Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 12.09.2022 – AN 3 K 20.02877
Titel:

Gewährung einer Eigenheimzulage nach den Bayerischen Eigenheimzulagen-Richtlinien (EHZR)

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BayVwVfG Art. 25 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1
VwGO § 114
Leitsätze:
1. Die Bayerischen Eigenheimzulagen-Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist nicht der Zeitpunkt der Antragstellung und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die gerichtliche Überprüfung von Richtlinien für die Verteilung staatlicher Hilfen erfolgt nur iRd § 114 VwGO; das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
6. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch zu versagen, wenn das Verschulden des Betroffenen mitursächlich dafür blieb, dass die Frist versäumt worden ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eigenheimzulage, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint), Eigenheimzulagen-Richtlinien, Auslegung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Ermessensbindung, Selbstbindung, Verwaltungspraxis, maßgeblicher Zeitpunkt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Fristversäumnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26262

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Ablehnungsbescheid des Beklagten und begehrt von diesem die Gewährung einer Eigenheimzulage i.H.v. 10.000,00 EUR nach den Bayer. Eigenheimzulagen-Richtlinien (EHZR).
2
Mit Kombiantrag vom 10. September 2020, bei der Bayer. Landesbodenkreditanstalt (BayernLaBo) eingegangen lt. Eingangsstempel am 14. September 2020, beantragte der Kläger die Bewilligung der Bayer. Eigenheimzulage und des Bayer. Baukindergelds Plus. Als Förderobjekt wurde eine im Wege des Ersterwerbs erworbene Eigentumswohnung in der S. Straße … in … benannt. Als Einzugsdatum wurde der 9. Januar 2019 angegeben. Das zu versteuernde Einkommen des vorvorletzten Jahres wurde für den Kläger mit … und für dessen Ehefrau mit … und für das vorletzte Jahr für den Kläger mit … und die Ehefrau mit … angegeben. Mit Ausnahme der Unterlagen für das Post-Identverfahren waren dem Antrag laut Behördenakte keine Unterlagen beigefügt.
3
Mit Bescheid vom 25. November 2020 wurde der Antrag auf Gewährung der Bayer. Eigenheimzulage abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gem. Punkt 9.2 EHZR eine Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens 6 Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig sei. Zwischen dem sich aus der Meldebestätigung der Stadt … vom 8. Oktober 2018 ergebenen Einzugsdatum (1. Oktober 2018) und dem Eingangsdatum lägen jedoch mehr als 6 Monate.
4
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2020, bei der BayernLaBo lt. Eingangsstempel am 8. Dezember 2020 eingegangen, legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein und fügte eine Versicherung an Eides Statt des Herrn … vom 19. Dezember 2019 bei, aus der sich ergibt, dass der Kläger zusammen mit seiner Familie im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 9. Januar 2019 in der B. straße, … gewohnt habe. Beigefügt war ebenfalls eine erweiterte Meldebescheinigung der Stadt … vom 2. Dezember 2020, wonach der Kläger in die alleinige Wohnung S. Straße …, … am 9. Januar 2019 eingezogen sei.
5
In der Behördenakte befindet sich eine Telefonnotiz vom 10. Dezember 2020, wonach dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass ein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid nicht statthaft sei und im Übrigen auch bei Berücksichtigung des Einzugsdatums 9. Januar 2019 der Antrag immer noch zu spät gestellt worden sei. In einer weiteren Telefonnotiz vom 23. Dezember 2020 über ein Telefonat mit dem Bevollmächtigten des Klägers am 22. Dezember 2020 ergibt sich, dass dem Bevollmächtigten des Klägers erläutert worden sei, weshalb der Antrag auf Bewilligung der Eigenheimzulage vom 14. September 2020 habe abgelehnt werden müssen, während ein bereits im Oktober 2018 gestellter Antrag auf Bewilligung des Bayer. Baukindergelds Plus habe bewilligt werden können.
