Inhalt

VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 30.03.2022 – RN 9 K 21.2030
Titel:

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und eines Reiseausweises für Ausländer

Normenketten:
VwGO § 84 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 4
AufenthV § 5 Abs. 2
Leitsatz:
Einem Kläger ist es - trotz Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus - zum Nachweis seiner eritreischen Staatsangehörigkeit und damit zugleich seiner Identität zuzumuten,  persönlich bei der Auslandsvertretung vorzusprechen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reiseausweis, Niederlassungserlaubnis, Identität, Staatsangehörigkeit, Vorsprache bei der Botschaft
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26507

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger will die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sowie die erneute Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer erreichen.
2
Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Sein nach Einreise in das Bundesgebiet am 1. Dezember 2014 gestellter Asylantrag war insoweit erfolgreich, als ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Juli 2016 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden war. Nach der Niederschrift über die Anhörung gemäß § 25 AsylG am 28. Juni 2016 (Bl. 69 d.A.) habe er noch nie Personalpapiere besessen, nur ein Schulzeugnis. Das könne er jedoch nicht vorlegen. Er könne jedoch eine Taufurkunde vorlegen. Eritrea habe er im Juni 2011 verlassen. In Europa habe er in der Schweiz einen Onkel und in Deutschland einen Cousin. In Äthiopien seien seine Eltern mit zwei Schwestern in einem Flüchtlingscamp. In Eritrea habe er noch seine Familie wie Großmutter, Onkel und Tante. Er sei in seinem Dorf bis zum Ende der 7. Klasse in die Schule gegangen.
3
Auf Antrag vom 29. Juli 2016 hin erhielt der Kläger sodann eine von 25. August 2016 bis 24. August 2017 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG als Ausweisersatz. Dem Antrag kann entnommen werden, dass seine Eltern in Äthiopien leben. Die Gültigkeit wurde zuletzt bis 16. September 2023 verlängert.
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Eine vom 25. August 1997 datierende Taufurkunde für den Kläger ist aktenkundig (Bl. 109 d.A.). Sie benennt als Geburtsdatum den „… a.c.“.
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Mit Schreiben vom 13. Juli 2017 (Bl. 132 d.A.) forderte die Ausländerbehörde den Kläger zur Beschaffung von Identitätsdokumenten/Nationalpass auf. Es wurde darin auf seine Mitwirkungspflichten und verschiedene Nachweismöglichkeiten hingewiesen sowie die Adresse des Generalkonsulats des Staates Eritrea angegeben. Ausweislich einer Bescheinigung des Generalkonsulats des Staates Eritrea in F. a.M. vom 5. September 2017 (Bl. 141 d.A.) sprach der Kläger an diesem Tag dort vor. Ein Unterstützer gab hierzu ergänzend am 11. September 2017 (Bl. 142 d.A.) an, zusammen mit ihm dort gewesen zu sein. Eine Passausstellung sei nur möglich, wenn Unterlagen (Ausweis) vom Vater vorlägen. Der Vater des Klägers sei 2006 nach Äthiopien geflüchtet (fahnenflüchtig). Auch die Mutter sei seit ca. 2008 in Äthiopien. Die Beschaffung eines Ausweises vom Vater sei derzeit nicht möglich. Nach Auffassung der Ausländerbehörde sei der Kläger seinen Mitwirkungspflichten, soweit es ihm möglich gewesen sei, nachgekommen. Es könne sein, dass er in ein paar Jahren erneut aufgefordert werde, sich um einen Pass zu bemühen. Die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer wäre möglich.
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Der Kläger beantragte sodann am 18. September 2017 die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer (Bl. 143 d.A.). Diesem wurde mit dem amtlichen Eintrag „Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben des Antragstellers.“ (Bl. 152, 175 d.A.) stattgegeben, sodass er von 9. Oktober 2017 bis 16. September 2021 (einmalige Verlängerung der Gültigkeitsdauer am 17.9.2019) in Besitz eines solchen war.
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Am 11. Dezember 2019 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (Bl. 179 d.A.). Aktuell ist er nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung als Elektroniker-Geselle im Ausbildungsbetrieb beschäftigt.
