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VG München, Urteil v. 10.08.2022 – M 23 K 20.6076
Titel:

Tierschutzrecht, Androhung von Zwangsgeld

Normenkette:
VwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
Schlagworte:
Tierschutzrecht, Androhung von Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26187

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen eine isolierte Androhung von Zwangsgeld zur Vollstreckung eines tierschutzrechtlichen Untersagungsbescheides.
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Die Klägerin, die unter ihrer Wohnadresse A. in … C. eine wechselnde Anzahl von Hunden beherbergt, verfügt über eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Tierschutzgesetz (TierschG) zur Verbringung von Hunden aus dem Ausland nach Deutschland und zur Weitervermittlung von diesen gegen Entgelt. Außerdem war ihr durch Bescheid des Landratsamts F. vom 8. April 2014 die Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a TierschG zum Betrieb einer Hundepension für den Standort B. in T., ihrem früheren Wohnort, erteilt worden. Eine entsprechende Erlaubnis für ihren neuen Wohnort in C. wurde ihr nicht erteilt, vielmehr wurde ihr dort der Betrieb einer Hundepension mit Bescheid vom 22. Oktober 2020 untersagt. Die Klägerin ist Vorstandsmitglied und verantwortliche Person des gemeinnützigen Tierschutzvereins H. A. e.V. mit Sitz in M., der sich nach seiner Satzung ebenfalls u.a. zur Aufgabe gemacht hat, herrenlose Tiere aus dem Ausland nach Deutschland zu bringen und sie gegen Entgelt an geeignete Halter zu vermitteln und hierfür über eine entsprechende Erlaubnis der Landeshauptstadt M. verfügt.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Januar 2020 war der Klägerin ab sofort unter Anordnung des Sofortvollzugs die Haltung von Tieren in der nach Ansicht des Veterinäramtes tierheimähnlichen Einrichtung in A., C. untersagt worden. Die Untersagung erstreckte sich auf die Neuaufnahme und die Haltung von Hunden und anderen Tieren, die zur Vermittlung an Dritte gegen Entgelt abgegeben werden sollen (Vermittlungstiere). Ihr wurde eine Frist zur Abgabe von Vermittlungstieren bis 20. Februar 2020 gesetzt. Bei Zuwiderhandlung gegen die Untersagung wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,- EUR angedroht.
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Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 wurde das Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR fällig gestellt. Gleichzeitig erging der hier streitgegenständliche Bescheid, mit dem ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 EUR bei weiterer Zuwiderhandlung angedroht wurde. Es wurden Kosten in Form von Gebühren für die Vor-Ort-Kontrolle (60 Minuten) und die verwaltungsmäßige Bescheiderstellung in Höhe von 130 Euro und 3,68 Euro an Auslagen erhoben.
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Neuerliches Zwangsgeld werde auf der Rechtsgrundlage der Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG angedroht, weil bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 1. Oktober 2020 Zuwiderhandlungen gegen die Untersagung festgestellt worden seien. Am 28. September 2020 sei man durch das Landratsamt D. benachrichtigt worden, dass eine Frau W. im „Tierheim“ der Klägerin über den Verein H. A. einen Hund aus Rumänien gegen eine Schutzgebühr von 350 EUR erhalten habe, was allerdings verschleiert worden sei. Ausweislich der Traces-Bescheinigungen seien seit Mai 2020 in 10 Fällen Tiere aus Rumänien nach C. verbracht worden, insgesamt 37 Hunde und eine Katze. In 5 Fällen seien die Tiere von H. A. e.V. an die Klägerin persönlich gegangen, in einem Fall über H. A. an einen Herrn Dr. H., welcher in A. * nicht gemeldet sei, in einem weiteren Fall über H. A. an eine Frau Sch, die ebenfalls in A. * nicht gemeldet sei, in drei Fällen über die Tierhilfe P. H. A. e.V. S. an Frau Sch Von den insgesamt 16 vor Ort festgestellten Hunden seien höchstens drei eigene Tiere der Klägerin gewesen. Laut Traces-Bescheinigungen sollten einige der anwesenden Tiere bereits vermittelt sein. Die Klägerin zahle für keines der Tiere Hundesteuer.
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Am 21. Oktober 2020 wurde ein Antrag der Klägerin vom 22. Januar 2020 auf Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierschutzG (Tierheimhaltung) wegen Nichterfüllung der materiellen persönlichen und sachlichen Voraussetzzungen abgelehnt. Am 22. Oktober 2020 wurde ihr der Betrieb einer Hundepension untersagt und am 9. November 2020 ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen der untersagungswidrigen tierheimähnlichen Haltung von Hunden eingeleitet.
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Am 24. November 2020 hat die Klägerin Klage erheben lassen mit dem Antrag,
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den Bescheid des Landratsamts F. vom 13. Oktober 2020 aufzuheben.
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In der Klagebegründung vom 12. April 2021 wurde ausgeführt, dass die Klägerin keine erlaubnispflichtige tierheimähnliche Einrichtung betreibe. Sie habe vielmehr in ihrer privaten Wohnung eine Pflegestelle für den Verein H. A. eingerichtet, was sie erlaubnisfrei dürfe. Damit entbehrten die Untersagung vom 15. Januar 2020 und die darauf basierende erneute Zwangsgeldandrohung jeder Grundlage. Der Untersagungsbescheid sei für die Klägerin völlig überraschend gewesen, nachdem die Landeshauptstadt M. ihr gegenüber angegeben habe, dass weitere Erlaubnisse für die Klägerin als Pflegestelle nicht erforderlich seien. Die konkrete unter ihrer Wohnadresse stattfindende Haltung von Tieren erfülle nicht den Tierheimbegriff. Der Bescheid verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, weil die Klägerin nicht erkennen könne, was eine tierheimähnliche Einrichtung sei, mithin was ihr genau untersagt werde.
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Mit Schriftsatz vom 15.01.2021 beantragt der Beklagte
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Klageabweisung.
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Die Höhe des Zwangsgeldes von 4.000 EUR sei gerechtfertigt, weil es das das wirtschaftliche Interesse, das die Klägerin an der untersagten Handlung habe, widerspiegele.
Am 10. August 2022 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verweisen.

