Inhalt

LG Traunstein, Urteil v. 02.03.2022 – 2 KLs 150 Js 41192/20
Titel:

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Normenkette:
BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Unter Handeltreiben ist jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt. (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Tatbestand des Handeltreibens ist erfüllt, wenn der Täter dem in seiner Bäckerei beschäftigten Gehilfen Betäubungsmittel überlässt und dieses anschließend mit dessen Arbeitslohn verrechnet. (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
eigennützig, Umsatz, überlassen, verrechnen, Arbeitslohn
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26532

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 5 Fällen in Tatmehrheit mit 10 sachlich zusammentreffenden Fällen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in 7 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
2. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 10 Monaten verurteilt.
3. Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 830,00 € wird angeordnet.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

1
Dem Urteil ist keine Verständigung nach § 257 c StPO vorausgegangen.
I. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse:
1. ...
II. Festgestellter Sachverhalt:
2
1. Im Zeitraum von Oktober 2019 bis August 2020 beschäftigte der Angeklagte den anderweitig verfolgten M. W als Gehilfen in seiner Bäckerei in ... auf Basis von 130 € im Monat, entsprechend einer Arbeitszeit von durchschnittlich 3 Stunden wöchentlich und einem Stundenlohn von 10 €.
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In diesem Zeitraum übergab der Angeklagte an den anderweitig verfolgten W in 5 Einzelfällen eine Menge von jeweils 1,3 g Heroin und verrechnete dieses anschließend mit den Lohnansprüchen des anderweitig verfolgten W. Hierbei legte er einen Kaufpreis von 100 € pro Gramm zugrunde, demzufolge ersparte sich der Angeklagte Lohnzahlungen in Höhe von 130 Euro für jede Überlassung von Heroin.
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Das Heroin war von durchschnittlicher Qualität, ausgehend von einem Wirkstoffgehalt von 30%.
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2. Zu im einzelnen nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum August 2020 bis Februar 2021 kaufte und übernahm der Angeklagte von dem anderweitig verfolgten Eugen D an seiner Wohnanschrift in der P Straße 18 in ...in 9 Einzelfällen jeweils mindestens 15 g bis 20 g Heroin zu einem Preis von 60 € pro Gramm. Insbesondere bei den letzten drei Lieferungen erhielt er jeweils eine Menge von 20 g.
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Das Heroin war zum überwiegenden Teil, etwa 90%, zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt, ein Anteil von 10% war zum gewinnbringenden Weiterverkauf bzw. Weitergabe bestimmt.
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Der Wirkstoffgehalt betrug in allen Fällen mindestens 40% Heroinhydrochlorid.
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Unmittelbar vor dem 16.02.2021 hatte der Angeklagte wiederum eine Lieferung von etwa 18 g Heroin von dem anderweitig verfolgten D erhalten. Hiervon wurde anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 16.02.2021 gegen 11:35 Uhr im Zimmer des Angeklagten im 1. Obergeschoss des Anwesens P Straße 18 in ... eine Gesamtmenge von 16,36 g Heroin aufgefunden. Dieses Heroin hatte, ebenso wie die vorausgegangenen Lieferungen des D, einen Wirkstoffgehalt von 44,4% Heroinhydrochlorid.
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Eine Menge von etwa 1,5 g davon hatte er bereits unmittelbar nach der Übergabe der Lieferung konsumiert.
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Auch von dieser von D bezogenen Menge war der überwiegende Teil zum Eigenkonsum durch den Angeklagten bestimmt, einen geringen Anteil davon hätte er - wie auch schon zuvor - an Dritte weiterveräußert bzw. gegen Verrechnung mit Gegenleistungen abgegeben.
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3. Aus den von D im Zeitraum August 2020 bis Februar 2021 bezogenen Mengen gab der Angeklagte in 6 Einzelfällen an den anderweitig verfolgten Ch, M jeweils 0,3 g Heroin ab. Der anderweitig verfolgte M war im Zeitraum September 2020 bis Ende Oktober/Anfang November 2020 bei dem Angeklagten auf geringfügiger Basis beschäftigt. Die Heroinabgaben an M verrechnete der Angeklagte ebenso, wie zuvor bei W mit dem Stundenlohn des M, ausgehend von 10 € für 0, 1 g.
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Insgesamt übergab der Angeklagte an den M eine Menge von 1,8 g Heroin und ersparte sich dadurch den an M zu zahlenden Arbeitslohn in Höhe von insgesamt 180 Euro.
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Das an M abgegebene Heroin verfügte über eine Wirkstoffmenge von ebenfalls 44% Heroinhydrochlorid.
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Der Angeklagte wusste in allen Fällen, dass er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis besaß.
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Während des gesamten Tatzeitraumes war der Angeklagte weder in seiner Einsichts- noch in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt, oder waren diese gar aufgehoben.
III. Beweiswürdigung:
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1. Der Angeklagte äußerte sich zu seinem Werdegang und seinen persönlichen Verhältnissen.
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Diese Angaben sind nachvollziehbar und glaubhaft und stehen auch im Einklang mit den gegenüber dem Sachverständigen Dr. G gemachten Einlassungen.
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Die Kammer hat keine Anhaltspunkte für davon abweichende Feststellungen.
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2. Zur Sache ließ der Angeklagte über eine Erklärung seines Verteidigers, deren Richtigkeit er bestätigte, einräumen, dass der angeklagte Sachverhalt überwiegend zutreffend sei.
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Er habe von dem anderweitig verfolgten D das Heroin überwiegend zum Eigenkonsum erworben, habe davon aber gelegentlich auch anderen etwas abgegeben. Er habe jeweils Einzelmengen zwischen 15 und 20 g erhalten. Die Fälle betreffend des anderweitig verfolgten M. W seien so richtig, auch bezüglich des anderweitig verfolgten Ch, M, allerdings habe er an diesen nur 6bis 7-mal Heroin abgegeben.
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Auf Fragen gab der Angeklagte ergänzend an, dass sowohl der W als auch der M bei ihm fest auf Basis von 3 Stunden pro Woche angestellt gewesen wären. Grundsätzlich sei vereinbart worden, dass sie pro Woche 3 Stunden arbeiteten und im Monat einen Lohn von 130 € erhielten. Wenn die beiden etwas Heroin von ihm gewollt hätten, habe er ihnen etwas abgegeben. Er kenne die beiden von früher und es sei ihm bekannt, dass diese ebenfalls abhängig seien. Wenn er ihnen etwas Heroin gegeben habe, habe er dies anschließend mit dem Lohn verrechnet, wobei er 100 € pro Gramm Heroin an die beiden verrechnet habe.
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Der W sei dann im August 2020 einfach nicht mehr bei ihm in der Bäckerei erschienen und deswegen habe er dann den M eingestellt. M habe etwa 2 Monate bei ihm gearbeitet.
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Soweit bei der Wohnungsdurchsuchung eine Pistole aufgefunden worden sei, so habe er diese früher mal gekauft, aber nie verwendet. Die Übergaben des Heroins hätten immer in der Küche im Erdgeschoss stattgefunden.
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3. Die Angaben des Angeklagten zur Sache sind glaubwürdig, wenngleich sie nicht zur Überzeugung des Gerichts umfassend sind. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht nur Heroin konsumiert hat, sondern in höherem Maße auch Kokain, wie sich aus dem verlesenen Haargutachten des Forensisch Toxikologischen Centrums München vom 29.03.2021 ergibt. Darin wird ausgeführt, dass bei der Untersuchung der Haarprobe des Angeklagten K1. festgestellt worden sei. Insbesondere das festgestellte Nor-Kokain, ein Stoffwechselprodukt von Kokain, beweise bei höheren Konzentrationen einen Konsum. In der Statistik der bisher im Zusammenhang mit Kokainkonsum positiven Fälle hätten die Nor-Kokainkonzentrationen im überdurchschnittlichen Bereich gelegen. Dies spreche typischerweise für eine häufigere Aufnahme, zusätzlich spreche der Nachweis von Kokain-Hydroxymetaboliten für eine Körperpassage und damit für einen Konsum.