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Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 hörte die Ausländerbehörde den Kläger zu einer beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an (Bl. 209 d.A.). Weder Identität noch Staatsangehörigkeit seien geklärt. Auch die Passpflicht sei nicht erfüllt. Ein vormals Bevollmächtigter entgegnete unter dem 17. Juli 2020 (Bl. 214 d.A.), dass der Kläger staatenlos sei. Es sei diesem nicht möglich, eine Geburtsurkunde oder einen Pass seines Vaters vorzulegen. Dessen Aufenthaltsort sei unbekannt. Er habe aber eine kirchliche Geburtsurkunde von ihm selbst und den Pass der Mutter vorlegen können. Er sei de facto staatenlos. Die Staatsangehörigkeit sei damit geklärt, infolgedessen auch die Passpflicht. Auf Art. 27, 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen dürfe verwiesen werden. Die Ausländerbehörde entgegnete am 12. August 2020 (Bl. 220 d.A.), dass der Kläger nicht schon deshalb staatenlos sei, weil er weder Geburtsurkunde noch Pass des Vaters vorlegen könne. Staatenlosigkeit sei bis dato nie behauptet worden. Außerdem befinde sich in der Akte kein Nachweis, dass der Pass der Mutter vorgelegt worden sei. Laut eritreischer Botschaft hätten Personen, deren Eltern oder ein Elternteil die eritreische Nationalität besäßen, Anrecht auf einen eritreischen Personalausweis. Dies könne durch die Kopie des eritreischen Ausweises eines Elternteils nachgewiesen werden. Sollte dies nicht möglich sein, bestehe die Möglichkeit, die eritreische Nationalität durch drei Zeugen, die jeweils über 40 Jahre alt seien, beim Konsulat nachzuweisen. Sollten auch diese Anforderungen nicht erfüllt werden können, könne eine in Eritrea lebende Person bevollmächtigt werden, einen Nachweis zur eritreischen Identität zu beschaffen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, könne auch ein Nationalpass ausgestellt werden. Personen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt sei, seien nicht staatenlos. Der vormals Bevollmächtigte erwiderte am 31. August 2020 (Bl. 222 d.A.), dass die Vorlage der Taufurkunde im Original sowie der Kopie eines Ausweises der Mutter beim eritreischen Generalkonsulat nicht zur Ausstellung eines Passes geführt habe. Der Mitarbeiter der Botschaft habe mitgeteilt, dass der Kläger keinen eritreischen Pass bekommen könne und er auch kein Eritreer sei. Ihm sei weder bekannt, wo genau sich sein Vater aufhalte, noch könne er von diesem eine Passkopie besorgen. Ohne eine solche könne jedoch bei ihm die eritreische Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden, dieser sei also eindeutig staatenlos. Weshalb die Ausländerbehörde ihre Haltung aus der Niederschrift vom 11. September 2017 geändert habe, erschließe sich nicht. Dem Kläger sei es aufgrund mangelnder Kenntnis des Aufenthaltsortes seines Vaters oder sonst vorliegender Dokumente seitens seines Vaters nicht möglich, weitere Aktivitäten zur Erstellung eines Nationalpasses zu übernehmen. Die Ausländerbehörde antwortete am 29. September 2020 (Bl. 228 d.A.), dass die Niederschrift vom 11. September 2017 nach deren Inhalt eine spätere Aufforderung zur Passbeschaffung nicht ausschließe. Das eritreische Generalkonsulat habe nicht bestätigt, dass der Kläger nicht die eritreische Staatsangehörigkeit besitzen würde bzw. dass kein Pass ausgestellt werden könne. Es sei ihm sehr wohl möglich, weitere Aktivitäten zur Beantragung des Nationalpasses, wie im Schreiben vom 12. August 2020 mitgeteilt, zu unternehmen. Nachdem der Kläger anscheinend eine Kopie des Ausweises seiner Mutter habe, die der Ausländerbehörde nicht vorliege, dürfte die Ausstellung eines Passes bzw. vorab einer ID-Karte möglich sein. Auf § 26 Abs. 4 i.V.m. § 5 AufenthG sowie § 48 Abs. 3 AufenthG werde hingewiesen. Am 5. Oktober 2020 (Bl. 231 d.A.) äußerte der Kläger persönlich, am 5. September 2017 unter Vorlage der Taufurkunde im Original sowie einer Kopie des Ausweises seiner Mutter die Ausstellung eines Personalausweises beantragt zu haben. Es stimme, dass das Generalkonsulat lediglich seine Anwesenheit schriftlich bestätigt habe. Leider sei es ihm nicht möglich, drei Zeugen zu benennen, die jeweils über 40 Jahre alt seien und die eritreische Nationalität besäßen und seine eritreische Staatsangehörigkeit bestätigen könnten. Selbstverständlich werde er der behördlichen Aufforderung nachkommen und bei der eritreischen Botschaft in Berlin unter Vorlage der Kopie des Personalausweises seiner Mutter und einer Kopie der Taufurkunde die Ausstellung eines Personalausweises beantragen. Eine Kopie des Ausweises seiner Mutter (Bl. 233 d.A.) sowie ein Anforderungsschreiben für entsprechende Antragsformulare an die eritreische Botschaft waren beigefügt. Ergänzend teilte der vormals Bevollmächtigte am 1. März 2021 (Bl. 235 d.A.) mit, dass auf Anträge des Klägers an die eritreische Botschaft vom 12. Oktober 2020 und vom 6. Januar 2021 zur Ausstellung eines Personalausweises unter Vorlage der Kopie des Ausweises der Mutter, deren Zustellung bestätigt werde, keine Reaktion erfolgt sei. Auf die Rechtsprechung zur Identitätsklärung im Einbürgerungsverfahren werde verwiesen. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen, indem er - mehrfach - sowohl persönlich als auch schriftlich per Einschreiben die Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates aufgesucht habe. In einer beigefügten Übersicht über die hiesige Historie des Klägers wurde der Vortrag zum Ablauf der Konsulatsvorsprache vom 5. September 2017 wiederholt und bekräftigt, dass die Ausstellung eines eritreischen Passes abgelehnt worden sei. Er sei nach Auffassung des Konsulats kein Eritreer. Die Voraussetzungen für das Vorliegen der Rechtstellung eines Staatenlosen seien definitiv erfüllt, was auch das Standesamt Regensburg faktisch so sehe. Am 12. Oktober 2020 (Antragsformular: Bl. 268 d.A.) sei ein Antrag bei der Botschaft des Staates Eritrea in Berlin zur Ausstellung eines eritreischen Personalausweises unter Vorlage der Kopie des Personalausweises der Mutter, Beifügung von vier Lichtbildern und eines frankierten Kuverts (per Einschreiben) erfolgt. Laut Sendungsverfolgung (Einwurfeinschreiben) sei der Antrag bei der Botschaft am 15. Oktober 2020 eingetroffen. Die Sendungsverfolgung habe keinen Eintrag hinsichtlich des Rücksendeschreibens ergeben. Entsprechendes gelte für eine am 11. Januar 2021 zugestellte Sachstandsanfrage an die Botschaft vom 6. Januar 2021 (Einwurfeinschreiben), auf die bislang keine Rückantwort erfolgt sei. Die