Titel:
Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumverfahrens bei Familiennachzug
Normenketten:
VwGO § 123
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 3 S. 1, § 25 Abs. 5, § 30 Abs. 1 Nr. 3, § 36 Abs. 1, § 60a Abs. 2 S. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8 Abs. 1
Leitsatz:
Bei Einreise ohne das erforderliche Visum kann vorläufiger Rechtsschutz einem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nur dann zustehen, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder an der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens bestehen und keine erkennbaren Ermessensgesichtspunkte eine Ablehnung rechtfertigen können. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, vollziehbare Ausreisepflicht, rituelle Ehefrau und gemeinsames Kind anerkannte Flüchtlinge, Nachholung des Visumsverfahren, keine Verfahrensduldung, kein allgemeines verfahrensbezogenes Bleiberecht, keine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung, rituelle Ehefrau und gemeinsames Kind, anerkannte Flüchtlinge, Verfahrensduldung, Nachholung des Visumverfahrens, verfahrensbezogenes Bleiberecht, Abschiebung, rechtliche Unmöglichkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.07.2022 – 19 CE 22.1262
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27352
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Untersagung seiner Abschiebung nach Pakistan.
2
1. Der Antragsteller ist ausweislich seines Reisepasses (ausgestellt am 24. Juni 2020, gültig bis 24. Juni 2030) pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 9. Juni 2013 ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 5. Februar 2019 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde durch das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 20. Juli 2020 (Az. …), rechtskräftig seit 14. September 2020, abgewiesen. In seiner Anhörung am 8. Oktober 2018 gab der Antragsteller an, Familie in Pakistan zu haben.
3
Der Antragsteller hat am 22. Juni 2018 die pakistanische Staatsangehörige A.H. bei der Deutsch-Pakistanischen Gesellschaft e.V. in A. auf religiöser Basis geheiratet. Dieser wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sie ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Am 9. Juli 2019 erkannte der Antragsteller zudem vorgeburtlich die Vaterschaft für das am 18. Dezember 2019 geborene pakistanische Kind H.H. an, die Eltern sind ausweislich ihrer Erklärung vom selben Tage gemeinsam sorgeberechtigt. Dem Sohn des Antragstellers wurde ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, er ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Der Antragsteller lebt mit seiner traditionellen Ehefrau und seinem Sohn in familiärer Gemeinschaft zusammen.
4
Am 22. Mai 2020 ließ der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG stellen. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22. Juni 2020 ließ der Antragsteller u.a. pakistanische Geburtsurkunden für sich (Ausstellungstag 31. Mai 2017, Bl. 478 d.A.) und seine religiöse Ehefrau (Ausstellungstag 28. Dezember 2016, Bl. 525 d.A.) vorlegen. Aus den ebenfalls vorgelegten Gehaltsabrechnungen geht hervor, dass der Antragsteller von März bis Mai 2021 zwischen 121,55 EUR und 336,60 EUR netto im Wege einer Aushilfsbeschäftigung verdiente. Daraufhin wurde dem Antragsteller am 30. Juni 2020 eine Aufenthaltsgestattung bis zum 29. Oktober 2020 ausgestellt. Am 10. Juli 2020 hat der Antragsteller auch seinen pakistanischen Reisepass bei dem Antragsgegner vorgelegt.
5
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2020 wurde der Antragsteller auf die Nachholung des Visumsverfahrens hingewiesen. Ein Besprechungstermin fand jedoch nicht statt, da der Antragstellerbevollmächtigte mit Schreiben vom 10. November 2020 mitteilte, dass dem Antragsteller die Nachholung des Visumsverfahrens aufgrund unbestimmt langer Dauer der Trennung von seiner Familie unzumutbar sei. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 19. November 2020 (Bl. 684 d.A.) teilte der Antragsteller am 19. November 2020 zudem telefonisch mit, dass er nicht ausreisen und das Visumsverfahren nachholen wolle.
6
Am 21. Dezember 2020 wurde dem Antragsteller in der Folge zunächst eine Duldung für sechs Wochen ausgestellt und diesem aufgegeben, der Antragsgegnerin eine Erklärung zur gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts zukommen zu lassen. Nach Übersendung einer auf den 8. Januar 2021 datierten Erklärung des Antragstellers und seiner rituellen Ehefrau, wonach sie das Sorgerecht gemeinsam ausübten und sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens gemeinsam erledigten, wurde dem Antragsteller am 19. Februar 2021 aufgrund von familiären Bindungen eine bis zum 19. August 2021 befristete Duldung erteilt. Mit Bescheid vom 4. März 2021 wurde dem Antragsteller zudem eine Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit mit Nebenbestimmungen erteilt.
