Titel:
Vergabekammer, Bieter, Marke, Beschwerde, Auslegung, Wettbewerb, Verletzung, Akteneinsicht, Vergabe, Verfahren, Beiladung, Berichtigung, Gemeinde, Form, Kosten des Verfahrens, von Amts wegen, anwaltliche Vertretung
Normenkette:
RPW § 1 Abs. 4
Leitsätze:
1. Die Verpflichtung eines Wettbewerbsteilnehmers zur Wahrung der Anonymität der Wettbewerbsarbeit verbietet nicht grundsätzlich einen bereits veröffentlichten Entwurf nahezu unverändert (erneut) in einen Wettbewerb einzubringen.
2. Solange während der Preisgerichtssitzungen oder der Bewertung der Wettbewerbsarbeiten die Identität des Bieters nicht offenkundig wird, bleibt die Anonymität der Wettbewerbsarbeit gewahrt. Dies gilt auch, wenn einzelnen Mitgliedern des Preisgerichts die Ähnlichkeit der Wettbewerbsarbeit mit einer bereits bekannten Arbeit auffällt, solange die Grenze zur Befangenheit nicht überschritten wird.
3. Die Protokolle der Vorbesprechung des Preisgerichts und der Preisgerichtssitzung haben negative Beweiskraft. Wird darin nicht erwähnt, dass über eine für die Durchführung des Wettbewerbs bedeutsame Sache gesprochen oder diskutiert wurde, so ist davon auszugehen, dass ein Austausch darüber auch nicht stattfand.
Schlagworte:
Vergabekammer, Bieter, Marke, Beschwerde, Auslegung, Wettbewerb, Verletzung, Akteneinsicht, Vergabe, Verfahren, Beiladung, Berichtigung, Gemeinde, Form, Kosten des Verfahrens, von Amts wegen, anwaltliche Vertretung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26749
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin. Die Beigeladene trägt ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Bekanntmachung vom … veröffentlichte die Antragsgegnerin einen Planungswettbewerb für ein Kunst- und Begegnungshaus in E… Unter Ziffer IV.3.3) war festgelegt, dass ein Dienstleistungsauftrag infolge des Wettbewerbs an den/ die Gewinner des Wettbewerbs vergeben wird, unter Ziffer IV.3.4) war festgelegt, dass die Entscheidung des Preisgerichts für den Auftraggeber nicht bindend sei und unter Ziffer IV.3) waren die Eignungskriterien für das anschließende VgV-Verfahren angegeben.
2
Die Beigeladene und zwei weitere Architektenbüros waren als Teilnehmer gesetzt.
3
Am 23.06.2021 fand die Preisrichtervorbesprechung statt. Den Preisrichtern wurde lediglich ein Entwurf des Auslobungstextes in der Fassung vom 15.06.2021 zur Verfügung gestellt, nicht die gesamten Wettbewerbsunterlagen. Von der Machbarkeitsstudie wurde im Rahmen einer Beamerpräsentation in der Besprechung lediglich das erste Blatt mit dem Grundriss des Erdgeschoßes gezeigt.
4
Am 15.10.2021 war der Abgabetermin für die Pläne im Wettbewerb und am 29.10.2021 der für die Modelle. Die Antragstellerin, die Beigeladene und zwölf weitere Büros gaben rechtzeitig einen Wettbewerbsbeitrag ab.
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Die Sitzung des Preisgerichts fand am 29.11.2021 statt. Im Protokoll der Preisgerichtssitzung findet sich kein Hinweis darauf, dass während der Besprechung und der Beurteilung der eingereichten Wettbewerbsarbeiten den Preisrichtern die Machbarkeitsstudie zur Verfügung gestellt oder diese diskutiert wurde. Das Preisgericht sprach der Beigeladenen den ersten Preis und der Antragstellerin und einem weiteren Büro jeweils den zweiten Preis zu.
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Das Protokoll der Preisgerichtssitzung wurde den Teilnehmern am 02.12.2021 übersandt.