6
Des Weiteren befindet sich in der Behördenakte eine Meldebestätigung der Stadt … vom 8. Oktober 2018 über den Tag des Einzugs in das Förderobjekt am 1. Oktober 2018. Aus einem handschriftlichen Aktenvermerk der BayernLaBo hierzu ergibt sich, dass die Meldebescheinigung im Rahmen des korrespondierenden Bayer. Baukindergeld Plus-Antrags vorgelegt und bei der Ablehnung der Eigenheimzulage entsprechend einbezogen worden sei.
7
Gegen den Ablehnungsbescheid der Bayer. Eigenheimzulage ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Dezember 2020, per Telefax beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am selben Tag, Klage erheben.
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Mit Schreiben vom 14. Januar 2021 zeigte sich die Regierung … als Prozessvertretung an.
9
Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2022 führte der Bevollmächtigte des Klägers zur Begründung aus, dass der Antrag auf Baukindergeld 2 des Bundes/Baukindergeldzuschuss über die KfW-Bankengruppe am 25. März 2020 bewilligt worden sei. Das Baukindergeld Plus der BayernLaBo sei am 29. Oktober 2018 beantragt und mit Bescheid vom 21. April 2020 bewilligt worden. Die Bayer. Eigenheimzulage habe der Kläger am 14. September 2020 beantragt, nachdem er unmittelbar zuvor von einem städtischen Mitarbeiter des Bürgerbüros … auf diese Fördermöglichkeit hingewiesen worden sei. Die Ablehnung mit Bescheid vom 25. November 2020 sei zu Unrecht erfolgt. Der Kläger sei seit 29. Oktober 2018 mit der BayernLaBo bezüglich Fördermaßnahmen in Kontakt gestanden. Damit sei es für den Beklagten bekannt gewesen, dass es dem Kläger auf Fördermaßnahmen für selbst genutzten Wohnraum für Familien mit Kindern ankomme und für den Kläger essenziell sei. Zu keinem Zeitpunkt sei der Kläger jedoch auf die Möglichkeit der Wohnraumförderung in Form der Bayer. Eigenheimzulage hingewiesen worden. Innerhalb des Bearbeitungszeitraums für das Baukindergeld Plus von 18 Monaten (29. Oktober 2018 - 21. April 2020), in dem die Fördervoraussetzungen für die Bayer. Eigenheimzulage unstreitig vorgelegen hätten, habe es der Beklagte unterlassen, den Kläger auf die Fördermöglichkeit aufmerksam zu machen. Dabei hätte man schon allein im Hinblick auf die in dem seinerzeitigen Verwaltungsverfahren geführte Korrespondenz die sprachlichen Defizite des Klägers erkennen können. Damit hätte es sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dem Kläger zumindest einen Hinweis auf andere Fördermaßnahmen zu geben (wird weiter ausgeführt). Insoweit habe der Beklagte widersprüchlich gehandelt, wenn man es unterlasse, einen Antragsteller auf parallele oder vergleichbare Fördermaßnahmen zumindest aufmerksam zu machen. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich der Beklagte eines „Organs der staatlichen Wohnungspolitik“ bediene. Hätte der Kläger einen entsprechenden Hinweis erhalten, wäre von ihm die Bayer. Eigenheimzulage sofort und fristgerecht beantragt worden. Schließlich habe dies der Kläger unverzüglich nachgeholt, nachdem er von einem Dritten im Bürgerbüro … im September 2020 erstmals hierauf aufmerksam gemacht worden sei. Der Kläger sei demnach so zu stellen, als wenn er vom Beklagten rechtzeitig die entsprechenden Informationen erhalten hätte.
