Inhalt

VG München, Beschluss v. 16.09.2022 – M 3 E 22.3934
Titel:

Vorläufiges Vorrücken in die Jahrgangsstufe 11 eines staatlichen Gymnasiums

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 2
GSO § 27 Abs. 2, Abs. 4
BaySchO § 20 Abs. 2 S. 2
BayEUG Art. 53 Abs. 6
ZPO § 114 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei fehlender Teilnahme am Präsenzunterricht im gesamten Schuljahr unter Vorlage ärztlicher Atteste ist in jedem Fall von gehäuften krankheitsbedingten Schulversäumnissen (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 BaySchO) auszugehen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die erheblichen Beeinträchtigungen nach Art. 53 Abs. 6 S. 2 BayEUG müssen nachgewiesen sein. Hierfür genügt es nicht, lediglich allgemein auf die "pandemiebedingte Sondersituation" zu verweisen. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Eilantrag und Klage), Antrag auf vorläufigen Besuch der nächsten Jahrgangsstufe (abgelehnt), Gymnasium, Jahrgangsstufe, Vorrücken, Schulbesuch, Teilnahme, Krankheit, Pandemie, Corona, Fehlzeiten, Schularzt
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26191

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 3 E 22.3934) und für das Hauptsacheverfahren (M 3 K 22.3933) abgelehnt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag das vorläufige Vorrücken in Jahrgangsstufe 11.
2
Sie gehörte im Schuljahr 2021/22 der Jahrgangsstufe 10 des staatlichen Gymnasiums T. in M. (im Folgenden: die Schule) an.
3
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 wies die Schule die Mutter der Antragstellerin darauf hin, dass Schüler ohne Testnachweis künftig keinen Anspruch auf Distanzunterricht mehr hätten; Schüler, die kein negatives Testergebnis vorlegten und deshalb nicht am Präsenzunterricht teilnähmen, verletzten grundsätzlich die Schulpflicht, würden als unentschuldigt gelten und erhielten bei angekündigten Leistungsnachweisen die Note ungenügend. Die Mutter der Antragstellerin wurde aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Antragstellerin so schnell wie möglich wieder den Präsenzunterricht besuche; organisatorisch verselbständigte Prüfungen für die Antragstellerin würden nicht angeboten. Der Distanzunterricht ende mit der laufenden Woche. Die Mutter der Antragstellerin wurde auf die Anforderungen an ein Attest im Hinblick auf die Befreiung vom Tragen einer Gesichtsmaske hingewiesen und aufgefordert, ein entsprechendes Attest vorzulegen.
4
Mit Schreiben an die Schule vom 14. Oktober 2021 beantragte die Mutter der Antragstellerin zur Entscheidung der Schule, die Antragstellerin aus dem Distanzunterricht ohne Testnachweis auszuschließen, einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Die Testpflicht gelte nur für den Präsenzunterricht. Wenn der Ministerrat beschließe, dass Distanzunterricht nicht mehr geleistet werden müsse, verletze er den Bildungsanspruch des Schülers. Diejenigen Schüler, denen die Schule mit der Testpflicht den Zugang zur Schule verwehre und damit die Erfüllung der Schulpflicht in Präsenz unmöglich mache, habe die Schule weiterhin mit Distanzunterricht zu versorgen.
5
Die Antragstellerin blieb dem Präsenzunterricht fern und legte ärztliche Atteste des Kinder- und Jugendarztes Dr. R. vom 19. Oktober 2021 (für 19. bis 30. Oktober 2021), vom 9. November 2021 (für 8. November bis 23. Dezember 2021), vom 10. Januar 2022 (für 10. Januar bis 25. Februar 2022), vom 1. März 2022 (für 7. März bis 8. April 2022), vom 21. April 2022 (für 25. April bis 3. Juni 2022) und vom 20. Juni 2022 (für 20. Juni bis 8. Juli 2022) sowie ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin und für Chirurgie E. vom 26. Juli 2022 (für 25. bis 29. Juli 2022) vor, wonach sie aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen Krankheit die Schule nicht besuchen könne.
6
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 forderte die Schule die Antragstellerin auf, aufgrund der langen Fehlzeit am 16. Dezember 2021 um 8.30 Uhr die schulärztliche Sprechstunde aufzusuchen. Die Schule gab das Schreiben als Einschreiben mit Rückschein zur Post, das Kuvert des Schreibens trägt als Poststempel „06.12.21“. Im Aufkleber der Deutschen Post „Zurück/Retour“ auf dem Kuvert ist „Annahme verweigert“ angekreuzt; ein weiterer Aufkleber enthält den Vermerk „Anschrift überprüft durch Deutsche Post/BZ 80 Zurück: Empfänger nicht zu ermitteln“.