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Auch die durchgeführten Telefonüberwachungen legen nahe, dass es noch weitere Abnehmer gab und möglicherweise auch der Erwerb von größeren Mengen von Rauschgift. Es lässt sich jedoch nicht konkret feststellen mit welchen Mengen und Betäubungsmitteln der Angeklagte weiter möglicherweise Handel getrieben hat, ob es sich hierbei um nicht geringe Mengen handelt oder an wen und von wem er Betäubungsmittel und zu welchen Zeitpunkten er erwarb.
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Auch ein Handeltreiben mit Waffen, wie dies in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Tr.  vom 10.08.2021 zugrunde gelegt wurde, konnte nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Dazu im Einzelnen:
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a) Der polizeiliche Sachbearbeiter KHM M berichtete über den Gang des Ermittlungsverfahrens. Im Rahmen des gegen den anderweitig verfolgten M. W geführten Ermittlungsverfahrens sei das Mobiltelefon des W ausgewertet worden. Hierbei habe sich herausgestellt das der Angeklagte den W mit Heroin bezahle. Konkrete Erkenntnisse hätten aber nicht gewonnen werden können. Es habe dann auch eine Telefonüberwachung des Anschlusses des Angeklagten gegeben, dabei habe man den Verdacht gewonnen, dass der Angeklagte öfters Besuche von Personen aus der Betäubungsmittelszene gehabt habe, aber es habe gleichfalls nichts Konkretes festgestellt werden können. Anfang Januar 2021 sei der Angeklagte dann von einer österreichischen Rufnummer angerufen worden und es sei wohl um eine neue Lieferung gegangen. Es habe sich herausgestellt, dass der Gesprächsteilnehmer der österreichischen Rufnummer der Eugen D gewesen sei, dieser sei aber nicht der Anschlussinhaber. Bei diesem Gespräch sei von einem „Bulldog“ für 5000 € die Rede gewesen. In einem unmittelbar darauf geführten Telefonat heißt es, „es würden 7 fehlen“ und dass dies „beim nächsten Mal ausgeglichen“ werde.
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Der Zeuge M bekundete, dass aufgrund dieses überwachten Telefonats versucht worden sei ein Geschäft zu überwachen, dies sei aber erfolglos geblieben. Um was es letztlich bei dem Gespräch mit dem Bulldog für 5000 € gegangen sei, habe nicht näher aufgeklärt werden können.
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Es sei dann am 16.02.2021 eine Durchsuchung beim Angeklagten durchgeführt worden, wobei in dem von ihm bewohnten Zimmer eine Menge von 16,36 g Heroin und 2 kleinere Mengen Kokain und Marihuana aufgefunden worden seien. Darüber hinaus sei in der Schublade neben dem Bett eine erlaubnisfreie Gasdruck-/Schreckschusspistole aufgefunden worden. Der Angeklagte sei bei der Durchsuchung kooperativ gewesen und habe den Polizeibeamten freiwillig das Betäubungsmittel und die Waffe gezeigt.
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Der Angeklagte habe dann in einer Nachtragsvernehmung am 25.03.2021 Angaben zu den Lieferungen durch Eugen D gemacht. Polizeilicherseits hätten diese Mengen und diese Liefergeschäfte nicht nachvollzogen werden können, die Polizei habe bis dato hiervon nichts gewusst. Angaben zu seinen Kokainlieferanten oder anderen diesbezüglichen Abnehmern habe er trotz Vorhalt nicht gemacht. In seiner Beschuldigtenvernehmung am 25.03.2021 habe der Angeklagte schließlich auch angegeben, dass sich im Laufe der zurückliegenden Jahre sein Heroinkonsum nach und nach gesteigert habe, seit Mitte des letzten Jahres seien es durchschnittlich 1,5 - 2 g pro Tag und in den letzten Tagen vor seiner Verhaftung 3 - 4 g täglich gewesen. Er habe angegeben das Heroin ausschließlich von Eugen D erhalten zu haben, und zwar in mindestens 10 Einzelgeschäften im letzten halben Jahr zu jeweils 15 - 20 g. Insgesamt handele es sich um 150 - 200 g Heroin. Das bei ihm sichergestellte Heroin habe ihm der Eugen D am Tag der Festnahme am Morgen gebracht, es seien 18 g gewesen, er habe hiervon schon selbst etwas konsumiert. Woher das in seinem Zimmer sichergestellte Kokain stamme, habe der Angeklagte nicht sagen wollen. Das Marihuana habe er einmal geschenkt bekommen. Bei den letzten 3 Geschäften, die vor seiner Verhaftung stattgefunden hätten, habe er immer ca. 20 g Heroin erhalten, sonst zwischen 15 oder 20 g.
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Der Zeuge M betonte, dass die Angaben des Angeklagten bezüglich des Eugen D für die Ermittlungsbehörden wertvoll gewesen seien, D sei zwischenzeitlich diesbezüglich auch verurteilt worden.
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Das Telefonat, in dem es um den „Bulldog“ ging, sei auffällig, es hätten sich dazu aber keine weiteren konkreten Erkenntnisse gewinnen lassen, ebenso wenig bezüglich weiterer Abnehmer von Heroin oder sonstiger Betäubungsmittelgeschäfte. Konkrete Hinweise auf weiteres Handeltreiben gebe es nicht.
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b) Der Zeuge KHK W, der bei der Durchsuchung persönlich anwesend war, gab an, dass der Angeklagte auf Frage sogleich die Betäubungsmittel und die Schreckschusspistole in seinem Schlafzimmer gezeigt hätte. Dieses Schlafzimmer befinde sich in dem Wohnhaus, in dem sich auch die Bäckerei befinde. Der Angeklagte sei im Verhalten ruhig und kooperativ gewesen.
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c) Der Zeuge PHM F berichtete über seine Erkenntnisse im Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen gegen den anderweitig verfolgten M. W.
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Danach sei bei dem W im Rahmen der Durchsuchung ein Mobiltelefon sichergestellt worden, auf diesem hätten sich mehrere Chats mit Betäubungsmittelbezug befunden. Es hätte einen Chat-Verkehr zwischen W und M, sowie zwischen W und einer gewissen Lisa St gegeben.
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In diesen Gesprächen sei es darum gegangen, dass der Angeklagte H. abgebe, dieses aber relativ teuer wäre und sie für wenig Lohn bei ihm arbeiten müssten. Die Beteiligten unterhalten sich darüber, von wem man die benötigten Drogen bekommen könne. Bestimmte zuordenbare Namen, so der Zeuge F., seien darin aber nicht vorgekommen.
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Am 03.11.2020 erfolgte, wie der Zeuge PHM F berichtete, eine Nachricht des M an den W, nachdem W den M gefragt hatte, ob er bei dem Angeklagten arbeite. Daraufhin antwortet M: „Du es waren ein paar Tage. Aber ich sehe es nicht ein, dass ich minimal für ein Gift und ohne Geld jeden Tag mit dem Rad da rüber fahr und da an Kasperl für ihn mach, einen Unterbezahlten. Und nur dass er mich an der Nadel hält, für des mach ich es ned. Also ich hab ganz aufgehört. Mit allem“.
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Weitere Unterhaltungen zwischen W und M, die einen konkreten Bezug zum vorliegenden Verfahren aufwiesen, seien nicht festgestellt worden, so der Zeuge PHM Fr.