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Am 08.12.2021 wurde per Mail von Herrn N… „im Namen der untenstehenden Teilnehmer am Realisierungswettbewerb Kunst- und Begegnungshaus E…“ ein Schreiben an die Antragsgegnerin übermittelt. Unterzeichnet war dies von elf Wettbewerbsteilnehmern, darunter auch die Antragstellerin. Darin wurde gefragt, wie die Anonymität der Wettbewerbsarbeiten im Preisgericht gewährleistet werden konnte, wenn der mit dem 1.Preis prämierte Wettbewerbsentwurf bereits im Vorfeld einem Großteil des Preisgerichts bekannt war. Die Machbarkeitsstudie und der erstplatzierte Entwurf seien ja identisch und es ist davon auszugehen, dass die Machbarkeitsstudie und ihre Verfasser der Stadt E… und damit einem großen Teil des Preisgerichts bekannt seien. Ferner enthielt dieses Schreiben den Satz: „Eine Rüge des Verfahrens bei der Vergabekammer behalten wir uns ausdrücklich vor.“
8
Am 09.12.2021 verfasste der externe Berater der Antragsgegnerin ein Antwortschreiben an Herrn N…, das in Kopie per Mail an alle Unterzeichnenden des Schreibens vom 08.12.2021 ging. Darin teilte er mit, dass es zulässig sei die Machbarkeitsstudie in unveränderter Form als Wettbewerbsentwurf abzugeben. Dies habe im Übrigen jedem Bieter freigestanden. Der Wettbewerb sei anonym durchgeführt worden und die Anonymität sei zu keiner Zeit verletzt worden, erst nach Öffnung der Verfassererklärung sei die Anonymität der Bieter aufgehoben worden. Ferner sei der Wettbewerb gemäß den Regeln der RPW 2013 durchgeführt worden.
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Ebenfalls am 09.12.2021 forderte die Antragsgegnerin die Bieter zum Verhandlungsverfahren auf.
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Mit Schreiben vom 15.12.2021 rügte die selbe Gruppe von Bietern wie im Schreiben vom 08.12.2021, darunter auch die Antragstellerin, dass das Schreiben vom 09.12.2021 die Frage, ob den Fachpreisrichter*innen die Machbarkeitsstudie und deren Inhalt bekannt gewesen sei nicht beantworte. Auch könne aus urheberrechtlichen Gründen nur der Verfasser der Machbarkeitsstudie diese als Wettbewerbsbeitrag einreichen, bei Kenntnis der Machbarkeitsstudie hätte dies den Fachpreisrichter*innen auffallen müssen und sie hätten dem nachgehen müssen.
11
Mit Schreiben vom 16.12.2021 beantwortete die Antragsgegnerin das Schreiben dahingehend, dass die Beigeladene ausschließlich für die Leistungsphasen 1 und 2 beauftragt worden sei. Sie hätte eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, welche in Abstimmung mit der bayerischen Architektenkammer gemäß § 7 Abs. 1 VgV allen Wettbewerbsteilnehmern zur Verfügung gestellt worden sei. Dies wurde auch so in der Preisrichtervorbesprechung behandelt, die Preisrichter*innen wussten lediglich, dass die Machbarkeitsstudie existiere. Vermutungen über die Verfasser von Wettbewerbsarbeiten seien ausgeschlossen gewesen um die Anonymität des Wettbewerbs zu wahren.
12
Am 21.12.2021 forderte die Antragsgegnerin die Bieter zur Angebotslegung auf.
13
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.12.2021 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
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Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die fehlerhafte Gesellschaftsform der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag sei lediglich eine Formalie und könne durch eine Rubrumsberichtigung korrigiert werden.
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Auch seien die Schreiben vom 08. und 15.12.2021 klar als Rügen zu verstehen und seien von der Antragsgegnerin auch so verstanden worden. Die Antragstellerin habe deutlich erkennen lassen, dass sie nicht mit dem Verfahren einverstanden sei und mehrere Vergabeverstöße, insbesondere die Verletzung des Grundsatzes der Anonymität, dargelegt.
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Die Beigeladene sei als Erstellerin der Machbarkeitsstudie vorbefasst gewesen, die Antragsgegnerin habe jedoch nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen um diesen Vorteil auszugleichen. Die Antragsgegnerin hätte das Einreichen gleicher Arbeiten wie die Machbarkeitsstudie verbieten müssen, um einen Ausgleich zu schaffen. Durch das Unterlassen dieser Maßnahmen habe die Antragsgegnerin gegen § 7 VgV verstoßen.
