Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.10.2022 – 10 CE 22.1365
Titel:

Nachholung des Visumverfahrens beim Ehegattennachzug

Normenketten:
VwGO § 123
AufenthG § 5 Abs. 2, § 25 Abs. 5, § 25b Abs. 1, § 60a Abs. 2
GG Art. 6
Leitsatz:
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens beim  Familiennachzug zu Kindern ist auf den den Ehegattennachzug nicht zu übertragen. (Rn. 10 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Duldung, Ehegattennachzug, Zumutbarkeit des Visumverfahrens, Eilrechtsschutz, Aufenthaltserlaubnis, Ehe, Visumverfahren, Nigeria, Einreise- und Aufenthaltsverbot
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 30.05.2022 – Au 1 E 22.1007
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27357

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung von Nr. III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Mai 2022 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 1.2500,- Euro festgesetzt.

Gründe

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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller, ein nigerianischer Staatsangehöriger, seinen vor dem Verwaltungsgericht erfolglosen Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO weiter, den Antragsgegner zu verpflichten, „vorläufig und bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Hauptsacheantrag über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG und § 25 Abs. 5 AufenthG den Antragsteller nicht abzuschieben und ihm eine einstweilige Duldungsbescheinigung nach § 60a AufenthG auszustellen“. Ferner beantragt er, dem Antragsgegner aufzugeben, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller bis zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag zu unterlassen.
2
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Aufhebung oder Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, weil weder ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG noch ein Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung gegeben ist.
3
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die bisher vorgetragenen Gründe - der Antragsteller hatte weder seine Klage noch seinen Eilantrag begründet - genügten nicht für die Annahme, dass die Ausreise bzw. Abschiebung des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, wie es § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG und § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Erteilung der beantragten humanitären Aufenthaltserlaubnis bzw. für die Aussetzung der Abschiebung voraussetzten. Auch die Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration gemäß § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG setze voraus, dass der Antragsteller gegenwärtig geduldet werde oder zumindest einen Anspruch auf Duldung habe.
4
Ein Abschiebehindernis folge insbesondere nicht aus seiner ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Der Schutz des Art. 6 GG stehe einer erzwungenen Ausreise nicht entgegen. Art. 6 GG gewähre keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt; der Gesetzgeber habe hierzu eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes vorgesehen, welche die Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG voraussetze. Soweit die Nachholung des Visumverfahrens im Ausland erforderlich sei, sei dessen Durchführung nicht von vornherein unzumutbar, auch wenn es mit einer vorübergehenden Trennung der Ehegatten verbunden sei. Die Annahme der rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise bzw. ein darauf basierendes humanitäres Aufenthaltsrecht komme deshalb nur dann in Betracht, wenn der vorübergehende Aufenthalt in Nigeria, der zur Durchführung des Visumverfahrens notwendig ist, im vorliegenden Einzelfall aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände unzumutbar sei. Das sei hier nicht der Fall. Die Erteilung eines Visums in Nigeria sei grundsätzlich in absehbarer Zeit möglich, wobei eine Festlegung auf eine bestimmte Verfahrensdauer allerdings schwierig sei, weil das Visumverfahren im Fall des Antragstellers auch der Klärung seiner Identität diene. Diese Identitätsklärung sei im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG eine generelle Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Sie liege im öffentlichen Interesse und könne umfassend nur vor Ort im Visumverfahren erfolgen, so dass insoweit auch eine vorübergehende Beeinträchtigung des Rechts aus Art. 6 GG grundsätzlich hinzunehmen sei.
5
