Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.09.2022 – M 16 E 22.2966
Titel:

Einstweilige Anordnung, Bewachungsgewerbe, Wachperson, Zuverlässigkeitsüberprüfung

Normenketten:
VwGO § 123
GewO § 34a
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Bewachungsgewerbe, Wachperson, Zuverlässigkeitsüberprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26183

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Eintragungen im Bewacherregister hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Antragstellers bis zur Hauptsacheentscheidung oder einer erneuten behördlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - so abzuändern, wie sie vor der Zuverlässigkeitsüberprüfung vom ... Mai 2022 waren.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, gegenüber den Adressaten der Mitteilung nach „§ 16 Abs. 2 Satz 3 der Bewachungsverordnung“ vom ... Mai 2022 unverzüglich zu erklären, dass das Anschreiben vom ... Mai 2022 gegenstandslos ist und der Antragsteller bis auf Weiteres als zuverlässig gilt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Feststellung seiner Unzuverlässigkeit für die Ausübung einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe.
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Mit Schreiben vom … Mai 2022 teilte die Antragsgegnerin u.a. der Arbeitgeberin des Antragstellers mit, dass eine Überprüfung der Qualifikation und der Zuverlässigkeit negativ abgeschlossen wurde. Der Antragsteller sei als Wachperson unzuverlässig, dessen Einsatz für Bewachungsaufgaben sei nicht zulässig. Als Gewerbetreibende sei das Bewachungsunternehmen verpflichtet, den Antragsteller über diese Mitteilung zu informieren.
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Hintergrund dieser Mitteilung war nach Darlegung der Antragsgegnerin die Durchführung einer Regelüberprüfung hinsichtlich der weiteren Zuverlässigkeit des Antragstellers als Wachperson. Hierfür hatte die Antragsgegnerin u.a. folgende Auskünfte eingeholt und erhalten:
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- Auskunft aus dem Zentralregister mit Eintragungen zu zwei strafrechtlichen Verurteilungen vom … April 2018 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vom … Juni 2019 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 Euro wegen Betrugs.
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- Auskünfte aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei zum Vorfall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie zu weiteren Vorfällen aus den Jahren 2012 und 2014.
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- Urteil des Amtsgerichts München vom 18. Juni 2019 betreffend die Verurteilung wegen Betrugs nebst Protokoll der öffentlichen Sitzung und Strafbefehl vom 2. Mai 2019.
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- Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 6. April 2018 betreffend die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit Stellungnahme, Aktenvermerk, Sachverhaltsdarstellung und Tatblatt der Polizei hierzu.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. Juni 2022 ließ der Antragsteller im gegenständlichen Verfahren sinngemäß beantragen,
bis zu einer neuen (positiven) Verbescheidung durch die Antragsgegnerin die Zuverlässigkeit des Antragstellers zur Ausübung jedweder Bewachungstätigkeit festzustellen.
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Gleichzeitig erhob der Antragsteller Klage mit den Anträgen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom … Mai 2022 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller unverzüglich dessen Zuverlässigkeit zur Ausübung jedweder Bewachungstätigkeit zu bescheinigen. Das Klageverfahren ist unter dem Aktenzeichen M 16 K 22.2936 beim Verwaltungsgericht München anhängig.
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Zur Begründung von Klage und Antrag wird unter Bezugnahme auf die beigefügten Anlagen im Wesentlichen ausgeführt, die Entscheidung der Antragsgegnerin beruhe auf offenkundig falschen Tatsachen und Tatsachenvorstellungen sowie auf nicht tragfähigen Unterstellungen, sodass der angefochtene Verwaltungsakt in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und nicht nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen worden sei. Die Taten, aufgrund derer der Antragsteller verurteilt wurde, stünden in keinerlei Zusammenhang zu seiner Tätigkeit als Wachperson, die der Antragsteller seit vielen Jahren vollkommen straffrei durchgeführt habe, und erlaubten somit keine negative Prognoseentscheidung bezüglich dessen Zuverlässigkeit als Wachperson. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf eine positive Verbescheidung seiner Zuverlässigkeit als Wachperson. Bis zur erneuten Verbescheidung seiner Zuverlässigkeit sei der Antragsteller auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen, um weiter als Wachperson arbeiten zu können. Eine Anfechtung des „Bescheids“ der Antragsgegnerin vom … Mai 2022 sei zulässig, jedenfalls habe diese „Mitteilung einer Prognose-Einschätzung“ dieselbe Folge wie ein ausdrücklich ausgesprochenes und an den Antragsteller adressiertes Arbeitsverbot.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei nicht begründet. Bei der Beurteilung des Antragstellers als unzuverlässig handle es sich um einen Fall der Regelunzuverlässigkeit aufgrund der Verurteilungen wegen zweier einschlägiger Straftaten zu Geldstrafen von jeweils weniger als 90 Tagessätzen. Es würden keine Bagatellfälle vorliegen, sondern gravierend strafrechtlich relevantes Fehlverhalten, das die Annahme eines Ausnahmefalls nicht zulasse. Im Gesamteindruck bestünden begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers; eine charakterliche Eignung zur Übernahme von Bewachungsaufgaben sei nicht gegeben. Eine Wachperson müsse bei Bewachungstätigkeiten jederzeit strafbewehrten Verboten Beachtung schenken.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch im Verfahren M 16 K 22.2936, sowie auf den Inhalt der Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag, die bewachungsrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers zur Ausübung jedweder Bewachungstätigkeit bis zu einer „neuen Verbescheidung“ i.S. einer Bescheinigung der Zuverlässigkeit des Antragstellers durch die Antragsgegnerin „festzustellen“ (Antrag Nr. III.), bedarf der Auslegung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO).
