Inhalt

LG München I, Hinweisbeschluss v. 19.07.2022 – 36 S 5687/22 WEG
Titel:

Voraussetzungen für eine Beschlussersetzungsklage

Normenketten:
ZPO § 520, § 522
WEG § 44 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Eine Beschlussersetzungsklage hat nur dann Erfolg, wenn wenn allein die positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, das diesbezügliche Ermessen der Eigentümer also auf Null reduziert ist. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Berufungsbegründung muss sich der Berufungskläger mit allen selbstständig tragende rechtliche Erwägungen auseinandersetzen. Wird die Klage als unbegründet abgewiesen, genügen Ausführungen zur Zulässigkeit nicht. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussersetzung, Berufung, Berufungsbegründung, Ermessen
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 25.04.2022 – 1291 C 17006/21 WEG
Fundstellen:
ZMR 2022, 822
LSK 2022, 26660
BeckRS 2022, 26660

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 25.04.2022, Az. 1291 C 17006/21 WEG, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

1
Nach vorläufiger Auffassung der Kammer ist das Rechtsmittel der Berufung der Kläger im vorliegenden Fall bereits unzulässig.
I.
2
Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (BGH, Beschluss vom 21.7.2016 - IX ZB 88/15, NJW-RR 2016, 1267). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 21.7.2016 - IX ZB 88/15, NJW-RR 2016, 1267 Rn. 9; Beschluss vom 27.1.2015 - VI ZB 40/14, NJW-RR 2015, 511; Beschluss vom 3.3.2015 - VI ZB 6/14, NJW-RR 2015, 757).
3
1. Das Amtsgericht hat die Klage gegen den Negativbeschluss zu TOP 7.1 vom 28.09.2021 abgewiesen, da die Ablehnung des Beschlussantrags vom Ermessensspielraum der Gemeinschaft der Eigentümer gedeckt sei. Das Amtsgericht hat in seiner äußerst sorgfältigen und ausführlichen Begründung zu Recht auf den Grundsatz abgestellt, wonach ein Negativbeschluss nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn allein die positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, das diesbezügliche Ermessen der Eigentümer also auf Null reduziert wäre (Seite 5 des Urteils). Dieser Prüfungsmaßstab entspricht ständiger Rechtsprechung. Ein Negativbeschluss ist nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null für ungültig zu erklären. Die Anfechtung eines Negativbeschlusses ist mithin nur begründet, wenn die Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag zwingend hätten zustimmen müssen, die Beschlussfassung also alternativlos war und das Entscheidungsermessen sich hinsichtlich dieses Beschlussinhalts auf Null reduziert hatte (BGH, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14 -, BGHZ 207, 40 = WuM 2016, 111, Rn. 13 bei juris; LG München I, Endurteil vom 13.02.2020 - 36 S 6844/18 WEG, ZWE 2021, 42, Rn. 20 mwN; ebenso Endurteil vom 29.07.2021 - 36 S 2358/20 WEG, nicht veröffentlicht; Staudinger/ Lehmann-Richter (2018) WEG § 21, Rn. 193).
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2. Die Berufungsbegründung rügt alleine, dass das Urteil des Amtsgerichts rechtsfehlerhaft sei, weil das Amtsgericht davon ausgehe, dass ein Negativbeschluss nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen würde, wenn allein die positive Beschlussverfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte (= Ermessensreduzierung auf Null). Zur Begründung der Berufung wird sodann aber - alleine - ausgeführt, dies widerspreche der Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 02.10.2015, V ZR 5/15, wonach das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen einen Negativbeschluss nur dann entfalle, wenn ein Klageerfolg den Wohnungseigentümern keinen Nutzen mehr bringen würde; dies sei hier nicht der Fall.
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3. Damit stützt sich die Berufungsbegründung im Wesentlichen auf die Frage der  Zulässigkeit, die das Amtsgericht gar nicht verneint hatte. Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung überhaupt nicht angezweifelt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Negativbeschlusses bestehe. Es hat die Klage vielmehr als unbegründet abgewiesen, da vorliegend kein Anspruch auf die konkret beantragte Beschlussfassung bestehe. Dabei handelt es sich aber um eine Frage der Begründetheit (vgl. auch die entsprechende Differenzierung in BGH, Urteil vom 2.10.2015 - V ZR 5/15, ZWE 2016, 46, Rn. 8 einerseits und Rn. 16 andererseits). Weshalb vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten sein soll, lässt die Berufungsbegründung hingegen offen. Damit ist die Berufung bereits unzulässig.
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4. Selbst dann, wenn die Berufung im vorliegenden Fall gleichwohl als (noch) zulässig erachtet würde, wäre die Berufung jedenfalls nach einstimmiger Auffassung der Kammer offensichtlich unbegründet. Wie dargelegt, entspricht der vom Amtsgericht angelegte Prüfungsmaßstab für die Begründetheit der Anfechtung von Negativbeschlüssen ständiger Rechtsprechung, die Begründung des Amtsgerichts ist sorgfältig, umfassend und nachvollziehbar, Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. In diesem Fall wäre die Berufung zwar nicht gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, aber gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II.
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Da die Berufung der Kläger zu 1) und 2) ebenso wie die Berufung des Klägers zu 3), die auf dieselbe Begründung gestützt wurde, keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung durch alle Kläger nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).