Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 12.08.2022 – 13 T 3431/22
Titel:

Beschwerde gegen die Regressforderung der Staatskasse

Normenketten:
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 1908i Abs. 1 S. 1
VBVG § 1 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1 BGB, 1836 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 S. 1 VBVG steht dem Betreuer, der die Betreuung berufsmäßig führt, eine Vergütung nach § 4 VBVG iVm den in den Vergütungstabellen festgelegten Fallpauschalen zu. Ist der Betroffene mittellos nach § 1836d BGB, so kann der Betreuer die ihm zustehende Vergütung aus der Staatskasse verlangen, §§ 1908i, 1836 Abs. 1 BGB iVm § 1 Abs. 2 S. 2 VBVG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit seitens der Staatskasse Leistungen zur Vergütung des Betreuers erbracht worden sind, geht nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1 BGB, 1836e Abs. 1 S. 1 BGB der Anspruch des Betreuers gegen den Betroffenen auf die Staatskasse über, die dann wiederum Regress in das Vermögen des Betroffenen nehmen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob ein solcher Regress zulässig ist, richtet sich danach, ob der Betroffene leistungsfähig ist, ob er also Einkommen und Vermögen hat, welches nach § 1836c BGB heranzuziehen ist. Ein zunächst mittelloser Betroffener muss dabei grundsätzlich vorhandene Mittel iRd § 1836c BGB für die Kosten der Betreuung einsetzen. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Leistungen, Grundsicherung, Sozialleistungen, Pflegeversicherung, Vermögen, Vergütung, festgelegte Fallpauschale, mittelloser Betroffener, Regress, Staatskasse
Vorinstanz:
AG Erlangen, Beschluss vom 02.06.2022 – 7 XVII 207/09
Fundstellen:
BtPrax 2022, 223
BeckRS 2022, 26427
LSK 2022, 26427

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 02.06.2022, Az. 7 XVII 207/09, aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Betroffene wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine Regressforderung der Staatskasse.
2
Die Betroffene steht seit dem 24.04.2009 aufgrund einer dementiellen Erkrankung unter Betreuung hinsichtlich der Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge einschließlich der insoweit notwendigen Aufenthaltsbestimmung, strafrechtliche Angelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise. Zur Berufsbetreuerin ist Frau N.N. bestellt. Nach einem Bericht der Betreuerin vom 31.08.2021 ist die Erkrankung der Betroffenen so weit fortgeschritten, dass eine Kommunikation mit der Betroffenen nur schwer möglich ist und diese immer weiter abbaut. Die Betroffene isst und trinkt nur sehr schlecht und spricht kaum noch.
3
Es wurden für die Betreuerin insgesamt Vergütungen i.H.v. 2.392,00 Euro festgesetzt und von der Staatskasse ausbezahlt, hinsichtlich derer der streitgegenständliche Regress erfolgte:

Beschluss

Höhe

Antragseingang

Zeitraum

06.11.2019

556,00 Euro

05.11.2019

25.04.2019 - 24.10.2019

29.04.2020

612,00 Euro

27.04.2020

25.10.2019 - 24.04.2019

03.11.2020

612,00 Euro

29.10.2020

25.04.2019 - 24.10.2020

26.05.2021

612,00 Euro

21.05.2021

25.10.2020 - 24.10.2021

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Auf Antrag der Betreuerin wurde der Betroffenen am 09.10.2019, 05.10.2020 und 05.11.2021 Landespflegegeld in Höhe von jeweils 1.000,00 Euro ausbezahlt. Diese Zuwendungen wurden von der Betreuerin nicht separat angelegt bzw. verwaltet. Eine diesbezügliche Anweisung des zuständigen Rechtspflegers existierte auch nicht.
5
Mit Verfügung vom 06.09.2021 wurde die Betreuerin um Stellungnahme gebeten, nachdem nach den Ermittlungen des Amtsgerichts Erlangen zu berücksichtigendes Vermögen der Betroffenen in Höhe von 7.088,78 Euro vorhanden sei. Die Betreuerin teilte am 14.09.2021 mit, es stehe ein Regress des Bezirks M. aus, der die Heimkosten trägt, so dass dieser das übersteigende Vermögen einfordern werde. Die Betreuerin wurde mit Verfügung vom 16.09.2021 gebeten, entsprechende Nachweise vorzulegen. Nachdem die Frist hierzu mehrfach verlängert wurde, Nachweise jedoch nicht vorgelegt wurden, hörte das Amtsgericht Erlangen mit Verfügung vom 07.04.2022 die Betroffene zur beabsichtigten Festsetzung eines an die Staatskasse zu bezahlenden Betrags in Höhe von 2.088,78 Euro an.
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Nachdem hierzu keine Stellungnahme erfolgt war, setzte das Amtsgericht Erlangen mit (hier angegriffenem) Beschluss vom 02.06.2022 den Betrag, den die Betroffene an die Staatskasse gemäß §§ 1908i, 1836e BGB aus ihrem Vermögen zu erstatten hat, auf 2.088,00 Euro fest, fällig am 01.07.2022. Die Betroffene habe die im SGB XII festgelegten Schongrenzen übersteigendes Vermögen. Der übersteigende Betrag sei von der Betreuten für den von der Staatskasse verauslagten Betrag einzusetzen.
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Gegen den am 08.06.2022 der Betroffenen zugestellten Beschluss legte die Betreuerin der Betroffenen mit Schreiben vom 10.06.2022, eingegangen beim Amtsgericht Erlangen am 13.06.2022, Beschwerde ein. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass die Beschwerde im Namen der Betroffenen eingelegt wird, findet sich nicht. Die Betreuerin wies - erstmals - darauf hin, dass im Vermögen der Betroffenen Zahlungen von insgesamt 3.000,00 Euro Landespflegegeld enthalten sind. Da die Summe des Landespflegegelds von 3.000,00 Euro den geforderten Betrag von 2.088,00 Euro übersteige, müsse die Betroffene keine Rückzahlung leisten.
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Nach einer Mitteilung der Betreuerin vom 10.05.2022 (Bl. 95 ff. des Vergütungshefts) belief sich das Vermögen der Betroffenen Ende April 2022 auf 6.751,35 Euro (Girokonto 2.538,65 Euro, Taschengeldkonto 4.212,70 Euro).
9
Mit Beschluss vom 20.06.2022 half das Amtsgericht Erlangen der Beschwerde nicht ab und legte die Beschwerde dem zuständigen Beschwerdegericht zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte das Amtsgericht Erlangen aus, das Landespflegegeld sei nicht separat vom sonstigen Vermögen der Betreuten angelegt worden, so dass eine Vermischung von Schonvermögen und sonstigem Vermögen stattgefunden habe. Es könne nicht genau nachvollzogen werden, ob die laufenden monatlichen Ausgaben nicht auch vom Schonvermögen beglichen worden seien beziehungsweise welcher Restbetrag noch anzusetzen wäre. Deshalb sei davon auszugehen, dass kein Schonvermögen anzusetzen sei.
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Mit Verfügung vom 24.06.2022 bat das Beschwerdegericht den Bezirksrevisor beim Landgericht Nürnberg-Fürth um Stellungnahme. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 28.06.2022 aus, aufgrund der sachlichen Unabhängigkeit des Rechtspflegers könne nur allgemein zur Behandlung des Landespflegegelds Stellung genommen werden. Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15.09.2021) wonach der Einsatz eines aus Zahlungen des bayerischen Landespflegegelds angesparten Vermögens für die Aufwandsentschädigung und Vergütung eines Betreuers für den Betreuten eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 2 Satz 1 SGB XII darstelle, folge, dass diese Vorgaben auch für den Rückgriff der Staatskasse anzuwenden seien. In der Kosteninformation 4/21 der Bezirksrevisoren und Bezirksrevisorinnen des Landgerichts Nürnberg-Fürth sei der Vorschlag unterbreitet worden, dass die Trennung des Vermögens wegen der besseren Unterscheidbarkeit der Vermögensmassen von Vorteil wäre. Es sei fraglich, ob die Tatsache, dass eine solche Trennung seitens des sachlich unabhängigen Rechtspflegers nicht angeordnet worden sei, zu Lasten der Betroffenen gehen könne. Problematisch sei, dass hier das Landespflegegeld ohne bestimmten Zweck angespart werde. Nach der gesetzlichen Regelung diene das Landespflegegeld nicht der Deckung des notwendigen pflegerischen Bedarfs, von Teilhabebedarfen oder der Existenzsicherung. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs sei das Landespflegegeld dafür gedacht, dass sich der Empfänger oder dessen pflegende Angehörige außer der Reihe etwas Besonderes leisten können. Der Zweckbestimmung der freien Verwendung entspreche es auch, das Landespflegegeld über einen längeren Zeitpunkt anzusparen, um eine größere Anschaffung oder Unternehmung davon zu bezahlen. Dem liefe es zuwider, wenn die Empfänger es binnen eines Jahres ausgeben müssten, um eine Verwendung für die Betreuervergütung zu vermeiden. Nach Ansicht der Staatskasse solle das Ansparen einem Ziel dienen, wie zum Beispiel einer Reise oder der Anschaffung von Möbeln oder elektrischen Geräten. Ein zielloses Ansparen sei nicht gemeint, da das zur Folge hätte, dass sich das Schonvermögen jährlich um 1.000 Euro erhöhe. Im vorliegenden Fall sei bereits ein „Schonvermögen“ von 3.000,00 Euro entstanden. Ohne eine Zweckbestimmung würde der angesparte Betrag nur den Erben zugute kommen, die der betroffenen Person eventuell auch noch unbekannt sind. Diese Begünstigung erfolge auf Kosten der Staatskasse. Im vorliegenden Fall könne die Verwendung des Landespflegegelds nur zugunsten der Betreuten erfolgen, da pflegende Angehörige nach dem letzten Bericht der Betreuerin nicht vorhanden seien.
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Für die weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
12
Die Beschwerde ist zulässig (1.) und hat Erfolg (2.), so dass der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 02.06.2002 aufzuheben ist. Zudem ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen (3.).
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1.) Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn diese seitens der Betreuerin nicht ausdrücklich im Namen der Betroffenen eingelegt wurde. Die Betreuerin wurde u. a. für den Wirkungskreis „Vermögenssorge“ bestellt. Die Frage, ob die Betroffene Regress aus ihrem Vermögen für die Vergütung der Betreuerin zu leisten hat, fällt in dieses Aufgabengebiet. Aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich, dass es der Betreuerin keinesfalls um die Geltendmachung eigener Rechte, sondern nur um die der Betroffenen geht. Die Beschwerde ist somit dahingehend auszulegen, dass sie tatsächlich im Namen der Betroffenen erfolgte.
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2.) Die Beschwerde ist begründet, da das ausbezahlte Landespflegegeld dazu führt, dass kein die Schonvermögensgrenzen übersteigendes Vermögen vorhanden ist, welches für einen Regress der Staatskasse heranzuziehen wäre.
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a) Nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG steht dem Betreuer, der die Betreuung berufsmäßig führt, eine Vergütung nach § 4 VBVG i.V.m. den in den Vergütungstabellen festgelegten Fallpauschalen zu. Ist der Betroffene mittellos nach § 1836d BGB, so kann der Betreuer die ihm zustehende Vergütung aus der Staatskasse verlangen, §§ 1908i, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG. Soweit seitens der Staatskasse Leistungen zur Vergütung des Betreuers erbracht worden sind, geht nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836e Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch des Betreuers gegen den Betroffenen auf die Staatskasse über, die dann wiederum Regress in das Vermögen des Betroffenen nehmen kann. Ob ein solcher Regress zulässig ist, richtet sich danach, ob der Betroffene leistungsfähig ist, ob er also Einkommen und Vermögen hat, welches nach § 1836c BGB heranzuziehen ist. Ein zunächst mittelloser Betroffener muss dabei grundsätzlich vorhandene Mittel im Rahmen des § 1836c BGB für die Kosten der Betreuung einsetzen. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz (BGH NJOZ 2022, 134).
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Die Höhe des vom Betroffenen einzusetzenden Vermögens richtet sich gem. § 1836c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII. § 90 Abs. 1 SGB XII geht vom Grundsatz aus, dass das gesamte verwertbare Vermögen für die Betreuervergütung einzusetzen ist, soweit es nicht zu dem in § 90 Abs. 2 SGB XII abschließend aufgezählten Schonvermögen gehört. Im übrigen bleibt nach § 90 Abs. 3 SGB XII Vermögen unberücksichtigt, dessen Einsatz oder Verwertung für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde (vgl. hierzu insgesamt BGH NJW-RR 2020, 514).