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Der Kläger beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25. November 2020, dem Kläger die Bayer. Eigenheimzulage gem. der Richtlinien für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau oder Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken gem. Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 7. August 2018 (Az. 31-4740.7-2) zu gewähren.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 31. Mai 2022:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Ziff. 9.2 Satz 1 EHZR die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums nach Nr. 2 und bis spätestens 6 Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig sei. Unabhängig davon, welche der vorgelegten Meldebescheinigungen den zutreffenden Einzugstermin ausweise, liege jedenfalls mehr als 6 Monate vor dem Zeitpunkt der Antragstellung. Abgesehen davon, dass der Kläger gar keinen weiteren Bezugszeitpunkt behaupte, sondern lediglich vortragen lasse, der Bezugszeitpunkt 1. Oktober 2018 sei unzutreffend, dürfe darauf verwiesen werden, dass das Abstellen auf die (erste) Meldebescheinigung für die Bestimmung des Wohnraumbezugs nicht zu beanstanden sei. Da die Richtlinien selbst weder definierten noch konkretisierten, was unter „Bezug des Wohnraums“ zu verstehen sei, obliege die praktische Umsetzung der Richtlinien der BayernLabo als Förderstelle. Um eine einheitliche Handhabung aller Anträge sicher zu stellen, stelle die BayernLaBo in ihrer ständigen Verwaltungspraxis auf das in der ersten Meldebestätigung ausgewiesene Datum ab (wird weiter ausgeführt). Ein Anspruch auf Auszahlung ergebe sich vorliegend auch nicht daraus, dass eine Atypik ein Abweichen von der üblichen Praxis erfordern würde. Grundsätzlich müsse bei einer ständigen Verwaltungspraxis Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle bleiben, was auch von der BayernLaBo so praktiziert werde. Atypische Fälle lägen bei der Sachbearbeitung beispielsweise vor, wenn die Meldebehörde einen Zahlendreher im Datum oder einen tatsächlichen Fehler begangen habe, wenn also ein Fehler in der Sphäre der Meldebehörde liege und nicht durch den Antragsteller veranlasst worden sei.
13
Entsprechendes sei vom Kläger nicht behauptet worden und auch nicht erkennbar. Vielmehr leite der Kläger aus dem Umstand, dass er bei der BayernLaBo das Baukindergeld Plus beantragt habe, eine Beratungspflicht der BayernLaBo dahin ab, dass sie ihn über die zusätzliche Fördermöglichkeit der Eigenheimzulage hätte informieren müssen. Aus Sicht des Beklagten bestehe zum einen aber keine Rechtspflicht der BayernLaBo zu einer proaktiven Beratung im Einzelfall (wird weiter ausgeführt). Zum anderen wäre ein vermeintlicher Verstoß gegen Beratungspflichten wohl nicht geeignet, einen primären Anspruch auf die Gewährung von Förderleistungen zu begründen, deren Voraussetzungen objektiv nun einmal nicht erfüllt seien, sondern allenfalls (sekundäre) Amtshaftungsansprüche begründen könnte, die jedoch von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit geltend zu machen seien.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, da ihm kein Anspruch auf die Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage nach den Bayerischen Eigenheimzulagen-Richtlinien (EHZR) zusteht, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO (hierzu 1.). Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, da die Voraussetzungen von Art. 32 BayVwVfG nicht vorliegen (dazu 2.).
17
1. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss des Klägers von der Eigenheimzulage nach den Richtlinien und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
18
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - BayVBl 2020, 365 - juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 - 19 B 96.3964 - juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 - M 15 K 07.5555 - juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - BayVBl 2020, 365 - juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 - juris sowie B.v. 18.6.2020 - W 8 E 20.736 - juris).
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Dabei dürfen solche Richtlinien nicht - wie Gesetze oder Verordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 6 ZB 20.438 - juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 - 3 C 111/79 - BVerwGE 58, 45).
20
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 - 4 BV 15.1830 - juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde.
21
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist des Weiteren nicht der Zeitpunkt der Antragstellung durch die Klägerin und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 6 ZB 20.438 - juris m.w.N.).
22
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 - 2 A 480/17 - juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 - 3 LB 5/15 - juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 - juris; BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris).