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In der Sache geht es dem Antragsteller im Klageverfahren erkennbar und erklärtermaßen darum, „den Bescheid vom … Mai 2022 … aufzuheben“ (Antrag Nr. I.) und die Antragsgegnerin zu verpflichten, „dessen Zuverlässigkeit zur Ausübung jedweder Bewachungstätigkeit … zu bescheinigen“ (Antrag Nr. II). Da weder die Bewertung einer Wachperson als unzuverlässig noch deren Eintragung in das Bewacherregister als unzuverlässig noch die Mitteilung des negativen Überprüfungsergebnisses an den Gewerbetreibenden Verwaltungsakte sind (s. nachfolgend Nr. 1), zielt das Begehren des Antragstellers im Klagverfahren bei verständiger Würdigung auf eine allgemeine Leistungsklage (ebs. VG Berlin, U.v. 10.5.2021 - 4 K 380/20 - juris Rn. 14 ff.; VG Regensburg, U.v. 21.3.2019 - RO 5 K 17.1402 - juris Rn. 18 ff.; VG SchleswigHolstein, B.v. 9.1.2020 - 12 B 86/19 - juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Dem folgend ist im Klageverfahren ein Feststellungsbegehren nachrangig (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO). Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt im Ergebnis nichts anderes, insbesondere kann dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auch und einfacher mit einem Leistungsantrag nachgekommen werden. Ein strengerer Auslegungsmaßstab ist nicht deshalb anzulegen, weil die Anträge durch einen Rechtsanwalt formuliert wurden, zumal es an obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung zur statthaften Klageart in den Fällen einer negativen Unzuverlässigkeitsprognose einer Wachperson noch fehlt. Schließlich trägt der Bevollmächtigte des Antragstellers zuletzt selbst vor, es müsse möglich sein, die Entscheidung der Antragsgegnerin direkt anzugreifen, wenngleich er wohl zu Unrecht meint, dies wäre nur dann möglich, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handle.
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Hiervon ausgehend ist der Antrag im Eilverfahren dahin auszulegen, dass der Antragsteller die einstweilige Wiederherstellung des Zustands begehrt, der vor der Unzuverlässigkeitsentscheidung und deren Offenlegung durch die Antragsgegnerin bestand. Allerdings ist der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz durch die Aufnahme des Verpflichtungsantrags Nr. II in den Antrag im Eilverfahren Nr. III („bis zu einer Verbescheidung durch die Beklagte im Sinne von Klageantrag II.“) nicht auf einen bestimmbaren Zeitpunkt beschränkt, etwa bis zur Entscheidung in der Hauptsache, sondern knüpft an das - (unzulässig) vorweggenommene - Ereignis der Erteilung einer positiven Zuverlässigkeitsbescheinigung durch die Antragsgegnerin an.
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I. Der so verstandene Antrag hat Erfolg, soweit er die Rückgängigmachung des negativen Ergebnisses der Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Antragsgegnerin auf Grundlage der Prognoseentscheidung vom ... Mai 2022 sowie die Beseitigung der Folgen der hierauf beruhenden behördlichen Maßnahmen zum Gegenstand hat (Eintragung ins Bewacherregister als unzuverlässig bzw. als unzuverlässig wegen Straftat sowie Mitteilung des negativen Ergebnisses an die Gewerbetreibenden).
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Auf Antrag kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sowohl das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) wie auch die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) hat der Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Antragstellers.
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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, soweit ihm entsprochen wird.
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Der Antrag des Antragstellers hat nach Vorstehendem zum Ziel, das Ergebnis der behördlichen Regelüberprüfung vom ... Mai 2022 und deren Folgen rückgängig zu machen. Hiergegen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, auch wenn dem Gericht eine abschließende Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinn einer anzustellenden Prognoseentscheidung auf Grundlage des vonseiten der Antragsgegnerin ermittelten Sachverhalts nicht möglich und der Antrag insoweit auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist (s. auch nachfolgend Nr. II).
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a) § 123 Abs. 5 VwGO steht der Statthaftigkeit des Antrags nicht entgegen. Danach gelten die Vorschriften in § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO, wenn also ein den Antragsteller belastender Verwaltungsakt in Rede stünde, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren mit der Anfechtungsklage zu verfolgen wäre. Dies ist aber entgegen der vonseiten des Antragstellers vertretenen Rechtsauffassung nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall. Mangels Regelungscharakter sind weder die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller als unzuverlässig einzustufen noch die Eintragung dieses Überprüfungsergebnisses ins Bewacherregister noch die Mitteilung an den Bewachungsgewerbetreibenden nach § 34a Abs. 3 GewO Verwaltungsakte im Sinn des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VG München, B.v. 16.4.2021 - M 16 21.444 - juris Rn. 15 ff. und B.v. 16.4.2021 - M 16 E 20.6929 - juris Rn. 17 ff. jeweils m.w.N.; VG Berlin, U.v. 10.5.2021 - 4 K 380/20 - juris Rn. 40).
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b) Der Antrag ist auch sonst zulässig.
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aa) Der Antragsteller ist antragsbefugt, weil er entsprechend dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, infolge des negativen Ergebnisses der Zuverlässigkeitsüberprüfung, dessen Eintragung in das Bewacherregister und der Mitteilung des negativen Ergebnisses u.a. an seine Arbeitgeberin in eigenen Rechten verletzt zu sein.
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bb) Der Antragsteller hat ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes zur einstweiligen Wiedererlangung seiner Zuverlässigkeit als Wachperson. Insbesondere kann nicht damit gerechnet werden, dass die Antragsgegnerin von dem negativen Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung von sich aus abrückt, wie auch die Antrags- und Klageerwiderung der Antragsgegnerin deutlich macht. Das Rechtsschutzbedürfnis hat sich auch nicht erledigt. Selbst wenn der Antragsteller derzeit nicht in einem Arbeitsverhältnis im Bewachungsgewerbe stünde, bliebe ihm die Aufnahme einer Bewachertätigkeit aufgrund der im Bewacherregister erfolgten Eintragung als „unzuverlässig“ zumindest faktisch versperrt.
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cc) Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin besteht auch ein konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Form eines aus dem öffentlichen Gewerberecht folgenden Verwaltungsrechtsverhältnisses und eines daran ausgerichteten Verfahrensrechtsverhältnisses. Zum Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers hat die Antragsgegnerin deshalb nicht nur die Vorgaben des materiellen Rechts zu beachten, sondern gleichermaßen verfahrensrechtliche Pflichten.
