Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 25.08.2022 – 6 U 26/22
Titel:

Keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Motor EA 288 (hier: Audi A4)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
ZPO § 148, § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2022, 11891; BeckRS 2022, 18404; OLG Koblenz BeckRS 2020, 6348; OLG München BeckRS 2022, 18805; BeckRS 2022, 23390; BeckRS 2021, 54742; BeckRS 2021, 54495; BeckRS 2021, 54503; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 46880; OLG Stuttgart BeckRS 2021, 3447; BeckRS 2020, 51258; OLG Dresden BeckRS 2020, 51343; OLG Bamberg BeckRS 2022, 18709; BeckRS 2022, 25139; BeckRS 2022, 25141 sowie BeckRS 2021, 55750 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (auch zur aA) im dortigen Leitsatz 1; anders durch Versäumnisurteil OLG Köln BeckRS 2021, 2388. (redaktioneller Leitsatz)
2. Unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend fehlt es im Hinblick auf die - bis heute bestehende - unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das KBA hat nach umfangreichen Untersuchungen festgestellt, dass bei zahlreichen Fahrzeugen, in welchen ein EA 288 Aggregat verbaut wurde, keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden konnte. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch nach Unionsrecht kommt ein Schutz der Interessen eines Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, nur in Betracht, wenn die EG-Typgenehmigung erwirkt worden ist, ohne dass die Genehmigungsbehörde vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung etwas wusste. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 288, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, (kein) Rückrufbescheid, Thermofenster, Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben, DUH, Fahrkurvenerkennung, Aufheizstrategie
Vorinstanz:
LG Hof, Endurteil vom 31.03.2022 – 24 O 157/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 19.09.2022 – 6 U 26/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26381

Tenor

1. Der Antrag des Klägers vom 29.07.2022 auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 31.03.2022 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
3. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 15.09.2022.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten als Motorenherstellerin nach dem Kauf eines Pkw.
2
Der Kläger erwarb am 31.03.2018 von der ... GmbH einen gebrauchten Pkw VW Audi A4 zu einem Kaufpreis von 29.300,- Euro (Fahrleistung: 26.600 km). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 288 ausgestattet, den die Beklagte hergestellt hat. Der Kläger nutzte das Fahrzeug in der Folgezeit. Am 30.03.2022 hatte der Pkw eine Fahrleistung von 51.769 km.
3
Der Kläger hat in der ersten Instanz vorgetragen, der in dem Fahrzeug verbaute Dieselmotor sei mit einer Software ausgestattet, die bei der Messung der Abgaswerte, insbesondere der Stickstoffdioxidwerte, auf dem Prüfstand den Motor in einen Modus schalte, der nicht dem Modus entspreche, der im Normalbetrieb verwendet werde. Hierdurch würden die gesetzlichen Emissionswerte auf dem Prüfstand eingehalten, im Realbetrieb dagegen überschritten. Es lägen zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass - neben einem sog. Thermofenster - weitere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden seien.
4
Der Kläger hat erstinstanzlich Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs an die Beklagte nebst Zahlung von Zinsen, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, des Verfahrenshergangs und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weitgehend weiter. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch verneint. Er ist weiter der Auffassung, dass der Vortrag zu der eingebauten Abschalteinrichtung in der Software des Motors ausreichend substantiiert sei. Das Landgericht überspanne die Anforderungen an die Substantiierung. Zudem habe das Landgericht durch die Übergehung von Beweisanträgen und die Unterlassung eines Hinweises auf die etwaige fehlende Substantiierung weitere Verfahrensverstöße begangen. Im Hinblick auf VW T6-Fahrzeuge sei ein Rückruf erfolgt. Die Emissionsgrenzwerte müssten nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Realbetrieb eingehalten werden. Das Landgericht habe den Vortrag des Klägers zu dem unzulässigen „Thermofenster“ außer Acht gelassen. Das Fahrzeug verfügte über zahlreiche weitere Abschalteinrichtungen, wie z.B. eine Akustikfunktion, eine Fahrkurvenerkennung, eine Lenkwinkelserkennung, eine Aufheizstrategie und ein unzulässiges OBD-System.
