung des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, wie es § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG und § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Erteilung der beantragten humanitären Aufenthaltserlaubnis bzw. Aussetzung der Abschiebung voraussetzen. Daneben setzt auch die Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration gemäß § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG voraus, dass der Antragsteller gegenwärtig geduldet wird oder zumindest einen Duldungsanspruch gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung hat.
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a) Tatsächliche Gründe, die einer Ausreise entgegenstehen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere ist der Antragsteller im Besitz eines gültigen Nationalpasses. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise oder Abschiebung wäre nur dann anzunehmen, wenn die effektive Verfolgung und Geltendmachung eines Anspruchs des Antragstellers auf ein Aufenthaltsrecht nur bei dessen Verbleiben im Bundesgebiet gewährleistet wäre. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er gegenwärtig ein humanitäres Bleiberecht im Bundesgebiet aufgrund seiner ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen oder aufgrund seiner nachhaltigen Integration beanspruchen kann und es deshalb aus Rechtsschutzgründen ausnahmsweise geboten wäre, dem Antragsgegner den Vollzug der mit Bescheid des Bundesamts vom 31. Januar 2018 erlassenen Abschiebungsandrohung nach Nigeria vorläufig zu untersagen.
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b) Der Schutz des Art. 6 GG steht einer erzwungenen Ausreise des Antragstellers nicht entgegen. Art. 6 GG gewährt keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen unter Betrachtung des Einzelfalles und Gewichtung der familiären Bindungen einerseits und der sonstigen Umstände des Einzelfalles andererseits berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2016 - 10 CS 16.408 - juris Rn. 5 m.w.N.).
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c) Zunächst ist zu beachten, dass der Gesetzgeber für den dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes, welche die Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG voraussetzt, vorsieht. Die Feststellung allein, der Antragsteller habe aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen Daueraufenthalt, führt dabei noch nicht zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise. Soweit die Nachholung des Visumverfahrens im Ausland erforderlich ist, ist dessen Durchführung nicht von vorneherein unzumutbar, auch wenn es mit einer vorübergehenden Trennung der Ehegatten verbunden ist (BVerfG, B.v. 15.3.2018 - 2 BvQ 24/18 - juris).
Der Antragsteller hat gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG das Recht, im Falle einer Ausreise - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - in absehbarer Zeit erneut mit einem Visum in das Bundesgebiet zurückzukehren und die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau fortzusetzen. Die Annahme der rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise bzw. ein darauf basierendes humanitäres Aufenthaltsrecht kommen deshalb nur in Betracht, wenn der vorübergehende Aufenthalt in Nigeria, der zur Durchführung des Visumverfahrens notwendig ist, im vorliegenden Einzelfall aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände unzumutbar ist.
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d) Im Fall des Antragstellers sind keine besonderen Umstände vorgetragen oder er kennbar, die eine vorübergehende Ausreise zur Durchführung des Visumverfahrens aus familiären Gründen unzumutbar erscheinen lassen. Damit kann nicht von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise und damit dem Vorliegen eines Duldungsanspruchs bzw. der Voraussetzungen für ein humanitäres Bleiberecht gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. § 25 b Abs. 1 AufenthG ausgegangen werden.
Das Gericht hat zunächst keinen Zweifel, dass die Erteilung eines Visums bei Vorliegen einer Vorabzustimmung, aus der sich die im Bundesgebiet tatsächlich gelebte eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers ergibt, grundsätzlich in absehbarer Zeit möglich ist. Eine Festlegung auf eine bestimmte Verfahrensdauer ist allerdings deshalb schwierig, da das Visumverfahren im Fall des Antragstellers auch der Klärung seiner Identität dient. Das Urkundswesen in Nigeria weist gravierende Mängel auf, so dass im Visumverfahren nach einer dem Gericht vorliegenden Auskunft des Deutschen Generalkonsulats in Lagos vom 17. Februar 2021 die Identität auch bei Vorlage eines Nationalpasses zu prüfen ist. Allgemein weisen die Deutsche Botschaft in Abuja und das Generalkonsulat in Lagos auf ihrer gemeinsamen Webseite darauf hin, dass in Fällen des Familiennachzugs standardmäßig das Urkundenüberprüfungsverfahren durchgeführt wird. Eine verbindliche Auskunft über die Bearbeitungsdauer ist deshalb schwierig. Allerdings besteht die Möglichkeit, im Vorfeld des Termins beim Generalkonsulat zusätzlich zum Reisepass weitere Unterlagen zu beschaffen, auf deren Grundlage die Identität geklärt werden kann. Die Bearbeitungsdauer liegt damit primär in der Hand des Antragstellers und kann bei guter Vorbereitung und Vorliegen einer Vorabzustimmung in wenigen Wochen durchgeführt werden.