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Das von Amts wegen einzuleitende Verfahren zur Regelüberprüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers als Wachperson ist ein Verwaltungsverfahren i.S.d. Art. 1, Art. 2 und Art. 9 BayVwVfG, weil es auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist (§ 34a Abs. 4 GewO) und die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörde nach außen wirkt. Die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde zeigt sich vorliegend in der Eintragung des negativen Überprüfungsergebnisses ins Bewacherregister und in der Mitteilung an den Bewachungsgewerbetreibenden. Einen Regelungscharakter i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, an dem es vorliegend fehlt, muss das der Behörde zuzurechnende nach außen wirkende Verhalten i.S.d. Art. 9 BayVwVfG nicht aufweisen (vgl. Rixen in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand April 2022, § 9 VwVfG Rn. 17). Das Verfahren zur Regelüberprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson ist auch auf Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet. Denn erweist sich die Wachperson nach Auffassung der Behörde als unzuverlässig und ergreift der Bewachungsgewerbetreibende nach Mitteilung des negativen Ergebnisses nicht von sich aus arbeitsrechtliche Konsequenzen (vgl. bereits BT-Drs. 13/9109 S. 14 zu Nr. 9 Buchst. b, zur Vorgängerregelung in § 34a Abs. 4 GewO, die mit Gesetz vom 16.6.1998 angefügt wurde), kann die zuständige (Betriebssitz-) Behörde diesem die Weiterbeschäftigung der Wachperson durch Verwaltungsakt untersagen (§ 34a Abs. 4 GewO). Ob das Verfahrensziel (hier: Erlass einer Untersagung zur weiteren Beschäftigung des Antragstellers als Wachperson) erreicht wird, ist unerheblich (vgl. Rixen in Schoch/Schneider a.a.O. Rn. 23). Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Prüfung der Voraussetzungen einer etwaig notwendig werdenden Weiterbeschäftigungsuntersagung hat die Behörde somit materiellwie verfahrensrechtliche (Vor-) Entscheidungen zu treffen, die nicht nur im Verhältnis zum Gewerbetreibenden als unmittelbaren Adressaten einer Untersagungsverfügung zu würdigen sind, sondern auch und insbesondere im Verhältnis zur rechtsbetroffenen Wachperson, derentwegen das Verwaltungsverfahren zur Regelprüfung eröffnet wurde und deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens verletzt werden können (§ 34a Abs. 1a Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 10 und § 23 Abs. 5 BewachV, Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG; vgl. Geis in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand April 2022, § 13 VwVfG Rn. 27 f.).
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dd) Sind das negative Ergebnis der Zuverlässigkeitsüberprüfung, dessen Eintragung in das Bewacherregister und die Mitteilung an den Bewachungsgewerbetreibenden als behördliche Verfahrenshandlungen nach § 44a VwGO zu werten, kann dem Antragsteller (Eil-) Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen gleichwohl nicht versagt werden (vgl. § 44a Satz 2 Alt. 2 VwGO).
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Davon abgesehen hat es der Antragsteller als von der Regelüberprüfung seiner Zuverlässigkeit eigentlich rechtsbetroffene Wachperson nicht in der Hand, dass es der Bewachungsgewerbetreibende auf den Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 34a Abs. 4 GewO ankommen lässt, die dann (wohl) auch dem Antragsteller zuzustellen wäre und von diesem nach Auffassung des Gerichts angefochten werden könnte (vgl. etwa VG Leipzig, B.v. 23.5.2003 - 2 K 218/00 - juris Rn. 5 ff. zum Beschäftigungsverbot des § 18 Abs. 1 HeimG m.w.N.). Ein Abwarten bis zum Ergehen einer nur hypothetisch denkbaren Untersagungsverfügung gegen den Arbeitgeber ist dem Antragsteller angesichts des Eintretens irreparabler Tatsachen, die sich u.a. aus der Mitteilung des negativen Ergebnisses der Überprüfung der Zuverlässigkeit an den Arbeitgeber ergeben, schlechterdings nicht zuzumuten; andernfalls bliebe dem Antragsteller gegen die hoheitlichen Maßnahmen der Antragsgegnerin keine Rechtsschutzmöglichkeit.
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2. Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller einstweilen so zu stellen, als wäre die Regelüberprüfung mit negativem Ergebnis vom … Mai 2022 nicht erfolgt und ihn einstweilen bis zu einer Hauptsacheentscheidung oder nachzuholenden behördlichen Regelüberprüfung als zuverlässig anzusehen, hat in der Sache Erfolg. Der Antragsteller hat das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) wie auch die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Die in Nr. I des Beschlusstenors getroffenen Anordnungen sind nötig, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
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a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Beurteilung der Antragsgegnerin, wonach der Antragsteller als Wachperson unzuverlässig sei, ist auf Grundlage der bislang vonseiten der Antragsgegnerin ermittelten, aktenkundigen Tatsachen und der vonseiten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen aller Voraussicht nach nicht rechtens.
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Insbesondere ist die Beurteilung des Antragstellers als unzuverlässig für die Durchführung von Bewachungsaufgaben aufgrund des seit dem 19. Mai 2018 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts München (§ 410 Abs. 3 StPO) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und des seit dem 18. Juni 2019 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts München zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen Betrugs unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht gerechtfertigt.
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Nach § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO dürfen mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen (Wachpersonen) beschäftigt werden, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen. Insoweit gelten auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit einer Wachperson die allgemeinen Grundsätze; sie müssen also die Gewähr dafür bieten, künftig das Bewachungsgewerbe (im Auftrag des Gewerbetreibenden) ordnungsgemäß auszuüben (vgl. Thiel in Enuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Auflage 2020, § 34a Rn. 34).
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Bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson ist in die Bewertung einzustellen, dass einer Wachperson aufgegeben ist, Leben und Eigentum fremder Personen zu überwachen (vgl. § 34a Abs. 1 Satz 1 GewO). Insoweit bedarf eine Wachperson einer spezifischen Zuverlässigkeit, die sich aus der besonderen Stellung des Bewachungsgewerbes mit Blick einerseits auf seine Konfliktträchtigkeit sowie die Nähe zur Ausübung von Gewalt (vgl. OVG NW, B.v. 25.5.2020 - 4 A 3600/19 - juris Rn. 6 m.w.N.) und andererseits mit Blick auf das der Wachperson zur Bewachung anvertraute Eigentum oder Vermögen fremder Personen ergibt (vgl. BayVGH, U.v. 20.2.2014 - 22 BV 13.1909 - juris Rn. 28 m.w.N.).
35
Unzuverlässig ist demnach eine Wachperson, die nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie Bewachungsaufgaben künftig ordnungsgemäß durchführen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 14 m.w.N. zum Begriff der Unzuverlässigkeit bei Gewerbetreibenden; ebs. OVG SH, B.v. 9.11.2020 - 5 MB 29/20 - juris Rn. 5 zur Unzuverlässigkeit i.S.v. § 34a GewO).