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Schließlich bestünde jedenfalls ein Anspurch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der RL 2007/46/EG. Dies werde durch die Ausführungen des Generalanwalts Rantos im Rahmen seiner Schlussanträge vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 bestätigt. Auf den weiteren Vortrag in der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
1. Die Entscheidung des Landgerichts Hof vom 31.03.2022, zugestellt am 01.04.2022, wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... an die Klagepartei 31.307,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 2.328,78 Euro zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.842,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
5. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.
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Die Beklagte verteidigt das Ersturteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründungen, die Berufungserwiderungen und die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze, jeweils mit Anlagen.
II.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung des Klägers die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet, weil ihm keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe wird Bezug genommen.
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1. Einem Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB steht entgegen, dass es an der hinreichend substantiierten Darlegung eines vorsätzlichen und sittenwidrigen schädigenden Verhaltens der Beklagten fehlt.
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a) Eine bewusst sittenwidrig-schädigende Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch die Beklagte hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargestellt.
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Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wird. Die Verwendung eines „Thermofensters“ ist nicht per se, sondern nur unter - hier nicht dargelegten - weiteren Voraussetzungen sittenwidrig (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.).
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Überdies ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidungsserie vom 16.09.2021 (Urteile des BGH vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20) unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend nunmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass es im Hinblick auf die - bis heute bestehende! - unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt:
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Danach kann bei einer Abschalteinrichtung wie hier, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der sich die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantworten lässt, bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht. Allein aus der - unterstellten - objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt ferner kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage - hinsichtlich des unstreitig in den Fahrzeugen der Kläger verbauten Thermofenster fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen - ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
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b) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers sowie den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der Beklagten in diesem Sinne als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Der Senat schließt sich der obergerichtlichen Rechtsprechung an, die eine Haftung der Beklagten in Verbindung mit dem von ihr entwickelten Motor Typ EA 288 ablehnt (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 20.04.2020, Az. 1 U 103/19; OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19; OLG Koblenz, Urteil v. 20.04.2020, Az. 12 U 1570/19).
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aa) Es fehlt bereits an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass der streitgegenständliche Motor mit einer Prüfstandserkennung ausgestattet ist. Die Behauptungen des Klägers stellen sich als reine Spekulation ohne tatsächliche Anknüpfungspunkte dar.
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(1) Der Senat verkennt hierbei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (vgl. BGH, Beschluss v. 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19 m.w.N. - verfahrensgegenständlich Motor Daimler OM 651).