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Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass die Antragsgegnerin auch gegen den Grundsatz der Anonymität aus § 1 Abs. 4 RPW verstoßen habe. Es seien nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen worden um die Anonymität zu wahren. Durch das Einreichen der bereits bekannten Machbarkeitsstudie als Wettbewerbsbeitrag sei es den Preisrichtern möglich gewesen, einen der Verfasser zu erkennen, insbesondere da ihnen auch das planerische Ergebnis der Machbarkeitsstudie vorgelegt worden sei. Allerdings sei weder im Protokoll der Preisrichtervorbesprechung noch im Protokoll des Preisgerichts darüber diskutiert worden, dass es die Machbarkeitsstudie gebe und dass einer der Wettbewerbsbeiträge dieser entspreche. Die Antragsgegnerin hätte dagegen im Vorfeld bereits erforderliche Maßnahme ergreifen müssen und das Einreichen der Studie ausschließen müssen.
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Selbst bei einer laienhaften Betrachtung der Machbarkeitsstudie und des Wettbewerbsbeitrags der Beigeladenen sei zu erkennen, dass diese Arbeiten fast identisch sind und lediglich Kleinigkeiten verändert wurden. Die Beigeladene weicht mit ihrer Wettbewerbsarbeit hinsichtlich des Dachmaßes, der Erschließungswege, der Lage des Aufzugs und der hinteren Räume sowie des Unter- und Oberlichts nicht von der Machbarkeitsstudie ab.
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Die Antragstellerinbeantragt
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1. Die Erteilung des Zuschlags vorläufig bis zur Entscheidung der Vergabekammer zu untersagen.
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2. Die Antragsgegnerin zu verpflichten, den vorbefassten Bewerber, welcher zugleich der 1. Preisträger des Wettbewerbsverfahrens ist, aus dem Verfahren auszuscheiden und im Übrigen das Vergabeverfahren/Verhandlungsverfahren weiter zu betreiben.
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3. Der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin zu gewähren.
23
4. Der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens sowie der Antragstellerin durch die Teilnahmen an dem Vergabenachprüfungsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
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5. Festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigung der Antragstellerin notwendig war.
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Die Antragsgegnerinbeantragt
1. den Antrag der Antragstellerin vom 22.12.2021 auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens zurückzuweisen,
- 2.
-
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
- 3.
-
festzustellen, dass der Antragsgegnerin die durch die Teilnahme am Vergabenachprüfungsverfahren entstandenen Aufwendungen zu erstatten sind und
- 4.
-
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin notwendig war.
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Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass die Antragstellerin schon nicht antragsbefugt sei, da sie nicht am Wettbewerb teilgenommen habe. Die Umdeutung einer Personenmehrheit in eine Kapitalgesellschaft sei insbesondere wegen der anwaltlichen Vertretung nicht zulässig. Die Partei sei nicht eindeutig bestimmbar, daher sei eine einfache Berichtigung ausgeschlossen und eine Rubrumsberichtigung überschreite die Grenzen der zulässigen Auslegung. Die Antragstellerin sei auch ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen, jedenfalls habe sie die 10-Tagesfrist nicht eingehalten. Weder das Schreiben vom 08. noch das Schreiben vom 15.12.2021 stellten eine Rüge dar, zudem sei das Schreiben vom 15.12.2021 nach Ablauf der 10-Tagesfrist am 13.13.2021 eingegangen. Beide Schreiben seien von Herrn N… verfasst worden und könnten der Antragstellerin nicht zugerechnet werden. Ferner hätten die Schreiben lediglich Fragen zur Preisgerichtssitzung enthalten und keine Rügen von Vergabeverstößen und seien als offene Briefe bezeichnet worden.