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Da Gegenstand der Bewachung der Schutz fremden Lebens und Eigentums ist, begründen insbesondere Straftaten (u.a.) gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit sowie Vermögensdelikte die Unzuverlässigkeit der betreffenden Person. Hiervon ausgehend hat der Gesetzgeber „nach dem Vorbild anderer Erlaubnistatbestände der Gewerbeordnung“ mit Gesetz vom 4.11.2016 (BGBl I S. 2456) straftatbezogene Regelbeispiele für das Bewachungsgewerbe eingeführt. § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO nennt Straftaten, bei deren Verwirklichung typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass die erforderliche Zuverlässigkeit für eine Tätigkeit im Bewachungsgewerbe nicht gegeben ist (vgl. BT-Drs. 18/9707, S. 21; BT-Drs. 18/8558, S. 15).
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An Vorstehendem gemessen liegen die Voraussetzungen zur Beurteilung des Antragstellers als unzuverlässig i.S.d. § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO nicht vor.
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aa) Die vonseiten der Antragsgegnerin für ihre Prognose zugrunde gelegte Regelvermutung einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Wachperson auf Grundlage des § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchst. b GewO ist widerlegt.
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(1) Soweit es vorliegend von Belang ist, liegt die erforderliche Zuverlässigkeit zur Durchführung von Bewachungsaufgaben nach § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO in der Regel nicht vor, wenn die Wachperson „in den letzten fünf Jahren wegen Versuchs oder Vollendung einer der nachstehend aufgeführten Straftaten“ u.a. zu einer „Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist“. Die Straftaten „des Betrugs … oder des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ sind „nachstehend aufgeführte Straftaten“ (§ 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchst. b GewO).
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Allerdings lässt die Regelvermutung in § 34a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GewO die Möglichkeit offen, die Wachperson im Einzelfall wegen besonderer Umstände noch als zuverlässig anzusehen, obwohl sie wegen der genannten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand September 2021, § 34a Rn. 24 m.w.N; vgl. auch BT-Drs. 17/11887 S. 20 zu § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 bis 3 GewO in der bis zum 30.11.2016 geltenden Fassung). Die Regelvermutung der fehlenden Zuverlässigkeit kann nur bei Vorliegen solcher Umstände als ausgeräumt erachtet werden, die einen Ausnahmefall kennzeichnen. Da das Gesetz auf die Verurteilung wegen einer Straftat abstellt, kommt es vor allem darauf an, ob die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für die Durchführung von Bewachungsaufgaben vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit der betroffenen Wachperson, insbesondere an seiner charakterlichen Eignung, nicht gerechtfertigt sind. Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet ist, erfordert eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 - 1 CB 24.91 - juris Rn. 5 zur Widerlegung der Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit; OVG Hamburg, B.v. 16.7.2021 - 5 Bs 159/12 - juris Rn. 15 zu § 34c GewO).
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Weiter ist zu berücksichtigen, dass es bei der gewerberechtlichen Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson nicht um eine rein strafrechtliche Bewertung geht, sondern um die Abwehr von Gefahren, die von einer mit Bewachungsaufgaben betrauten Person für die Allgemeinheit und die Personen ausgeht, deren Leben oder Eigentum es zu bewachen gilt. Dies erfordert eine Prognose dahin, ob die Wachperson künftig Bewachungsaufgaben ordnungsgemäß durchführen wird oder nicht. Dabei wird aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten der Wachperson gezogen, was eine Beurteilung des künftigen Verhaltens der Wachperson anhand von Tatsachen erfordert, die in der Vergangenheit eingetreten sind (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 8 m.w.N. zur Unzuverlässigkeitsprognose bei der Gewerbeuntersagung). Für die Prüfung, ob ein Ausnahmefall von der Annahme der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit vorliegt, gilt im Ergebnis kein anderer Maßstab. Wenngleich der Gesetzgeber nach dem Vorbild anderer Erlaubnistatbestände in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO „Regelbeispiele“ für die Unzuverlässigkeit (auch) von Wachpersonal vorgibt, geht dieser davon aus, dass die Verurteilung wegen einer solchen Straftat Schlüsse auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten (auch) des Wachpersonals zulässt. Deshalb kann die Widerlegung der Regelvermutung nicht nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Höhe der Strafe - wie hier mit 30 Tagessätzen - vergleichsweise gering ist, sondern auch dann, wenn die Straftat aus einer besonderen, sich nicht wiederholenden Situation heraus begangen worden ist (vgl. OVG NW, B.v. 17.2.2020 - 4 B 1604/19 - juris Rn. 5 ff.). So liegt es hier hinsichtlich der Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
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(2) Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigt, liegt zur Überzeugung des Gerichts vor. Denn die für die Annahme der Regelvermutung herangezogene Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte betrifft eine Straftat, die der Antragsteller aus einer besonderen, nicht alltäglichen Situation heraus begangen hat. Auch kann nach den gesamten Umständen dieser Straftat weder auf einen charakterlichen Mangel des Antragstellers noch darauf geschlossen werden, dass dieser Bewachungsaufgaben künftig nicht ordnungsgemäß durchführen werde.