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Das Bayerische Landespflegegeldgesetz sieht in Art. 1 vor, dass das Landespflegegeld das Selbstbestimmungsrecht der pflegebedürftigen Menschen jenseits der Gestaltung ihres Alltags über die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, über die Leistungen der Sozialhilfe und über die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende stärken soll. Das Landespflegegeld dient damit nicht der Deckung des notwendigen pflegerischen Bedarfs, von Teilhabebedarfen oder der Existenzsicherung. Es soll auf Leistungen zur Deckung des pflegerischen Bedarfs und von Teilhabebedarfen sowie auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden.
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Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.09.2021 (BGH NJOZ 2022, 134) stellt der Einsatz des aus bayerischem Landespflegegeld angesparten Vermögens für die Aufwandsentschädigung und Vergütung eines Betreuers für den Betroffenen eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar. Dieses Vermögen ist somit nicht als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen.
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b) Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall das Landespflegegeld nicht herangezogen werden, obwohl eine Trennung dieser Zuwendungen vom übrigen Vermögen nicht stattfand.
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Wenn die Zahlungen des Landespflegegelds mit dem sonstigen Vermögen des Betroffenen vermischt werden und so nicht mehr nachvollzogen werden kann, ob und in welcher Höhe Ausgaben aus den Mitteln des Landespflegegelds getätigt wurden, führt dies dazu, dass ausbezahltes Landespflegegeld weiterhin in voller Höhe nicht für die Betreuervergütung herangezogen werden kann. Alles andere liefe dem gesetzgeberischen Willen zuwider, wie er in der Regelung des Art. 1 Bayerisches Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) seinen Ausdruck gefunden hat.
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aa) Um eine Vermischung mit dem sonstigen Vermögen des Betroffenen zu vermeiden, hat der zuständige Rechtspfleger die Möglichkeit anzuordnen, dass die Mittel des Landespflegegelds getrennt vom sonstigen Vermögen des Betroffenen anzulegen sind. Auf diese Möglichkeit wurde für den Bereich des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit der Kosteninfomation 4/21 vom 19.11.2021 auch hingewiesen. Eine solche Vorgehensweise hat den Vorteil, dass von Anfang an transparent und jederzeit nachvollziehbar festgestellt werden kann, ob Mittel des Landespflegegelds, die gerade auch angespart werden können, um teurere Anschaffungen zu ermöglichen, eingesetzt wurden oder nicht.
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Ist eine solche Anordnung nicht ergangen und hat eine Vermischung mit dem sonstigen Vermögen des Betroffenen stattgefunden, so kann es aufgrund der Regelung in Art. 1 BayLPflGG nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, wenn nicht mehr nachvollzogen werden kann, ob Mittel aus dem Landespflegegeld verbraucht wurden oder nicht.
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Falls der Betreuer entgegen der Anordnung des Rechtspflegers keine getrennte Anlage durchführt, ist zwar auch fraglich, ob dies zu Lasten des Betroffenen gehen kann. Im Raum stünde dann aber ggf. ein pflichtwidriges Verhalten des Betreuers, welches zu Schadensersatzansprüchen führen könnte.
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Eine Vorgehensweise, zu bestimmten Zeitpunkten einen Vermögenssaldo zu erstellen, um so zu prüfen, ob das Vermögen insgesamt weniger als das angesparte Landespflegegeld betragen hat, erscheint nicht praktikabel, da nur ein tagesgenauer Vermögenssaldo exakte Ergebnisse bringen könnte. Vermögenssalden zum Monats- oder Quartalsende oder auch zu anderen Zeitpunkten könnten nur einen punktuellen Anhaltspunkt liefern, ohne dass Entwicklungen zwischen zwei Prüfpunkten berücksichtigt würden. Ein tagesgenauer Vermögenssaldo ist aber mit einem so hohen Aufwand verbunden, dass er nicht als erforderlich angesehen werden kann. Dies gilt umso mehr, als mit der Anordnung einer getrennten Anlage der Mittel aus dem Landespflegegeld eine einfache und praktikable Möglichkeit zur Verfügung steht, transparent zu machen, ob und in welcher Höhe Mittel des Landespflegegelds bereits verbraucht wurden oder nicht.
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bb) Bei der Frage, ob die Mittel des Landespflegegelds, die sich mit sonstigem Vermögen des Betroffenen vermischt haben, für die Betreuervergütung heranzuziehen sind, ist nicht darauf abzustellen, ob die Ansparung einem bestimmten Ziel dient oder nicht. Für den Fall, dass ein zielloses Ansparen vorliegt, führt der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth in seiner Stellungnahme vom 28.06.2022 aus, ohne eine Zweckbestimmung würde der angesparte Betrag letztlich bei Tod des Betroffenen nur den Erben zugutekommen. Diese würden auf Kosten der Staatskasse begünstigt.