7
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 teilte die Schule der Mutter der Antragstellerin mit, da die Antragstellerin bislang noch keine Leistungsnachweise habe erbringen können, werde für jedes Fach nach den Weihnachtsferien eine Ersatzprüfung angesetzt. Sollte die Antragstellerin wegen Erkrankung nicht an einer Ersatzprüfung teilnehmen können, sei die fristgemäße Vorlage eines schulärztlichen Zeugnisses notwendig, andernfalls werde die Leistung mit der Note 6 bewertet. Laut Aktenvermerk vom 20. Dezember 2021 legte ein Mitarbeiter der Schule im Beisein eines weiteren Mitarbeiters das Schreiben persönlich am 20. Dezember 2021 in den Hausbriefkasten der Mutter der Antragstellerin ein.
8
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2021 an die Schule verwies die Mutter der Antragstellerin darauf, dass die Antragstellerin an Prüfungen erst dann teilnehmen könne, wenn sie vollends gesund sei.
9
Im Zwischenzeugnis erhielt die Antragstellerin in allen Fächern die Note 6.
10
Mit Schreiben vom 14. Februar 2022 forderte die Schule die Antragstellerin auf, aufgrund der langen Fehlzeit am 21. März 2022, 13 Uhr, die schulärztliche Sprechstunde aufzusuchen. Das Schreiben wurde laut Einlieferungsbeleg am 17. Februar 2022 als Einschreiben mit Rückschein aufgegeben.
11
Die Antragstellerin legte als andere Bewerberin den qualifizierenden Abschluss der Mittelschule erfolgreich ab. Weiter nahm sie vom 11. bis 22. Juli 2022 am Betriebspraktikum teil.
12
Laut dem Jahreszeugnis der Antragstellerin vom 29. Juli 2022 liegt für die Antragstellerin in allen Fächern kein hinreichendes Leistungsbild vor. Die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe hat die Antragstellerin nicht erhalten.
13
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 11. August 2022 Klage zum Verwaltungsgericht München (M 3 K 22.3393).
14
Mit Schriftsatz vom 11. August 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, lässt die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München beantragen,
15
der Antragstellerin einstweilen zu gestatten, in die 11. Klasse vorzurücken.
16
Weiter beantragt die Antragstellerin,
17
ihr Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu bewilligen und ihr ihren Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
18
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die von der Antragstellerin vorgelegten Atteste zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung seien von der Schule zurückgewiesen worden. Die Antragstellerin habe aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen aus gesundheitlichen Gründen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können. Durch die Schule habe sie sich zunehmend bedrängt gefühlt. Aufgrund der psychischen Belastung habe sie ärztliche Hilfe aufgesucht und sei dauerhaft krankgeschrieben worden. Am 21. März 2022 habe sich die Antragstellerin im Beisein ihrer Mutter und der behandelnden Psychotherapeutin der zuständigen Ärztin der schulärztlichen Sprechstunde vorgestellt. Da sie aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung habe tragen können, sei sie von der Ärztin nicht vorgelassen und nicht untersucht worden. An den Ersatzprüfungen habe die Antragstellerin gesundheitlich bedingt nicht teilgenommen. Sie habe sich jedoch weiterhin den Schulstoff erarbeitet. Mit Schreiben vom 10. Juli 2022 habe die Mutter der Antragstellerin ein Vorrücken auf Probe beantragt. Zudem sei beabsichtigt, vom 7. bis 9. September 2022 an der Besonderen Prüfung teilzunehmen. In der zweiten Schuljahreshälfte seien für die Antragstellerin keine Ersatzprüfungen angeordnet worden. Die Antragstellerin verfüge über die notwendigen Anforderungen zum Vorrücken. Bei Nichtvorrücken drohten ihr aufgrund der Umstellung von G8 auf G9 zwei zusätzliche Schuljahre. Aus Art. 53 Abs. 6 BayEUG ergebe sich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung ein Vorrücken auf Probe rechtfertige. Die Antragstellerin habe, wie aus dem vorgelegten Zeugnis über den qualifizierenden Mittelschulabschluss ersichtlich, den mittleren Schulabschluss abgelegt. Art. 25 Abs. 2 BayEUG sehe vor, dass die Erlaubnis zum Vorrücken in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums den Nachweis eines mittleren Schulabschlusses beinhalte. Vorliegend habe die Lehrerkonferenz weder Ersatzprüfungen im zweiten Schulhalbjahr angeordnet noch die Prüfungsergebnisse des qualifizierenden Mittelschulabschlusses und die besonderen Anstrengungen der Antragstellerin zum Nachweis ihrer Qualifikation ernsthaft berücksichtigt. Unberücksichtigt sei auch die pandemiebedingte Situation und die enorme Motivation der Antragstellerin geblieben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Antragstellerin keine Nachprüfungen zu Beginn des folgenden Schuljahres angeboten worden seien. Die pandemiebedingte Sondersituation, die Krankheitssituation der Antragstellerin und ihre Unfähigkeit zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung stellten eine nachgewiesene erhebliche Beeinträchtigung ohne eigenes Verschulden dar, was zu der erheblichen Leistungsminderung (Nichtvorliegen von Leistungsnachweisen) geführt habe, so dass auch nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG das Vorrücken auf Probe zu gestatten gewesen wäre. Es dränge sich der Verdacht auf, dass sachfremde Erwägungen eine maßgebliche Rolle gespielt hätten. Das Nichttragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch die Antragstellerin sei von der Schule in psychisch hochrelevanter Weise geahndet worden, so dass sich die Antragstellerin in ärztliche Behandlung habe begeben müssen.