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Bei der Prognose, ob sich in Zukunft, insbesondere bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben, etwas Ähnliches ereignen könnte, darf die besondere Situation, in der sich der Antragsteller bei der Begehung der Tat befand, angesichts der anzustellenden gewerbebezogenen Wertung der persönlichen Eignung des Antragstellers als Wachperson nicht unberücksichtigt bleiben. Der Antragsteller äußerte aus Anlass eines Ehestreits Suizidgedanken, die dessen Ehefrau und letztlich auch die Polizeibeamten derart ernst nahmen, dass der Antragsteller wegen Fremd- und Eigengefahr infolge Alkoholsucht vom Haftraum aus mittels eines Krankentransportwagens in eine psychiatrische Klinik verbracht wurde (vgl. Auskunft aus der Vorgangsverwaltung der Polizei, Bl. 5 der Behördenakte). Die Bewertung von Antragstellerseite, dass der dem Antragsteller zur Last gelegte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einer völligen psychologischen Ausnahmesituation stattfand, trifft danach zu. Eine Aussagekraft zur charakterlichen Eignung des Antragstellers, Bewachungsaufgaben durchzuführen, hat die Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte hier nicht. Ebenso wenig lässt sich bei Berücksichtigung der konkreten Umstände der Tat ein Mangel des Antragstellers an „Respekt vor körperlicher Unversehrtheit anderer Personen“ oder eine Tendenz die „Schädigung der Gesundheit anderer Personen gezielt herbeizuführen bzw. billigend in Kauf zu nehmen“ ableiten. Wie die Polizeiberichte zeigen, fand eine Gewalttätigkeit bzw. gezielte Gewaltanwendung gegen die Polizeibeamten, gegen die ebenfalls anwesende Ehefrau des Antragstellers oder gegen die Mutter des Antragstellers gerade nicht statt. Das aggressive Verhalten des Antragstellers wurde strafrechtlich nicht geahndet und kann im Übrigen nur aus dem Ablauf der Geschehnisse und in Zusammenschau mit seiner psychischen Ausnahmesituation heraus gewürdigt werden. Der mutmaßlich suizidale und stark alkoholisierte Antragsteller sah sich in seinen Wohnräumen nach dem Eintreffen der zweiten Streife zuletzt vier Polizeibeamten, der Besatzung des Rettungswagens, seiner Ehefrau, seiner Mutter und wohl auch den Nachbarn gegenüber, die in einem informatorischen Gespräch erklärten, was sich zugetragen hatte (vgl. Sachverhaltsdarstellung der Polizeimeisterin v. 7.2.2018, Bl. 14 der Behördenakte). Während die Polizeibeamten standen, saß der Antragsteller und verhielt sich anfangs zunächst ruhig und kooperativ. Nach Eintreffen des zweiten Streifenwagens und des Versuchs des hinzugekommenen Polizeibeamten, den Antragsteller zu beruhigen, stand dieser auf und ging auf diesen Polizeibeamten zu, wobei der Antragsteller seine Hände in bedrohender Haltung vor seiner Brust hielt. Aufgrund seiner schlechten Kenntnisse der deutschen Sprache sagte der Antragsteller wiederholt nur laut, „Was Problem?“. Mehr war dem Antragsteller in dieser besonderen und keineswegs alltäglichen Ausnahmesituation offenkundig nicht möglich, insbesondere kein „besonnenes Verhalten wie man es von einer Wachperson erwarten sollte“. Als der Antragsteller nach Aufforderung, sich wieder zu setzen, versuchte, den Polizeibeamten mit beiden Händen an dessen Schutzweste zu packen, wurde er mit (gerechtfertigter) körperlicher Gewalt zu Boden gebracht, indem Polizeibeamte zunächst den Kopf des Antragstellers festhielten, diesen nach unten drückten und zu Boden zogen. Zugleich wurden der rechten Arm des Antragstellers am Boden festgehalten und dessen Füße ebenfalls am Boden fixiert. Schließlich wurden dem Antragsteller Fesseln angelegt. Gegen all diese Maßnahmen leistete der Antragsteller erheblichen Widerstand. Dieser geleistete Widerstand ist unstreitig und liegt der Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zugrunde. Was in der Sachverhaltsdarstellung des Strafbefehls vom ... April 2018 allerdings nicht zur Sprache kommt und für die Erfüllung des Tatbestands des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte letztlich auch nicht von Relevanz ist, sind die konkreten Umstände bis zur Tathandlung und die Bewertung der Handlung des Antragstellers durch die Polizeibeamten als „passiven Widerstand“. Damit soll zwar nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Widerstandshandlung des Antragstellers als solche passiv war, aber immerhin doch, dass sich die von Körpereinsatz gekennzeichnete Gewalt des Antragstellers nicht unmittelbar gegen die (Körper der) Polizeibeamten gerichtet hat, also keine Gewalttätigkeit gegen eine andere Person vorlag (vgl. BVerfG, E.v. 23.8.2006 - 2 BvR 1066/05 - juris Rn. 2 m.w.N.; vgl. Auskunft aus der Vorgangsverwaltung der Polizei, Bl. 5 der Behördenakte; Stellungnahme eines Polizeikommissars v. 18.2.2018, der mit dem ersten Streifenwagen an der Einsatzörtlichkeit eintraf sowie Aktenvermerk eines Polizeiobermeisters v. 24.1.2018).
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Die gegenteilige Bewertung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei anfällig, aus persönlichen Motiven Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit anderer Personen zu verüben, statt deeskalierend vorzugehen, im Wachdienst müsse die Wachperson jederzeit besonnen bleiben und müsse Anstößen zur ungerechtfertigten Gewaltanwendung widerstehen, von einer im Bewachungsgewerbe tätigen Person müsse erwartet werden, dass sie die Rechtsordnung nicht nur während der Berufsausübung, sondern auch im privaten Bereich beachte und es sei zu befürchten, dass der Antragsteller in Konfliktsituationen oder im Zusammenhang mit behördlichen Maßnahmen die körperliche Unversehrtheit anderer Personen nicht respektiere, statt deeskalierend vorzugehen, geht teilweise schon an der Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vorbei. So wurde dem Antragsteller nicht etwa angelastet, eine Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen begangen zu haben. Tatsächlich wurde der Antragsteller beschuldigt, Amtsträgern bei der Vornahme einer Diensthandlung mit Gewalt (extremen) Widerstand geleistet zu haben. Der vonseiten des Antragstellers durch Einsatz seiner Körperkraft gekennzeichnete Widerstand, um sich gegen die Handlungen der Polizeibeamten zu sperren und sein Versuch, sich aus dem Griff der Polizeibeamten zu befreien, um die Fesselung an Händen und Füßen zu verhindern, ist zwar Gewalt i.S.d. § 113 Abs. 1 StGB. Eine unmittelbar gegen die Polizeibeamten gerichtete Gewalttätigkeit des Antragstellers liegt aber nicht vor; der Antragsteller leistete vielmehr „passiven Widerstand“. Auch wurden bei dem Einsatz Beamte oder sonstige Dritte nicht verletzt (vgl. Strafbefehl v. 6.4.2018 sowie Stellungnahme eines Polizeikommissars v. 18.2.2018 und Aktenvermerk eines Polizeiobermeisters v. 24.1.2018).