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(2) Unstreitig hat das Kraftfahrtbundesamt für den im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Motor keinen Rückruf angeordnet. Im Gegenteil hat es nach umfangreichen Untersuchungen festgestellt, dass bei zahlreichen Fahrzeugen, in welchem ein EA 288 Aggregat verbaut wurde, gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden konnte (vgl. Anlagen B 15, 40, 41). In einer Auskunft an das OLG München vom 25.01.2021 (Anlage BE 28) heißt es etwa:
„Das hier zu behandelnde Fahrzeug weist in der Motorsteuerung zwar die aus anderen Fahrzeugen des VW-Konzerns bekannte Erkennung des Fahrprofils des gesetzlichen Typprüfzyklus (NEFZ) auf, die daraus resultierenden Umschaltungen wirken dabei nicht als unzulässige Abschalteinrichtung: Im Falle der Fahrzeuge mit nachgeschalteter Abgasnachbehandlung mittels SCR-Katalysator (selektive katalytische Reduktion) wird die Fahrkurvenerkennung zur Umschaltung der Betriebsmodi der Abgasrückführung im Rahmen der Typprüfung genutzt, wobei eine Verringerung der Raten der Abgasrückführung durch die Abgasnachbehandlung kompensiert werden kann. Im Prinzip wird die NOxmindernde Wirksamkeit des AGR-Systems zurückgefahren, sobald das SCR-System seine NOx-mindernde Wirkung entfalten kann. Bei einer Betrachtung des gesamten Emissionskontrollsystems bleiben somit die Schadstoffemissionen unterhalb der Grenzwerte. Dies erfolgt nicht nur über die Fahrkurve im Testzyklus, sondern auch unter realen Betriebsbedingungen auf der Straße. Die Umschaltung der Betriebsmodi erfolgt dabei über physikalische Motorparameter, wie z. B. die Temperatur des SCR-Katalysators. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenfunktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass die Fahrkurvenerkennung bei Fahrzeugen mit Motor EA288 nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet wird.“
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Der Senat geht nicht davon aus, dass ein Rückruf des KBA zwingend erforderlich wäre, um entsprechende Anhaltspunkte zu begründen. Ein Rückruf des KBA hinsichtlich eines bestimmten Motortyps wegen einer nach dessen Ansicht unzulässigen Prüfstandserkennungssoftware würde allerdings regelmäßig einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür darstellen, dass eine entsprechende unzulässige Abschalteinrichtung auch in anderen Fahrzeugen mit demselben Motortyp vorhanden ist. Fehlt es aber an einem solchen Rückruf für den konkreten Motortyp, müssen die erforderlichen hinreichenden Anhaltspunkte in anderer Weise dargelegt werden (OLG München, Beschluss vom 01. März 2021 - 8 U 4122/20 -, Rn. 39, juris). Das ist indes dem Kläger nicht gelungen.
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Das BMVI hat zudem nach Bekanntwerden des Dieselskandals Untersuchungen auch in Bezug auf die Motoren des Typs EA 288 in Auftrag gegeben und das KBA angewiesen, spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen. Diese „KBA-Felduntersuchungen“ umfassten insgesamt 56 Messungen an 53 Fahrzeugmodellen, von denen mehrere mit dem Motortyp EA 288 ausgestattet waren. Ziel der Untersuchung war u.a., die Motorvarianten des Typs EA 288 dahingehend zu überprüfen, ob sie unzulässige Abschalteinrichtungen oder unzulässige Systematiken und Randbedingungen von Prüfstands- und Zykluserkennungen wie die in den EA 189-Fahrzeugen verbaute Umschaltlogik enthielten. Bei diesen Untersuchungen sind keine unzulässigen Vorrichtungen bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 der Emissionsklassen EU 5 und EU 6 festgestellt worden (OLG Dresden, Urteil vom 04. Dezember 2020 - 9a U 2074/19 -, Rn. 30, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 07. Oktober 2020 - 4 U 171/18 -, Rn. 45, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. September 2020 - 5 U 47/19 -, Rn. 37, juris).
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Dem hat der Vortrag der Klagepartei nichts Substantielles entgegenzusetzen. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Prüfstandserkennung trägt der Kläger auch im Hinblick auf die gerügte „Fahrkurvenerkennung“ nicht ansatzweise vor.
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(3) Auch der Hinweis auf Messungen der DUH, die ergeben hätten, dass die NOx-Emissionen im realen Fahrbetrieb deutlich höher seien als die im sog. NEFZ - Verfahren gemessenen Werte, ist nicht geeignet, hinreichende Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu geben. Die Tatsache, dass ein Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb höhere Emissionen aufweist als im - für die Überprüfung der Einhaltung der Werte der Euro 6-Norm maßgeblichen - NEFZ, begründet ebenfalls keinen Anhaltspunkt, sondern ist vielmehr allgemein bekannt. Die für die Einhaltung der Euro 6-Norm relevanten, im sog. NEFZ-Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Endurteil vom 05.09.2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Es ist allgemein bekannt, dass der Straßenbetrieb mit der Prüfstandsituation nicht vergleichbar ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der angegebenen Kraftstoffverbräuche als auch hinsichtlich der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte „ideale“, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit) oder der Abschaltung der Klimaanlage, sodass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.12.2020 - 16a U 155/19 -, Rn. 59 - 60, juris).