19
Der Antragsgegner beantragt,
20
den Antrag abzulehnen.
21
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf eine beigefügte Stellungnahme der Schule vom 31. August 2022 verwiesen und ausgeführt, die Lehrkräfte der Klassen- und der Lehrerkonferenz hätten den vollständigen Sachverhalt ausgiebig und ermessensfehlerfrei abgewogen.
22
Mit Schriftsatz vom 7. September 2022 lässt die Antragstellerin hierzu ausführen, es sei nicht erklärlich, warum im ersten Schulhalbjahr Ersatzprüfungen terminiert worden seien, nicht dagegen im zweiten Schulhalbjahr. Hierzu verweise die Schule nur pauschal auf organisatorische sowie pädagogische Gründe. Erschwerend komme hinzu, dass die Masken- und Testpflicht im April 2022 weggefallen sei, so dass Ersatzprüfungen auch in der Schule hätten möglich sein müssen. Die Entscheidung über das Nichtvorrücken der Antragstellerin sei ermessensfehlerhaft. Es sei offensichtlich, dass die Corona-Thematik die Gesellschaft gespalten habe. Maßnahmeverweigerer würden herabgewertet. In der Stellungnahme der Schule werde offensichtlich, dass sich Hass gegen die Antragstellerin aufgebaut habe aufgrund ihrer Verweigerungshaltung zu den Corona-Maßnahmen. Die Verweigerung des Vorrückens auf Probe erscheine zunehmend als Strafaktion. Die Ergebnisse der Besonderen Prüfung hätten von der Schule abgewartet werden müssen; ohne Ersatzprüfungen und ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der Besonderen Prüfung könne nicht von einem vollständigen Tatsachenstoff ausgegangen werden. Die fehlende Ermittlung des Leistungsstands der Antragstellerin sei auch verfahrensfehlerhaft. Vorgelegt wird eine nicht unterzeichnete Stellungnahme der Mutter der Antragstellerin. Darin wird geltend gemacht, die ärztlichen Atteste seien lückenlos vorgelegt worden, es bedürfe keiner Erklärung durch eine Diagnose. Die Ersatzprüfungstermine für das erste Halbjahr seien am 21. Dezember 2021 per Mail übermittelt worden. Die ersten Prüfungen hätten am 11. Januar 2022 beginnen sollen. Es sei niemand erreichbar gewesen. Die Lehrer hätten vorher trotz des Schreibens der Mutter vom 9. November 2021 keine Unterrichtsmaterialien per mebis mitgeteilt. Einzelne Lehrer hätten Arbeitsmaterialien erst während der Weihnachtsferien geschickt. Prüfungsstoff und -daten seien daher nicht mit ausreichendem zeitlichem Abstand eröffnet worden. Aufgrund der Empfehlung der Therapeutin der Antragstellerin habe die Mutter einen Termin bei der schulärztlichen Sprechstunde für den 21. März 2022, 13 Uhr, vereinbart. Die Ärztin sei in den Empfangsbereich gekommen und habe gesagt, sie sei aufgrund ihrer ärztlichen Qualifikation nicht in der Lage, die Antragstellerin zu untersuchen. Da die Antragstellerin maskenbefreit sei, könne sie nicht in ihr Büro mitkommen. Die Mutter habe der Ärztin die bisherigen Krankschreibungen und das aktuelle Maskenbefreiungsattest angeboten, aber die Ärztin habe keine Unterlagen sehen wollen. Sie hätten unverrichteter Dinge gehen müssen. Die Therapeutin habe sie begleitet und könne dies bestätigen. Ein Digitaltermin sei nicht bekannt. Die Mutter habe der Ärztin die ärztlichen Atteste über die Schulabwesenheit zugeleitet. Die Ärztin habe ihr nicht mitgeteilt, dass diese nicht rechtsgültig seien, im Gegenteil, sie habe gesagt, dass sie nichts sagen könne. Dass im Rahmen der Vorrückensentscheidung als negativ angesehen worden sei, dass die Antragstellerin in allen Unterrichtsfächern dem Unterricht ferngeblieben sei, sei unverständlich, da die Antragstellerin krank gewesen sei. Die Ergebnisse des qualifizierenden Mittelschulabschlusses hätten der Schule im Detail vorgelegen. Arbeitsaufträge im Distanzunterricht hätte die Antragstellerin in allen Fächern bestens erledigt. Die Antragstellerin habe mit einem Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik das ganze Schuljahr 2021/22 über Mathematik- und Physikunterricht erfolgreich absolviert. Sie habe während des Distanzunterrichts mehrere Gruppenarbeiten in Kunst, Musik und Englisch erfolgreich federführend initiiert und abgegeben und längere Präsentationen in Deutsch und Musik sowie weitere kleinere Projekte durchgeführt. Sie habe mit den Lehrern kommuniziert und ihre Arbeiten rechtzeitig abgegeben. Die Fächerwahl für die Oberstufe sei, soweit möglich, getroffen worden.