7
Mit E-Mail vom 1. Juni 2021 bat der Beklagte die Deutsche Botschaft Islamabad um Auskunft in Bezug auf die Dauer der Nachholung des Visumsverfahrens. In der Antwort vom 7. Juni 2021 führte diese aus, sofern die pakistanischen Personenstandsurkunden bereits geprüft worden seien und keine Zweifel an der Identität aufkämen (was gelegentlich bei der Überprüfung der Fingerabdrücke passiere), dauere es ungefähr zwei Wochen. Wenn die Urkunden keinen Überprüfungsstempel trügen, werde es schwieriger, dann müssten mindestens vier bis fünf Monate Überprüfungsdauer eingerechnet werden. Bis dann sei in der Regel die Vorabzustimmung zeitlich abgelaufen, sodass die Behörde noch einmal beteiligt werden müsse. Im Sommer stünden an der Botschaft zudem einige Personalwechsel an, was eine durchgängig vorrangige Bearbeitung beinahe unmöglich mache.
8
Mit Bescheid vom 9. Juli 2021 lehnte die Regierung von Unterfranken - Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken (ZAB) - den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen gemäß §§ 27, 29, 36 Abs. 1 AufenthG scheitere an der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 AufenthG. Zudem begründe § 36 Abs. 1 AufenthG keinen strikten Rechtsanspruch, da die ebenfalls sorgeberechtigte Mutter sich legal im Bundesgebiet aufhalte. Auch ein Anspruch gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG stehe ihm nicht zu. Die Ausreise sei insbesondere nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK aus rechtlichen Gründen unmöglich. Die vorübergehende Trennung von den in Deutschland lebenden Familienmitgliedern führe nicht zur Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens. Laut Angaben der Visastelle der Deutschen Botschaft Islamabad betrage die Dauer des Visumsverfahrens in Fällen wie dem vorliegenden ca. vier bis fünf Monate. Lediglich für diesen Zeitraum müsse der Antragsteller das Bundesgebiet verlassen, da die Terminbuchung online erfolge und der Antragsteller sich bis zum tatsächlichen Termin in der Deutschen Botschaft Islamabad gegebenenfalls weiterhin in Deutschland aufhalten könne. Dieser Zeitraum stelle keinen unzumutbar langen Trennungszeitraum dar. Die gesunden Familienmitglieder seien auch nicht auf die ständige Anwesenheit des Antragstellers angewiesen.
9
Zudem liege die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, da der Antragsteller einen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Gegen diesen sei wegen der Aufnahme einer illegalen Beschäftigung und dem damit zusammenhängenden Verstoß gegen § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III (illegale Beschäftigung) mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 - rechtskräftig seit 14. Februar 2020 - ein Bußgeld in Höhe von 1.000,00 EUR verhängt worden. Ordnungswidrigkeiten im Sinne eines nicht nur geringfügigen Verstoßes könnten grundsätzlich ein Ausweisungsinteresse begründen, jedoch sei die Frage nach der Geringfügigkeit besonders zu beachten. Im Hinblick auf die in § 87 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zum Ausdruck kommende Wertung seien Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Bußgeld in Höhe von nicht mehr als 500,00 EUR geahndet würden noch als geringfügig anzusehen. Ein geringfügiger Verstoß könne deshalb vorliegend nicht mehr angenommen werden. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass auch wegen eines Verstoßes gegen § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG am 14. Februar 2020 mit (nicht in der Akte befindlichem) Bescheid vom 6. Juli 2020 ein Bußgeld in Höhe von 120,00 EUR verhängt worden sei. Bei einer Gesamtbetrachtung müsse das Ausweisungsinteresse bejaht werden. Hiervon werde auch nicht im Ermessenswege gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 AufenthG abgesehen, insbesondere sei der Antragsteller auch anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch die Visumspflicht des § 5 Abs. 2 AufenthG sei nicht erfüllt, hiervon werde auch nicht im Ermessenswege gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen.
10
Über die hiergegen gerichtete Klage im Verfahren W 7 K 21.832 wurde bislang nicht entschieden. Zu deren Begründung wurde im Wesentlichen auf eine Auskunft der Deutschen Botschaft in Islamabad an die Ausländerbehörde Of. vom 28. Februar 2020 verwiesen. Aus dieser gehe hervor, dass die Antragstellung meistens ca. einen Monat nach der Terminvergabe erfolgen könne. Die reine Bearbeitungszeit betrage sechs bis acht Monate. Vier Monate würden allein für die vertrauensanwaltliche Überprüfung der pakistanischen Personenstandsurkunden veranschlagt. Insgesamt sei mit einer Gesamtdauer von etwa 21 Monaten zu rechnen. Der Antragstellerbevollmächtigte bearbeite schwerpunktmäßig die Asylverfahren pakistanischer Staatsangehöriger mit Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Religionsgemeinschaft. Aufgrund der hohen Anerkennungsquote komme es in ganz besonders starkem Umfang zu Verfahren der Familienzusammenführung. Diese dauerten in der weitaus größeren Mehrzahl nicht nur 21 Monate, sondern oftmals auch 36 bis 48 Monate. Der Grund dafür ergebe sich im Wesentlichen aus den Ausführungen in einem Schreiben der Deutschen Botschaft Islamabad an das Polizeipräsidium F. vom 2. August 2004, das nicht vorgelegt wurde. Daraus ergebe sich, dass ein pakistanisches Urkundenwesen in einem geordneten Sinn nicht bestehe. Die Registrierung einer Geburt würde in vielen Fällen erst dann überhaupt in Angriff genommen, wenn das Leben hierzu einen sachlichen Anlass biete. Dann würde es sich um eine sogenannte „Spätbeurkundung“ handeln. Wenn nunmehr in einem konkreten Einzelfall die deutsche Botschaft nach Überprüfung der Geburtsregistrierung durch einen pakistanischen Kooperationsanwalt feststelle, dass eine Spätregistrierung vorliege und die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten seien, verlange sie, dass sich die antragstellende Person an ein Gericht wende und die förmliche Aufhebung der vorhandenen Geburtsregistrierung beantrage. Hierauf werde bestanden, obwohl das pakistanische Gesetz nicht die Möglichkeit und einen Verfahrensweg für eine solche Kraftloserklärung vorsehe.