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Aus diesem Grund kann sich der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mit Erfolg auf die sog. „Aufheizstrategie“ berufen, das unter Verwendung weiterer Abschalteinrichtungen zu einer Optimierung der Funktionsweise der Emissionsstrategie führe. Denn dass im Prüfverfahren des NEFZ eine Prüfung unter Optimalbedingungen durchgeführt wird, die im realen Verkehr nicht erreicht werden können, war bekannt (OLG Bamberg, Beschluss vom 15.03.2021, 4 U 343/20).
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(4) Hinsichtlich der behaupteten „Aufheizstrategie“ gelten die gleichen Grundsätze wie beim Thermofenster. Unterstellt, die Funktion wäre im Fahrzeug verbaut, würde diese beim realen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie in der Prüfstandsituation. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand) entspräche die Rate der Abgasrückführung danach im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand (OLG München, Beschluss vom 08.04.2021 - 8 U 4122/20 -, Rn. 25).
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(5) Im Hinblick auf die klägerseits in den Raum gestellten Abschalteinrichtungen „Akustikfunktion“, „Lenkwinkelerkennung“, „AdBlue-Einspritzung“, „Schaltpunkte des Getriebes“, „Abschaltung der Abgasreinigung“, „Manipulation am Ladeverhalten der Autobatterie“ und „Applikation“ lässt der klägerische Vortrag keinerlei Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung im streitgegenständlichen Fahrzeug erkennen.
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bb) Auch bei eingehender Auseinandersetzung mit dem klägerischen Sachvortrag unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Maßstäbe verbleibt es bei der Bewertung, dass der Klägervortrag konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Prüfstandserkennung einhält, nicht aufzeigt und diese auch sonst nicht ersichtlich sind.
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Aus der seitens des Klägers unvollständig zitierten Applikationsrichtlinie kann die von ihm behauptete unzulässigen Manipulation ebenfalls nicht ersehen werden.
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In der Berufungsbegründung (S. 83 f.) zitiert der Kläger:
„NSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven des Precon und NEFZ um die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOx/DeSOx-Events) nur streckengesteuert zu platzieren.“
„SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven des Precon und NEFZ um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert auszulösen (bis Erreichung SCR-Arbeitstemperatur und OBD-Schwellenwert).“
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Hieraus meint der Kläger ableiten zu können, dass auch Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 288 mit einer Manipulationssoftware ausgerüstet seien, durch die sich auf dem Prüfstand andere Abgaswerte ergäben als im realen Betrieb auf der Straße. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der zitierten Passage der Anwendungsbeschreibung indes nicht. Die zitierte Applikationsanweisung enthält lediglich Anweisungen bezüglich der Durchführung der Fahrzyklen Precon und NEFZ. Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware hat die zitierte Passage keine Aussagekraft.
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Selbiges gilt für die ausgewiesenen „Zielwerte“ der Beklagten (Berufungsbegründung S. 82).