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Die Antragsgegnerin habe auch nicht gegen § 7 VgV verstoßen, sie habe in Abstimmung mit der bayerischen Architektenkammer den Informationsvorsprung der Beigeladenen ordnungsgemäß ausgeglichen indem sie allen Wettbewerbsteilnehmern die Machbarkeitsstudie zur Verfügung gestellt habe. Insgesamt habe sie 3 Architektenbüros zum Wettbewerb gesetzt. Vorgaben, dass die Machbarkeitsstudie nicht als Wettbewerbsarbeit hätte abgegeben werden dürfen, seien nicht zulässig, da sie den vorbefassten Architekten benachteiligen würden. Im Rahmen der Vorprüfung habe keine vergleichende Überprüfung der Wettbewerbsbeiträge mit der Machbarkeitsstudie stattgefunden. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Anonymität aus § 1 Abs. 4 RPW liege nicht vor. Sämtliche Wettbewerbsbeiträge seien anonymisiert und der Ersteller nicht erkennbar gewesen. Der Grundsatz der Anonymität gelte nicht absolut, sondern nur für das Verfahren selbst. Die theoretische Erkennbarkeit der Identität eines Wettbewerbsteilnehmers sei unbeachtlich, da keiner der Preisrichter befangen gewesen sei und keiner eine Identitätsvermutung geäußert oder diskutiert habe. Es sei den Preisrichtern auch nicht möglich gewesen die Identität des Urhebers der Machbarkeitsstudie bzw. des Wettbewerbsbeitrags der Beigeladenen ohne die direkte Gegenüberstellung derselben zu erkennen. Auch seien weitere Arbeiten, wie die Arbeit der Antragstellerin sehr ähnlich wie die Machbarkeitsstudie gewesen, so dass eine eindeutige Zuordnung zur Machbarkeitsstudie insoweit auch unmöglich gewesen sei. Die Preisrichter kannten die Machbarkeitsstudie nicht und in der Vorbesprechung am 23.06.2021 sei ausschließlich Blatt 1 der Machbarkeitsstudie kurz gezeigt worden. Ansonsten stand die Machbarkeitsstudie den Preisrichtern weder zur Verfügung noch wurde sie detailliert besprochen. Einzig dem Oberbürgermeister, der ebenfalls als Preisrichter fungierte, sei die Machbarkeitsstudie 2016 im Rahmen einer Sitzung des Stadtentwicklungs-, Umwelt- und Verkehrsausschusses vorgestellt worden.
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Ferner sei bei einer Anonymitätsverletzung das gesamte Verfahren aufzuheben und nicht ein einzelner Teilnehmer auszuschließen, die Forderung der Antragstellerin laufe insoweit ins Leere.
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Auch wegen der Einreichung der Machbarkeitsstudie in leicht veränderter Form als Wettbewerbsbeitrag sei die Beigeladene nicht auszuschließen gewesen, es habe ihr freigestanden ihren Beitrag in dieser Form einzureichen. Interessierte Bieter hätten im Rahmen der Rückfragenbeantwortung nach dem Urheberrecht der Machbarkeitsstudie und den bestehenden Nutzungsrechten fragen können. Auch hätten einige Wettbewerbsteilnehmer Elemente aus der Machbarkeitsstudie ohne wesentliche Änderungen übernommen und die Vorschläge aller drei Preisträger würden auf einem fast identischen Grundkonzept aufbauen, welches dem Konzept der Machbarkeitsstudie folgen würde.
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Mit Beiladungsbeschluss vom 25.01.2022 wurde die Beigeladene beigeladen. Die Beigeladene stellt keine Anträge und beteiligte sich nicht durch schriftlichen Vortrag am Verfahren. In dem Erörterungstermin per Videokonferenz erläuterte die Beigeladene die Unterschiede zwischen ihrer Machbarkeitsstudie und ihrem Wettbewerbsbeitrag dahingehend, dass der Wettbewerbsbeitrag Änderungen bei der Fassade enthalte und eine deutlich höhere Planungstiefe aufweise.
31
Mit rechtlichem Hinweis vom 16.02.2022 teilte die Vergabekammer Südbayern mit, dass sie nach vorläufiger Einschätzung den Nachprüfungsantrag für zulässig halte.
32
Die fehlerhafte Benennung der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag sei nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern unschädlich, da klar erkennbar sei wer als eigentliche Beteiligte gemeint sei. Insoweit könnten die Regelungen und Grundsätze, insbesondere solche der Auslegung, der ZPO hier nach allgemein anerkannter Rechtsprechung herangezogen werden. Ferner stelle das Schreiben vom 08.12.2021 nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer Südbayern eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge dar. Es sei klar erkennbar gewesen, dass die Antragstellerin annehme einen Vergabeverstoß erkannt zu haben und Abhilfe desselben begehre. Die Antragsgegnerin selbst habe das Schreiben offensichtlich auch so verstanden, da sie in ihrem Antwortschreiben vom 09.12.2021 erklärt habe keine Möglichkeit der Abhilfe zu sehen. Damit habe die Antragstellerin den von ihr monierten Vergabeverstoß rechtzeitig und ordnungsgemäß gerügt.