Ausländerbehörde entgegnete am 5. Mai 2021 (Bl. 271 d.A.) in Gestalt eines weiteren Anhörungsschreibens, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen Staatenlosenausweis habe. Die eritreische Staatsangehörigkeit der Mutter sei durch die Vorlage einer Kopie der ID-Karte nachgewiesen, womit auch der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit habe. Am 14. Mai 2021 (Bl. 272 d.A.) äußerte sich der Kläger persönlich dahingehend, dass er noch nie einen eritreischen Pass besessen habe, da seine Mutter mit ihm nach Äthiopien geflüchtet sei, als er 11 Jahre alt gewesen sei. Kinder erhielten in Eritrea keinen Pass. Es sei also nicht möglich, einen Nationalpass oder ein anderes Identitätsdokument mit Lichtbild vorzulegen. Zur Identitätsprüfung im Einbürgerungsverfahren werde auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 hingewiesen (wird näher dargestellt, Anm. d.G.). In Anbetracht der Konsulatsvorsprache vom 5. September 2017 sowie der beiden schriftlichen Anträge vom 12. Oktober 2020 und 6. Januar 2021 habe er von seiner Seite sein Möglichstes getan, um seine Identität und Staatsangehörigkeit zu beweisen. Sowohl Konsulat als auch Botschaft hätten ihre Mitwirkung versagt, was er nicht zu vertreten habe und worauf er auch keinerlei Einfluss habe. Die Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien daher in seinem Fall erfüllt. Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 21. Juli 2021 (Bl. 308 d.A.) wurde die zwischenzeitlich für das Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass es dem Kläger zumutbar sei, persönlich bei der eritreischen Botschaft vorzusprechen, um die Voraussetzungen und Formalitäten der konsularischen Leistungen zu klären. Geltend gemachte Befürchtungen, ein Vorsprechen bei der eritreischen Botschaft könne zu Repressalien gegenüber seinen in Eritrea lebenden Familienangehörigen führen, seien nach der aktuellen Erkenntnislage unbegründet. Am 26. Juli 2021 (Bl. 326 d.A.) wiederholte die Bevollmächtigte die bisherige Position des Klägers. Der Kläger habe alle gestellten Forderungen erfüllt und sein Möglichstes getan, um seine Identität und Staatsangehörigkeit zu beweisen. Konsulat und Botschaft hätten ihre Mitwirkung versagt, was er nicht zu vertreten habe. Er habe bereits vorgesprochen. Unberücksichtigt bleibe auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
9
Am 3. August 2021 beantragte der Kläger nicht nur die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, sondern auch seines Reiseausweises für Ausländer (Bl. 324 d.A.). Die Beschaffung des Heimatpasses sei nicht möglich, da die eritreische Botschaft die Ausstellung verweigere, weil der Ausweis des Vaters nicht vorgelegt werden könne. Jener sei 2006 nach Äthiopien geflüchtet. Auf die Niederschrift von Frau O. vom 11. September 2017 werde verwiesen.
10
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2021 lehnte die Ausländerbehörde die Anträge auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und Ausstellung eines Reiseausweises ab. Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stehe vorliegend die ungeklärte Identität und die Passlosigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1a bzw. Nr. 4 AufenthG entgegen. Der Kläger habe nachweislich am 5. September 2017 beim eritreischen Generalkonsulat in Frankfurt vorgesprochen. Zum damaligen Zeitpunkt sei gegenüber der Ausländerbehörde glaubhaft gemacht worden, dass er seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei. Der Kläger sei niederschriftlich am 11. September 2017 darüber informiert worden, dass er erneut zur Passbeschaffung aufgefordert werde. Für die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG sei eine Identitätsklärung nicht erforderlich (§ 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG könne bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden. Dem Wortlaut nach unterfalle dieser Ermessensausnahme auch das Erfordernis der Identitätsklärung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei dieses Ermessen aber wegen der besonders weitreichenden Wirkung einer Niederlassungserlaubnis und der besonderen Bedeutung der Identitätsklärung in der Regel dahin auszuüben, dass von der Identitätsklärung nicht abgesehen werde. Denn im Vergleich mit den sonstigen Aufenthaltstiteln, die nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes gewährt werden könnten, sei die Niederlassungserlaubnis ein besonders verfestigtes Aufenthaltsrecht. Sie vermittle einen für die Einbürgerung erforderlichen Aufenthaltsstatus. Da die Niederlassungserlaubnis unbefristet erteilt werde, habe die Ausländerbehörde nach deren Erteilung zudem selten Anlass zur weiteren Identitätsklärung. Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG setze nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG im Regelfall voraus, dass Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt seien. Die Identitätsklärung erfolge grundsätzlich über den anerkannten und gültigen Nationalpass des Ausländers. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 ergebe sich vorliegend nichts anderes. Der Kläger habe bisher nur einmal (5.9.2017) bei der eritreischen Auslandsvertretung vorgesprochen. Die weiteren Kontaktaufnahmen (5.10.2020, 12.10.2020 und 6.1.2021) seien nur schriftlich erfolgt. Eine persönliche Vorsprache oder telefonische Rückfrage habe laut den vorliegenden Unterlagen nicht stattgefunden. Der Kläger habe nach Überzeugung der Ausländerbehörde die gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf die Klärung seiner Identität bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit reichenden Initiativ- und Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt, sodass ein Übergang zur nächsten Prüfstufe nach der zitierten Rechtsprechung nicht zulässig sei. Denn der Übergang von einer Stufe zur nachgelagerten Stufe sei nur zulässig, wenn es dem Ausländer trotz hinreichender Mitwirkung nicht gelinge, den Nachweis seiner Identität zu führen. Dabei sei auch einem subsidiär Schutzberechtigten die Vorsprache bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Passerlangung grundsätzlich zumutbar. Eine Vorsprache könne weiterhin nicht schon deshalb unterbleiben, weil der Ausländer befürchte, dass die Passbeschaffung erfolglos bleiben werde oder hohe Kosten anfallen könnten. Nach alledem seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis derzeit nicht nachgewiesen. Aus den genannten Gründen sei darüber hinaus die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ebenfalls nicht möglich.