39
Aus dieser Sprachnachricht ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass hier der Angeklagte den Ch, M bewusst durch Heroinlieferungen „an der Nadel hielt“, also seine Abhängigkeit ausnutzte. Aus der Sprachnachricht ergibt sich, dass M offenbar tatsächlich nur an wenigen Tagen Heroin für seine Arbeitsleistungen erhalten hatte, es ihm dann aber letztlich zu mühsam war, für das wenige Heroin und ohne Geld die Fahrt in die Bäckerei auf sich zu nehmen. Der Ausdruck „und nur dass er mich an der Nadel hält“ kann auch so aufgefasst werden, dass der M den Aufwand für sich als zu hoch ansieht, um zur Befriedigung seiner Sucht die Fahrt zum Angeklagten und die Arbeit in Kauf zu nehmen, weshalb er schließlich auch sagt er habe ganz aufgehört, mit allem.
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In diesem Sinn hat der Zeuge M sich auch selbst in seiner Aussage vor der Kammer geäußert.
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Der Zeuge PHM F gab weiter an, dass der W in den Gesprächen mit M schließlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er nicht mehr weiter beim Angeklagten arbeiten wollte und er die anderen fragte, ob sie bei dem Angeklagten für ihn etwas holen könnten.
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Insgesamt hätten sich aber aus diesen ausgewerteten Gesprächen keine weiteren Lieferquellen des W bezüglich Heroin außer dem Angeklagten ergeben. Auch hinsichtlich anderer Abnehmer oder Lieferanten des Angeklagten hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.
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Aus den Gesprächen im Chat-Verkehr zwischen dem W und der St, die im Wege des Vorhaltes durch den Zeugen PHM Freund eingeführt wurden, ergebe sich, dass zwischen den beiden ebenfalls ausführlich darüber gesprochen werde, so der Zeuge, wo die St etwas „auftreiben“ und ob ihr der W dabei helfen könne. Im Oktober habe der W der St erzählt, dass das Einzige was er klarmachen könne, „Äitsch“ (Heroin) sei, aber er sei die ganze Zeit nicht mehr bei „ihm“ gewesen. Der habe ihn „auch schon gekündigt und so, der Wichser“. Er könnte aber „bestimmt über einen Kumpel oder so was den hinschicken oder so was, dass der dann was klarmacht und dann decken wir uns ein bisschen ein“. W spreche weiter darüber, dass er die ganze Zeit, „wo er da gearbeitet habe, nicht einmal Bargeld gesehen hätte. Er habe nur Zeug bekommen oder so. Und dann noch vom Arbeitsamt, weil er sei nur auf 430 € angemeldet gewesen. Er sei nur 13 Stunden im Monat angemeldet gewesen, zwar hätte er mehr arbeiten können, aber dann hätte ihm das Arbeitsamt weniger Kohle gegeben. Und so habe er halt in der Woche 360 € verdient, auf die Hand und das habe er dann alles halt in Zeug und des mal 5 und dann noch halt die 820 € vom Arbeitsamt, weil er hier als Untermieter angemeldet gewesen sei und er das nicht abgeben müsse“.
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Anhand dieser in weiten Teilen undeutlichen Formulierungen sieht sich das Gericht ohne weitere konkrete Erkenntnisse nicht in der Lage, hier einen bestimmten Tatvorwurf zu seiner für eine Verurteilung ausreichenden Überzeugung festzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der W hier mit einer dritten Person - nämlich der Lisa St - spricht und nicht bekannt ist, ob der W sich gegenüber der St möglicherweise nur wichtig machen möchte. Jedenfalls scheint der W auch Bedenken zu hegen, dass er neben seinem Verdienst bei dem Angeklagten auch Arbeitslosenunterstützung erhielt und seine entsprechenden Äußerungen, er habe alles in Heroin erhalten möglicherweise auch nur gegenüber der Dritten Lisa St getätigt wurden, um hier einen Verdacht des Arbeitsamtsbetrugs von sich abzuwehren.
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Da der Zeuge W in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, hat sich die Kammer nicht imstande gesehen aus diesem einem Gespräch konkrete, für eine Verurteilung erforderliche hinreichende sichere Feststellungen zu ziehen.
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Deswegen geht die Kammer nur von einem gelegentlichen Abgeben von Heroin an den W gegen Verrechnung mit dessen Arbeitsleistungen aus, wie dies Gegenstand der Anklage ist und vom Angeklagten auch so eingeräumt wurde. Ein regelmäßiges Abgeben von Betäubungsmitteln an Dritte vermag die Kammer nicht festzustellen.
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d) Der Zeuge M. W machte von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO im Hinblick auf sein eigenes noch nicht abgeschlossenes Verfahren Gebrauch.
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e) Der Zeuge E. D zeigte sich in seiner Vernehmung vor der Kammer nicht sehr auskunftsfreudig und gab nur pauschal an, dass das, was in dem gegen ihn ergangenen Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 16.11.2021 stehe, richtig sei. Mehr könne er dazu nicht sagen. Darin wird unter anderem festgestellt, dass er im Zeitraum September 2020 bis 16.02.2021 in mindestens zehn Fällen an den Angeklagten jeweils mindestens 15 g Heroin verkauft habe. Er selbst - so der Zeuge D - will nie Drogen konsumiert haben und könne deswegen nicht sagen, welche Qualität das Heroin gehabt habe. Er könne auch nichts darüber sagen, wie viel der Angeklagte konsumierte, da er nie mit ihm zusammen konsumiert habe. Ob der Angeklagte das von ihm gelieferte Heroin weiterverkauft habe, wisse er ebenfalls nicht.
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f) Der Zeuge C. M schließlich gab an, dass er am 15.09.2020 als Gehilfe bei dem Angeklagten in der Bäckerei angefangen habe zu arbeiten. Dies könne er deswegen noch so sicher sagen, da er kurz zuvor aus der Haft in der JVA B entlassen worden sei. Er habe von dem W gehört, dass dieser aufgehört habe zu arbeiten und er selbst sei auf Jobsuche gewesen. Er habe beim Angeklagten lediglich auf geringfügiger Basis für 3 Stunden pro Woche bei ihm gearbeitet. Er habe pro Stunde 10 € erhalten. Insgesamt habe er in der Woche 50 €, maximal 60 € verdient. Spätestens am 6. Oktober/7. Oktober habe er wieder aufgehört bei dem Angeklagten regelmäßig zu arbeiten. Dies wisse er deswegen, weil am 05.10.2020 seine Frau verstorben sei und er danach nicht mehr weiterarbeiten wollte. Es könne allerdings schon sein, dass er noch bis Anfang November immer mal wieder gelegentlich zur Aushilfe beim Angeklagten etwas gemacht habe, aber nicht mehr regelmäßig. Es sei richtig, dass ihn der Angeklagte auch mit Heroin bezahlt habe. Er und der Angeklagte würden sich schon länger kennen und beide hätten das gleiche Problem. Der Angeklagte habe ihm ausgeholfen und ihn nicht im Stich gelassen. Der Angeklagte habe das überlassene Heroin dann mit seinem Arbeitslohn verrechnet, grundsätzlich sei dies aber nicht so vereinbart gewesen. Zu den Konsumgewohnheiten des Angeklagten könne er nichts Näheres sagen, er könne nur angeben, dass der Angeklagte sicherlich täglich konsumiert habe, das gehe bei Heroin nicht anders. Er selbst könne jedenfalls nicht tageweise auf Heroin verzichten. Ob der Angeklagte anderen etwas abgegeben habe, wisse er nur von W, ansonsten könne er nur Vermutungen äußern aber nichts Genaues sagen. Er habe sich mit dem Angeklagten darüber nicht unterhalten. Wenn er vom Angeklagten das Heroin erhalten habe, habe er es eilig gehabt, um es sich zu spritzen, es sei dann nicht mehr viel geredet worden.
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Auf Vorhalt, dass er bei der Polizei wesentlich mehr Fälle angegeben habe, nämlich 12, gab er an, dass die Polizei ihn unter Druck gesetzt hätte. Ob er vom Angeklagten mehr als sechsmal, wie dies vom Angeklagten eingeräumt werde, Heroin erhalten habe, könne er jetzt nicht mehr mit Sicherheit angeben.