Es liege vorrangig im Verantwortungsbereich des Antragstellers, die Ausreisemodalitäten möglichst familienverträglich zu gestalten. In diesem Zusammenhang habe die Ausländerbehörde ihm sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2021 ermöglicht, bis kurz vor dem Termin zur Beantragung des Visums beim Generalkonsulat in Lagos auf der Basis einer Duldung in Deutschland zu verbleiben und damit die Zeit der Abwesenheit zu minimieren. Zudem sei ihm die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit eingeräumt worden, um die erforderlichen finanziellen Mittel zur Legalisierung seines Aufenthalts zu erwirtschaften. Damit sei die Ausländerbehörde ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zum Schutz der Ehe des Antragstellers nachgekommen und habe sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft, die für die Eheleute mit der Durchführung des Visumverfahrens verbundenen Belastungen auf ein notwendiges Mindestmaß zu reduzieren. Allerdings habe der Antragsteller die ihm eröffneten Möglichkeiten nicht genutzt. Entgegen den Vereinbarungen habe er die Termine beim Generalkonsulat in Lagos ohne rechtfertigenden Grund nicht wahrgenommen und nicht erkennen lassen, ernsthaft an einer Legalisierung seines Aufenthalts interessiert zu sein. Er könne nicht erwarten, erneut auf der Grundlage des Art. 6 GG vorübergehend geduldet zu werden, da er es selbst zu verantworten habe, dass die familienfreundliche Gestaltung des Visumverfahrens gescheitert sei. Soweit er nunmehr ausreisen müsse bzw. abgeschoben werde, ohne eine Terminvereinbarung für die Beantragung eines Visums bzw. ohne jegliche Vorbereitungen für die Identitätsklärung getroffen zu haben, müsse er sich dies selbst zurechnen. Vor diesem Hintergrund sei die nunmehr zu erwartende länger dauernde Trennung von seiner Ehefrau zumutbar. Der Antragsteller und seine Ehefrau befänden sich hier in keiner anderen Situation als andere Familienangehörige, die ordnungsgemäß das Visumverfahren vom Ausland aus durchführen und während dieser Zeit von ihrem Ehepartner getrennt seien. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise liege nach alledem nicht vor.
6
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, entgegen der Ausfassung des Verwaltungsgerichts liege ein Anordnungsanspruch vor. Er verweist hierbei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2021 (2 BvR 1333/21 - juris Rn. 45). Zwar betreffe dieser Fall unmittelbar einen Ausländer, der den Nachzug zu seinem Kind beantragt hatte, jedoch seien seine Grundsätze auf Konstellationen nach Art. 6 GG generell anwendbar. Im vorliegenden Fall wäre die Ehefrau des Antragstellers, eine deutsche Staatsbürgerin, faktisch gezwungen, im Fall einer Abschiebung oder auch eines längeren Aufenthalts des Antragstellers im Ausland ebenfalls mit auszureisen, wenn sie die Lebensgemeinschaft aufrechterhalten wolle. Dem stünden ihre Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach Art. 20 AEUV entgegen; deswegen könne die Beziehung nur in Deutschland geführt werden. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde und auch des Verwaltungsgerichts auf einer gültigen Prognose beruhen müsse, um beurteilen zu können, ob die Nachholung des Visumverfahrens von Ausland aus eine lediglich vorübergehende Abwesenheit für den Antragsteller zur Folge habe. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Entscheidung über die Erteilung des Visums eine selbstständige Entscheidung der deutschen Botschaft sei, die zwar durch die Erteilung einer Vorabzustimmung - die die Ausländerbehörde ohnehin nicht in Aussicht stelle - erleichtert und etwas beschleunigt, aber nicht präjudiziert werde. In Wirklichkeit sei die Zeitdauer für die Erteilung eines Visums nicht absehbar. Hinzu komme noch im Falle einer Abschiebung das im Asylverfahren bestimmte Einreise- und Aufenthaltsverbot. Der Bescheid des Antragsgegners und der Beschluss des Verwaltungsgerichts enthielten zur Dauer des Auslandsaufenthalts des Antragstellers allenfalls Meinungen und Spekulationen. Für eine Abwägung der Gewichtigkeit des Art. 6 GG sei jedoch eine faktenbasierte Abwesenheitsprognose erforderlich.
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Damit hat der Antragsteller jedoch nicht dargelegt, dass ihm abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Duldung zusteht.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt wird oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (siehe z.B. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 45; BVerfG, B.v. 17.5.2011 - 2 BvR 2625/10 - juris Rn. 13 ff.; BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris Rn. 11 ff.; BVerfG, B.v. 4.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - juris Rn. 6).
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Nach diesen Maßgaben ist die Ausreise des Antragstellers zur Durchführung des Visumverfahrens nicht unzumutbar bzw. seine Abschiebung nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich (siehe hierzu zunächst bereits den Beschluss des Senats in einem vorangegangenen Verfahren des Antragstellers vom 4.3.2020 - 10 CE 20.129 - juris).
10
Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2021 (2 BvR 1333/21 - juris) verweist, handelt es sich dort um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von der vorliegenden Situation abweichenden Fall.
11