23
Mit Schriftsatz vom 15. September 2022 lässt die Antragstellerin mitteilen, dass sie die Besondere Prüfung bestanden und damit den mittleren Schulabschluss erworben habe.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
25
1. Der zulässige Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
26
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 9/12 - juris Rn. 22).
27
Der Antrag der Antragstellerin ist unbegründet, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Die Antragstellerin hat voraussichtlich keinen Anspruch auf den Besuch der Jahrgangsstufe 11.
28
a) Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2021/22 keine Ersatzprüfungen angesetzt und die Ersatzprüfungen im ersten Halbjahr verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden seien, wendet sich die Antragstellerin der Sache nach gegen die im Jahreszeugnis vom 29. Juli 2022 für alle Pflichtfächer aufgenommene Bemerkung nach § 39 Abs. 7 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 3 der Gymnasialschulordnung - GSO - vom 23. Januar 2007, GVBl. S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K, zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Mai 2022, GVBl. S. 279, in der für Schülerinnen und Schüler des achtjährigen Gymnasiums maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 8. Mai 2018, GVBl. S. 356) und die hierauf gründende Vorrückensentscheidung nach Art. 53 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Juli 2022 (GVBl. S. 308), in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 10. Mai 2022 (GVBl. S. 182), i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2, 3 GSO.
29
Diese Rügen bleiben ohne Erfolg, insbesondere ergibt sich hieraus kein Anspruch der Antragstellerin auf ein Vorrücken in die Jahrgangsstufe 11.
30
aa) Die Antragstellerin hatte keinen Anspruch auf Teilnahme an Ersatzprüfungen im zweiten Schulhalbjahr.
31
Voraussetzung für das Ansetzen von Ersatzprüfungen ist, dass große Leistungsnachweise oder angekündigte kleine Leistungsnachweise jeweils mit ausreichender Entschuldigung versäumt wurden (§ 27 Abs. 1 GSO) und auch der jeweilige Nachtermin mit ausreichender Entschuldigung versäumt wurde (§ 27 Abs. 2 Satz 1 GSO). Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 GSO kann eine Ersatzprüfung auch angesetzt werden, wenn in einem Fach wegen der Versäumnisse der Schülerin oder des Schülers keine hinreichenden kleinen Leistungsnachweise vorliegen.
32
Im zweiten Halbjahr blieb die Antragstellerin ohne ausreichende Entschuldigung dem Präsenzunterricht fern. Soweit die Antragstellerin in der Antragsschrift auf eine Erkrankung und ihre Unfähigkeit, eine Gesichtsmaske zu tragen, verweist, fehlt es an einem diesbezüglichen Nachweis; denn das Verlangen der Schule vom 14. Februar 2022, mit dem die Antragstellerin zur Vorlage eines schulärztlichen Attests aufgefordert wurde, begegnet voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
33
Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. August 2022 (GVBl. S. 570), kann die Schule, wenn sich krankheitsbedingte Schulversäumnisse einer Schülerin oder eines Schülers häufen oder Zweifel an der Erkrankung bestehen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BaySchO) auch die Vorlage eines schulärztlichen Zeugnisses verlangen.
34
Die Aufforderung der Schule vom 14. Februar 2022 zum Aufsuchen der schulärztlichen Sprechstunde am 21. März 2022 wurde der Antragstellerin wirksam bekanntgegeben (Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 VwZVG). Zum Nachweis der Zustellung genügt der von der Schule vorgelegte Rückschein (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VwZVG). Dass das Schreiben mit dem Aufkleber „Zurück an Absender Postgeheimnis verletzt §§ 202/206 StGB Art. 10 GG“ offenbar wieder an die Schule zurückgesandt wurde, ändert nichts an der Wirksamkeit der Zustellung.