Entscheidungsgründe

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Die anwaltlich erhobene Klage ist bereits nach ihrem Wortlaut nur als Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 13. Oktober 2020 auszulegen. Die Klage richtet sich nicht gegen die mit gleichem Schreiben mitgeteilte Fälligstellung des Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom 15. Januar 2020, gegen welche eine Feststellungsklage statthaft wäre (vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2022 - 10 ZB 21.2613 - juris).
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Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 13. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere ist sie in der Monatsfrist erhoben und statthaft. Die Zwangsgeldandrohung stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, der mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG).
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2. Die Klage ist aber unbegründet.
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Entscheidungsgrundlage ist Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG. Hiernach kann, wenn die Androhung nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist, die Androhung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Die hiesige Androhung, die isoliert iSd Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ergangen ist, kann also nur insoweit angefochten werden, als sie selbst rechtverletzend ist, Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt sind dagegen nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG präkludiert.
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Dies beachten die Ausführungen, die die Klage begründen, nicht. Die Klage bestreitet nicht die tatsächlichen auf der Kontrolle vom 1. Oktober 2020 basierenden Feststellungen des Beklagten, wonach die Klägerin der Untersagung zuwider weiterhin eine tierheimähnliche Einrichtung betreibt und diese sogar noch intensiviert hat, sondern bringt Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt vor, indem die rechtliche Bewertung des Beklagten, die Klägerin betreibe an ihrer Wohnadresse eine tierheimähnliche Einrichtung, in Frage gestellt wird. Mit diesen Einwendungen ist die Klägerin aber nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 präkludiert, da der Grundverwaltungsakt bestandskräftig und nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbar ist. Die Klägerin hat diesen unanfechtbar werden lassen, denn sie hat lediglich am 10. Februar 2020 rechtlich unerheblich „Einspruch“ gegen den Bescheid, gegen den aber nur die Klage statthaft ist, beim Landratsamt F. erhoben.
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Anderes würde nur gelten, wenn der Grundverwaltungsakt nach Art. 44 BayVwVfG nichtig und damit von vornherein unwirksam wäre. Dafür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere ist die Untersagung nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig.
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Auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor und die Zwangsgeldandrohung als solche ist rechtmäßig. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin gegen die Untersagungsanordnung gehandelt hat, was durch die Feststellungen der Veterinäre vor Ort bei der Kontrolle am 1. Oktober 2020 belegt ist. Das Zwangsgeld wurde schriftlich angedroht (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und zugestellt (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG), nachdem das erste Zwangsgeld erfolglos angedroht worden war (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG).
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Das Zwangsgeld ist auch seiner Höhe nach nicht zu beanstanden. Es hält sich innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Beträge und orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse, das die Klägerin am Betrieb der untersagten tierheimähnlichen Einrichtung hat (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Die Schutzgebühr für von ihr vermittelte Hunde beträgt zwischen 350 und 400 EUR (vgl. ebay-Inserate der Klägerin), so dass bei ca. 15 festgestellten Hunden ein Zwangsgeld von 4.000 EUR ersichtlich ermessensgerecht ist.
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Gegen die behördliche Kostenentscheidung bestehen keine Bedenken; solche wurden auch nicht geltend gemacht.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.