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Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 - W 8 K 20.862 - juris Rn. 25 m.w.N.).
24
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris).
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Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht dem Kläger demnach nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 25. November 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Antrag des Klägers wurde zurecht als unzulässig abgelehnt.
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Gemäß Ziffer 9.2 Satz 1 EHZR ist die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig. Zwischen der Antragstellung am 10. bzw. 14. September 2020 und dem Bezug des Wohnraums liegen - selbst wenn man den späteren Einzugszeitpunkt am 9. Januar 2019 entsprechend der vom Kläger vorgelegten erweiterten Meldebescheinigung vom 2. Dezember 2020 heranzieht - mehr als sechs Monate.
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Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner Förderpraxis für den Nachweis des Bezugs des Wohnraums und damit des Beginns der Antragsfrist gemäß Ziffer 9.2 und Ziffer 2 EHZR durchweg auf die im Rahmen der Beantragung geforderte erweiterte Meldebescheinigung abstellt. Diese Verwaltungspraxis, die gerichtsbekannt aus diversen Verfahren der Kammer, aber auch aus Verfahren anderer Gerichte (BayVGH, B.v. 19.5.2021 - 12 ZB 21.430 - juris Rn. 12; B.v. 23.6.2021 - 12 ZB 21.1284 - juris Rn. 10 sowie beispielsweise VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 - W 8 K 20.862 - juris; U.v. 29.10.2021 - W 10 K 21.632 - juris; VG Regensburg, U.v. 18.3.2021 - RO 7 K 20.5 - juris) ist, erweist sich auch nicht als willkürliche Regelung, die ihrerseits dem Gleichheitssatz widerspricht. Die Anknüpfung an die Meldebescheinigung entspricht zum einen dem Bedarf der Verwaltungspraxis, in Massenverfahren einen einfachen und leicht zu ermittelnden Tatbestand heranzuziehen, der eine zügige Bearbeitung der entsprechenden Anträge gewährleistet. Darüber hinaus erweist sich der Rückgriff auf die Daten der Meldebescheinigung aber auch deshalb als sachgerecht - und nicht von sachfremden Erwägungen getragen -, weil das Melderecht den Betroffenen zur Angabe zutreffender Daten verpflichtet. Die Willkürgrenze wird dabei auch nicht schon überschritten, wenn es für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe, sondern erst wenn die maßgeblichen Kriterien der Zulagengewährung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen. Vielmehr erweist sich das Abstellen auf die erweiterte Meldebescheinigung für die Bestimmung des Zeitpunktes des Wohnungsbezugs als sachgerecht und einfacher zu handhaben, als die Ermittlung des Zeitpunktes anhand anderer Beweismittel, zumal die Meldebescheinigung auf den eigenen Angaben des Betroffenen beruht.
28
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in anderen vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre bzw. dass das Einzugsdatum 9. Januar 2019 fehlerhaft sei, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Schließlich sind vorliegend auch keine Anhaltspunkte ersichtlich bzw. vorgetragen, weshalb vorliegend ein atypischer Fall gegeben sein soll, der ausnahmsweise eine Abweichung von der bestehenden Verwaltungspraxis rechtfertigen könnte.
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2. Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG zu gewähren, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
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2.1. Zwar ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung denkbar, dass eine Fristversäumung bei einem Verstoß gegen Auskunfts- und Beratungspflichten im Wege der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand „geheilt“ werden kann (BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 12 ZB 20.2694 - juris Rn. 35), eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand setzt aber gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
31
Ein Verschulden an der Fristversäumnis liegt vor, wenn der Betroffene hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den Umständen zumutbar sind. Das Maß an Achtsamkeit und Vorsorge, das die Einhaltung der der Rechtssicherheit dienenden Fristvorschriften erfordert, bestimmt sich nach den Umständen des einzelnen Falles (Michler in: BeckOK VwVfG, § 32 Rn. 9).