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Hierzu wurde durch Verlesen des Urteils des Amtsgerichts Rosenheim vom 00.09.2021 gegen den dortigen Angeklagten M festgestellt, dass dieser wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 4 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt worden ist. In der dieser Verurteilung zugrunde liegenden Anklage lag dem Zeugen M zur Last, im Zeitraum von September bis Anfang November 2020 in der Bäckerei des Angeklagten R gearbeitet zu haben in einem Umfang von ca. 3 Stunden pro Woche.
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Der Angeklagte R habe dem M mit 0,1 g Heroin pro geleistete Arbeitsstunde entlohnt. Es sei zu mindestens 4 Übergaben von jeweils 0,3 g Heroin als Arbeitsentgelt an den Angeklagten M gekommen in einem Zeitraum von mindestens 4 Wochen.
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Auch aus den Angaben des Zeugen M lässt sich kein größerer Umfang der Geschäfte folgern, als dies vom Angeklagten eingeräumt und vom Zeugen M bestätigt wurde.
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4. Die Qualität und Wirkstoffgehalt des bei der Durchsuchung sichergestellten Heroins ergibt sich aus dem verlesenen Wirkstoffgutachten des bayerischen Landeskriminalamts vom 23.03.2021. Danach handelt es sich um Heroin mit einem Mindestgehalt von 44,4% Heroinhydrochlorid und somit einer Mindestmenge von 7,26 g.
5. a) …
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b) Der Sachverständige Dr. G diagnostizierte bei dem Angeklagten eine Opioidabhängigkeit und einen Kokainmissbrauch. Diese sei geprägt von dem starken Wunsch oder dem Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren, einer verminderten Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanzkonsums, körperlichen Entzugssyndromen, Nachweis einer Toleranzbildung, fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums und anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen psychischer und physischer Art.
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In der Längsschnittbetrachtung träfen diese Kriterien mehr oder weniger vollständig auf den Angeklagten zu. Andere psychiatrische Diagnosen könnten nicht gestellt werden. Trotz der im Tatzeitraum anzunehmenden süchtigen Fehlhaltung seien aber keine schwersten Persönlichkeitsveränderungen beim Angeklagten zu diagnostizieren. Der Angeklagte habe seine Bäckerei regelrecht führen können und sei auch in den Terminen der FOSA immer ordentlich erschienen und zugänglich gewesen. Er habe während der fraglichen Zeiträume auch durchgehend Polamidon als Substitutionspräparat eingenommen, sodass deswegen bei ihm ein hoher, nicht anders zu bewältigender Suchtdruck nicht angenommen werden könne. Seinen Einlassungen zufolge suche der Angeklagte den unter Heroin auftretenden “Kick“. Hinzu komme, dass er während der gesamten Zeit nicht nur an die forensische Nachsorgeambulanz (FOSA) angebunden war und von dieser betreut wurde, sondern er auch in Behandlung bei Substitutionsärzten war und unter Aufsicht der Bewährungshilfe stand. Es hätten ihm daher mehrere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, sich bei einem nicht mehr als erträglich empfundenen Suchtdruck Hilfe zu suchen. Ausgehend davon und der Tatsache, dass er sowohl die Bäckerei als auch die beiden Lebensmittelläden durchgehend erfolgreich betrieb, immerhin erzielte er - wie er angibt - einen jährlichen Umsatz von 1,5 Millionen €, könne nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
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Die Kammer tritt diesen überzeugenden und fachlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen Dr. G vollumfänglich bei. Auch die Kammer sieht keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Der Angeklagte führte sein gesamtes soziales Leben geordnet, insbesondere seinen Betrieb konnte er ohne Einschränkungen aufrechterhalten. Keiner der Personen, welche mit dem Angeklagten im Tatzeitraum unmittelbaren Kontakt hatten, konnten irgendwelche besonderen Auffälligkeiten in seinem Verhalten feststellen. Auch die Polizeibeamten gaben im Rahmen der durchgeführten Durchsuchung an, dass der Angeklagte kooperativ und ruhig, sowie zugänglich gewesen sei. Auch der Zeuge M gab an, dass ihm nie irgendwelche ungewöhnlichen Verhaltensweisen beim Angeklagten aufgefallen seien. So hat er zwar seinen beiden Gehilfen W und M auf deren Verlangen Heroin abgegeben, er hat dies aber dann später mit deren Arbeitslohnansprüchen verrechnet. Dies zeigt zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte stets eine ausreichende Überschau und einen Blick für die Zusammenhänge hatte. Wenn er schwer abhängig gewesen wäre, hätte er nicht seinen beiden Angestellten auf deren Verlangen Heroin abgegeben, zumal er dafür keine unmittelbare Gegenleistung erhielt, die er seinerseits zum Erwerb von Drogen hätte verwenden können.
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Aufgrund seiner guten monatlichen Einkünfte war er nicht auf den Verkauf von Betäubungsmitteln angewiesen, um seine eigene Sucht zu befriedigen.
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Schließlich berichtet der Angeklagte auch nicht über Erfahrungen mit schwersten Entzugssymptomen, diese wurden auch durch die Substitutionsbehandlung gemildert.
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In Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen ist deshalb auch das Gericht der Auffassung, dass der Angeklagte hier den anhaltenden Heroinkonsum durchführte, weil er es als angenehm empfand und er die an ihn gestellten Aufgaben damit leichter bewältigen konnte.
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c) Ein anderes Ergebnis ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den Feststellungen des Landgerichtsarztes, in Folge derer die Abstinenzweisung aufgehoben worden war.
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Aus den verlesenen gutachterlichen Stellungnahmen des Landgerichtsarztes vom 10.04.2019 und 26.06.2019 ergibt sich, dass der Angeklagte dem Landgerichtsarzt gegenüber angegeben habe, er hätte festgestellt, dass er sich in der Arbeit wesentlich besser konzentrieren könne und auch entsprechend leistungsfähiger sei, wenn er Heroin konsumiere. Es hätte sich bei ihm ein stabiler Verlauf entwickelt, indem er morgens 0,4 g Heroin und nach der Arbeit 1 bis 2 g konsumiere. Dies könne er sehr gut kontrollieren, seine Leistungsfähigkeit sei konstant gut.
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Als Diagnose werde eine fest etablierte Opiatabhängigkeit gestellt, der Angeklagte zeige aber ein gutes Gefühl in der Dosierung des Konsums. Er sei in der Lage ein Gleichgewicht zwischen Konsum und Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, eine Einengung des Denkens und Handelns auf den Konsum von Drogen sei nicht gegeben. Er betreibe die Bäckerei vollumfänglich und erfolgreich. Da der Angeklagte durch den Heroinkonsum zu einem ausgeglichenen und zufriedenstellenden Lebensgefühl gelange, besitze er keine Einsicht in die Notwendigkeit der Abstinenz. Hierzu habe er nie den Willen aufbringen können.
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Aus diesen Feststellungen des Landgerichts Arzt vermag die Kammer nicht zu folgern, dass der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen nicht zu einer nachhaltigen Abstinenz fähig sei, auch wenn dies letztlich von der Strafvollstreckungskammer angenommen und in Folge dann die Abstinenzweisung aufgehoben wurde.
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Aus den Feststellungen des Landgerichtsarztes ergibt sich nach Auffassung der Kammer gerade nicht eine körperlich oder psychiatrisch nicht anders zu bewältigende Drogensucht des Angeklagten. Vielmehr legen diese Feststellungen nahe, dass der Angeklagte den Heroinkonsum für sich als angenehm empfindet und dies in seinen täglichen Lebensrhythmus so weit einbauen konnte, dass er keine persönlichen und beruflichen Nachteile dadurch hat. Dies belegt aber zugleich, dass er nicht in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war, vielmehr hängt seine Abstinenz allein von seinem Wollen ab und der Angeklagte konsumiert Heroin, weil er den Konsum als wohltuend empfindet.