11
Gegen diesen Bescheid erhob die im Verwaltungsverfahren zuletzt Bevollmächtigte mit am 13. Oktober 2021 eingegangenem Schreiben vom 11. Oktober 2021 Klage. Der Prozesskostenhilfeantrag datiert vom 2. November 2021.
12
Unter dem 30. November 2021 begründete der nunmehrige Bevollmächtigte die Klage dahingehend, dass ein Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer deshalb bestehe, weil der Kläger einen Nationalpass seines Herkunftsstaates nicht auf zumutbare Weise erlangen könne. Soweit er die in § 5 Abs. 2 AufenthV aufgeführten Mitwirkungshandlungen nicht bereits vorgenommen habe, könne er sie nicht vornehmen, da er den Anforderungen der eritreischen Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht genügen könne. Er könne diesen keine weiteren eritreischen Unterlagen vorlegen und keine Zeugen benennen, deren Aussagen nach Maßgabe des eritreischen Rechts die Vorlage weiterer Unterlagen entbehren ließen. Die jüngste schriftliche Anfrage des Klägers bei der eritreischen Botschaft sei seit geraumer Zeit unbeantwortet geblieben. Die Vornahme weiterer Mitwirkungshandlungen könne von ihm nicht verlangt werden. Für die Aufforderung zur Vornahme überflüssiger Handlungen fehle es von vornherein an einer Rechtsgrundlage. Insofern unterscheide sich der hier zugrundeliegende Sachverhalt grundlegend von dem, welcher dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Dezember 2020 (10 ZB 20.2157) zugrunde gelegen habe. Dort habe der Kläger nämlich vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes von vornherein jegliche Kontaktaufnahme mit den Auslandsvertretungen verweigert. Darüber hinaus sei die Beantragung eines Nationalpasses auch deshalb unzumutbar, weil ausweislich des aktuellen Lageberichts des Auswärtigen Amtes zu Eritrea ein Nationalpass auch bei Erfüllung aller weiteren Anforderungen des eritreischen Rechts nur dann erteilt würde, wenn der Kläger eine sog. „Reueerklärung“ abgebe und eine sog. „Aufbausteuer“ entrichte. Letztere würde den Kläger in unzumutbarer Weise belasten, zumal der steuerliche Erlös nicht etwa in die eritreische Staatskasse, sondern in das persönliche Budget des Staatspräsidenten fließe, der autoritär - wenn nicht gar diktatorisch und totalitär - regiere und für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und internationale Verbrechen verantwortlich gemacht werde. In der Abgabe einer „Reueerklärung“ sei die Selbstbezichtigung einer Straftat zu erkennen, die aus menschenrechtlichen Gründen nicht zur Voraussetzung der Gewährung von Rechten und Rechtspositionen gemacht werden dürfe. Dies hätten verschiedene Verwaltungsgerichte entschieden, woraufhin etliche Ausländerbehörden im Bundesgebiet (z.B. Berlin, Düren, Hamburg, Troisdorf) ihre Verwaltungspraxis geändert hätten. Da die Tatbestandvoraussetzungen des § 5 AufenthV erfüllt seien, sei das Ermessen aus unionsrechtlichen Gründen zugunsten des Klägers auszuüben. Aus diesen Gründen scheitere der weitere Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis weder an der Erfüllung der Passpflicht noch der Identitätsklärung. Anhaltspunkte für derartige Zweifel bringe der Beklagte nicht vor und ergäben sich auch nicht aus dem Verwaltungsvorgang. Der Beklagte selbst sei offenbar von Identität und Staatsangehörigkeit bislang überzeugt gewesen, da ansonsten auch in der Vergangenheit keine Aufenthaltserlaubnis erteilt und kein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt hätte werden dürfen. An der früheren Sachlage habe sich nichts geändert. Auf eine rückwirkende Titelerteilung zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehe nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ein Anspruch.
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Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 wies der Bevollmächtigte darauf hin, dass es keineswegs darauf ankomme, wie oft ein subsidiär Schutzberechtigter bei der eritreischen Botschaft vorstellig werde, wenn - wie hier - die weitere Vorsprache aus den bereits vorgetragenen Gründen unzumutbar sei.