35
Es bestehen auch keine materiellen Bedenken gegen die Aufforderung der Schule vom 14. Februar 2022 zur Vorlage eines schulärztlichen Zeugnisses. Da die Antragstellerin im gesamten Schuljahr 2021/22 den Präsenzunterricht nicht besucht und ab dem 19. Oktober 2021 ärztliche Atteste vorgelegt hatte, ist in jedem Fall von gehäuften krankheitsbedingten Schulversäumnissen der Antragstellerin (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 BaySchO) auszugehen. Weiter ist auch nicht zu beanstanden, dass die Schule über die vorgelegten ärztlichen Zeugnisse hinaus die Vorlage eines schulärztlichen Zeugnisses verlangte (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BaySchO). Die Antragstellerin hatte im Schuljahr 2020/21 ab April 2021 nur am Distanzunterricht teilgenommen; eine Teilnahme am Präsenzunterricht war daran gescheitert, dass die Antragstellerin das Tragen einer Gesichtsmaske abgelehnt und die Schule die von vorgelegten Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht mangels Angabe einer Diagnose als nicht ausreichend angesehen hatte. Im Schuljahr 2021/22 hatte die Mutter der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 auf das Schreiben der Schule vom 11. Oktober 2021 hin deutlich gemacht, dass sie für die Antragstellerin deren Teilnahme am Präsenzunterricht bei bestehender Testpflicht ablehne und weiterhin Distanzunterricht wünsche. Mit Schreiben vom 9. November 2021 hatte die Mutter mitgeteilt, dass die Antragstellerin „weiterhin aus gesundheitlichen Gründen“ bis voraussichtlich 23. Dezember 2021 die Schule nicht besuche. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergeben sich keine konkreten Hinweise auf die gesundheitlichen Gründe, die einem Schulbesuch der Antragstellerin entgegenstehen. Die bis zum 14. Februar 2022 vorgelegten ärztlichen Atteste des Dr. R. vom 19. Oktober 2021, 9. November 2021 und 10. Januar 2022 enthalten keine Diagnose. Damit ist weder ersichtlich, warum der Antragstellerin das Tragen einer Gesichtsmaske nicht möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 CE 20.2875 - juris Rn. 12 zur Notwendigkeit der Angabe einer Diagnose), noch ist nachvollziehbar dargelegt, dass die Antragstellerin an Tagen mit angekündigten Leistungsnachweisen wegen Krankheit prüfungsunfähig war. Das Verlangen der Schule nach einem schulärztlichen Zeugnis zur Sachaufklärung und auch im Hinblick auf Zweifel an der von Dr. R. attestierten Erkrankung ist daher nicht zu beanstanden.
36
Da die Antragstellerin kein schulärztliches Zeugnis vorlegte, gilt ihr Fernbleiben als unentschuldigt (§ 20 Abs. 2 Satz 3 BaySchO). Soweit die Antragstellerin hierzu vortragen lässt, dass sie, da sie keine Gesichtsmaske getragen habe, nicht zur Ärztin der schulärztlichen Sprechstunde vorgelassen und auch nicht untersucht worden sei, und dass die Ärztin die mitgebrachten bisherigen Krankschreibungen und das Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht nicht habe sehen wollen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis; offen bleiben kann dabei auch, ob, wie vom Antragsgegner vorgetragen, ein digitaler Termin mit der Ärztin der schulärztlichen Sprechstunde stattgefunden hatte. Denn bereits aus den dem Schreiben der Schule vom 14. Februar 2022 beigelegten Informationen zur schulärztlichen Sprechstunde ist ersichtlich, dass zur Ausstellung von schulärztlichen Dokumenten die Vorlage eines Nachweises über die Dauer und den Grund der ärztlichen Krankschreibung erforderlich sind. Die in der vorgelegten Stellungnahme der Mutter der Antragstellerin (Anlage K 13) bezeichneten ärztlichen Atteste zur Abwesenheit in der Schule und zur Befreiung von der Maskenpflicht enthalten jedoch keine Diagnose. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen die Antragstellerin gehindert gewesen wäre, aussagekräftige ärztliche Atteste einzuholen und sich um einen weiteren Termin bei der schulärztlichen Sprechstunde zu bemühen.
37
Da die Antragstellerin somit ohne ausreichende Entschuldigung die im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2021/22 angesetzten angekündigten Leistungsnachweise versäumte, liegen die Voraussetzungen für Nachtermine (§ 27 Abs. 1 GSO) und Ersatzprüfungen (§ 27 Abs. 2 GSO) nicht vor.
38
bb) Soweit in der Stellungnahme der Mutter der Antragstellerin (Anlage K 13) die Durchführung der Ersatzprüfungen im ersten Halbjahr 2021/22 beanstandet wird, bleibt die Rüge ohne Erfolg.