32
Den Kläger trifft vorliegend ein Verschulden für die Versäumung der Antragsfrist für die Bayer. Eigenheimzulage. Dem Kläger war bekannt, dass für den Erhalt von Fördermitteln ein schriftlicher Antrag auf dem entsprechenden Formular erforderlich war. Das Antragverfahren war nach den Ausführungen des Beklagten derart gestaltet, dass zuerst ein „Online-Formular“ ausgefüllt und dann das daraus generierte Antragsformular schriftlich an die BayernLabo übermittelt werden musste. Nach diesen Vorgaben hat der Kläger für das Bayer. Baukindergeld Plus einen formwirksamen und rechtzeitigen Antrag gestellt. Offensichtlich war er dabei in der Lage sich die erforderlichen Informationen (hinsichtlich der Antragstellung und der Abhängigkeit von dem Baukindergeld des Bundes) zu verschaffen, sei es durch Telefonate mit den zuständigen Stellen oder über das Internet.
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Dem Kläger hätte dabei auch auffallen können und müssen, dass neben dem Antrag auf das Baukindergeld Plus auch ein weiteres Förderprogramm, nämlich die Bayer. Eigenheimzulage, für ihn interessant sein könnte. Aus dem in die mündliche Verhandlung eingeführten Screenshot aus dem Verfahren … zur Onlinebeantragung ergibt sich, dass neben dem Bayerischen Baukindergeld Plus auch ein Antrag auf die Bayerische Eigenheimzulage auf der Internetseite des BayernLabo gestellt werden konnte und dass beide Förderungen in einem sog. Kombiantrag auch zusammen beantragt hätten werden können. So wie sich der Kläger die erforderlichen Informationen zum Bayer. Baukindergeld Plus hat verschaffen können, wäre ihm dies auch für die Bayer. Eigenheimzulage möglich gewesen.
34
Für die Einzelrichterin ist dabei auch ausreichend geklärt, dass die Antragsformalitäten zum Zeitpunkt der Antragstellung für das Bayer. Baukindergeld Plus wie auf dem Screenshot dargestellt geregelt waren. Der Beklagte führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass seit Beginn der beiden Förderprogramme eine Antragstellung über ein online zu generierendes Formular wahlweise für beiden Förderverfahren einzeln oder als Kombiantrag angelegt war. Selbst wenn sich das Formular zum Zeitpunkt der Antragstellung für das Bayer. Baukindergeld Plus durch den Kläger eine von dem Screenshot abweichende Optik gehabt haben sollte, so wäre jedoch die grundsätzliche Ausgestaltung identisch gewesen. Dass dem Kläger möglicherweise ein Papierformular zugesandt worden sein könnte, liegt im Bereich der Spekulation und wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Letztlich zeigt aber auch, dass der Kläger bei der Antragstellung für die Bayer. Eigenheimzulage am 10. September 2020 einen sog. Kombiantrag hat stellen können, obwohl dieser wegen Bewilligung des Bayer. Baukindergeldes Plus gar nicht mehr statthaft gewesen wäre, dass der Kläger die Kombinationsfähigkeit der beiden Förderverfahren durchaus erkennen konnte.
35
Angesichts der Eindeutigkeit der Online-Maske (Screenshot aus dem Verfahren …*), die die Auswahlmöglichkeiten der „Online-Anträge“ dokumentiert, sowie der Tatsache, dass jeder Online-Antrag als „schriftlicher Antrag“ einzureichen war, gibt es keinen Grund noch Zweifel an einem Verschulden des Klägers an dem Fristversäumnis zu haben. Der Kläger hat schlichtweg den Text in der Eingabemaske nicht gelesen, denn wenn er dies getan hätte, hätte sich für ihn ein konkreter Nachfragebedarf, was denn die Bayer. Eigenheimzulage sei, ergeben. Eine entsprechende Nachfrage bei fachkundigen Stellen, z.B. bei im Rahmen der Telefonate mit der BayernLaBo, hat der Kläger aber nicht einmal vorgetragen. Vielmehr hat der Kläger mit seinem Vortrag, man hätte ihn über die weitere Fördermöglichkeit informieren müssen, gerade eingeräumt, dass die Bayer. Eigenheimzulage nicht Gesprächsthema gewesen sei. Insofern ist im hiesigen Fall von grober Fahrlässigkeit auszugehen.