11
Der Antragsgegner führte demgegenüber aus, diese Annahme sei unzutreffend. Zum einen könne sich der Antragsteller bis zum tatsächlichen Termin in der Deutschen Botschaft Islamabad gegebenenfalls weiter in Deutschland aufhalten. Zum anderen werde auf die Auskunft vom 1. Juni 2021 verwiesen. Die ZAB sei inzwischen befugt, die Überprüfung der Personenstandsurkunden selbst zu veranlassen. Hierfür müsste sich der Antragsteller lediglich zeitnah an die ZAB wenden, die Dauer der Nachholung des Visumsverfahrens könne vorliegend auf voraussichtlich zwei Wochen verkürzt werden, was zumutbar sei. Dieser Vortrag wurde wiederum von Antragstellerseite bestritten.
12
2. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2021 entschied die ZAB u.a., dass dem Antragsteller keine Duldung ausgestellt bzw. die derzeitige Duldung widerrufen werde (Ziffer 1), ihm die Erwerbstätigkeit nicht (mehr) gestattet (Ziffer 2) und der Aufenthalt auf den Regierungsbezirk Unterfranken beschränkt sei (Ziffer 3). Er werde zudem verpflichtet, alle drei Monate persönlich bei der ZAB vorzusprechen (Ziffer 4). Auf den weiteren Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
13
3. Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 18. November 2021 Klage auf Erteilung einer Duldung bis zur Entscheidung im Verfahren W 7 K 21.832 erheben (W 7 K 21.1486), über die noch nicht entschieden wurde. Am 8. März 2022 ließ er im vorliegenden Verfahren zudem beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zumindest vorläufig eine Duldung auszustellen.
Hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Bescheinigung auszustellen, die diesem den Nachweis ermöglicht, dass er sich bis auf weiteres nicht illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und sich durch seinen Aufenthalt nicht strafbar macht.
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, es bestehe ein Duldungsanspruch, da der Antragsteller mit seiner rituellen Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in familiärer Lebensgemeinschaft lebe und er sich zusammen mit der Kindsmutter der Erziehung des gemeinsamen Kindes widme, was unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK stehe. Die Nachholung des Sichtvermerkverfahrens sei dem Antragsteller nicht zumutbar, da dies zu einer zeitlich nicht eingrenzbaren Trennung vom Kind führen würde, mit der Folge, dass dieses hinsichtlich seiner persönlichen Entwicklung einen empfindlichen Schaden nehmen könne. Auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 1999 (Az.: 2 BvR 1523/99) und 9. Dezember 2021 (Az.: 2 BvR 1333/21) werde Bezug genommen. Die zwischen dem Antragsteller und seinem Kind bestehende familiäre Beziehung bewirke ein Abschiebungshindernis, dem bis zur Entscheidung im Klageverfahren durch Erteilung einer Duldung Rechnung zu tragen sei. Der Antragsgegner unternehme derzeit auch nichts Erkennbares, um eine Abschiebung durchzuführen. Durch die Weigerung, dem Antragsteller für die Zwischenzeit weiter eine Duldungsbescheinigung auszustellen, verstoße der Antragsgegner gegen die rechtliche Regelung, dass Duldungen schriftlich erteilt werden müssten. Eine lediglich faktische Duldung, wie sie derzeit geschehe, sei nicht zulässig. Die Nachholung des Visumsverfahrens werde angesichts der Auskunft vom 28. Februar 2020 deutlich mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen, was unzumutbar sei. Der Behauptung, die Urkundenüberprüfung, die den Hauptanteil der Zeitdauer ausmache, könne in Deutschland durchgeführt werden, werde entgegengehalten, dass dem Antragstellerbevollmächtigten kein Fall bekannt sei, in dem eine Urkundenüberprüfung mit Erfolg von Deutschland aus durchgeführt worden sei. Bei der Urkundenüberprüfung gehe es in der Regel um eine Überprüfung der Geburtsurkunden sämtlicher Verfahrensbeteiligter. Da Pakistan vom Auswärtigen Amt zu den sog. „Problemstaaten“ gezählt werde, in dem kein verlässliches Personenstandswesen existiere, überprüfe in aller Regel die Deutsche Botschaft im Wege der Amtshilfe auf Ersuchen der örtlichen Ausländerbehörde in Zusammenarbeit mit einigen pakistanischen Kooperationsanwälten die Urkunde auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit. Wegen der Unzuverlässigkeit des pakistanischen Personenstandswesens komme es in einem erheblichen Teil der Fälle vor, dass die Geburtsurkunde in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werde, zum Beispiel, weil eine Spätbeurkundung der Geburt stattgefunden habe und die pakistanischen Rechtsvorschriften zur Durchführung von Spätbeurkundungen nicht eingehalten worden seien.