39
Nach § 27 Abs. 3 Satz 2 GSO ist der Termin der Ersatzprüfung der Schülerin und den Erziehungsberechtigten spätestens eine Woche vorher mitzuteilen. Mit dem Termin ist der Prüfungsstoff bekannt zu geben (§ 27 Abs. 3 Satz 3 GSO). Vorliegend ist mit der Bekanntgabe der am 11. Januar 2022 beginnenden Ersatzprüfungstermine per E-Mail am 21. Dezember 2021 die Wochenfrist gewahrt. Soweit weiter beanstandet wird, einzelne Lehrer hätten Arbeitsmaterialien erst während der Weihnachtsferien geschickt, ist ein Verstoß gegen § 27 Abs. 3 Satz 3 GSO bereits nicht glaubhaft gemacht. Diese Vorschrift verpflichtet die Schule zur rechtzeitigen Bekanntgabe des Prüfungsstoffs; dies umfasst nicht die Versorgung eines abwesenden Schülers mit Unterrichtsmaterialien. Das Vorbringen der Mutter der Antragstellerin, eine Nachfrage bei Lehrkräften sei aufgrund der Weihnachtsferien unmöglich gewesen, ist nicht schlüssig, da selbst für den am 11. Januar 2022 angesetzten Termin noch drei Schultage verblieben wären, an denen Nachfragen möglich gewesen wären. Soweit beanstandet wird, der Prüfungsstoff sei erst „in den Weihnachtsferien“ bekannt gegeben worden, ist aus dem Vorbringen der Mutter der Antragstellerin nicht ersichtlich, ob die Wochenfrist nach § 27 Abs. 3 Satz 3 GSO unterschritten wurde. Ungeachtet dessen ist die Rüge der verspäteten Bekanntgabe des Prüfungsstoffs jedenfalls zu spät erhoben worden; denn die verspätete Mitteilung des Prüfungsstoffs wäre als Verfahrensmangel nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen unverzüglich und nicht erst nach Durchführung der Prüfung geltend zu machen (BayVGH, B.v. 29.6.2020 - 7 CE 20.721 - juris Rn. 20 zu schulischer Ersatzprüfung).
40
Es kann offenbleiben, ob den angesetzten Ersatzprüfungsterminen jeweils Nachtermine (§ 27 Abs. 1 GSO) vorangingen, da die Antragstellerin sich jedenfalls nicht auf das Fehlen von Nachterminen berufen könnte. Aus dem Schreiben der Mutter der Antragstellerin vom 9. November 2021 und dem vorgelegten Attest des Dr. R. vom 9. November 2021 war ersichtlich, dass die Antragstellerin bis zu den Weihnachtsferien nicht den Unterricht besuchen würde; das Attest vom 10. Januar 2022 für die Zeit nach den Weihnachtsferien betraf die Krankschreibung der Antragstellerin bis zum 25. Februar 2022. Damit ergibt sich kein Zeitraum im ersten Halbjahr, zu dem nicht von Seiten der Antragstellerin gesundheitliche Gründe, die einem Schulbesuch entgegenstünden, geltend gemacht wären. Es erscheint in dieser Konstellation bereits zweifelhaft, ob das Fehlen von Nachterminen gerügt werden kann, wenn gleichzeitig geltend gemacht wird, dass die Teilnahme an etwaigen Nachterminen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. In jedem Fall wäre die nachträgliche Rüge des Fehlens vorangegangener Nachtermine als Verfahrensmangel verspätet (BayVGH, B.v. 29.6.2020 - 7 CE 20.721 - juris Rn. 20 zu schulischer Ersatzprüfung).
41
cc) Die Bewertung der Ersatzprüfungen des ersten Halbjahres mit der Note 6 ist nicht zu beanstanden, da die Antragstellerin die Ersatzprüfungen ohne ausreichende Entschuldigung versäumt hat (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GSO i.V.m. § 27 Abs. 4 Satz 2 GSO).
42
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 hat die Schule für den Fall, dass die Antragstellerin wegen Erkrankung nicht an der Ersatzprüfung teilnehmen kann, die Vorlage eines schulärztlichen Zeugnisses nach § 27 Abs. 4 Satz 2 GSO verlangt. Dieses Schreiben wurde der Mutter der Antragstellerin durch Einlegen in den Hausbriefkasten bekanntgegeben (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG); der Zugang des Schreibens ergibt sich auch aus dem Betreff des Schreibens der Mutter der Antragstellerin vom 23. Dezember 2021 an die Schule.
43
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nahm die Antragstellerin unter Berufung auf gesundheitliche Gründe nicht an den Ersatzprüfungen teil; ein schulärztliches Zeugnis wurde nicht vorgelegt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass für die Ersatzprüfungen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 GSO die Note 6 erteilt wurde.
44
Für das erste Halbjahr hat die Antragstellerin damit in allen Fächern Bewertungen in den Ersatzprüfungen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 GSO erhalten. Im zweiten Halbjahr hat sie angekündigte Leistungsnachweise ohne ausreichende Entschuldigung versäumt mit der Folge der Bewertung mit Note 6 (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GSO) und kleine Leistungsnachweise nicht erbracht. Ob hierfür unter Berücksichtigung der Noten nach § 26 Abs. 4 Satz 1 GSO Jahresfortgangsnoten nach Art. 52 Abs. 3 Satz 2 BayEUG i.V.m. § 28 GSO zu bilden gewesen wären anstelle der Aufnahme der Bemerkung nach § 39 Abs. 7 GSO, kann vorliegend dahinstehen. Denn da bei allen angekündigten Leistungsnachweisen in sämtlichen Fächern die Note 6 zu vergeben wäre (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GSO), ist nicht erkennbar, dass sich in den Vorrückungsfächern Jahresfortgangsnoten ergeben könnten, die ein Vorrücken erlauben würden (Art. 53 Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 GSO).