14
Unter dem 1. Februar 2022 trug er vor, dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehe. In der Sache bezog er sich zum Gesichtspunkt „Reueerklärung“ auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 8. Juni 2020 (4 K 2002/19.WI). Deren Abgabe sei im konkreten Fall unzumutbar. Dem stehe nicht entgegen, dass der - bis dato nicht anwaltlich vertretene - Kläger dies bislang nicht ausdrücklich vorgetragen habe. Der Kläger könne die Abgabe einer Reueerklärung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, sie könne daher wegen Art. 4 Abs. 1 GG nicht von ihm verlangt werden. Im Rahmen der Vorsprache beim eritreischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main im Jahr 2017, die für den Kläger ein traumatisches Erlebnis gewesen sei, habe er eine solche Erklärung nicht abgegeben. Dass die Vorsprache beim Generalkonsulat damals erfolglos geblieben sei, sei angesichts des für autoritäre und totalitäre Systeme kennzeichnenden Umgangs mit dem Recht nicht weiter verwunderlich. Es gebe keinen Grund für die Annahme, dass sich die Praxis der eritreischen Behörden insoweit geändert habe. Die Zahlung einer „Aufbausteuer“ möge das Verwaltungsgericht Wiesbaden in seinem Urteil nicht von vornherein und generell für unzumutbar erachtet haben. Vorliegend ergebe sich die Unzumutbarkeit jedoch daraus, dass sich die Steuerlast nach dem bisherigen, mehrjährigen Aufenthalt des Klägers außerhalb Eritreas und nach seinem bisherigen Erwerbseinkommen aus mehreren Jahren Beschäftigung berechnen würde, mithin beträchtlich wäre und den Kläger finanziell überfordern würde. Auf Ziffer 12.1.2.5 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz werde hingewiesen. Der Kläger habe aktuell keinen Kontakt zu seinen Eltern oder zu Verwandten, Freunden oder Bekannten in Eritrea, sodass die Benennung von Zeugen oder Bevollmächtigten in Eritrea nicht möglich sei. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts in Eritrea komme nicht in Betracht, da die für die Ausübung des Anwaltsberufs wesentliche Vertraulichkeit des Mandatsverhältnisses angesichts der Situation in Eritrea nicht gewährleistet sei und die Mandatierung infolgedessen mit erheblichen Risiken einherginge, deren Eingehung dem Kläger nicht zuzumuten sei. Bei der eritreischen Botschaft in Berlin habe der Kläger die laut Internetauftritt der Botschaft erforderlichen Unterlagen mit Schreiben vom 7. Januar 2022 erneut auf dem Postweg eingereicht; eine Rückmeldung der Botschaft sei bislang nicht erfolgt. Eine erneute persönliche Vorsprache bei den eritreischen Auslandsvertretungen erscheine vor diesem Hintergrund überflüssig und nicht erfolgversprechend, zumal kaum denkbar sei, dass ihm ohne vorherigen Termin angesichts der aktuellen Pandemielage überhaupt Einlass in das Gebäude gewährt werde. Nichts deute darauf hin, dass die persönliche Vorsprache unter den gegebenen Umständen überhaupt erforderlich oder auch nur möglich sei. Gleichwohl sei der Kläger - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und trotz der damit einhergehenden Gefährdung für seine Angehörigen - bereit, ein weiteres Mal bei der Botschaft in Berlin vorzusprechen. Die Vorsprache könne allerdings erst nach einer anstehenden Operation, die für den 16. Februar 2022 terminiert sei, und einer sich anschließenden Rehabilitationsphase von ca. vier Wochen erfolgen.
15
Mit Schriftsatz vom 8. März 2022 wird geltend gemacht, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. November 2021 (19 B 21.1789) für die Rechtsauffassung des Klägers streite. Er habe substantiiert Umstände vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass er sich oder seine Familie durch das Bemühen um Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses in Gefahr bringen könnte. Daher genüge es für die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine solche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden könne. Eine Unzumutbarkeit sei in Übereinstimmung mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vorliegend auch deshalb anzunehmen, weil dem Kläger subsidiärer Schutz offenkundig aufgrund von Gefahren, die vom eritreischen Staat ausgingen, gewährt worden sei und die Inbesitznahme eines Nationalpasses wie eine Unterschutzstellung gewertet werden könnte. Auch der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2022 (19 C 21.1072) streite für die Rechtsauffassung des Klägers. Anders als in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt habe der Kläger vorliegend nämlich gerade nicht „keinerlei Bemühungen oder Erkundigungen“ unternommen, um einen eritreischen Nationalpass zu erlangen. Vielmehr seien seine aktenkundigen Bemühungen ohne Erfolg geblieben. Seine Bemühungen gingen auch über bloße Erkundigungen bei Bekannten hinaus, welche in der dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Januar 2022 (19 C 21.2249) zugrunde liegenden Angelegenheit das Fehlen eines Anspruchs auf Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer begründet hätten. Eine erneute Vorsprache des Klägers beim zuständigen Generalkonsulat habe bislang nicht erfolgen können. Es sei geschlossen und eine Terminvereinbarung nicht möglich. Ein Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme sei erfolglos geblieben. Eine Vorsprache ohne Termin - auch bei der Botschaft in Berlin - sei nicht zielführend, da nicht davon auszugehen sei, dass Einlass gewährt werde. Darüber hinaus habe sich der Kläger zwischenzeitlich einem operativen Eingriff unterziehen müssen. Aktenkundig sei bereits, dass der Kläger, der im Kindesalter aus Eritrea geflohen sei, seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater oder zu Verwandten in Eritrea habe. Der Kontakt zur Mutter sei infolge der als gerichtsbekannt vorausgesetzten Kriegshandlungen in Tigray (Äthiopien) abgebrochen. Die Einschaltung eines eritreischen Rechtsanwalts sei entgegen der Einschätzung des Beklagten mit erheblichen Gefahren für die in Eritrea verbliebene Verwandtschaft verbunden, auch wenn zu dieser kein Kontakt mehr seitens des Klägers bestehe. Dies sei durch als gerichtsbekannt vorausgesetzte Berichte von Amnesty International und anderer Stellen belegt.