45
Die vonseiten der Antragsgegnerin angestellte Bewertung, der Antragsteller führe die Schädigung der Gesundheit anderer Personen gezielt herbei bzw. nehme diese billigend in Kauf, neige zur Eskalation in Konfliktsituationen und zum Einsatz ungerechtfertigter Gewalt und besondere Ausnahmeumstände würden nicht vorliegen, lässt im Übrigen erkennen, dass diese Bewertung auf der - auf das Wesentliche - gekürzten Sachverhaltsdarstellung im Strafbefehl beruht. Mit den konkreten Umständen der zur Annahme der Regelvermutung herangezogenen Straftat wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte hat sich die Antragsgegnerin nicht hinreichend befasst, jedenfalls nicht abwägend auseinandergesetzt, obwohl das geringe Strafmaß von 30 Tagessätzen (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 StGB) und der durch Stellungnahmen der Polizeibeamten weiter dokumentierte Hergang des Vorfalls Anlass dazu boten. Zwar soll der Vollzug bzw. die Entscheidung im Einzelfall mit der Einführung der Regelbeispiele für die Unzuverlässigkeit erleichtert und damit der Aufwand für die Behörden verringert werden (vgl. BT-Drs. 18/8558 S. 13, 15). Diese Erleichterungen entbinden die Behörde angesichts der gesetzlich vorgegebenen und schwerwiegenden Folgen einer Unzuverlässigkeitsentscheidung im Rahmen der Regelüberprüfung (Mitteilung an den Arbeitgeber und Eintragung ins Bewacherregister) aber nicht davon, bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Wachperson den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, E.v. 19.12.2007 - 1 BvR 2157/07 - juris Rn. 34 m.w.N. zur Grundverfügung der Anordnung des Ruhens der Approbation). Dies erfordert nicht zuletzt eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Antragsteller als EU-Ausländer auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, weil er jedenfalls über die Grundrechtsgewährleistung aus Art. 2 Abs. 1 GG Anspruch auf eine entsprechende Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat (vgl. BVerfG ebd. juris Rn. 21 m.w.N.). Besondere Bedeutung gewinnt eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werdende, abwägende Entscheidung über die Zuverlässigkeit einer Wachperson angesichts der rechtlichen Besonderheiten bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Wachpersonen. Denn anders als sonst bei hoheitlichen Eingriffen, die die berufliche Betätigung aufgrund einer angenommenen Unzuverlässigkeit behindern, ist die Unzuverlässigkeitsentscheidung über Wachpersonen, die - wie der Antragsteller - den Beruf bereits ausüben, mangels Regelungscharakter kein Verwaltungsakt. Rechtsbehelfe der (eigentlich) betroffenen Wachperson gegen die Feststellung ihrer Unzuverlässigkeit sowie gegen die von der Behörde aufgrund dieser Feststellung unverzüglich zu veranlassenden Maßnahmen haben - vorbehaltlich einer Untersagung der Weiterbeschäftigung der Wachperson gegenüber dem Gewerbetreibenden (s.o.) - demzufolge keine aufschiebende Wirkung. Davon abgesehen zeigen die bislang beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Streitsachen, dass eine vorherige Anhörung oder Information der betroffenen Wachperson regelmäßig unterbleibt, womit ihr eine Äußerungsmöglichkeit im behördlichen Verfahren abgeschnitten wird. Auch hiervon ausgehend genügen Zweifel an der bewachungsrechtlichen Zuverlässigkeit oder Bedenken gegen bewachungsrechtliche Zuverlässigkeit nicht, um eine Unzuverlässigkeitsentscheidung mit den gesetzlich vorgegebenen Folgen zu rechtfertigen. Aus der Regelung in § 34a Abs. 1a Satz 3 GewO folgt nichts anderes. Danach hat die Wohnsitzbehörde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson zwar mindestens eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister sowie u.a. eine Stellungnahme der Polizei einzuholen, „ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können“. Aus diesen Erkenntnismitteln ergeben sich nach der gesetzgeberischen Wertung mithin Anhaltspunkte dafür, ob „Bedenken gegen die Zuverlässigkeit“ einer Wachperson bestehen. Sie lassen für sich genommen aber in aller Regel weder eine Unzuverlässigkeitsentscheidung noch eine Eintragung ins Bewacherregister oder eine Mitteilung an den Gewerbetreibenden zu. Die Wohnsitzbehörde wird sich deshalb, wenn solche Anhaltspunkte bestehen, bei der vorzunehmenden Unzuverlässigkeitsprüfung in aller Regel nicht mit den in § 34a Abs. 1a Satz 3 und 4 GewO genannten Erkenntnismitteln begnügen können, sondern den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären haben (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG; diesen Ermittlungspflichten ist die Antragsgegnerin nachgekommen, indem sie u.a. die den Eintragungen zugrundeliegenden Urteile ebenso wie die maßgeblichen Polizeiprotokolle angefordert hat).
46
Angesichts der konkreten Umstände, die zur Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte geführt haben, insbesondere der existenziellen Krise, in der sich der Antragsteller bei Tatbegehung befand, liegt zur Überzeugung des Gerichts ein besonderer Ausnahmefall vor, der die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für die Durchführung von Bewachungsaufgaben vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit der betroffenen Wachperson nicht rechtfertigt. Eine Aussagekraft zum Charakter des Antragstellers hat diese Verurteilung nicht. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller ein Gewalttäter ist, zur Gewalttätigkeit oder zur Eskalation in bewachungstypischen Konfliktsituationen neigt, lassen sich aus seiner Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nicht gewinnen. Sonstige Einträge, die auf eine Gewaltbereitschaft des Antragstellers schließen lassen könnten, enthält die Auskunft aus dem Zentralregister nicht. Aus der Auskunft aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei ergibt sich keine andere Bewertung. Danach habe der stark alkoholisierte Antragsteller im Jahr 2012 in einem Call-Shop randaliert und habe nicht gehen wollen. Er sei daraufhin in Schutzgewahrsam genommen worden, weil er sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befunden habe. Diese Auskunft betrifft einen zehn Jahre zurückliegenden Vorfall. Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten liegen nicht vor. Auch eine Neigung zur Gewalttätigkeit kann der Schilderung des Vorgangs oder dem Verb „randalieren“ nicht entnommen werden.
47
Angesichts der Verurteilung des Antragstellers wegen Betrugs zu 60 Tagessätzen liegt mangels Erreichens der Sanktionsschwelle von mindestens 90 Tagessätzen (auch) insoweit kein Regelbeispiel i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4, Abs. 1a Satz 7 GewO vor.