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So sieht dies im Ergebnis auch der psychiatrische Sachverständige Dr. G.
67
d) In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G ist auch das Gericht der Überzeugung, dass der Angeklagte keine erneute Therapie oder gar Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anstrebt. Dazu hat er selbst erklärt, dass sich dies mit seiner Arbeit nicht vereinbaren lässt und er dies deswegen ablehne. Zur Überzeugung der Kammer könnte aber nur eine erneute stationäre Maßnahme den Angeklagten dazu bringen, seine Abhängigkeit zu überwinden. Reine ambulante Maßnahmen erscheinen angesichts der langjährigen und massiven Abhängigkeitsproblematik, sowie des relativ raschen Rückfalls in alte Verhaltensgewohnheiten nach zunächst erfolgreichem Abschluss der Unterbringung nicht geeignet, um ihn von seiner Abhängigkeit zu befreien.
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Gleiches gilt für die vom Angeklagten in den Raum gestellte Substitution mit Depotspritzen. Nach Angaben des Sachverständigen Dr. G lässt die Wirkung dieser Depotsubstitution im Laufe der Zeit nach und zum Ende des Depotzeitraums werde dann das Verlangen wieder stärker und die Gefahr des Konsums von Betäubungsmitteln steige stark an. Außerdem verfüge der Angeklagte über keinen Führerschein und hat deswegen nach wie vor die Schwierigkeit von seinem Wohnort zu einem Arzt oder einer Therapieeinrichtung regelmäßig und zuverlässig zu gelangen.
69
e) Soweit der Angeklagte angibt, dass der Konsum von Heroin ihm bei seinen Problemen mit den Nebenhöhlen und seinen Rückenschmerzen helfe, so hat der Sachverständige Dr. G hierzu ausgeführt, dass dem Angeklagten dies durchaus konzediert werden könne, denn Heroin wirke als opiathaltiges Betäubungsmittel auch schmerzlindernd. Allerdings sehe der Sachverständige die Schmerzsymptomatik, die der Angeklagte vorbringe, eher als Rechtfertigung für seinen anhaltenden Drogenkonsum. Außerdem stünden natürlich auch legale Möglichkeiten zur Verfügung entsprechende Schmerzen durch Medikamente zu behandeln.
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Der Umstand, dass der Angeklagte zu einer nachhaltigen Drogenabstinenz nicht fähig ist, führt nicht dazu, dass automatisch die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit vermindert oder gar aufgehoben wäre. Allein die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln führt noch nicht zur Annahme einer verminderten oder aufgehobenen Steuerungsfähigkeit (Körner/Patzak/Volkmar Betäubungsmittelgesetz vor § 29 Rn. 8). Es ist hier immer eine konkrete Bewertung im Einzelfall erforderlich. Aufgrund der durchweg erhaltenen sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten geht auch die Kammer in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G davon aus, dass seine Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt war. Hinzu kommt hierbei, dass er bei Bestellung und Erwerb des Heroins von dem anderweitig verfolgten D quasi seine Vorräte immer wieder auffüllte, damit er für die nächsten Wochen wieder genug Drogen zur Verfügung hatte. Eine schwere Entzugssymptomatik in diesen jeweiligen Bestellungen bzw. Erwerbsvorgängen ist nicht ersichtlich und hat der Angeklagte auch nicht so vorgetragen.
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6. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte sich die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass der Angeklagte mit Heroin in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. Vielmehr ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass er die - jedenfalls nachweisbaren - erworbenen Mengen zum überwiegenden Eigenkonsum verwendet hat.
72
Der Angeklagte gab an, er habe im fraglichen Tatzeitraum im Durchschnitt 1 bis 2 g, unmittelbar vor der Festnahme auch bis zu 4 g täglich an Heroin konsumiert. Diese Konsummengen sind ausweislich der Erläuterungen des Sachverständigen Dr. G bei einem heroingewohnten Abhängigen nicht ungewöhnlich. Auch die Ergebnisse des Haargutachtens sprechen nicht gegen die Annahme eines täglichen Konsums nachdem der Sachverständige Dr. G angab, dass gerade bei Heroin eher ein häufiger bzw. täglicher Konsum zu erwarten sei aufgrund der starken Abhängigkeitswirkung und dem relativ raschen Eintritt von Entzugssymptomen verbunden mit dem Bedürfnis nach erneutem Konsum. Dies bestätigte auch der Zeuge M, der bekundete, dass er selbst jedenfalls nicht tageweise auf Heroin verzichten könne.
73
Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsummenge von 1 bis 2 g pro Tag hätte der Angeklagte in einer Woche 7-14 g und in 2 Wochen 14-28 g Heroin für sich verbraucht. Aber auch noch höhere Konsummengen sind im Bereich des Möglichen.
74
Nach Anklage und entsprechend dem Geständnis des Angeklagten hat er im Zeitraum August 2020 bis Februar 2021 in 10 Einzelgeschäften jeweils mindestens 15-20 g Heroin von dem anderweitig verfolgten D erworben. Dies hat auch die Kammer aufgrund der Hauptverhandlung so festgestellt.
75
Anhaltspunkte für darüber hinaus gehende Feststellungen konnten nicht gefunden werden.
76
Der Zeitraum von August bis Anfang Februar beträgt 26 Wochen. Ausgehend von einer Mindestmenge von 7 g pro Woche ergibt dies eine Gesamtmenge von 182 g Heroin, die der Angeklagte konsumiert hätte. Eine festgestellte Erwerbsmenge von 10 × 15 g ergeben 150 g bzw. bei Zugrundelegung von einer Erwerbsmenge von jeweils 20 g 200 g.
77
Diese Betrachtung belegt, dass hier aufgrund der nachweisbar bezogenen Mengen nicht festgestellt werden kann, dass diese zum überwiegenden Handeltreiben bestimmt waren. Die Einlassung des überwiegenden Eigenkonsums kann nicht widerlegt werden.
78
Konkrete Erkenntnisse, dass der Angeklagte tatsächlich größere Mengen bezogen und auch abgegeben hat, konnten nicht gewonnen werden, diese waren auch nicht Gegenstand der Anklage.
79
Zwar ergeben sich aus den überwachten Telefongesprächen Hinweise dafür, dass noch weitere Betäubungsmittelgeschäfte stattgefunden haben könnten und der Angeklagte auch noch mit anderen Personen Kontakte hatte, die sich auf Betäubungsmittelgeschäfte bezogen, konkrete Anhaltspunkte ließen sich hieraus aber nicht gewinnen, wie auch der Zeuge KHK M bestätigt hat.
80
Soweit in einem überwachten Telefonat zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig verfolgten D vom 08.01.2021 von einem „Bulldog“ gesprochen wird und man sich um 6:00 Uhr treffen wolle und der Anrufer wissen wolle, ob der Traktor ungefähr „5000“ gekostet habe, so lässt sich hieraus nicht entnehmen, um was es sich hierbei genau handelte. Auch in einem weiteren Telefonat am 08.01.2021, in dem der Angeklagte sagt, dass „7 abgingen“ und vereinbart wird, dass „dies das nächste Mal geregelt“ werde, mag darauf hindeuten, dass hier ein Betäubungsmittelgeschäft abgewickelt wurde, allerdings bleibt unklar, um welche Betäubungsmittel es sich dabei handelte und welche Menge, ob sich die genannte Zahl 5000 auf eine Menge von Betäubungsmittel bezieht oder auf den Preis. Jedenfalls kann nach Auffassung der Kammer hieraus keine konkrete Sachverhaltsfeststellung, die für eine Verurteilung wegen Handeltreiben in nicht geringer Menge herangezogen werden könnte, gewonnen werden.
81
Hinzu kommt, dass dieses Telefonat am 08.01.2021 war, also am Ende des Tatzeitraums, der dem Angeklagten zwischen August 2020 und Februar 2021 zur Last gelegt wird. Selbst wenn der Angeklagte A. J. 2021 eine größere Menge an Betäubungsmittel erworben haben sollte, so würde dies nicht ein Handeltreiben vor dem Januar 2021 begründen können.