15
4. Der Antragsgegner beantragt,
16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsgrund liege nicht vor, da konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht geplant seien.
17
Auch ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Zwar sei von einer schützenswerten Beziehung des Antragstellers zu seinem Kind auszugehen, dem Antragsteller sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Nachholung des Visumsverfahrens jedoch zumutbar. Er habe es bislang unterlassen, alles in seinem Verantwortungsbereich Liegende zu tun, um das Visumsverfahren vorzubereiten und die Ausreisemodalitäten sowie den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten. Es sei ihm insbesondere zumutbar, bei der örtlichen Ausländerbehörde vorzusprechen und dort eine Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV zu beantragen und ggf. eine Urkundenüberprüfung einzuleiten. Insoweit werde sichergestellt, dass der Antragsteller von Deutschland aus das Urkundenüberprüfungsverfahren betreiben könne. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers dürfte die Überprüfung angesichts des vorgelegten Reisepasses auch keine 24 Monate dauern.
18
5. Auf den im vorliegenden Verfahren vom Antragsgegner vorgelegten und vom Antragsteller nicht angenommenen Vergleichsvorschlag vom 14. März 2022 wird verwiesen.
19
Das Gericht hat den Antragsteller mit Schreiben vom 29. März 2022 um Mitteilung gebeten, ob die Bereitschaft bestehe, die Nachholung des Visumsverfahrens in die Wege zu leiten. Eine Reaktion des Antragstellers erfolgte hierauf nicht. Der Antragsgegner erklärte für den Fall, dass der Antragsteller bereit sei, die Nachholung des Visumsverfahrens durch Beantragung eines Termins bei der Auslandsvertretung und Beantragung der Vorabzustimmung samt Urkundenüberprüfungsverfahren in die Wege zu leiten bzw. die Vornahme der Einleitung nachweise, dem Antragsteller eine Verfahrensduldung für drei Monate zu erteilen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und den Verfahren W 7 K 21.832 und W 7 K 21.1486 sowie der beigezogenen Behördenakte verwiesen.
21
Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO ist unbegründet.
22
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
23
Gemessen daran steht dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch zu. Als unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.V.m. 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Die Abschiebung ist jedoch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen zugunsten des Antragstellers nicht vor.
24
1. Ein Anordnungsanspruch liegt zum einen nicht in Form einer sogenannten Verfahrensduldung (bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) vor.
25
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG, wonach ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nur für den Fall eines rechtmäßigen Aufenthalts vorgesehen ist, kann allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis folgen, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist (NdsOVG, B.v. 22.8.2017 - 13 ME 213/17 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 30). Dem in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Anliegen und der Gesetzessystematik widerspräche es, wenn ein Ausländer für die Dauer eines jeden (anderen) Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens die Aussetzung der Abschiebung beanspruchen könnte (vgl. etwa BayVGH, B.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 30).
26
Der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat vorliegend keine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG. Der Antragsteller hat daher grundsätzlich auch für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung.
27
Ausnahmsweise kann jedoch zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG die Aussetzung einer Abschiebung geboten sein, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (NdsOVG, B.v. 22.8.2017 - 13 ME 213/17 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 31). Je besser insoweit die Erfolgsaussichten sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder zumindest nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erfüllt sein (BVerwG, U.v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - juris Rn. 30).
28
Ein im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung besteht für den Antragsteller jedoch nach summarischer Prüfung nicht.
29
a) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft (Aufenthalt aus familiären Gründen) nach den §§ 27 ff. AufenthG kommt beim Antragsteller nicht in Betracht.
30
aa) Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 27, 29, 30 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AufenthG.
31
Ob die besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, kann hier offenbleiben. Denn dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift zu, da es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum fehlt, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Zwar könnte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Ermessensvorschrift; ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift ist im Hinblick auf die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch dann nicht ausreichend, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (BayVGH, B.v. 16.3.2020 - 10 CE 20.326 - juris Rn. 17 m.w.N.). Damit steht diese Ermessensentscheidung wiederum der Annahme eines strikten Rechtsanspruchs entgegen. § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV, der insoweit eine Ausnahme darstellt, ist im Fall des Antragstellers nicht anwendbar, da er im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BayVGH, U.v. 17.8.2020 - 10 B 18.1223 - BeckRS 2020, 20621 Rn. 35) nicht im Besitz einer Duldung ist. Dass der Antragsteller aktuell aus verfahrensunabhängigen Gründen eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG beanspruchen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere würde auch ein vorübergehendes Abschiebungshindernis, das der Ermöglichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dient, etwa im Hinblick auf die Frage der Länge einer zumutbaren Trennung von der Ehefrau, für die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV nicht genügen (NdsOVG, B.v. 16.10.2019 - 13 ME 299/19 juris Rn. 16).
32
bb) Auch aus §§ 27, 29, 36 Abs. 1 AufenthG kann der Antragsteller keinen zu sichernden Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung herleiten. Zwar ist der Sohn des Antragstellers infolge der ihm mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zuerkannten Flüchtlingseigenschaft im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alternative 1 AufenthG. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug als Elternteil steht allerdings entgegen, dass diese in Umsetzung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12) - sog. Familiennachzugsrichtlinie - eingeführte Anspruchsgrundlage einen Nachzugsanspruch (lediglich) zu einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling regelt (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2019 - 1 B 26.19 - juris Rn. 8) und sich mit der rituellen Ehefrau des Antragstellers und Mutter des Kindes bereits ein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.
33
cc) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der - ungeachtet des § 36 Abs. 1 AufenthG - auf einen Elternteil wie den Antragsteller anwendbaren Auffangregelung gemäß §§ 29 Abs. 1, 36 Abs. 2 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2019 - 1 B 26.19 - juris Rn. 8 a.E.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 5.12.2018 - OVG 3 B 8.18 - juris Rn. 21 ff.) ist schon nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen, da der Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid des Bundesamts vom 5. Februar 2019 unanfechtbar abgelehnt worden ist. Ein Ausnahmefall dieser Titelerteilungssperre gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG liegt hier mangels eines strikten Rechtsanspruchs nicht vor, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt ist.
34
b) Auch aus § 25 Abs. 5 AufenthG kann der Antragsteller keinen zu sichernden Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung herleiten.
35
Zwar darf nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bei einem unanfechtbar abgelehnten Asylantrag ausnahmsweise vor der Ausreise des betroffenen Ausländers ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 und damit auch ein humanitärer Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.2012 - 1 B 22.11 - juris Rn. 4). Jedoch kommt auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise hier nicht in Betracht.
36
Es fehlt vorliegend bereits an den besonderen Erteilungsvoraussetzungen, denn eine (freiwillige) Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers stellt sich nicht im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen (oder tatsächlichen) Gründen als unmöglich dar, weil es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK im konkreten Fall vereinbar ist, den Antragsteller selbst angesichts etwaig bestehender „einfachrechtlicher Ungewissheiten“ (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 50) auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen; eine insoweit zutage getretene fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung in einem Visumsverfahren und dadurch bedingte längere Wartezeiten bei der Deutschen Auslandsvertretung in Pakistan, die zwangsläufig auch eine längere Trennungszeit zwischen Vater und Kind bedeuten würden (zu einer auch insoweit erforderlichen gültigen Prognose und der damit verbundenen Annahme der Zumutbarkeit einer Ausreise vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 64; vgl. hierzu ebenfalls die nachfolgenden Ausführungen), ginge angesichts des gesetzlichen Ausschlussgrundes gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG zulasten des Antragstellers. Auch diesbezüglich wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.
37
Des Weiteren ist es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich erforderlich, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2011 - 1 C 3.10 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 30.7.2021 - 19 ZB 21.738 - juris Rn. 10).
38
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen von §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, wie vom Antragsgegner vorgetragen, vorliegen. Auch ein vereinzelter Verstoß erfüllt den Tatbestand, wenn er nicht geringfügig ist, und auch geringfügige Verstöße genügen, wenn sie nicht vereinzelt sind. Zwar wurde gegen den Antragsteller wegen Verstoßes gegen § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 - rechtskräftig seit 14. Februar 2020 - ein Bußgeld in Höhe von 1.000,00 EUR verhängt. Bei einem Bußgeld von nicht mehr als 1.000,00 EUR ist jedoch im Hinblick auf die in § 87 Abs. 4 Satz 4 AufenthG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung selbst dann von Geringfügigkeit auszugehen, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 54 Fn. 190). Ob angesichts des Hinweises des Antragsgegners auf sonstige Verfehlungen des Antragstellers nicht nur vereinzelte Verstöße gegen Rechtsvorschriften vorliegen, kann vorliegend offenbleiben.
39
Aufgrund der Einreise des Antragstellers ohne das erforderliche Visum fehlt es nämlich jedenfalls an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Nachholung des Visumsverfahrens in § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Ein Absehen hiervon im Wege einer Ermessenreduzierung auf Null ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Denn grundsätzlich kann vorläufiger Rechtsschutz einem Verfahrensbeteiligten bei Einreise ohne das erforderliche Visum nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2020 - 10 CE 20.326 - juris Rn. 18; VGH BW, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/18 - juris Rn. 21). Auch unter Berücksichtigung etwaiger Schutzwirkungen aufgrund von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergibt sich vorliegend nicht, dass gemäß § 5 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG vom Erfordernis des Sichtvermerkverfahrens abzusehen ist. Diesbezüglich wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.
40
2. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf die beantragte Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht glaubhaft gemacht.
41
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
42
Eine Ausreise des Antragstellers zum Zwecke der Nachholung des Visumsverfahrens zum Familiennachzug erweist sich nicht aus Gründen des Schutzes einer bestehenden familiären Bindung des Antragstellers zu seiner rituellen Ehefrau und seinem Kind gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als rechtlich unmöglich. Dass die Abschiebung aus sonstigen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
43
Art. 6 GG vermittelt keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Gleichwohl folgt aus Art. 6 GG die Pflicht der Ausländerbehörde die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht ihrer Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris Rn. 11 m.w.N). Ebenso ist nach der Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 54273/00 - InfAuslR 2001, 476/478). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfaltet Art. 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen. Erforderlich ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. etwa BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris; VGH München, B.v. 24.11.2008 - 10 CE 08.3014 - juris; VGH München, B.v. 17.5.2013 - 10 CE 13.1065 - juris). Bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen und das Kind beide Elternteile braucht (so BVerfG, B.v. 22.5.2018 - 2 BvR 941/18 - juris). Es kommt hierbei nicht darauf an, ob eine Haushaltsgemeinschaft gelebt wird. Dass ein Elternteil nur abschnittsweise am Leben seines Kindes teilnehmen kann und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft, steht der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft nicht bereits entgegen (vgl. BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris). Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Es kommt jedoch darauf an, ob die vorhandenen Kontakte in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (BayVGH, B.v. 7.6.2019, 19 CE 18.1597 -, Rn. 22, juris - BayVGH, B.v. 17.12.2018 - 10 C 18.2177 - juris Rn. 19; B.v. 28.7.2015 - 10 ZB 15.858 - juris Rn. 5).
44
Bei einer Beistands- oder Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind, die keine häusliche Gemeinschaft voraussetzt, ist wesentlich auf das Kindeswohl und maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen. Es ist daher im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohle angewiesen ist und es ist zu ermitteln, welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung und vor allem das Kindeswohl hat. Es ist ferner angemessen zu berücksichtigen, ob im Falle einer Rückkehr des Vaters in sein Heimatland ein Abbruch des persönlichen Kontakts zu seinem Kind droht. Für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der familiären Gemeinschaft und der Zumutbarkeit einer (vorübergehenden) Trennung sowie der Möglichkeit, über Briefe, Telefonate und Besuche auch aus dem Ausland Kontakt zu halten, spielt schließlich das Alter des Kindes eine wesentliche Rolle (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 37; BayVGH, B.v. 7.6.2019, 19 CE 18.1597 - juris Rn. 22). Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Trennung des Betroffenen Ausländers von seiner Familie bedarf es von Verfassung wegen einer Begründung, warum insofern eine lediglich vorübergehende und keine dauerhafte Trennung in Aussicht steht (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris LS 2c). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Einfachrechtliche Unwägbarkeiten bzw. Ungewissheiten über den Ausgang des Visumsverfahrens sind ebenso zu berücksichtigen wie eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen in diesem Verfahren (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 52 ff.). Eine fehlende Mitwirkung kann daher auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Zudem würde es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten überfordern, bei der Prognose über die Dauer des Visumsverfahrens und der damit verbundenen Trennung des Ausländers von seinem in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kind eine präzise Vorstellung davon zu entwickeln, welche Trennungszeit tatsächlich im Falle der Duldungsversagung zu rechnen wäre, wenn der Ausländer nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 59). In den Blick zu nehmen ist, wie lange ein Visumsverfahren bei korrekter Sachbehandlung und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandsaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 15/12 - juris). Diesbezüglich muss die Dauer des Visumsverfahrens absehbar und insbesondere auch geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 - 10 BV 21.1821 - juris Rn. 40 m.w.N.; OVG SH, B.v. 3.1.2022 - 4 MB 68/21 - juris).
45
Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich nicht feststellen, dass eine Abschiebung des Antragstellers wegen Unvereinbarkeit mit dem Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtlich unmöglich ist, weil eine (vorübergehende) Beendigung dessen Aufenthalts zur Durchführung des Visumsverfahrens unzumutbar wäre. Der Antragsteller ist zwar Vater eines Kindes und ritueller Ehemann einer Frau, die jeweils im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Satz 1
46
AufenthG sind. Für das Kind hat er gemeinsam mit der Kindsmutter das Sorgerecht inne. Es bestehen vorliegend keine Zweifel an der grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs nach §§ 27 ff. AufenthG. Der Antragsteller hat nach der Einreise ohne das erforderliche Visum und nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens grundsätzlich - nicht anders als andere Ausländer - ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen, um einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel zu erlangen. Insofern steht anlässlich der Nachholung des Visumsverfahrens grundsätzlich lediglich eine vorübergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind und seiner rituellen Ehefrau im Raum. Dem Gericht ist dabei nach Aktenlage auch eine Prognose darüber möglich, welcher Trennungszeitraum zu erwarten ist (BVerfG, B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 - BeckRS 2021, 43185 Rn. 44).