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cc) Der seitens der Beklagten bestrittene weitere Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe nach Installation des Software-Updates in Bezug auf das On-Board-Diagnosesystem (OBD) erneut getäuscht, zeitigt ebenfalls nicht die geltend gemachten Ansprüche. Unabhängig davon, ob - wie die Kläger offenbar meint - das OBD-System selbst überhaupt eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 darstellen kann, obwohl es unstreitig die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems selbst weder aktiviert, verändert, verzögert noch deaktiviert (vgl. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007), ist ein auf die Programmierung des OBD gestützter Anspruch ausgeschlossen, soweit dieses im normalen Straßenverkehr sowie im Rahmen der Abgasuntersuchung und der Inspektion keine Fehlfunktion des Abgassystemes anzeigt. Denn wenn - wie hier - die für die Typengenehmigung zuständige Behörde die vorgelegte Software in Kenntnis der darin enthaltenen Abschalteinrichtungen (insbesondere des Thermofensters) auch und gerade im Hinblick auf das dadurch beeinflusste weitere Emissionsverhalten absegnet, muss das OBD dies dergestalt nachvollziehen können, dass die Warnlampe im Realbetrieb gerade nicht schon dann anspringt, wenn die angebliche Grenzwertüberschreitung allein auf nach Ansicht des KBA zulässiges Verhalten zurückzuführen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 - 17 U 296/19).
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c) Schließlich fehlt es an jedwedem substantiierten Vortrag der Klagepartei hinsichtlich in Bezug auf die Entwicklung des streitgegenständlichen Motors im Konzern der Beklagten erfolgten Entscheidungsprozesse sowie die inhaltliche Auseinandersetzung der Organe der Beklagten mit den Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007. Dabei ist zu beachten, dass über eine Wissenszusammenrechnung kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27 mwN) führt. Die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung lässt sich nicht dadurch konstruieren, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde (BGH, Urteil vom 08. März 2021 - VI ZR 505/19 -, Rn. 23, juris).
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2. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sind ebenfalls nicht gegeben. Diese würden jeweils den Nachweis eines deliktischen Handelns bzw. einer vorsätzlichen Täuschungshandlung voraussetzen. Dieser ist - wie oben dargelegt - dem Kläger nicht gelungen. Im Übrigen scheitert dieser Anspruch bereits am Fehlen der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Einen Vermögensschaden hat der Käufer dann erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und bezahlten Kaufpreis nicht wert war. Zwischen dieser etwaigen Vermögenseinbuße mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten, etwa den Fahrzeughändler, erstrebt haben könnte, besteht jedoch keine Stoffgleichheit (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20).
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3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG zu. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 5 VO 715/2007/EG stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20; Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19; Urteile vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20).
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a) Soweit der Generalanwalt Rantos in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:ECLI:EU:C:2022:420) eine abweichende Ansicht vertritt, ist diese zum jetzigen Zeitpunkt weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich.
39
b) Überdies bliebe die Klage auch dann ohne Erfolg, wenn der Senat der Auffassung des Generalanwalts Rantos folgen würde.
40
1)) Zwar hat der Generalanwalt Rantos im Ergebnis angenommen, dass das Unionsrecht auch die Interessen eines Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, schütze. Er hat diese Rechtsfolge jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, insbesondere, dass die EG-Typgenehmigung erwirkt worden ist, ohne dass die Genehmigungsbehörde vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung etwas wusste (Rn. 48 der Schlussanträge). Es ist demnach erforderlich, dass der Genehmigungsbehörde die unzulässige Abschalteinrichtung nicht bekannt war, und dass diese Unkenntnis auf einer Täuschung der Genehmigungsbehörde beruht (vgl. OLG München, Beschluss vom 14.06.2022, 36 U 141/22).
41
Für einen solchen Sachverhalt ist im Streitfall - für das als unzulässige Abschalteinrichtung allein in Betracht kommende Thermofenster - nichts ersichtlich.
42
2)) Zudem wäre der Beklagten nicht einmal fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Dem Bericht der vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten Untersuchungskommission „Volkswagen“ vom April 2016 ist zu entnehmen, dass in dem hier fraglichen Zeitraum Thermofenster von allen Autoherstellern verwendet und mit dem Erfordernis des Motorschutzes begründet wurden. Nach Einschätzung der Untersuchungskommission handelt es sich bei der Verwendung eines Thermofensters angesichts der Unschärfe der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 715/2007, wonach zum Schutz des Motors vor Beschädigungen und zur Gewährleistung eines sicheren Fahrzeugbetriebs notwendige Abschalteinrichtungen zulässig sind, um keine eindeutigen Gesetzesverstöße, sofern ohne die Verwendung des Thermofensters dem Motor Schaden drohe und „sei dieser auch noch so klein“ (vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016, S. 123).