16
Der Kläger beantragt wörtlich:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2021 (AZ: …) verurteilt, dem Kläger rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung die Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
2. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2021 (AZ: …*) verurteilt, dem Kläger (weiterhin) einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.
17
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
Der Bescheid sei nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil im Tenor der Text der Ziffer 2 (Ablehnung Reiseausweis für Ausländer) unvollständig sei (Art. 46 BayVwVfG). Die Aufenthaltserlaubnis des Klägers sei am 16. Dezember 2021 mit dem Vermerk „Personalien lt. eig. Angaben“ versehen verlängert und als sog. „Ausweisersatz“ ausgestellt worden. Ein Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländers bestehe nicht. Die Unzumutbarkeit der Beschaffung eines eritreischen Nationalpasses sei aktuell nicht hinreichend nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht. Die Ausstellung eines Reiseausweises komme wegen der Passhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Beweis- bzw. Darlegungslast für das Vorliegen der Ausstellungsvoraussetzungen liege hierbei beim Kläger. Jener habe nach Aktenlage bisher erst einmal bei der eritreischen Botschaft vorgesprochen. Einem subsidiär Schutzberechtigten sei eine Botschaftsvorsprache grundsätzlich zumutbar. Daneben würden nur schriftliche Botschaftsanfragen geltend gemacht. Eine Unzumutbarkeit sei konkret und einzelfallbezogen darzulegen bzw. glaubhaft zu machen. Bisher sei nur recht allgemein die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit weiterer Mitwirkungshandlungen behauptet und auf Urteile verwiesen worden. Dies treffe insbesondere auch hinsichtlich der sog. „Aufbausteuer“ und der „Reueerklärung“ zu. Auch hier werde nur allgemein und floskelhaft geltend gemacht, die Steuerzahlung bzw. Erklärungsabgabe gegenüber der Botschaft seien für den Kläger unzumutbar. Die Zahlung der Aufbausteuer sei nicht per se unzumutbar. Hinsichtlich der Reueerklärung sei konkret, einzelfallbezogen und nachvollziehbar darzulegen, weshalb der Ausländer diese Erklärung aus innerer Überzeugung nicht abgeben könne. Aus der früheren Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer ergebe sich kein Anspruch auf neuerliche Ausstellung. Die Reiseausweise seien mit dem Vermerk „Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben des Antragstellers.“ versehen gewesen. Bei jeder Ausstellung sei das Vorliegen der Ausstellungsvoraussetzungen neu zu prüfen. Der Kläger habe im Jahr 2017 eine Bestätigung über eine Botschaftsvorsprache vorlegen können. Deshalb und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei damals von hinreichender Mitwirkung ausgegangen worden. Eine spätere Nachprüfung und erneute Aufforderung zur Mitwirkung bzw. Passbeschaffung sollte ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden, was auch niederschriftlich festgehalten worden sei. Aus diesen Gründen komme mangels Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht in Betracht. Identität und Staatsangehörigkeit seien bisher nicht geklärt. Die bisherigen ausländerrechtlichen Dokumente seien stets mit einschränkenden Hinweisen hinsichtlich der Identität versehen gewesen. Schon daraus ergebe sich eindeutig, dass die Ausländerbehörde eben nicht von einer geklärten Identität ausgegangen sei. Für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Schutzberechtigte nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG sei gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Identitätsklärung gerade nicht erforderlich. Umso bedeutsamer sei die Identitätsklärung vor Erteilung einer (unbefristeten) Niederlassungserlaubnis. Hiervon könnte zwar im Ermessenswege abgesehen werden. Wegen der weitreichenden Wirkung einer Niederlassungserlaubnis und der besonderen Bedeutung der Identitätsklärung komme dies aber nur in Ausnahmefällen in Betracht.