48
Hiervon ausgehend ist die Regelvermutung des § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4, Abs. 1a Satz 7 GewO ausgeräumt, die zur Durchführung von Bewachungsaufgaben erforderliche Zuverlässigkeit liege beim Antragsteller deswegen nicht vor, weil er wegen Vollendung einer der in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO aufgeführten Straftaten zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde.
49
bb) Das Ergebnis der Regelüberprüfung, den Antragsteller als unzuverlässig (wegen Straftat) zu beurteilen, lässt sich auch nicht im Ergebnis durch den Rückgriff auf die Generalklausel des § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO rechtfertigen, wonach mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigt werden dürfen, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen.
50
(1) Unzuverlässig ist eine Wachperson, die nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie Bewachungsaufgaben ordnungsgemäß durchführen wird. Soweit es hier von Belang ist, ist Unzuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe nach Sinn und Zweck des § 34a GewO insbesondere anzunehmen bei vermögensbezogenen Straftaten sowie Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die befürchten lassen, dass sich der Betroffene an den zu bewachenden Gegenständen vergreift oder zu Handgreiflichkeiten gegenüber Fremden neigt. Für die gewerbsmäßige Überwachung von Leben und Eigentum fremder Personen bedürfen ein Gewerbetreibender nach § 34a Abs. 1 Satz 1 GewO ebenso wie seine Beschäftigten einer spezifischen Zuverlässigkeit, die sich aus der besonderen Stellung dieses Gewerbes mit Blick auf seine Konfliktträchtigkeit und Nähe zur Ausübung von Gewalt ergibt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, B.v. 9.11.2020 - 5 MB 29/20 - juris Rn. 5 m.w.N., in diese Richtung auch BT-Drs. 18.8558 S. 15).
51
Aus den Sanktionsschwellen in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Verurteilung wegen einer darin aufgeführten Straftat nur dann die Bewertung der Wachperson als unzuverlässig rechtfertigt, wenn die Sanktionsschwelle erreicht oder überschritten wird. Denn gesetzgeberischer Zweck der u.a. in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO eingeführten Regelbeispiele „für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers und des Personals“ ist nicht die Herabsetzung des Zuverlässigkeitsmaßstabs, sondern die Erleichterung des Vollzugs und die Verringerung des Aufwands für die Behörden (vgl. BT-Drs. 18/8558 S. 13, 15). Deshalb kann auch die Verurteilung wegen einer einzelnen der in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO aufgeführten Straftaten die Unzuverlässigkeit einer Person zur Durchführung von Bewachungsaufgaben begründen, wenn eine Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen verhängt wurde.
52
(2) Auf Grundlage der vonseiten der Antragsgegnerin ermittelten Tatsachen und der vonseiten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen liegen die Voraussetzungen zur Beurteilung des Antragstellers als unzuverlässig i.S.d. § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO gleichwohl nicht vor.
53
(a) Soweit es die Verurteilung des Antragstellers wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen betrifft, kann auf vorstehende Ausführung zur Widerlegung der Regelvermutung verwiesen werden. Zur Überzeugung des Gerichts steht danach fest, dass sich aus dieser Verurteilung keine negativen Schlüsse auf den Charakter des Antragstellers oder eine Neigung zu Gewalttaten ziehen lassen. Auch ergeben sich aus der Verurteilung keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller - von dieser speziellen Ausnahmesituation abgesehen - zur Eskalation, insbesondere in bewachungstypischen Konfliktsituationen, neigt.
54
(b) Auch die Verurteilung des Antragstellers wegen Betrugs lässt nicht den Schluss zu, im fehle die zur Durchführung von Bewachungsaufgaben erforderliche Zuverlässigkeit.
55
Nach Aktenlage wurde der Antragsteller mit am 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenem Urteil (Strafbefehl v. 2.5.2019 / Schuldspruch sowie Urteil v. 18.6.2019 / Strafausspruch) zu einer Geldstrafe von zuletzt 60 Tagessätzen wegen Betrugs verurteilt, weil er es unterlassen hatte, der Agentur für Arbeit unverzüglich die Aufnahme seiner Beschäftigung bei einem Bewachungsunternehmen zu melden und - seiner Absicht entsprechend - weiter Arbeitslosengeld 1 für den Zeitraum vom … Juli 2018 bis … September 2018 in Höhe von insgesamt 1.621,90 Euro bezog, auf die er keinen Anspruch mehr hatte.
56
Maßgeblich für die Bewertung der bewachungsrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers ist aus Sicht des Gerichts ein möglicherweise in der Begehung der Straftat des Betrugs zum Ausdruck kommender mangelnder Respekt einer Wachperson gegenüber fremdem Vermögen. Da insoweit eine Prognose gestellt werden muss, ist aus den tatsächlichen Umständen der Schluss auf ein wahrscheinlich zukünftiges Verhalten des Antragstellers als Wachperson zu ziehen, wobei die aus der Anlegung des Maßstabs der Wahrscheinlichkeit folgende Ungenauigkeit einer Prognose durch eine strikte Beachtung des Grundsatzes der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG (bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) ausgeglichen werden muss. Insofern sind die Verhältnisse des Einzelfalls maßgeblich (BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 8 m.w.N. zu § 35 GewO). Dies erfordert eine Würdigung der konkreten Tatumstände, die sich hier auch aus den vonseiten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen ergeben, und aus denen das Verhalten des Antragstellers ersichtlich wird, das zu seiner Verurteilung geführt hat.