45
Ein zu sichernder Anspruch auf ein Vorrücken nach Art. 53 Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 GSO ist daher nicht glaubhaft gemacht.
46
b) Ein Anordnungsanspruch folgt vorliegend auch nicht aus einem Anspruch der Antragstellerin auf Nachprüfung. § 33 Abs. 1 Satz 1 GSO sieht eine Nachprüfung unter den dort geregelten Voraussetzungen lediglich für Schüler der Jahrgangsstufen 6 bis 9 vor; die Ausnahme des § 35 Abs. 2 Satz 3 GSO ist vorliegend nicht einschlägig, zudem wären die nach § 35 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 GSO vorgesehenen notenmäßigen Voraussetzungen nicht erfüllt.
47
c) Entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Antragstellerin ergibt sich ein Anspruch auf Vorrücken nicht daraus, dass die Antragstellerin den mittleren Schulabschluss abgelegt hat.
48
Mit dem erfolgreichen Ablegen der Besonderen Prüfung hat die Antragstellerin den mittleren Schulabschluss erworben (§ 67 Abs. 1 Satz 1 GSO). Hiervon ist jedoch, wie aus § 67 Abs. 1 Satz 1 GSO ersichtlich, nicht die Erlaubnis zum Vorrücken in die Jahrgangsstufe 11 umfasst. Auch ein anderweitiger Nachweis des mittleren Schulabschlusses nach Art. 25 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 2 BayEUG würde, wie aus § 5 Abs. 3 und § 7 Abs. 4 GSO ersichtlich, nicht ohne weiteres zur Aufnahme in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums berechtigen.
49
d) Die Voraussetzungen für ein probeweises Vorrücken nach Art. 53 Abs. 6 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 GSO liegen ebenfalls nicht vor, da die Antragstellerin die notenmäßigen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt.
50
e) Auch ein Anspruch auf ein probeweises Vorrücken nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG besteht voraussichtlich nicht.
51
Nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG kann Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen (z.B. wegen Krankheit), das Vorrücken auf Probe gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG trifft die Lehrerkonferenz auf Grundlage einer Empfehlung der Klassenkonferenz (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 3 GSO; BayVGH, B.v. 10.3.2009 - 7 CE 09.174 - juris Rn. 18; Schenk, Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen BayEUG, Teilkommentar, 23. Aufl. 2021, zu Art. 53 Abs. 6).
52
Dabei unterliegt die Feststellung, dass die Vorrückensvoraussetzungen infolge erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen nicht erfüllt wurden, in vollem Umfang gerichtlicher Nachprüfung (BayVGH, B.v. 11.12.2002 - 7 CE 02.2433 - juris Rn. 14). Für die im Hinblick auf den letzten Halbsatz dieser Vorschrift zu treffende Prognoseentscheidung kommt der Schule dagegen ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer fachlich pädagogischer Beurteilungsspielraum zu (stRspr BayVGH, vgl. B.v. 11.12.2002 - 7 CE 2433 - juris Rn. 14; B.v. 24.10.2012 - 7 CE 12.2240 - juris Rn. 16; B.v. 11.9.2009 - 7 CE 09.2169 - juris Rn. 19; B.v. 8.12.2004 - 7 CE 04.2910 - juris Rn. 6).
53
aa) Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG anwendbar ist, wenn, wie im Fall der Antragstellerin, während des gesamten Schuljahres wegen Abwesenheit keine Leistungen erbracht werden. Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG setzt dem Wortlaut nach „Leistungsminderungen“, was nahelegt, dass auch tatsächlich Leistungen erbracht wurden, da andernfalls ein Vergleich mit dem vorherigen Leistungsniveau des Schülers nicht möglich wäre. Zwar ließe sich ein Nichterbringen von Leistungen als „Leistungsminderung auf Null“ deuten; in derartigen Fällen wäre allerdings der Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mehr erreichbar. Denn die Regelung soll Schülern ein Vorrücken auf Probe ermöglichen, deren (zum Nichterfüllen der Vorrückensvoraussetzungen führende) schlechte Leistungen durch „schicksalshafte“ Beeinträchtigungen (Schenk, BayEUG Teilkommentar, 23. Auflage 2021, zu Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG; VG München, B.v. 5.12.2016 - M 3 E 16.4721) bedingt waren und bei denen eine positive Prognose besteht. In Fällen, in denen aufgrund einer Abwesenheit während des ganzen Schuljahres keine Leistungen erhoben werden können, dürfte eine positive Prognose in aller Regel bereits am Fehlen jeglicher tatsächlicher Grundlagen hierfür scheitern. Art. 53 Abs. 5 BayEUG sieht für derartige Fälle eine Befreiung vom Wiederholverbot nach Art. 53 Abs. 3 BayEUG vor.