33
Die Beteiligten hatten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. In einem Videoerörterungstermin am 19.07.2022 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Auf Nachfrage der Vergabekammer zu den Unterschieden von Machbarkeitsstudie und Wettbewerbsentwurf teilte die Beigeladene mit, dass die Machbarkeitsstudie einem anderen Verfahrensstand mit einer geringeren Detailliertheit entspräche. Die Machbarkeitsstudie baue auch nicht auf der Lösung aus dem damaligen städtebaulichen Ideenwettbewerb auf, sondern sei davor erstellt worden. Auf eine weitere Frage der Vergabekammer, inwieweit die Mitglieder des Preisgerichts in der Vorbesprechung am 23.06.2021 über die Machbarkeitsstudie informiert worden seien, führte die Antragsgegnerin aus, dass den Preisrichtern mit dem Auslobungstext keinerlei Anlagen, insbesondere nicht die Machbarkeitsstudie, ausgehändigt worden seien.
34
Die ehrenamtliche Beisitzerin hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf die Vorsitzende und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
35
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
36
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber unbegründet.
37
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
38
1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
39
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
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1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
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Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die Verletzung des Grundsatzes der Anonymität nach § 1 Abs. 4 RPW geltend gemacht.
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Die fehlerhafte Benennung der „L… GmbH“ im Nachprüfungsantrag ist unschädlich. Eine falsche Bezeichnung eines Beteiligten schadet dann nicht, wenn klar erkennbar ist, wer als der eigentliche Beteiligte gemeint ist.
43
Es ist zwar zutreffend, dass formal ungenau nicht die „L… GmbH“ im Rubrum bezeichnet wurde, sondern nur die Marke „L…“. Für das Verständnis des Nachprüfungsantrages ist jedoch nicht die formale Parteibezeichnung im Rubrum ausschlaggebend, vielmehr sind die Gesamtumstände der Erklärung heranzuziehen. Aus diesen ergibt sich, dass der Nachprüfungsantrag durch die „L… GmbH“ eingereicht wurde.
44
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zivilprozess ist eine solche Auslegung erforderlich. Selbst eine Falschbezeichnung der Partei kann durch Auslegung so korrigiert werden, dass die tatsächlich gewollte Partei gemeint ist. Voraussetzung ist nur, dass sich aus dem gesamten Schriftsatz und seinen Anlagen hinreichend klar ergibt, dass eine andere Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren gemeint ist: „Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung durch die oder gegen die in Wahrheit gemeinte Partei oder der durch die Antragstellung bezweckte Erfolg nicht an der fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen.“ (Bundesgerichtshof, 29.03.2017 - VIII ZR 11/16)
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Die Feststellungen des Bundesgerichtshofs zum Zivilprozess gelten auch im Nachprüfungsverfahren. Es ist in der vergaberechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Regelungen und Grundsätze der ZPO entsprechend im Nachprüfungsverfahren Anwendung finden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2020 - XIII ZB 135/19). Im Übrigen hat die vergaberechtliche Rechtsprechung schon mehrfach festgestellt, dass das Rubrum von Amts wegen zu korrigieren ist, wenn der Antragsgegner falsch bezeichnet wurde (OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 - Verg 11/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - Verg 13/19). Unter Berücksichtigung der dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im umgekehrten Fall, also bei einer Falschbezeichnung der Antragstellerin, nichts anderes gelten.
46
Die Auslegung des Nachprüfungsantrages anhand der oben genannten Maßstäbe der Rechtsprechung ergibt, dass das Unternehmen „L… GmbH“, welches sich auch am Wettbewerb der Antragsgegnerin beteiligt hat, den Nachprüfungsantrag eingereicht hat. Die verkürzte Bezeichnung der Antragstellerin ohne den Zusatz der Unternehmensform „ZT GmbH“ ist im vorliegenden Fall hinreichend deutlich. Es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Antragsgegnerin vor, dass auch die Personenmehrheit L… rechtlich existiert und tatsächlich Leistungen am Markt erbringt.
47
Die Antragsgegnerin konnte daher auf Grund der Teilnahme der Antragstellerin am vorangegangenen Wettbewerbs sowie der im Nachprüfungsantrag genannten Unternehmensadresse im Nachprüfungsantrag eindeutig erkennen, dass es sich bei der verkürzten Bezeichnung der Antragstellerin um die „L… GmbH“ handeln muss.
48
1.3. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1GWB entgegen, da das Schreiben vom 08.12.2021 bereits eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge darstellt.