82
Ob die am 16.02.2021 bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundene Menge Heroin ein Restbestand aus einer möglichen Lieferung Anfang Januar 2021 war oder, worauf die Erkenntnisse der ermittelnden Polizeibehörde hindeuteten, von einer Lieferung unmittelbar vor der Durchsuchung, lässt sich ebenfalls nicht sicher feststellen.
83
Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer deswegen der Überzeugung, dass die von dem Angeklagten bezogenen Einzelmengen überwiegend zu seinem Eigenkonsum gedient haben. Von den bezogenen Mengen hat er allenfalls gelegentlich kleinere Mengen an andere Personen abgegeben. Die Kammer schätzt diesen Anteil auf 10%. Diese Schätzung ist mit den bezogenen Mengen und den Zeiträumen, sowie den Eigenkonsummengen des Angeklagten in Einklang zu bringen und deshalb plausibel. Andere konkrete Feststellungen sind dem Gericht nicht möglich. Insoweit könnten hier nur Vermutungen angestellt werden.
84
Nachdem der Angeklagte bei den erhaltenen Lieferungen einen Teil in Höhe von jeweils 10% an andere Personen gegen eine Arbeitsleistung abgab oder teilweise verkaufte, ist die Kammer davon überzeugt, dass er dies auch im Falle der zuletzt erhaltenen Lieferung, die bei der Durchsuchung sichergestellt wurde, getan hätte.
IV. Rechtliche Würdigung:
85
1. Im Fall 1 der Anklage hat sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 5 Fällen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht. Unter Handeltreiben ist jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt. Indem der Angeklagte an seinen Gehilfen M. W Betäubungsmittel überlassen hat und dieses anschließend mit dessen Arbeitslohn verrechnete, hat er den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens erfüllt.
86
Ein besonders schwerer Fall liegt weder aufgrund allgemeiner Umstände nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG, noch durch eine gewerbsmäßige Begehungsweise im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG vor.
87
Angesichts des Geständnisses des Angeklagten und der jeweils abgegebenen eher kleineren Mengen von 1,3 g und den längeren Zeitraum zwischen Oktober 2019 und August 2020 (11 Monate) hält die Kammer einen besonders schweren Fall nach allgemeinen Grundsätzen nicht gegeben.
88
Gewerbsmäßigkeit ist gegeben, wenn ein Täter die Absicht hat, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Dabei müssen die Einnahmen nicht die Haupteinnahmequelle des Täters sein und es wird nicht vorausgesetzt, dass immer nur Bargeld angestrebt wird, es reichen auch - wie hier - geldwerte Vermögensvorteile.
89
Angesichts der Tatsache, dass der anderweitig verfolgte M. W grundsätzlich auf Basis eines Stundenlohns von 10 € angestellt war, den er überwiegend auch erhalten hatte und der Tatsache, dass die Abgabe von Heroin an den W nur gelegentlich erfolgte, wenn dieser vom Angeklagten etwas verlangt hat, kann nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte von A. an oder immer wieder den Vorsatz hatte, den W regelmäßig nicht mit Geld, sondern durch Heroin zu entlohnen. Wie der Angeklagte angab, erfolgte im Falle der Heroinabgabe die Verrechnung mit den Lohnansprüchen des Ws im Nachhinein und einseitig durch ihn. Vorab war dies nicht auf längere Sicht hin geplant, sondern ergab sich immer nur im Einzelfall. Auch stellt sich eine Heroinabgabe in 5 Einzelfällen über einen Zeitraum von 11 Monaten nicht als so umfänglich dar, dass hier einer Abgabe von einiger Dauer und einigem Umfang gesprochen werden könnte. Nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen erfolgten die Abgaben des Heroins immer nur sukzessive und bei Gelegenheit, eine auf Dauer angelegte Begehungsweise dahingehend, dass der W ausschließlich oder überwiegend für seine Arbeitsleistungen mit Heroin entlohnt wurde, vermochte das Gericht nicht festzustellen.
90
2. Im Fall 2 hat sich der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht.
91
Er hat von dem anderweitig verfolgten D in 10 Einzelgeschäften jeweils mindestens 15 g bzw. in den letzten drei Fällen vor der Festnahme 20 g Heroin erworben, wobei das letzte Erwerbsgeschäft unmittelbar vor der Durchsuchung am 16.02.2021 stattfand, wovon noch 16,36 g Heroin aufgefunden werden konnten.
92
Da der weit überwiegende Anteil nämlich in Höhe von 90% vom Angeklagten zum Eigenkonsum verwendet wurde bzw. gedacht war und nur ein geringer Teil dieser Einzelmengen bei Gelegenheit an den anderweitig verfolgten M abgegeben wurde, liegt hinsichtlich der nicht geringen Menge Besitz vor und bezüglich der Abgabe Handeltreiben. Beides steht zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB).
93
Da hier ein Handeltreiben in nicht geringer Menge nicht festgestellt werden kann, spielt die Frage, ob die aufgefundene Schreckschuss-/Gasdruckpistole zugriffsbereit und in Verwendungsabsicht aufbewahrt wurde, keine Rolle, da ein Handeltreiben mit Waffen nur dann gesondert strafbar ist, wenn es sich um ein Handeltreiben in nicht geringer Menge handelt (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
94
Der Besitz der Waffe im Übrigen ist erlaubnisfrei.
95
Wenn Betäubungsmittel in nicht geringer Menge teilweise zum Eigenkonsum und auch zum Weiterverkauf bzw. zur Weitergabe erworben werden, muss eine Feststellung getroffen werden, welcher Anteil zum Eigenverbrauch und welcher Anteil zum Verkauf vorgesehen war. Wie oben ausgeführt wurde, beziffert die Kammer diesen Anteil aufgrund der nachweisbaren Bezugsmengen und den nicht widerlegbaren Konsumgewohnheiten und der Eigenkonsummenge des Angeklagten auf 90% Eigenkonsum und 10% Weiterverkauf bzw. entgeltliche Weitergabe. Bleibt die Handelsmenge unter dem Grenzwert der nicht geringen Menge, so kommt unerlaubter Besitz der nicht geringen Eigenverbrauchsmenge in Tateinheit mit Handeltreiben in Betracht und der Erwerb wird verdrängt (Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz § 29 a Rn. 153).
96
Mangels konkreter Erkenntnisse hat die Kammer das Verhältnis zwischen Eigenkonsum und abgegebener Menge grob geschätzt. Ausgehend von einem durchschnittlichen Bezug von etwa 15 g alle drei Wochen durch den Angeklagten (entspricht 5 g pro Woche) und einer Abgabe von ca. 0,3 g pro Woche an den M ist eine nur untergeordnete Abgabe der Betäubungsmittel gegenüber dem Eigenverbrauch des Angeklagten gegeben, wovon das Gericht auch ausging.
97
Die Qualität und damit die nicht geringe Menge der Betäubungsmittel ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der Untersuchung der sichergestellten Betäubungsmittel von 16,36 g Heroin, die einen Wirkstoffgehalt von 44,4% Heroinhydrochlorid aufwiesen. Dies entspricht einem Gehalt an Heroinhydrochlorid von 7,26 g. Ausgehend von der nicht geringen Menge bei Heroin von 1,5 g entspricht dies dem 4,8fachen der nicht geringen Menge bzw. bezüglich der Eigenkonsumenge von 90% dem 4,3fachen.
98
Bei den übrigen von D erworbenen Mengen, die nicht sichergestellt werden konnten, geht die Kammer ebenfalls von einem Wirkstoffgehalt von mindestens 40% aus, sodass sich ausgehend von einer Mindesterwerbsmenge von 15 g ein Wirkstoffgehalt von 6 g ergibt, entsprechend dem 4-fachen bzw. 3,6 fachen (Eigenkonsummenge) der nicht geringen Menge und bei einer Liefermenge von 20 g ein Wirkstoffgehalt von 8 g, entsprechend dem 5,3 fachen bzw. 4,7 fachen (Eigenkonsummenge) der nicht geringen Menge.