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Unter dem 24. Februar 2022 wurde ergänzend mitgeteilt, dass eine an das Bayer. Landesamt für Asyl und Rückführungen gerichtete Anfrage zum grundsätzlichen Umgang mit der Problematik bislang nicht beantwortet sei. In der Sache selbst sei selbstverständlich allein die Anzahl der persönlichen Botschaftsvorsprachen für sich betrachtet nicht entscheidend. Dennoch könnten wiederholte und ernstgemeinte Vorsprachen durchaus notwendig und sinnvoll sein. Ungeachtet der Erfolgsaussichten sei daher die angekündigte Bereitschaft zu einer weiteren persönlichen Vorsprache zu begrüßen. Maßgeblich werde es bei einer erneuten Vorsprache auf das Auftreten des Klägers einschließlich von ihm gemachter Angaben sowie ggf. vorgelegter Unterlagen ankommen. Hinsichtlich der Aufbausteuer werde zwar nunmehr eine sich aus der Höhe dieser Abgabe ergebende Unzumutbarkeit geltend gemacht. Hinsichtlich des Betrages werde aber nichts Konkretes vorgetragen, sondern wiederum nur allgemein auf finanzielle Überforderung verwiesen. Ohne konkrete Angaben werde eine Zumutbarkeitsprüfung schwerlich möglich sein. Ob in diesem Zusammenhang Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeits- bzw. Einbürgerungsrecht herangezogen werden könnten, bedürfe einer weiteren Prüfung. Ferner würden die in der Anwaltsliste der Deutschen Botschaft in Asmara benannten Rechtsanwälte in Eritrea von der Botschaft als zuverlässig eingeschätzt. Die Beauftragung eines dieser Rechtsanwälte sei auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit eines Mandatsverhältnisses zumutbar und könne nicht mit einem pauschalen Hinweis auf die Situation in Eritrea und damit verbundener Risiken abgelehnt werden. Gerade die Benennung vertrauenswürdiger Rechtsanwälte durch die deutsche Auslandsvertretung vor Ort solle derartige Risiken ausschließen bzw. minimieren. Auch die Unzumutbarkeit einer Reueerklärung werde vorliegend weiterhin nur allgemein und wenig konkret geltend gemacht. Weder der Kläger noch der frühere Bevollmächtigte hätten in der Vergangenheit hierzu substantiell etwas vorgebracht. Bis dato habe der Kläger also noch nicht alles Mögliche und Zumutbare getan, um Identität und Staatsangehörigkeit zu klären bzw. einen Nationalpass zu beschaffen.
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Der Prozesskostenhilfeantrag blieb erfolglos (B.v. 9.3.2022). Die Beteiligten wurden zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheids gehört. Der Klägerbevollmächtigte äußerte sich mit Schriftsatz vom 29. März 2022 nochmals zur Sache.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der gewechselten Schriftsätze, sowie der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben sind.
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Die Klage hat keinen Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe des o.g. Prozesskostenhilfebeschlusses Bezug genommen. Die Ausführungen aus dem Schriftsatz der Klägerseite vom 29. März 2022 veranlassen keine anderweitige Einschätzung der Sach- und Rechtslage:
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1. Soweit die Klägerseite bereits ganz allgemein in Frage stellt, dass die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses bei Beleg der eritreischen Staatsangehörigkeit unproblematisch sei, erschließt sich nicht, weshalb diese Feststellung dem Grunde nach unzutreffend sein soll. Im vorliegenden Einzelfall ist und bleibt es eben Sache des Klägers, alle objektiv zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, seine eritreische Staatsangehörigkeit und in diesem Kontext zugleich seine Identität, insbesondere das zutreffende Geburtsdatum, auch nachzuweisen. Dass Klärungsbedarf zur Identität besteht, enthebt ihn nicht von dieser Verpflichtung, sondern bestärkt diese vielmehr. Dass der Kläger nach einem entsprechenden Handeln bei neuerlicher persönlicher Vorsprache gleichwohl nicht mit der Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses rechnen kann, ist nach wie vor nicht substantiiert aufgezeigt. Den mit der Klärung und Nachweisführung als solchen verbundenen Aufwand muss er vielmehr als objektiv zumutbar hinnehmen.
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2. Das Gericht ist ferner weiterhin der Auffassung, dass dem Kläger trotz Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus eine persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung zumutbar ist. Dies ergibt sich bereits aus seinem eigenen Tätigwerden am 5. September 2017. Im Übrigen vermag die asylrechtliche Rechtsprechung allein in der Stellung eines Asylantrags keinen Anhaltspunkt für die Zuerkennung eines Schutzstatus für eritreische Staatsangehörige zu erkennen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 5.2.2020 - 23 B 18.31593 - juris Rn. 51; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 17.11.2021 - OVG 4 B 13/21 - juris Rn. 49, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung auch anderer Oberverwaltungsgerichte).
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Besondere Umstände des Einzelfalls zeigt der jüngste Schriftsatz weiterhin nicht auf. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Einwand, dass die Folgenlosigkeit der klägerischen Vorsprache vom September 2017 nicht weiter belegt sei. Dem Kläger obliegt zu diesem Aspekt die materielle Darlegungs- und Beibringungslast, der allein mit dem Verweis auf allgemeine Erkenntnisquellen offenkundig nicht Rechnung getragen ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2021 - 19 B 21.1789 - juris Rn. 56: „Trägt der Ausländer substantiiert Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass er sich oder seine Familie durch das Bemühen um Ausstellung eines Nationalpasses seines Heimatstaates unmittelbar in Gefahr bringen könnte, so genügt es, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine solche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.“; Hervorhebungen durch Gericht). Zu konstatieren ist in diesem Zusammenhang, dass sich jedenfalls die Eltern seit vielen Jahren ohnehin nicht mehr in Eritrea aufhalten.