49
Mit seiner Rüge soll ein Bieter zum Ausdruck bringen, dass er eine Vorgehensweise oder ein Verhalten des Auftraggebers beanstanden will. Sie soll dem Auftraggeber frühzeitig Gelegenheit geben, ein möglicherweise vergaberechtswidriges Verhalten zu erkennen und dem abzuhelfen, um die Vergabe rasch zum Abschluss zu bringen und ein zeit- und kostenaufwändiges Nachprüfungsverfahren zu vermeiden oder durch eine Nichtabhilfemitteilung zumindest die frühzeitige Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu bewirken. Eine ordnungsgemäße Rüge setzt daher nicht nur voraus, dass die Tatsachen, auf die die Beanstandung gestützt wird, so konkret wie für die Nachvollziehbarkeit nötig benannt werden, sondern auch, dass aus der Rüge deutlich wird, dass es sich hierbei um einen Vergaberechtsverstoß handelt, dessen Abhilfe begehrt wird (VK Bund, Beschluss vom 28.05.2020 - VK 1-34/20). An das Rügeerfordernis dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden, da anderenfalls ein effektiver Rechtschutz für den Bieter verhindert werden würde. Als Mindestanforderung und Kern einer vergaberechtlichen Rüge muss jedoch verbleiben, dass selbst ein rechtsunkundiger Bieter seine Rüge so substantiieren muss, dass eine Selbstüberprüfung beim Auftraggeber in Gang gesetzt werden kann.
50
In dem Schreiben vom 08.12.2021 wird bereits ein möglicher Verstoß gegen die Anonymität des Wettbewerbs angesprochen. Auch wenn die Antragstellerin und weitere Teilnehmer am Wettbewerb die Rüge mit einer Bitte um Aufklärung schließen, ergibt sich aus dem Schreiben vom 08.12.2021, dass die Antragstellerin und die weiteren Teilnehmer am Wettbewerb davon ausgehen, dass die Anonymität der Wettbewerbsarbeiten im Preisgericht nicht gewährleistet worden ist. Die Antragstellerin und weitere Teilnehmer am Wettbewerb teilen in ihrem Schreiben vom 08.12.2021 mit, dass nach ihrer Ansicht der Verfasser des mit dem ersten Preis prämierte Wettbewerbsentwurfs bereits im Vorfeld einem Großteil des Preisgerichts bekannt war. Die Frage, wie daher die Anonymität gewährleistet werden konnte, ist eindeutig rhetorisch zu verstehen und als Rüge dieser Tatsache zu sehen.
51
Dies gilt insbesondere, da die Antragstellerin und weitere Teilnehmer am Wettbewerb in ihrem Schreiben vom 08.12.2021 eindeutig mitgeteilt haben, dass sie sich eine Rüge des Verfahrens bei der Vergabekammer vorbehalten. Auch wenn hier von den anwaltlich nicht vertretenen Unterzeichnern des Schreibens eine falsche Bezeichnung des Rechtsbehelfs vor der Vergabekammer gewählt wurde, musste der Antragsgegnerin klar sein, dass die Antragstellerin mit diesem Schreiben nicht nur unverbindlich um weiter Auskünfte bat, sondern Beanstandungen vorbringt, bei deren Nichtabhilfe ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer droht.
52
Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass es keine Nachweise oder Belege dafür gibt, dass die Antragstellerin Herrn N… mit einer Verfahrensrüge beauftragt hat, ist dies nicht vom Inhalt des Schreibens vom 08.12.2021 gedeckt. Dort hat Herr N… explizit erklärt im Namen der untenstehenden Teilnehmer, bei denen auch die Antragstellerin aufgeführt war, am Realisierungswettbewerb zu sprechen, welche auch alle im CC des E-Mail-Verteilers aufgeführt waren. Auch das an die E-Mail angehängte Schreiben war von den selben Teilnehmern am Wettbewerb, inklusive der Antragstellerin, unterzeichnet. Eine eigenhändige Unterschrift der Antragstellerin war nicht erforderlich, da an die Rüge in § 160 Abs. 3 GWB keine Formvorschrift gestellt wird. Die Antragsgegnerin selbst hat zudem das Schreiben vom 08.12.2022 als von allen Unterzeichnern kommend akzeptiert und ihr Antwortschreiben vom 09.12.2021 in Kopie an alle Wettbewerbsteilnehmer, auch an die Antragstellerin, geschickt.