43
Nach der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 19.07.2008 (Mitteilung über die Anwendung und die künftige Entwicklung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Emissionen von Fahrzeugen für den Leichtverkehr und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen (Euro 5 und Euro 6), 2008/C 182/08) waren trotz der erhöhten NOx-Emissionen bei niedrigen Temperaturen keine Messungen vorgesehen. Die Hersteller waren auch nicht verpflichtet, Informationen über das Emissionsverhalten von Dieselfahrzeugen bei niedrigen Temperaturen zur Verfügung zu stellen (dort Ziffer 7). Das Vorhandensein eines Thermofensters war also dem KBA als Typgenehmigungsbehörde bekannt, wenngleich es keine Beschreibung über die exakte Wirkungsweise mangels entsprechender Verpflichtung erhalten hat. Unter diesen Umständen durfte sich die Beklagte grundsätzlich darauf verlassen, dass das KBA im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG eine Ergänzung verlangen würde, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit des Thermofensters in dem betreffenden Fahrzeug zu prüfen. Anderenfalls durfte sich die Beklagte auf die Prüfungskompetenz des KBA als Genehmigungsbehörde verlassen und ohne Verschulden von der Zulässigkeit ihres Vorgehens ausgehen.
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Wenn also das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde nach eigener Prüfung selbst von der Zulässigkeit des „Thermofensters“ ausgeht, kann der Beklagten keine andere Einschätzung abverlangt werden.
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4) Unabhängig von der fehlenden Anspruchsgrundlage hat der Kläger auch einen Schaden nicht hinreichend dargelegt. Die Bejahung eines Vermögensschadens in der streitgegenständlichen Konstellation setzt voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 46 m.w.N.). Der Erfahrungssatz, ein Verbraucher kaufe generell kein stilllegungsgefährdetes Fahrzeug, fußt auf der ex post erkannten und dann ex ante zugrunde gelegten Annahme, die im Fahrzeug enthaltene Abschalteinrichtung trage das konkrete Potential in sich, zu einer Betriebsbeschränkung bzw. Betriebsuntersagung zu führen. In den Fällen des EA 189 leitet sich diese Annahme aus dem Wissen eines späteren Rückrufs sämtlicher Fahrzeuge durch das KBA mit nachfolgendem Versuch der Beklagten ab, eine Stilllegung der Fahrzeuge durch Updates zu verhindern. Im vorliegenden Fall liegen - anders als in den Fällen des EA 189 - aber gerade keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung vor. Eine Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung droht hier gerade nicht.
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Für den Kläger hat damit bei verständiger Würdigung gerade keine Situation bestanden, welche den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig erscheinen ließe (so im Ergebnis auch OLG München Urteil vom 14.04.2021 - 15 U 3584/20 - juris; OLG Schleswig, Urteil vom 13.08.2021 - 17 U 9/21 - juris). Vor diesem Hintergrund vermag der Senat einen Schaden des Klägers auch aus der zugrunde zu legenden ex-ante-Betrachtung nicht zu erkennen.
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5) Aus den unter II. 3. und 4. genannten Gründen besteht kein Anlass, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) in dem dort anhängigen Verfahren C-100/21 auszusetzen.
III.
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1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Insbesondere ist keine Grundsatzbedeutung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1
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Nr. 2 ZPO gegeben. Diese setzt das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage voraus. Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2010, 1 BvR 381/10, Tz. 12 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
50
2. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führten, bestehen nicht.
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3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 28.978,62 Euro festzusetzen.
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4. Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1220, 1222) hin.
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Auf die bei einer Berufungsrücknahme in Betracht kommende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen.