Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.07.2022 – 15 ZB 22.30697
Titel:

Grundsatzrüge und Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs in Asylstreitverfahren 

Normenketten:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Macht der Kläger im Gewand einer Grundsatzrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend, stellt dies keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Jemen), Asylrecht, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, Verletzung rechtlichen Gehörs, richterliche Aufklärungspflicht, Sachverhalts- und Beweiswürdigung, Jemen
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 12.05.2022 – M 17 K 22.30809
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27337

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Der Kläger ist jemenitischer Staatsangehöriger und begehrt - über den ihm mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. März 2022 zuerkannten subsidiären Schutzstatus - die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Verwaltungsgericht München hat seine Klage mit Urteil vom 12. Mai 2022 abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
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1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2022 - 15 ZB 22.30311 - juris Rn. 3).
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Dem wird das Zulassungsvorbringen, das schon keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung formuliert und dem sich nichts Verallgemeinerungsfähiges entnehmen lässt, nicht gerecht. Vielmehr übt der Kläger im Gewand einer Grundsatzrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung vor, was jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2022 - 15 ZB 22.30197 - juris Rn. 9).
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2. Soweit sich dem Zulassungsvorbringen die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) entnehmen lassen sollte, weil der Kläger vorträgt, die Existenz des von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Suchbefehls aus dem Jahr 2021 zeige offensichtlich, dass er bereits in der Zeit vor seiner Ausreise aus dem Jemen wegen seines politischen Engagements beachtlich vorverfolgt war und er sehr wohl in der Vergangenheit und gegenwärtig als verwerflicher politischer Aktivist und Gegner der Huthis angesehen sowie verfolgt wurde und wird, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 - 9 ZB 16.30023 - juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung in Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 - 2 BvR 395/16 - juris Rn. 5 m.w.N.).
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Erforderlich ist vielmehr die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.2017 - 6 C 42.16 - juris Rn. 31; U.v. 26.4.2018 - 5 C 4.17 - juris Rn. 25). Bei anwaltlich vertretenen Beteiligten ist zudem aufzuzeigen, dass entsprechende Beweisanträge erstinstanzlich gestellt wurden oder warum sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.1997 - 9 B 312.97 -juris Rn. 8; B.v. 22.1.1999 - 6 B 128.98 - juris Rn. 11).
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Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten war und keinen Beweisantrag gestellt hat, mit seiner Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht keinen Gehörsverstoß dargetan. Abgesehen davon, dass sich das Verwaltungsgericht mit der vorgetragenen „Fahndung“ des Klägers auseinandergesetzt und ausgeführt hat, dass der Vortrag des Klägers vage, oberflächlich und arm an Details war und nicht davon auszugehen sei, dass die Huthis ihn als ernsthaften politischen Gegner angesehen hätten (UA S. 11), zeigt das Zulassungsvorbringen mit dem bloßen Vortrag, der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Suchbefehl stamme aus dem Jahr 2021, während die in der Niederschrift der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2022 vor dem Verwaltungsgericht protokollierte Übersetzung des Dolmetschers diesen auf den 21. Januar 2017 datiert, nicht auf, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
11
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).