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3. Die Einwendungen zu Ziffer 1.2.2 des Prozesskostenhilfebeschlusses führen ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn sich der Kläger aktuell persönlich nicht in der Lage sehen sollte, ein Foto seines Vaters zu beschaffen, bleibt es bei dem Verweis darauf, wieder Kontakt zu seiner Verwandtschaft zu suchen. Dabei ist das Gericht nicht gehalten, ihm konkret spezifische Ansprechpartner (etwa aus seiner Verwandtschaft) zu benennen. Er selbst hat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Angaben zu seiner Verwandtschaft gemacht; hierauf muss er sich verweisen lassen. Im Übrigen hatte er dort selbst angegeben, Verwandtschaft nicht nur in Eritrea, sondern auch in Europa zu haben. Bei dieser Sachlage kann die klägerische Haltung, jegliches Eigenengagement in diesem Kontext durchgängig allein mit dem nicht weiter substantiierten Verweis auf Unmöglichkeit, Unzumutbarkeit oder fehlende Erfolgsaussichten abzutun, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
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Ferner hält das Gericht daran fest, dass dem Kläger die Einschaltung eines Vertrauensanwalts objektiv zumutbar ist. Der in diesem Kontext eingewandte Einzelfall der im September 2019 erfolgten Verhaftung eines Vertrauensanwalts in der Türkei hat keinerlei Bezug zu der auf Eritrea bezogenen Lageeinschätzung und stellt den Verweis auf die Befassung eines Vertrauensanwalts auch nicht dem Grunde nach infrage. Die klägerische Annahme einer „nicht fernliegenden“ vergleichbaren Situation in Eritrea stellt letztlich eine reine Spekulation „ins Blaue hinein“ dar, zumal die mit den örtlichen Verhältnissen sicherlich vertraute Deutsche Botschaft Asmara die entsprechende Anwaltsliste im August 2020 und damit nach den Geschehnissen in der Türkei erstellt hat. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner Bezugsentscheidung vom 25. November 2021 auf den Aspekt „Vertrauensanwalt“ ab (a.a.O., juris Rn. 66).
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4. Was den zeitlichen Aspekt angeht (letzte und einzige Vorsprache am 5.9.2017), bleibt die Kammer bei ihrer im Prozesskostenhilfebeschluss dargelegten Einschätzung, dass die zwischenzeitlich verstrichene Zeit keineswegs die Erfolglosigkeit einer neuerlichen Vorsprache indiziert.
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Soweit auch das Gericht aktuell bestätigen kann, dass die Buchung eines Vorsprachetermins im Internet derzeit nicht möglich ist, lässt sich aus dem nach Klick auf „Zur Terminvereinbarung“ auf der Folgewebseite https://erembassy.com/ (Aufruf am Entscheidungstag) erscheinenden Hinweis „Sorry! This Site is Under Maintenance. We Will Be Back Soon.“ keineswegs ableiten, dass diese Buchungsmöglichkeit dem Grunde nach nicht mehr gegeben sein wird, zumal es sich um ein Buchungsportal auch für andere eritreische Auslandsvertretungen handelt (s. etwa Verlinkung „Click me“ bei der eritreischen Botschaft in der Schweiz, https://eritreaembassy.ch/passport/, Aufruf am Entscheidungstag). Da fernliegt, dass die hiesigen eritreischen Auslandsvertretungen keinerlei konsularische Dienstleistungen mehr anbieten, stuft das Gericht die Gestaltung der Internetseite https://erembassy.com/ so ein, dass es sich hier - wortlautentsprechend - um vorübergehende technische Probleme handelt, würde doch ansonsten naheliegen, die Verweise auf eine Terminvereinbarung über ein Onlineportal als solcher von den entsprechenden Webseiten der Auslandsvertretungen selbst zu entfernen. Mithin handelt es sich allenfalls um ein vorübergehendes Hindernis, welches die im Prozesskostenhilfebeschluss aufgezeigte Möglichkeit zur Terminbuchung nicht grundsätzlich in Frage stellt.
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5. Was die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur schriftlichen Beantragung von Dokumenten angeht, hat das Gericht im Prozesskostenhilfebeschluss die Erkenntnisquelle hierfür angegeben, nämlich einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2022 (19 C 21.1072 - BA Rn. 8). Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass, diese tatsächliche Feststellung des Obergerichts in Zweifel zu ziehen. Es steht der Klägerseite frei, ihre Bedenken zu diesem Gesichtspunkt der nächsten Instanz als Urheberin dieser Aussage vorzutragen.
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6. Der Verweis auf die Verpflichtung des Klägers, eigenständig Erkundigungen zu den Gesichtspunkten „Reueerklärung“ und „Aufbausteuer“ einholen zu müssen, ergibt sich ebenfalls unschwer aus der Bezugsentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. November 2021, welcher sich mit vergleichbaren Einwendungen wie im hier zu entscheidenden Fall auseinandergesetzt hatte. Dabei führt der Verweis auf eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nicht weiter. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in Zusammenhang mit der Aufbausteuer tatsächlich mit Nötigung, Bedrohung, Täuschung oder sonstigen illegitimen Mitteln zu rechnen hätte. Vielmehr handelt es sich bei der Aufbausteuer um eine Steuer, deren Zahlung der Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV dient und die weder gegen völkerrechtliche Regeln noch gegen deutsches Recht verstoßen würde (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2021 - 19 B 21.1789 - juris Rn. 73 m.w.N.).
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Es steht der Klägerseite frei, ihre von grundsätzlichen Erwägungen getragene Rechtsauffassung im Rechtsmittelweg dem Obergericht vorzutragen, welches Urheber der für den vorliegenden Fall als wesentlich und maßgeblich erachteten Bezugsentscheidung vom 25. November 2021 ist.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 84 Abs. 1 Satz 3 und 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.