Der Antragsteller des dortigen Verfahrens begehrte den Familiennachzug zu seinen (noch sehr kleinen) Kindern nach § 36 Abs. 2 AufenthG. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 48).
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Gerade aus dieser besonderen Schutzfunktion für (insbesondere kleine) Kinder ergibt sich das Erfordernis, eine Prognose über die Dauer des voraussichtlichen Auslandsaufenthalts zur Durchführung des Visumverfahrens anzustellen, um auf dieser Grundlage die Verhältnismäßigkeit der verlangten Trennung der Kinder von dem betroffenen Ausländer beurteilen zu können. Dem Kindeswohl kommt hier ein hohes Gewicht zu. Im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall stand eine Aufenthaltserlaubnis bzw. ein Visum nach § 6 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 AufenthG inmitten, deren Erteilung „an hohe Hürden gebunden ist“ (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 53). Die Erteilung setzt die Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte voraus, wofür die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann. Außerdem steht die Erteilung des Visums im Ermessen der Auslandsvertretung. Diese Unwägbarkeiten vermindern die Wahrscheinlichkeit, dass dem Betroffenen auch tatsächlich ein Visum erteilt wird, und müssen daher Eingang in die anzustellende Prognose finden (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris, Rn. 55).
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Diese Erwägungen treffen im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Denn der Antragsteller besitzt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu seiner deutschen Ehefrau. Fragen des Kindeswohls sind hier nicht betroffen. Eine „Verlusterfahrung“ wie bei einem (kleinen) Kind, das den vorübergehenden Charakter einer Trennung nicht erfassen kann und überdies für die Situation in keiner Weise verantwortlich ist, ist hier nicht zu erwarten, zumal die Eheschließung in Kenntnis der ungesicherten Aufenthaltssituation des Antragstellers nach seinem erfolglos abgeschlossenen Asylverfahren erfolgte.
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Da ferner auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller bzw. seine Ehefrau in besonderer Weise auf gegenseitige Lebenshilfe angewiesen wären (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 17.5.2011 - 2 BvR 2625/10 - juris Rn. 17 f.), ist es ihnen zuzumuten, eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinzunehmen. Sie befinden sich damit in keiner anderen Situation wie jeder andere Ausländer und dessen deutsche Ehegatten, bei denen gemäß der vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgesehenen Regelung ein Visum zum Familiennachzug vom Ausland aus beantragt wird.
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Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht ausführlich dargelegt, dass der Antragsteller bisher alle ihm durch die Ausländerbehörde eingeräumten Möglichkeiten, die Dauer des durch das Visumverfahren bedingten Auslandsaufenthalts so kurz wie möglich zu halten, etwa durch Duldung des Aufenthalts bis kurz vor dem Vorsprachetermin beim Generalkonsulat in Lagos, die Zusage einer Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV und die Gestattung der Erwerbstätigkeit zum Zweck der Finanzierung der Reise, ungenutzt gelassen hat. Der Antragsteller selbst hat damit zumindest eine gewisse Gleichgültigkeit bezüglich der Dauer eines Auslandsaufenthalts und damit der Trennung von seiner Ehefrau offengelegt.
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Entsprechendes gilt auch für das im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2018 angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot von 36 Monaten. Verweigert der Antragsteller eine freiwillige Ausreise und lässt es auf eine Abschiebung ankommen, so ist er darauf zu verweisen, zugleich mit dem Visumantrag auch die Verkürzung oder Aufhebung des dann wirksamen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG zu beantragen.
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Auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes, den das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, kommt es nach alldem nicht mehr an.
18
Der Antrag, dem Antragsgegner aufzugeben, Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller bis zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag zu unterlassen (sog. „Schiebe-“ oder „Hängebeschluss“), ist durch die vorliegende Entscheidung gegenstandslos.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
20
Die Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge unter Abänderung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 8.3. und 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da der Antragsteller vorliegend eine Verfahrensduldung anstrebt, war nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Streitwert von 1.250,- Euro festzusetzen.
21
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).