Titel:
Keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Motor EA 288 (hier: Audi A4)
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
ZPO § 148, § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2022, 11891; BeckRS 2022, 18404; OLG Koblenz BeckRS 2020, 6348; OLG München BeckRS 2022, 18805; BeckRS 2022, 23390; BeckRS 2021, 54742; BeckRS 2021, 54495; BeckRS 2021, 54503; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 46880; OLG Stuttgart BeckRS 2021, 3447; BeckRS 2020, 51258; OLG Dresden BeckRS 2020, 51343; OLG Bamberg BeckRS 2022, 18709; BeckRS 2022, 25139; BeckRS 2022, 25141; BeckRS 2022, 26381 sowie BeckRS 2021, 55750 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (auch zur aA) im dortigen Leitsatz 1; anders durch Versäumnisurteil OLG Köln BeckRS 2021, 2388. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ansicht des Generalanwalts Rantos in seinen Schlussanträgen vom 2.06.2022 ist weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vortrag zu VW T6-Fahrzeugen begründet keinen Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung in einem Audi A4-Fahrzeug. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 288, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, (kein) Rückrufbescheid, DUH, Thermofenster, Prüfstandserkennung, Aussetzung, Schlussanträge des Generalanwaltes
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 25.08.2022 – 6 U 26/22
LG Hof, Endurteil vom 31.03.2022 – 24 O 157/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26426
Tenor
1. Der Antrag des Klägers vom 14.09.2022 auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 31.03.2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
3. Das Urteil des Landgerichts Hofs ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht Sicherheit in Höhe von 110% des zuvollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.978,62 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Hofs ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2
Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 25.08.2022 Bezug genommen. Auch die Stellungnahme des Klägers vom 14.09.2022 gibt zu einer Änderung der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass. Dazu sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:
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1. Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, hat der Kläger nach wie vor die Tatbestandsvoraussetzungen für eine sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB nicht hinreichend vorgetragen. Seine Stellungnahme setzt sich nicht vollständig mit den Senatshinweisen zum gegenständlichen Fahrzeug und zu den einzelnen Schlüssigkeitsmängeln auseinander.
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2. Der Senat sieht - wie bereits im Hinweisbeschluss (S. 10 - 12) ausführlich dargelegt - keinen Anlass, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) in den dort anhängigen Verfahren auszusetzen. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein sollen, sodass das beim Gerichtshof anhängige Vorlageverfahren nicht vorgreiflich ist.
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a) Wie im Hinweisbeschluss dargelegt (dort S. 10), entspricht es bislang der - für den Senat verbindlichen - höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die von der Klägerin genannten Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind. Soweit der Generalanwalt Rantos in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:ECLI:EU:C:2022:420) eine abweichende Ansicht vertritt, ist diese zum jetzigen Zeitpunkt weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich.
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b) Die Klage bliebe aber auch dann ohne Erfolg, wenn der Senat der Auffassung des Generalanwalts Rantos folgen würde.
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1.) Selbst wenn man von einem Schutzgesetzcharakter ausgehen würde (vgl. Hinweisbeschluss S. 11). Wenn das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde nach eigener Prüfung selbst von der Zulässigkeit des „Thermofensters“ ausgeht, kann der Beklagten keine andere Einschätzung abverlangt werden.
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2.) Unabhängig von der Frage einer Haftung dem Grunde nach hat der Kläger nach wie vor einen Schaden nicht hinreichend dargelegt (siehe Hinweisbeschluss S. 12).
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3. Unstreitig hat das Kraftfahrtbundesamt für den im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Motor gerade keinen Rückruf angeordnet, sondern vielmehr nach umfangreichen Untersuchungen festgestellt, dass bei zahlreichen Fahrzeugen, in welchem ein EA 288 Aggregat verbaut wurde, gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden konnte (vgl. Hinweisbeschluss S. 5).
10
Auch der Vortrag zu den VW T6- Fahrzeugen (vgl. Stellungnahme des Klägers vom 14.09.2022, S. 25, Berufungsbegründung S. 36 ff.) begründet keinen Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Die gebotene Darlegung und der Nachweis einer angeblichen „unzulässigen Abschalteinrichtung“ muss grundsätzlich auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug konkret verbauten Motor gerichtet sein. Was genau Gegenstand des in dem Bericht angesprochenen Verwaltungsverfahrens vor dem KBA ist, ist vom Kläger darzulegen. Eine diesbezügliche sekundäre Darlegungs- oder gar Vorlagelast der Beklagten besteht mangels hinreichender Anhaltspunkte dafür, dass Gegenstand dieses Verfahrens nicht nur eine - nach nunmehriger Auffassung des KBA - einfach-rechtlich unzulässige, sondern darüber hinaus auch sittenwidrige Abschalteinrichtung, insbesondere eine Prüfstandserkennungsfunktion i.S.d. Rspr. des BGH ist, nicht (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021 - VI ZR 505/19, Rz. 28 sowie Urteil vom 23.02.2022 - VII ZR 252/20 Rn. 16).
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4. Im Hinblick auf die Messergebnisse der DUH wird auf den Hinweisbeschluss (S. 7) Bezug genommen. Im Übrigen bezieht sich der Vortrag in der Stellungnahme (S. 29 ff.) auf einen VW Golf 2.0 TDI. Selbst wenn es sich hierbei um das streitgegenständliche Fahrzeug handeln würde, wäre der Grenzwert nicht in einem vergleichbaren Rahmen überschritten, wie in der vom Kläger referierten Entscheidung des BGH, bei der ein gänzlich anderer Motortyp streitgegenständlich war (Beschluss vom 25.11.2021, III ZR 202/20). Jedenfalls hat der Kläger vorliegend auch in der Gesamtbetrachtung keine zureichenden Anhaltspunkte vorgetragen.
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5. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Prüfstandserkennung trägt der Kläger nach wie vor auch im Hinblick auf die gerügte „Fahrkurvenerkennung“ nicht ansatzweise vor.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung der §§ 47 Abs. 1 i.V.m. 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO bestimmt.