47
Mit Blick auf die Terminvergabe ist mit Wartezeiten von mindestens einem Jahr bis zum Eingang einer Terminmail zu rechnen (https://service2.diplo.de/rktermin/extern/choose_category.do?locationCode=isla& realmId=108& categoryId=1400, abgerufen am 2.5.2022). Die Bearbeitungszeit für ein Visum zur Familienzusammenführung beträgt aufgrund der notwendigen Urkundenüberprüfung mindestens 12 Monate (https://pakistan.diplo.de/pk-de/service/-/2370756, abgerufen am 2.5.2022). Laut der vom Antragsteller vorgelegten Auskunft der Deutschen Botschaft Islamabad vom 28. Februar 2020 kann die Antragstellung meistens etwa einen Monat nach der Terminvergabe erfolgen. Die reine Bearbeitungszeit beträgt sechs bis acht Monate, für die vertrauensanwaltliche Überprüfung der pakistanischen Personenstandsurkunden werden vier Monate veranschlagt. Es ist mit einer Gesamtdauer von bis zu 21 Monaten zu rechnen. In Einzelfällen kann sich danach die Bearbeitungszeit erhöhen, etwa wenn Urkunden korrigiert oder Nachweise nachgefordert werden müssen. Hinzu kommen außerdem die Reisezeiten.
48
Das Gericht geht deshalb auf Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten Informationen davon aus, dass der Antragsteller bei vollständig unterbleibender Vorbereitung vom Inland aus etwa 21 Monate von seiner Familie getrennt wäre. Eine längere Trennungszeit ist vorliegend auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht zu erwarten, der dahingehende Vortrag ist bereits unsubstantiiert. Zur Begründung einer längeren Bearbeitungszeit verweist dessen Bevollmächtigter auf seine Erfahrung, wonach Verfahren zur Familienzusammenführung oftmals auch 36 bis 48 Monate dauerten. Hierzu wurde auf ein dem Gericht nicht vorgelegtes Schreiben der Deutschen Botschaft Islamabad an das Polizeipräsidium F. vom 2. August 2004 verwiesen, aus dem sich ergebe, dass ein pakistanisches Urkundenwesen in einem geordneten Sinn nicht bestehe. Wenn in einem konkreten Einzelfall die deutsche Botschaft nach Überprüfung der Geburtsregistrierung durch einen pakistanischen Kooperationsanwalt feststelle, dass eine Spätregistrierung vorliege und die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten seien, verlange sie, dass sich die antragstellende Person an ein Gericht wende und die förmliche Aufhebung der vorhandenen Geburtsregistrierung beantrage. Ein einzelfallbezogener Vortrag für den Fall des Antragstellers ist mit den vorhergehenden Ausführungen jedoch nicht verbunden, vielmehr ist schon nicht substantiiert geltend gemacht, dass und weshalb diese Umstände gerade auch im konkreten Einzelfall zu einer Verlängerung der Trennungszeit führen würden.
49
Die vom Gericht angenommene Trennungszeit von etwa 21 Monaten ist im vorliegenden Einzelfall nicht unzumutbar. Dies folgt auch nicht daraus, dass das Bundesamt mit Bescheid vom 5. Februar 2019 ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Höhe von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt hat. Auch diese Frist, die bei einer Abschiebung des Antragstellers nach Pakistan greift, stellt keine unzumutbar lange Zeitdauer der Trennung von seinem Kind und seiner rituellen Ehefrau dar. Auch insoweit ist die Trennung über einen längeren Zeitraum zumutbar, zumal der Antragsteller auch vom Ausland aus oder über seinen Bevollmächtigten einen Antrag auf Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG stellen könnte. Der Antragsteller ist bereits nicht einmal auf das Angebot eines Beratungsgesprächs zur Nachholung des Visumsverfahrens eingegangen, sondern hat von diesem Zeitpunkt an stets die Unzumutbarkeit der Nachholung geltend gemacht. Dass er einen Termin bei der Deutschen Botschaft Islamabad vereinbart oder etwa die Durchführung eines Urkundenüberprüfungsverfahrens von Deutschland aus beantragt hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Darüber hinaus hat sich der Antragsteller auch zur Anfrage des Gerichts im Schreiben vom 29. März 2022 betreffend die Bereitschaft zur Nachholung des Visumsverfahrens nicht geäußert, auch auf den Vergleichsvorschlag der Gegenseite wurde nicht eingegangen. Da sich der Antragsteller der Nachholung des Visumsverfahrens von Anfang an verweigert hat und dies auch weiterhin tut, überwiegt das öffentliche Interesse an der Beachtung des Visumsverfahrens die schutzwürdigen Interessen des Antragstellers und seiner im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen. Dem Antragsteller kann zugemutet werden, sich für das Sichtvermerkverfahren in das Heimatland zu begeben, ohne dass die Grenze des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erreicht würde. Es liegt allein in der Einflusssphäre des Antragstellers, den vorliegenden Trennungszeitraum durch ihm mögliche und zumutbare Mitwirkungshandlungen zu verkürzen, etwa