53
Die Antragstellerin hat damit ihrer Rügepflicht genüge getan und der Antragsgegnerin in ausreichender Weise mitgeteilt, auf welche Tatsachen sie eine Beanstandung stützt. Die Antragsgegnerin hat anhand dieser Mitteilung sowohl die Tatsachen als auch die Beschwerde erkennen können und auch zutreffend erkannt. Sie hat nämlich in ihrem Antwortschreiben vom 09.12.2021 mitgeteilt, dass sie selbst durch den kaum veränderten Entwurf überrascht war, aber keine Möglichkeit der Abhilfe sieht, da das Verfahren ihrer Ansicht nach den Regeln der RPW 2013 entsprochen habe.
54
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.
55
2.2. Die Beigeladene hat nicht gegen den Grundsatz der Anonymität im Sinne des § 1 Abs. 4 RPW 2013 verstoßen, indem sie ihre Machbarkeitsstudie fast unverändert als Wettbewerbsbeitrag eingereicht hat, da im vorliegenden Fall die Machbarkeitsstudie den Preisrichterinnen und Preisrichtern im Rahmen des Wettbewerbs weder ausführlich vorgestellt noch vollständig ausgehändigt wurde.
56
Die Verpflichtung des Wettbewerbsteilnehmers zur Wahrung von Anonymität der Wettbewerbsarbeit im Auslobungsverfahren erstreckt sich nicht darauf, einen Planungsentwurf gegenüber jedermann geheim zu halten oder ihn, wenn er der Öffentlichkeit bereits vorgestellt worden ist, nicht mehr in einem Auslobungsverfahren als Beitrag einzureichen. Ein solches Verständnis von der Verpflichtung des Bewerbers zur Wahrung der Anonymität seiner Wettbewerbsarbeit würde seine Berufsausübung unverhältnismäßig beschränken, weil es ihm unmöglich wäre, sich mit seiner Arbeit um mehrere Aufträge gleichzeitig oder nacheinander zu bewerben. Die hieraus erwachsenden Identifizierungsmöglichkeiten durch die Preisrichter sind von den Mitbewerbern jedenfalls dann hinzunehmen, solange die Grenze zur Befangenheit eines einzelnen Preisrichters nicht überschritten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.10.2005 - Verg 67/05).
57
Die Anonymität der Beiträge im Wettbewerb war zunächst dadurch gewahrt, dass keine Bezeichnung der Verfasserinnen und Verfasser an den Arbeiten angebracht waren. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass jemand der Preisrichterinnen und Preisrichter eine Identitätsvermutung während der Preisgerichtssitzung und der Bewertung der Arbeiten geäußert hätte oder eine solche Vermutung diskutiert wurde. Diesbezüglich ist jedenfalls nichts im Protokoll der Preisgerichtssitzung vermerkt und auch die einzelnen Bewertungen der Beiträge lassen nicht darauf schließen. Die Machbarkeitsstudie wird in den Bewertungen auch an keiner Stelle erwähnt. Anhaltspunkte für ein unlauteres Zusammenwirken der Preisrichter zum Vorteil der Beigeladenen liegen nicht vor.
58
Die Vergabekammer kann aus dem Vortrag der Beteiligten und der Vergabedokumentation keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass durch die Machbarkeitsstudie bei den Preisrichterinnen und Preisrichtern so erhebliche Identifizierungsmöglichkeiten entstanden sind, dass die Grenze zur Befangenheit überschritten wäre.
59
Die Machbarkeitsstudie wurde zwar in der Vorbesprechung der Preisrichterinnen und Preisrichter am 23.06.2021 im Rahmen einer Präsentation erwähnt, allerdings wurde hier den Preisrichterinnen und Preisrichtern nur das erste Blatt der Studie mit dem Übersichtsplan für das Erdgeschoß gezeigt. In der Vorbesprechung haben die Preisrichterinnen und Preisrichter zwar einen Entwurf des Auslobungstextes, nicht jedoch der gesamten Wettbewerbsunterlagen erhalten. Die Machbarkeitsstudie wurde ihnen nicht ausgehändigt. Auf Grund des zeitlichen Abstands zwischen der Vorbesprechung am 23.06.2021 und der Preisgerichtssitzung am 29.11.2021, in welcher die eingereichten Beiträge bewertet wurden, ist nicht davon auszugehen, dass die Preisrichterinnen und Preisrichter allein anhand des in der Vorbesprechung gezeigten Grundrisses den Beitrag der Beigeladenen sicher hätten identifizieren können. Die Machbarkeitsstudie war nie an die Preisrichterinnen und Preisrichter ausgegeben worden, so dass sich diese auch nicht weiter mit dieser vertraut machen konnten. Allein der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin, hat im Jahr 2016, also mehr als fünf Jahre vor der Bewertung der Wettbewerbsbeiträge, die Machbarkeitsstudie im Rahmen einer Sitzung im Stadtentwicklungs-, Umwelt- und Verkehrsausschuss vorgestellt bekommen. Auch hier liegen jedoch aus dem Protokoll der Preisgerichtssitzung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser den Wettbewerbsbeitrag der Beigeladenen identifizieren konnte. Auch bei einer bestehenden Identifizierungsmöglichkeit der Wettbewerbsarbeit der Beigeladenen durch den Oberbürgermeister wäre die Anonymität des Wettbewerbs nicht verletzt, da nichts auf eine Befangenheit des Oberbürgermeisters als Preisrichter hindeutet. Dass dieser ein Grußwort für die Broschüre über den Museumsumbau und -anbau verfasst hat, deutet nicht auf eine Befangenheit des Oberbürgermeisters oder eine persönliche Präferenz hinsichtlich Beigeladenen hin, sondern gehört zu den üblichen Aufgaben eines (Ober-) Bürgermeisters.