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Dass dies das Ergebnis sein kann, wenn sich nicht mehr nachvollziehen lässt, ob angesparte Mittel des Landespflegegelds ausgegeben wurden oder nicht, ist richtig. Dies ist jedoch Ergebnis der gesetzgeberischen Ausgestaltung des Landespflegegelds. Nach Art. 1 BayLPflGG handelt es sich beim Landespflegegeld nicht um Mittel, die der Deckung des notwendigen pflegerischen Bedarfs, von Teilhabebedarfen oder der Existenzsicherung dienen. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 15.09.2021 ausführt, soll das Landespflegegeld dem Betroffenen ermöglichen, sich Annehmlichkeiten abseits vom alltäglich Notwendigen zu verschaffen. Nach der Gesetzesbegründung soll es ihm auch möglich sein, Angehörigen oder anderen Personen, die ihn in seiner Alltagsgestaltung unterstützen, eine materielle Anerkennung ohne Rechtspflicht zukommen zu lassen (vgl. LT-Drs. 17/22033, Seiten 3, 4 und 36). Dies führt dazu - so der Bundesgerichtshof - dass der Betroffene über die Verwendung des Landespflegegelds frei und ohne Bindung an feste Verwendungszeiträume verfügen und daher auch Beträge ansparen kann, um so kostspieligere Wünsche wie etwa Reisen oder größere Anschaffungen finanzieren zu können.
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Dieser gesetzgeberischen Intention liefe es zuwider, wenn der Betroffene bereits bei Ansparung einen Zweck festlegen müsste. Zwar wären an einen solchen Zweck keine hohen Anforderungen zu stellen und der Betroffene könnte den Zweck nachträglich jederzeit ändern. Jedoch widerspricht es nach Auffassung des Beschwerdegerichts der gesetzgeberischen Ausgestaltung des Landespflegegelds, überhaupt eine zweckgerichtete Ansparung zu fordern. Der Betroffene soll nach dem Willen des Bayerischen Landtags die Mittel aus dem Landespflegegeld frei und ohne Bindung verwenden können, wozu auch die Möglichkeit gehört, die Mittel ohne Zweck anzusparen und sich dann zu überlegen, was damit gemacht werden soll. Genauso steht des dem Betroffenen frei, die Mittel auch nicht auszugeben.
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Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten, auch wenn die Betroffene auf Grund ihrer Erkrankung und ihres schlechten Gesundheitszustands aller Wahrscheinlichkeit nur schwer in der Lage sein wird, die Mittel des Landespflegegelds der Intention des Gesetzgebers entsprechend einzusetzen und pflegende Angehörige nicht vorhanden sind. Der Gesetzgeber hat das Landespflegegeld bewusst möglichst einfach und ohne große Voraussetzungen ausgestaltet, um eine schnelle und einfache Auszahlung zu ermöglichen. So wurde bewusst auf eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verzichtet. Auch soll nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine „nachträgliche Erfolgskontrolle“ stattfinden, der Betroffene über den Einsatz der Mittel gerade frei und ohne Bindung entscheiden können. Dies führt aber auch dazu, dass Konstellationen wie diese, dass das Landespflegegeld höchstwahrscheinlich nicht mehr der Betroffenen wird zugute kommen können, in Kauf genommen werden müssen, auch wenn dies auf Kosten der Staatskasse geht.
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c) Folglich hat die Betroffene kein für die Betreuervergütung einzusetzendes Vermögen, so dass ein Regress der Staatskasse nicht möglich ist.
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aa) Ende April 2022 belief sich das Vermögen der Betroffenen auf 6.751,35 Euro. Da in diesem Vermögen auch Landespflegegeld in Höhe von 3.000,00 Euro enthalten ist und sich nicht mehr nachvollziehen lässt, ob und in welcher Höhe Mittel des Landespflegegelds bereits verbraucht sind, liegt kein nach § 1836c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen vor.
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bb) Folglich ist der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 02.06.2022 aufzuheben. Da die Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen von Amts wegen erging, ist eine Antragsabweisung nicht notwendig.
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3.) Die Rechtsbeschwerde für die Staatskasse ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 FamFG. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den konkreten Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Meyer-Holz, in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 70 Rn. 21). Im vorliegenden Verfahren kommt es darauf an, ob die Vermischung der Mittel des Landespflegegelds mit sonstigem Vermögen des Betroffenen mit der Folge dass sich nicht mehr feststellen lässt, ob und in welcher Höhe Mittel des Landespflegegelds verbraucht wurden, dazu führt, dass die Mittel des Landespflegegelds nicht mehr dem Schonvermögen unterfallen. Diese Frage kann sich in allen Verfahren stellen, in denen Betroffene Landespflegegeld erhalten, dieses nicht getrennt vom sonstigen Vermögen anlegen und insgesamt Vermögen vorhanden ist, welches nur bei Berücksichtigung des Landespflegegelds die Schonvermögensgrenze übersteigt.