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Daran ändert sich auch nichts bei der Berücksichtigung der - so vom Bevollmächtigten des Klägers vorgetragen - schlechten Deutschkenntnisse des Klägers. Offensichtlich konnte sich der Kläger die erforderlichen Informationen für das Bayer. Baukindergeld Plus beschaffen. Für das Gericht ist daher kein Grund erkennbar, weshalb dies nicht auch für die Bayer. Eigenheimzulage hätte möglich sein sollen.
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2.2 Die Einhaltung der Frist war für den Kläger auch zumutbar bzw. das Verschulden des Klägers ist auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens des Beklagten zu relativieren mit der Folge, dass dem Kläger trotz seines eigenen Verschuldens Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren wäre.
38
Grundsätzlich ändert sich an der Vorwerfbarkeit eines Verhaltens (und an der Kausalität) nichts dadurch, dass ein späteres Verhalten eines Dritten, sei es schuldhaft gewesen oder nicht, für die Fristversäumnis ebenfalls kausal war. Eine Wiedereinsetzung ist also auch zu versagen, wenn das Verschulden des Betroffenen mitursächlich dafür blieb, dass die Frist versäumt worden ist (BayVGH, B.v. 26.6.2020 - 12 ZB 20.978 - juris Rn. 18 m.w.N. = BayVBl 2020, 746; Michler in: BeckOK VwVfG/ VwVfG § 32 Rn. 10.4). Insoweit kann es für eine Wiedereinsetzung nicht ausreicht, lediglich einen Fehler auf der Behördenseite aufzudecken. Andererseits kann nach der Rechtsprechung eine Behörde entsprechend dem Gebot eines fairen Verhaltens aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für den Antragsteller ableiten (Kallerhoff/Stamm in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 32 Rn. 13, 15; OVG NRW, B.v. 29.9.2004 - 13 A 4479/02 - juris Rn. 20ff.).
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Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung der Auskunfts- und Beratungspflichten, da ihm im Rahmen der (ordnungsgemäßen) Antragstellung für das Förderprogramm „Bayer. Baukindergeld Plus“ und der damit einhergehenden telefonischen Kontakte mit der BayernLaBo kein Hinweis auf das ebenfalls verfügbare Förderprogramm „Bayer. Eigenheimzulage“ gegeben worden sei und ihm eine parallele Antragstellung nicht vorgeschlagen worden sei.
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Insoweit ist jedoch festzustellen, dass die Auskunfts- und Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG (bzw. Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie) keine generelle Pflicht dahingehend erfasst, einen Antragsteller ohne gegebenen Anlass über den drohenden Ablauf einer Frist aufgrund fehlender Unterlagen hinzuweisen bzw. die Abgabe entsprechender Unterlagen anzuregen (BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 12 ZB 20.2694 - juris Rn. 31). Anders kann dies dann sein, wenn ein Antragsteller sich explizit bei der Behörde nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und so einen konkreten Anlass für eine entsprechende Beratung und Auskunftserteilung der Behörde setzt. Hier obliegt es dem um Auskunft ersuchten Bediensteten, sollten Unterlagen fehlen und der Ablauf einer Frist drohen, dem Antragsteller einen entsprechenden Hinweis zu erteilen und ihn damit bei der fristgerechten Antragstellung zu unterstützen (BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 12 ZB 20.2694 - juris Rn. 32, 35).