99
Bei der Schätzung des Wirkstoffgehaltes von 40% bezüglich der Heroinlieferungen von D vor dem 16.02.2021 waren für die Kammer folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
100
Das Heroin stammte jeweils vom gleichen Lieferanten (Eugen D), wurde jeweils zum gleichen Preis verkauft und der Angeklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt über die Qualität beschwert, ebenso wie auch der Zeuge M, der Mengen aus den jeweiligen Lieferungen erhielt.
101
Im Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 16.11.2021 gegen den Eugen D, das verlesen wurde, wurden gleichfalls für alle zehn Lieferungen ein Wirkstoffgehalt von 44,4% zugrunde gelegt.
102
Den Wirkstoffgehalt des an den W (Ziffer 1.) abgegebenen Heroins schätzt das Gericht auf 30%. Aus welcher Quelle dieses Heroin stammte, insbesondere, ob es auch von D geliefert wurde, ist nicht bekannt.
103
Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt bei Heroin liegt zwischen 19,3% und 45,1% (vgl. dazu Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz 10.Auflage, Vor 29ff. Rn. 333).
104
Der Preis, den der Angeklagte für das Heroin ansetzte und der von W auch akzeptiert worden war, nachdem er immer wieder von dem Angeklagten H. gegen Verrechnung seines Arbeitslohnes übernommen hatte, war mit 100 Euro pro Gramm auch relativ hoch, jedenfalls wesentlich höher als der Einkaufspreis (60 Euro pro Gramm). Auch legte der Angeklagte W1. auf hochqualitatives Heroin, was die Lieferungen von D belegen, so dass nicht angenommen werden kann, dass er in der Zeit unmittelbar davor, sich mit wesentlich schlechterer Qualität zufriedengab.
105
Insgesamt hält das Gericht deshalb die Schätzung auf einen Wirkstoffgehalt von 30% für angemessen.
106
Das tateinheitlich verwirklichte Handeltreiben in sieben Fällen resultiert aus den sechs Abgaben an M gegen Verrechnung dessen Arbeitsleistungen (Ziffer 3.) und in einem Fall aus dem Erwerb einer Menge von ca. 18 Gramm am 16.02.2021. Diesbezüglich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte auch von dieser Menge einen geringeren Teil, wie zuvor auch, an einen Dritten abgegeben hätte und er dies bei Erwerb des Heroins bereits geplant hatte.
107
Denn der Einkauf bzw. Erwerb von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Weiterverkaufs erfüllt bereits den Tatbestand des Handeltreibens.
V. Strafzumessung:
108
1. Der Strafrahmen für jeden Fall des unerlaubten Handeltreibens liegt gemäß § 29 Abs. 1 BtMG bei Freiheitsstrafe bis fünf Jahren oder Geldstrafe.
109
Der Strafrahmen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beträgt gemäß § 29 a Abs. 1 BtMG Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
110
2. Das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG hat die Kammer nicht angenommen.
111
a) Zwar war der Angeklagte geständig, das erworbene Heroin war auch zum weit überwiegenden Teil zu seinem eigenen Konsum bestimmt und das bei der Durchsuchung sichergestellte Heroin gelangte nicht weiter in den Verkehr. Auch ist bei ihm eine Abhängigkeitsproblematik gegeben und er hat überschießende Angaben zu seinem Heroinlieferanten gemacht.
112
Allerdings hat er größere Mengen an Heroin mit einem sehr guten Wirkstoffgehalt bezogen und er ist auch strafrechtlich bereits erheblich in Erscheinung getreten.
113
Er hat nicht nur einige wenige Male geringere Mengen an Heroin erworben, sondern über einen Zeitraum von 7 Monaten jeweils Mengen von 15 - 20 Gramm bei einer jeweils nicht geringen Menge des 4-5-fachen. Aufgrund dessen liegt nach Auffassung der Kammer trotz des Geständnisses und der fortbestehenden Abhängigkeit des Angeklagten ein minder schwerer Fall nicht vor.
114
Zwar steht das geringfügige Überschreiten der nicht geringen Menge für sich allein der Annahme eines minder schweren Falles nicht entgegen, im vorliegenden Fall ist aber im Rahmen der Gesamtwürdigung zu werten, dass der Angeklagte immer wieder in einem Zeitraum von 7 Monaten (August bis Februar) von seinem Lieferanten Heroin in einer nicht nur untergeordneten Menge und Qualität bezog. Wenn er das Heroin verbraucht hatte, bestellte er wieder eine neue Lieferung. Bei jeder dieser Lieferungen ist die nicht geringe Menge um mindestens das dreifache überschritten und der Angeklagte hat sich dauerhaft mit dem von ihm benötigten Heroin versorgt. Aufgrund dessen liegen insgesamt bei Würdigung sämtlicher Umstände die Voraussetzungen des minder schweren Falles nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
115
Die Kammer sieht bei dem Angeklagten letztlich keine so erheblich zu seinen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte, dass hier die Annahme eines minder schweren Falles anzunehmen wäre. Insbesondere befand er sich nicht in einer persönlichen schwierigen Lebenssituation, er betrieb eine gut gehende Bäckerei mit zwei Lebensmittelläden und erzielte hieraus ein erhebliches Einkommen. Bezüglich seiner Abhängigkeitsproblematik standen ihm sowohl die forensische Nachsorgeambulanz des Inn-Salzach-Klinikums und auch die Substitutionsärzte als Hilfsangebote für seine Suchtprobleme zur Verfügung.
116
b) Auch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 31 BtMG, deren Vorliegen die Kammer annimmt, liegt ein minder schwerer Fall nicht vor.
117
Zwar hat er den Lieferanten D benannt, allerdings ist das Gericht der Überzeugung, dass er noch weitere Lieferanten hatte, wie zum Beispiel für das Kokain und die Zeit vor August 2020.
118
Hierzu hat er aber nichts ausgesagt.
119
Der Angeklagte hat sich demnach nicht vollständig geöffnet, was zwar sein Recht ist, allerdings die Annahme eines minder schweren Falles dann nicht begründen kann.
120
c) Im Übrigen ist zu sehen, dass wenn der § 31 BtMG zur Begründung des minder schweren Falles herangezogen werden würde, eine weitere Milderung aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 BtMG nicht möglich wäre, da diese Milderungsmöglichkeit dann verbraucht wäre (§ 50 StGB).
121
Die Kammer hat bedacht, dass im Falle der Annahme eines minder schweren Falles nach § 29 a Abs. 2 BtMG unter Einbeziehung des § 31 BtMG die Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren beträgt, wohingegen die Strafmilderung über § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 31 BtMG bei Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 11 Jahren und 3 Monaten liegt, die Anwendung des minder schweren Falles über § 29 a Abs. 2 BtMG also günstiger wäre, was den oberen Strafrahmen angeht.
122
Da das Gericht aufgrund der Gesamtumstände sich in jedem Einzelfall aber am unteren Strafrahmen orientieren und wegen der überwiegend zu seinen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte diesen nicht nach oben hin ausschöpfen will, hat es die Kammer für angemessen erachtet, die Strafmilderung über § 49 StGB vorzunehmen und nicht einen minder schweren Fall nach § 29 a Abs. 2 BtMG anzunehmen.
123
d) Die Kammer hat aber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Strafe nach § 31 BtMG zu mildern. Der Angeklagte hat hier den anderweitig verfolgten Eugen D als seinen Heroinlieferanten im Zeitraum August 2020 bis Februar 2021 benannt. Wie der polizeiliche Sachbearbeiter angab, waren diese Angaben des Angeklagten auch hilfreich und haben wesentlich dazu beigetragen, dass der anderweitig verfolgte D auch wegen dieser Straftaten verfolgt werden konnte. Der D wurde zwischenzeitlich auch rechtskräftig unter anderem deswegen verurteilt.