Das Visumverfahren hat dabei eine wichtige Funktion bei der Identifizierung des Antragstellers und der Klärung seiner Identität. Diese Identitätsklärung ist im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG eine generelle Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Sie liegt im öffentlichen Interesse und kann umfassend nur vor Ort im Visumverfahren erfolgen, so dass insoweit auch eine vorübergehende Beeinträchtigung des Rechts aus Art. 6 GG grundsätzlich hinzunehmen ist. Eine Garantie einer bestimmten Verfahrenshöchstdauer kann es dabei nicht geben. So weisen die deutschen Vertretungen in Nigeria auf ihrer gemeinsamen Webseite darauf hin, dass die Bearbeitungsdauer eines Langzeitvisums stark einzelfallabhängig und schwer vorauszusagen ist. Gegebenenfalls steht dem Antragsteller die Möglichkeit offen, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Generalkonsulats in Anspruch zu nehmen und auf diesem Weg seine Rechte aus Art. 6 GG durchzusetzen. Hier kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass das hierfür zuständige Verwaltungsgericht Berlin seinem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht nachkommt.
Vor diesem Hintergrund liegt es vorrangig im Verantwortungsbereich des Antragstellers, die Ausreisemodalitäten möglichst familienverträglich zu gestalten. In diesem Zusammenhang hat die Ausländerbehörde ihm sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2021 ermöglicht, bis kurz vor dem Termin zur Beantragung des Visums beim Generalkonsulat in Lagos auf der Basis einer Duldung in Deutschland zu verbleiben und damit die Zeit der Abwesenheit zu minimieren. Zudem wurde ihm die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt, um die erforderlichen finanziellen Mittel zur Legalisierung seines Aufenthalts zu erwirtschaften. Damit ist die Ausländerbehörde ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zum Schutz der Ehe des Antragstellers nachgekommen und hat sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft, die für die Eheleute mit der Durchführung des Visumverfahrens verbundenen Belastungen auf ein notwendiges Mindestmaß zu reduzieren. Allerdings hat der Antragsteller die ihm eröffneten Möglichkeiten nicht genutzt. Entgegen der Vereinbarungen hat er die Termine beim Deutschen Generalkonsulat in Lagos ohne rechtfertigenden Grund nicht wahrgenommen und nicht erkennen lassen, ernsthaft an einer Legalisierung seines Aufenthalts interessiert zu sein. Er kann nicht erwarten, erneut auf der Grundlage des Art. 6 GG vorübergehend geduldet zu werden, da er es selbst zu verantworten hat, dass die familienfreundliche Gestaltung des Visumverfahrens gescheitert ist. Soweit er nunmehr ausreisen muss bzw. abgeschoben wird, ohne eine Terminvereinbarung für die Beantragung eines Visums bzw. ohne jegliche Vorbereitungen für die Identitätsklärung getroffen zu haben, muss er sich dies selbst zurechnen. Vor diesem Hintergrund ist die nunmehr zu erwartende länger dauernde Trennung von seiner Ehefrau zumutbar. Der Antragsteller und seine Ehefrau befinden sich hier in keiner anderen Situation als andere Familienangehörige, die ordnungsgemäß das Visumverfahren vom Ausland aus durchführen und während dieser Zeit von ihrem Ehepartner getrennt sind. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise liegt nach alledem nicht vor.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.
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5. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben des § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert (Ziffern 8.1 und 1.5).