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Beratungs- und Auskunftspflichten bestehen, auch wenn sie schon vor Beginn eines Verwaltungsverfahrens einschlägig sein können, aber nicht losgelöst von einem konkreten Verwaltungsverfahren (Kallerhoff/Fellenberg in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 25 Rn. 28). Bestehen - wie vorliegend - zwei voneinander unabhängige Förderprogramme nebeneinander, gehen verfahrensbezogene Beratungs- und Auskunftspflichten nicht soweit, dass sie die Behörde verpflichten, verfahrensübergreifend auch auf andere mögliche (Förder-)Verfahren hinzuweisen bzw. eine bisher noch nicht erfolgte Antragstellung anzuraten. Eine allgemeine Hinweispflicht der BayernLaBo auf andere Förderverfahren existiert, auch wenn die BayernLaBo gleichzeitig verantwortliche Bewilligungsstelle für diese anderen Förderverfahren ist, nicht, insbesondere da sie allgemeine Informationen zu Förderverfahren über verschiedene Informationsmedien zur Verfügung stellt. Wieso die BayernLaBo aufgrund ihrer Eigenschaft als „Förderbehörde“ ohne irgendeinen konkreten Anlass Hinweise auf andere Förderprogramme geben sollte, ist nicht erklärlich und lässt sich auch nirgends im Wortlaut des Gesetzes festmachen. Vielmehr geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass eine Beratungspflicht - auch bei einer „Förderbehörde“ - nur bei einem erkennbaren Anlass besteht (BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 12 ZB 20.2694 - juris Rn. 31).
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Der Bevollmächtigte des Klägers trug in seinem Schriftsatz vom 24. Mai 2022 insoweit vor, dass der Kläger im Rahmen des Förderprogrammes „Bayer. Baukindergeld Plus“ umfangreich mit der BayernLaBo kommuniziert habe. Dies genügt nach Überzeugung der Einzelrichterin aber gerade nicht, um bei der BayernLaBo die Erkenntnis hervorzurufen, dass der Kläger Interesse auch an anderen Fördermaßnahmen zum Erwerb von Wohnraum haben könnte. Insoweit muss sich der Kläger gerade auch an seiner ausdrücklichen Antragstellung nur für die Förderung durch das Bayer. Baukindergeld Plus festhalten lassen.
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Aber selbst wenn man eine derart weitgehende, verfahrensübergreifende Auskunfts- und Beratungspflicht annehmen wollte, so ist ein Verstoß hiergegen im vorliegenden Einzelfall nicht geeignet, das Verschulden des Klägers zu relativieren. Das Verschulden des Klägers ist gerade nicht durch überwiegend in der Sphäre der Behörde liegende Umstände beeinflusst. Denn mangels konkreter Nachfrage konnte der Kläger eben gerade nicht darauf vertrauen, dass alleine aus dem fehlende Hinweis auf weitere Förderprogramm geschlossen werden konnte, dass keine weiteren Förderprogramm bestehen. Eine Beratungspflicht würde den Kläger nicht von seiner Pflicht, sich über Fördermöglichkeiten zu informieren und diese ggf. rechtzeitig zu beantragen, entbinden.
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2.3 Im Übrigen steht einer Wiedereinsetzung die Jahresfrist des Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG entgegen. Die Sechs-Monats-Frist der Ziff. 9.2. EHZR endete unter Berücksichtigung des Einzugsdatums am 9. Januar 2019 am 9. Juli 2019, so dass bei Antragstellung mit Antragsformular vom 10. September 2020 die Jahresfrist bereits abgelaufen war. Dass die Einhaltung der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Unwissenheit hinsichtlich eines Fristlaufes ist gerade nicht völlig der menschlichen Steuerung entzogen. Anders wäre die ggf. bei einer offensichtlich unrichtige bzw. irreführende Beratung, auf die der Kläger hat vertrauen dürfen (Michler in: BeckOK VwVfG, § 32 Rn. 40ff.), nicht aber bei einer nicht erfolgten Beratung.
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Nach alledem ist die Klage abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.