124
Allerdings hat es die Kammer nicht für angemessen angesehen, von der Strafe vollständig abzusehen (§ 31 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BtMG).
125
Zwar hat der Angeklagte im vorliegenden Fall keine Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren verwirkt, sodass nach § 31 BtMG das Absehen von Strafe möglich wäre. Aufgrund der erheblichen Vorstrafen des Angeklagten, seines Bewährungsversagens und der Tatsache, dass er zu Überzeugung der Kammer nicht vollumfänglich über seine Drogengeschäfte Auskunft gegeben hat (insbesondere was den Kokainkonsum angeht) hält das Gericht das Absehen von Strafe hier nicht mehr für sachgerecht.
126
Dabei war für das Gericht maßgeblich, dass der Angeklagte bereits nicht unerheblich und auch einschlägig vorbestraft ist. Er befand sich nach zunächst erfolgreicher Unterbringung und der forensischen Nachsorge nicht in einer ausweglosen Situation, sondern er hätte sich jederzeit Hilfe suchen können, um seine Rückfallproblematik in den Griff zu bekommen. Außerdem ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte seine tatsächlichen Drogengeschäfte nicht vollständig dargelegt hat.
127
Ausgehend von dem relativ hohen eigenen Konsum muss davon ausgegangen werden, dass er auch noch andere Bezugsquellen für sein Heroin hatte, vor allem aber hat er, obwohl er bei der Polizei danach gefragt wurde, nicht dargelegt, woher das von ihm konsumierte Kokain stammte.
128
Dass der Angeklagte in erheblichem Umfang Kokain konsumierte, ergibt sich aus den Ergebnissen der Haarprobe. Aufgrund dessen kann hier nicht von einer Strafe abgesehen werden.
129
3. Der über § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen liegt bei Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 11 Jahren 3 Monaten.
130
a) Bei der konkreten Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser den Anklagevorwurf zum weit überwiegenden Teil eingeräumt hat und er bezüglich des festgestellten Sachverhalts vollumfänglich geständig war. Er benannte auch seinen Lieferanten für Heroin, der zwischenzeitlich auch aufgrund der Angaben des Angeklagten rechtskräftig verurteilt wurde.
131
Auch im Rahmen des vorliegenden Ermittlungsverfahrens war er stets kooperativ.
132
Zu seinen Gunsten spricht ferner, dass er aufgrund seiner nach wie vor trotz erfolgreicher Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und nachfolgender Substitutionsbehandlung bestehenden Abhängigkeit und dem dadurch bestehenden Suchtdruck die Taten beging. Hinzu kam die Stressbelastung durch die Arbeit in seiner Bäckerei und den Lebensmittelgeschäften.
133
Er stand aufgrund seiner Abhängigkeit unter dem Zwang, immer wieder Heroin zu konsumieren, wenngleich insgesamt der Suchtdruck nicht so hoch war, dass deshalb die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt gewesen wären und ihm standen auch entsprechende Hilfsangebote zur Verfügung.
134
Außerdem konsumierte er den weitaus größten Teil des Heroins selbst.
135
Die von ihm an Dritte abgegebenen Mengen waren eher gering. Die Abgaben erfolgten auch immer nur gelegentlich auf Bitten seiner Angestellten W und M.
136
Im letzten Fall konnte das Heroin auch sichergestellt werden und gelangte nicht mehr - zu geringeren Anteilen - in den Verkehr.
137
Zu seinen Gunsten war auch zu sehen, dass er insgesamt in geordneten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Trotz seines Heroinkonsums war es ihm durchgehend möglich, die von ihm geleitete Bäckerei mit den beiden Lebensmittelgeschäften fortzuführen.
138
Schließlich droht ihm möglicherweise auch der Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Reststrafe.
139
b) Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, jedenfalls soweit er das Heroin an andere abgegeben hat, dass es sich bei Heroin um eine harte Droge mit sehr hohem Suchtpotential handelt.
140
Seine Vorstrafen sind, ebenso wie das Bewährungsversagen zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Er hat auch bereits Haftstrafen verbüßt, ohne dass ihn dies hätte davon abhalten können, weiterhin Drogengeschäfte zu tätigen.
141
Die abgegebenen Mengen waren allerdings eher klein, die bezogenen Mengen waren jedoch nicht unerheblich, wenngleich auch nicht sehr hoch, gleiches gilt für die Qualität des Heroins, die im oberen durchschnittlichen Bereich anzusetzen ist.
142
Die Taten zogen sich über einen längeren Zeitraum hin und insgesamt bezog der Angeklagten doch eine größere Menge an Heroin, das das 3 bis 4 fache der nicht geringen Menge betrug.
143
c) Aufgrund dieser Umstände hält die Kammer für die Abgaben des Heroins an den Zeugen W (5 Fälle des unerlaubten Handeltreibens) eine Freiheitsstrafe von jeweils 8 Monaten für tat- und schuldangemessen.
144
Für jeden Fall des unerlaubten Besitzes in Tateinheit mit Handeltreiben (6 Fälle) hat das Gericht jeweils eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verhängt und für die weiteren Fälle des unerlaubten Besitzes eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und für den letzten Fall, bei dem das Heroin sichergestellt und nicht mehr an andere abgegeben werden konnte, eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten.
145
Unter nochmaliger Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hält das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 10 Monaten für tat- und schuldangemessen.
146
Dabei wurde zum einen der längere Tatzeitraum und zum anderen die fortbestehende Abhängigkeit und die fortgesetzte Handlungsweise des Angeklagten gewertet.
147
d) Eine erneute Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hat das Gericht nicht angeordnet, weil keine hinreichend konkreten Erfolgsaussichten im Sinne von § 64 Satz 2 StGB bestehen.
148
Der Sachverständige Dr. G hat ausgeführt, dass der Angeklagte derzeit zwar abstinenzmotiviert sei, er erscheine aber nach über 20-jähriger Opiatabhängigkeit nicht mehr in der Lage, längerfristig ohne solche Substanzen leben zu können. Darüber hinaus habe der Angeklagte auch eine stationäre Langzeittherapiemaßnahme abgelehnt, vielmehr wolle er eine neuerliche Substitutionsbehandlung versuchen und wolle wohl auch in Zukunft auf den gelegentlichen Konsum von Heroin nicht verzichten.
149
Auch in der Hauptverhandlung hat der Angeklagte erklärt, er könne und wolle keine längerfristige stationäre Therapiemaßnahme absolvieren, da er dies mit seinem Bäckereibetrieb nicht vereinbaren könne.
150
Von daher sieht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. G keine hinreichenden Erfolgsaussichten für eine neuerliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, obwohl die übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB bei dem Angeklagten zu bejahen sind.
VI. Nebenentscheidungen:
151
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO.
152
2. a) Die Entscheidung über die Wertersatzeinziehung beruht auf § 73 c StGB.
153
Bei der Höhe des Einziehungsbetrages ist das Gericht von einem Wert im Fall 1. von 650,- Euro ausgegangen, da der Angeklagte in fünf Einzelfällen an den anderweitig verfolgten W Heroin im Wert von 130 Euro (ersparter Arbeitslohn) abgab.
154
An den Zeugen M gab er in 6 Fällen Heroin im Wert von 30 Euro ab, insgesamt also 180,- Euro.
155
b) Von einer Einziehung des Mobiltelefons hat das Gericht abgesehen, da zum einen nicht festgestellt werden konnte, ob die konkret abgeurteilten Heroinlieferungen von D tatsächlich mit einem Mobiltelefon vereinbart wurden und zum anderen welches der beiden sichergestellten Mobiltelefone zu einer möglichen Vereinbarung der Betäubungsmittellieferungen konkret verwendet wurde.