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2.3. Es liegt kein Verstoß gegen die bieterschützende Vorschrift des § 7 VgV vor, da die Antragsgegnerin ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs getroffen hat.
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Die Beigeladene hat die Machbarkeitsstudie bezüglich des streitgegenständlichen Bauvorhabens für die Antragsgegnerin erstellt. Die Beigeladene hat hierdurch zwar zunächst einen Wissensvorsprung erlangt, den die Antragsgegnerin jedoch ausgeglichen hat, indem die von der Beigeladenen erstellte Machbarkeitsstudie den Vergabeunterlagen vollständig beigelegt wurde. Es ist nicht ersichtlich, worin eine Wettbewerbsverzerrung bestehen soll, wenn die Beigeladene einen Wettbewerbsbeitrag abgibt, der vollständig auf Informationen beruht, die allen anderen Teilnehmenden am Wettbewerb so ebenfalls zugänglich waren. Die Beigeladene hat gerade nicht auf ihrer vorab geleisteten Arbeit für die Machbarkeitsstudie aufgebaut, sondern relativ unverändert den Entwurf eingereicht, den sie bereits im Vorfeld erarbeitet hat und der allen anderen Wettbewerbsteilnehmenden so bekannt war. Damit hat sich jedoch weder die Gefahr verwirklicht, dass ein Projektant auf einer bereits gefertigten Lösung aufbauen kann und so quasi eine geringere Einarbeitungszeit benötigt, noch konnte der Projektant von zusätzlichen Informationen und Erkenntnissen aus einem vorhergehenden Auftrag profitieren, die andere Wettbewerbsteilnehmenden nicht bekannt waren.
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3. Kosten des Verfahrens
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die genaue Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Da der Auftragswert nur geringfügig oberhalb des Schwellenwerts lag, war hier eine Gebühr am unteren Rand des Gebührenrahmens anzusetzen. Eine Reduzierung der Gebühr aus Gründen der Billigkeit kommt nicht in Betracht, insbesondere verursacht die Durchführung eines Erörterungstermins per Videokonferenz nicht weniger Aufwand bei der Vergabekammer als die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
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Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die Antragsgegnerin nur über eine kleine Vergabestelle verfügt, die für ein kontradiktorisches Verfahren vor den Vergabekammern personell nicht ausgestattet ist, insbesondere nicht mit einer Juristin oder einem Juristen besetzt ist. Die juristischen Fragestellungen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren gehen auch über das hinaus, was eine durchschnittliche Vergabestelle üblicherweise leisten können muss, insbesondere da Regelungen des RPW 2013 im Streit standen. Auch die Zulässigkeitsfrage, ob die Falschbezeichnung der Antragstellerin korrigiert werden kann, ist keine Frage, die eine Vergabestelle einer Gemeinde ohne juristische Beratung selbst beantworten können muss.
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Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Die Beigeladenehat sich nicht durch schriftsätzlichen Vortrag oder die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. In dem Erörterungstermin per Videokonferenz hat sie lediglich kurz ihren Wettbewerbsbeitrag erläutert und damit das Verfahren selbst nicht wesentlich gefördert. Die Beigeladene hat daher etwaige Aufwendungen, die ihr durch die zweckentsprechende Rechtsverteidigung entstanden sind, selbst zu tragen.