54
bb) In jedem Fall scheitert ein Anspruch der Antragstellerin auf ein Vorrücken auf Probe nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG daran, dass vorliegend nicht glaubhaft gemacht ist, dass das Nichterfüllen der Vorrückensanforderungen auf erheblichen nachgewiesenen Beeinträchtigungen beruht, die zu Leistungsminderungen geführt haben.
55
(1) Die erheblichen Beeinträchtigungen nach Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG müssen nachgewiesen sein. Soweit die Antragstellerin hierzu allgemein die „pandemiebedingte Sondersituation“ geltend macht, fehlt bereits ein substantiierter Vortrag zu den sich konkret für die Antragstellerin im Schuljahr 2021/2022 hieraus ergebenden erheblichen Beeinträchtigungen, die zu schulischen Leistungsminderungen geführt hätten.
56
(2) Soweit die Antragstellerin in der Antragsschrift eine Erkrankung und ihre Unfähigkeit, eine Gesichtsmaske zu tragen, vorträgt, ist der Vortrag der Antragstellerin nicht widerspruchsfrei. Wenn die Antragstellerin als erhebliche Beeinträchtigungen, die zu Leistungsminderungen geführt haben, ihre Erkrankung geltend macht, steht dies in gewissem Widerspruch zu ihrem Verweis auf die Vorbereitung und den Erwerb des qualifizierenden Abschlusses der Mittelschule; die diesbezüglichen Prüfungen laut der vorgelegten Notenübersicht vom 5. Juli 2022 dürften während eines Zeitraums erfolgt sein, für den die Antragstellerin gegenüber der Schule auf Krankheit durch Vorlage ärztlicher Atteste von Dr. R. verwies.
57
Jedenfalls fehlt es an einem Nachweis der Erkrankung der Antragstellerin sowie ihrer Unfähigkeit, eine Gesichtsmaske zu tragen.
58
Vorliegend wurde das Verlangen der Schule vom 2. Dezember 2021, mit dem die Antragstellerin zur Vorlage eines schulärztlichen Attests aufgefordert wurde (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BaySchO), als Einschreiben mit Rückschein versandt (Art. 4 Abs. 1 Alt. 2 VwZVG). Das Schreiben samt Briefkuvert mit Poststempel vom 6. Dezember 2021 und einem Aufkleber der Deutschen Post mit dem Vermerk „Annahme verweigert“ selbst kam in Rücklauf an die Schule und wurde von dieser zum Akt genommen. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob im Hinblick auf die Verpflichtung der Erziehungsberechtigten nach Art. 76 Satz 1 BayEUG und die hier ohne ersichtlichen Grund erfolgte Verweigerung der Annahme des Schreibens der Schule dennoch von einer wirksamen Zustellung ausgegangen werden könnte (vgl. hierzu einerseits BVerwG, U.v. 25.8.1976 - VIII C 33.75 - juris Rn. 29, andererseits BGH, U.v. 27.10.1982 - V ZR 24/82 - juris Rn. 29) und damit bereits nach Ablauf der Frist des § 20 Abs. 2 Satz 3 BaySchO von einem fehlenden Nachweis der Erkrankung auszugehen wäre. Denn wie oben ausgeführt war die Antragstellerin jedenfalls mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 wirksam aufgefordert worden, bei Nichtteilnahme an den Ersatzprüfungen eine etwaige Erkrankung durch schulärztliches Zeugnis nachzuweisen. Da die Antragstellerin weder im Hinblick auf die angesetzten Ersatzprüfungen ein schulärztliches Zeugnis vorlegte noch auf die Aufforderung der Schule vom 21. März 2022 hin für die Folgezeit ein schulärztliches Zeugnis beibrachte, fehlt es für die überwiegende Zeit des Schuljahres 2021/22 an einem Nachweis der erheblichen Beeinträchtigungen (Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG).
59
Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG nicht vor, auf eine Prognose kommt es nicht an. Die diesbezüglichen Rügen der Antragstellerin, die Klassen- und Lehrerkonferenz habe ihre Anstrengungen zum anderweitigen Nachweis ihrer Qualifikation durch Ablegen des qualifizierenden Mittelschulabschlusses und der Besonderen Prüfung nicht ernsthaft berücksichtigt, bleiben daher schon deshalb ohne Erfolg.
60
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
61
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 38.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
62
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) für das Klageverfahren und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
63
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist einer Partei Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
64
Die mit dem Klageverfahren M 3 K 22.3933 und dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg in diesem Sinne.