indem er bereits in Deutschland einen Termin bei der Auslandsvertretung beantragt oder das Urkundenüberprüfungsverfahren vom Bundesgebiet aus in die Wege geleitet. Um dies zu ermöglichen hat der Antragsgegner auch mit Schreiben vom 29. März 2022 erklärt, dem Antragsteller in diesem Fall eine Verfahrensduldung für drei Monate zu erteilen. Zudem hat dieser grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass der Antragsteller in diesem Fall erst bei Erhalt eines Termins bei der Auslandsvertretung ausreisen müsste. Bei - wie vorliegend - unterbliebener Mitwirkung im Verfahren zur Nachholung des Visumsverfahrens gebieten Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK jedoch nicht, das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens gänzlich zurückzustellen, denn dies bedeutete keinen schonenden Ausgleich der familiären Belange des Ausländers und der gegenläufigen öffentlichen Interessen mehr (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.7.2019 - OVG 3 N 147.17 - juris Rn. 8). Dass die durch die Nachholung des Visumsverfahrens einhergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind und seiner rituellen Ehefrau einen längeren Zeitraum als die reine Bearbeitungszeit des Visumsverfahrens beansprucht, die bei Durchführung eines Urkundenüberprüfungsverfahrens vom Bundesgebiet aus verkürzt werden könnte, beruht allein auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Antragstellers, die ihm grundsätzlich mögliche und zumutbare Mitwirkung im Visumsverfahren zu verweigern. Er hat deshalb hieraus gegebenenfalls resultierende längere Trennungszeiten grundsätzlich hinzunehmen. In Anbetracht dessen, dass der Antragsteller seit eineinhalb Jahren nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen, trägt er selbst die Verantwortung für damit einhergehende zeitliche Verzögerungen, was ein Absehen von der Durchführung des Visumsverfahrens im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen vermag.
50
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass der Antragsteller mit Frau und Kind zusammenlebt und sich deshalb durch eine vorübergehende Abwesenheit des Antragstellers das Lebensumfeld der Familie, insbesondere seines Kindes, wesentlich ändern würde. Auf die Sicht des Kindes unter Berücksichtigung seines Alters abstellend kann dieses mittlerweile jedoch auch Kontaktaufnahmen über moderne Telekommunikationsmittel erfassen und auf eine begrenzte Trennungszeit in Präsenz vorbereitet werden, sodass es die Trennung als lediglich vorübergehend erfahren würde. Darüber hinaus steht die Nachholung des Visumsverfahrens seit nunmehr etwa eineinhalb Jahren im Raum, dem Antragsteller wurden während dieses Zeitraums Duldungen - auch mit der Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit - erteilt, um finanzielle Mittel für die Nachholung des Visumsverfahrens zu erwirtschaften. Bei der Abwägung ist weiter in den Blick zu nehmen, dass es auf der freien Entscheidung des Antragstellers beruhte, familiäre Beziehungen auf aufenthaltsrechtlich ungesicherter Basis gründen zu wollen, und die Beteiligten auch nicht schutzwürdig darauf vertrauen konnten, eine familiäre Lebensgemeinschaft werde sich ohne gewisse verfahrensrechtliche Anstrengungen und Problemstellungen allein dadurch herstellen lassen, dass Fakten geschaffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2020 - 10 ZB 20.2257 - BeckRS 2020, 32696 Rn. 6 f.). Auch bestehende familiäre Beziehungen des Antragstellers im Heimatland sprechen für die Zumutbarkeit einer vorübergehenden Rückkehr zum Zwecke der Nachholung des Visumsverfahrens, zumal insofern Unterstützung vor Ort erwartet werden kann.
51
Der Umstand, dass der Antragsteller eine vorübergehende Trennung von seinem Kind und seiner rituellen Ehefrau für die Dauer des Visumsverfahrens hinnehmen muss, steht daher vorliegend auch bei Berücksichtigung des Schutzgehalts aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK einer Abschiebung nicht entgegen, es liegt keine rechtliche Unmöglichkeit vor.
52
Sonstige Duldungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
53
Das Begehren des Antragstellers erschöpft sich vorliegend allein darin, dass eine Abschiebung einstweilen nicht vollzogen wird. Für die Verfolgung dieses Begehrens genügt der unter Ziffer 1 gestellte (unbegründete) Antrag, der unter Ziffer 2 gestellte Hilfsantrag geht nicht darüber hinaus und erweist sich demgemäß als überflüssig. Erweist sich die Ablehnung der Duldungserteilung wie vorliegend als rechtmäßig, ist der weitere Aufenthalt strafbar (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Die Ausstellung der begehrten Dokumente kommt bei rechtmäßiger Ablehnung der Duldungserteilung nicht in Betracht.
54
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.