57
Am … Mai 2018 meldete sich der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos und erhielt u.a. die schriftlichen Antragsunterlagen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld sowie ein Merkblatt 1 ausgehändigt. Mit Bescheid vom … August 2018 bewilligte die Agentur für Arbeit dem Antragsteller Arbeitslosengeld 1 ab dem … Juni 2018 in Höhe von 23,17 Euro täglich, das er bis … September 2018 bezog. Unter anderem auf Grundlage des automatisierten Datenabgleichs (Datenabgleich von Leistungsempfängern mit den Beschäftigtendaten - DaLEB) vom … September 2018 und … Oktober 2018 stellte die Agentur für Arbeit Überschneidungen des Zeitraums des ALG-Leistungsbezugs mit Beschäftigungszeiten bei einem Bewachungsunternehmen fest; insgesamt vom … Juli 2018 bis zum … September 2018. Der Antragsteller bestätigte ausweislich eines Vermerks am … August 2018 gegenüber der Agentur für Arbeit, dass er „wohl schon seit August“ wieder in Arbeit sei, er aber davon ausgegangen sei, dass eine Meldung nur erfolgen müsse, wenn tatsächlich ein Vertrag vorliege, dieser bestehe aber bis heute nicht, er arbeite „nur so“ (der Mitarbeiter der Agentur für Arbeit hat u.a. vermerkt, dass sich die Kommunikation mit dem Antragsteller sehr schwer gestalte; eindeutige Daten und Zusammenhänge seien aufgrund der Verständigungsprobleme nicht nachzuvollziehen gewesen; um wenigstens etwas Kommunikation herstellen zu können, sei die Schwester des Antragstellers telefonisch kontaktiert worden). Am … Oktober 2018 gab der Antragsteller an, eine Arbeit bereits seit dem … Juli 2018 aufgenommen zu haben. Die Agentur für Arbeit hob daraufhin mit Bescheiden vom … und … Oktober 2018 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem … Juli 2018 auf und stellte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.621,90 Euro fest, der bis zum ... November 2018 zu überweisen sei. Am … Oktober 2018 war der Erstattungsbetrag bereits überwiesen.
58
Im Rahmen eines vonseiten des Hauptzollamts eingeleiteten Strafverfahrens gab der Antragsteller in einem Anhörungsbogen am ... März 2019 zur Sache schriftlich an, der Inhaber der Bewachungsfirma habe ihm zugesichert, dass er den Antragsteller bei der Sozialversicherung anmelden werde und die Tätigkeit auch der Agentur für Arbeit melde. Als der Antragsteller erfahren habe, dass letzteres nicht gemacht worden sei, sei es schon zu spät gewesen. Zuletzt am … April 2019 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht München den Erlass eines Strafbefehls wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen; dem kam das Amtsgericht am 2. Mai 2019 nach. Nach Einspruch des Antragstellers, den dieser auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, wurde der Antragsteller am 18. Juni 2019 aufgrund des im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehls vom 2. Mai 2019 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen sei tat- und schuldangemessen. Neben dem Geständnis des Antragstellers und der Wiedergutmachung des Schadens sei zu sehen, dass der Antragsteller über schlechte Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge und die Anzeige der Arbeitsaufnahme für ihn daher einen größeren Aufwand bedeute. Auch bei Durchsicht der Unterlagen der Agentur für Arbeit wird deutlich, dass sich die Kommunikation mit dem Antragsteller durchweg schwierig gestaltete, weil dieser zwar viel verstehe, sich aber kaum auf Deutsch ausdrücken könne.
59
Von diesem Sachverhalt ausgehend ist für das Gericht erkennbar, dass ein außergewöhnlicher Fall, der eine dem Antragsteller günstigere Bewertung zugelassen hätte, nicht vorlag. Der Antragsteller hat einen Sozialleistungsbetrug begangen und ihm musste bewusst sein, dass sich eine Beschäftigungsaufnahme bereits am … Juli 2018 auf seine Leistungsberechtigung auswirken kann. Gleichwohl hat der Antragsteller noch am … August 2018 beanstandet, dass er keine Leistungen von der Agentur für Arbeit erhalten hatte, ohne auf die Arbeitsaufnahme hinzuweisen. Die mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache wurden im Strafverfahren gesehen und bei der Strafzumessung berücksichtigt. Davon abgesehen mag dem Antragsteller zunächst verborgen geblieben sein, dass die Entgeltsersatzleistung für den Zeitraum vom … Juni 2018 bis … Juli 2018, die ihm am … August 2018 überwiesen worden war, nur teilweise zu Unrecht geleistet wurde. Dass die Zahlung vom … August 2018 für den Zeitraum vom ... August 2018 bis zum … August 2018 sowie insbesondere die Zahlung vom … September 2018 für den Zeitraum vom ... September 2018 bis zum … September 2018 zu Unrecht erfolgten, weil es der Antragsteller entgegen seiner Verpflichtung unterließ, Änderungen leistungsrelevanter Tatsachen mitzuteilen, kann dem Antragsteller aber weder verborgen geblieben sein noch lässt sich dies mehr als zwei Monate nach Aufnahme einer Beschäftigung sonst entschuldigen. Erst auf das Anhörungsschreiben der Agentur für Arbeit vom ... Oktober 2018 hin erklärte der Antragsteller am … Oktober 2018, dass er wieder in Arbeit sei.
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Hiervon ausgehend erscheint die Verfehlung des Antragstellers, die zu seiner Verurteilung wegen Betrugs führte - anders als beim Widerstand des Antragstellers gegen Vollstreckungsbeamte - nicht in einem besonders milden Licht.
61
Dies führt allerdings nicht dazu, dass deswegen die Prognose gerechtfertigt wäre, der Antragsteller respektiere das Vermögen anderer Personen nicht und nehme die Schädigung dieser Rechtsgüter billigend in Kauf oder er sei zur Übertretung strafbewehrter Verstöße zum eigenen Vorteil anfällig. Wie bereits ausgeführt wurde, ist der Sozialleistungsbetrug des Antragstellers die einzige für eine prognostische Beurteilung seiner Zuverlässigkeit als Wachperson relevante, im Zentralregister eingetragene Straftat. Aus einer einmaligen, bewachungsrelevanten Verfehlung kann - vorbehaltlich des Vorliegens einer Regelvermutung - nicht stets auf eine bestimmte und verinnerlichte Neigung geschlossen werden, die ein ähnliches Verhalten in der Zukunft erwarten lasse. Ein einmaliger Verstoß gegen Strafgesetze kann die Unzuverlässigkeit aber indizieren, wenn es sich um ein gravierendes Delikt handelt (vgl. Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, § 35 Rn. 39; ebs. OVG NW, B.v. 16.6.2016 - 4 B 1401/15 - juris Rn. 10 f., jeweils m.w.N.). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Der Antragsteller hat Arbeitslosengeld weiter bezogen, obwohl er eine Beschäftigung aufgenommen hatte. Dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nicht nachkam, seine Beschäftigungsaufnahme unverzüglich der Agentur für Arbeit mitzuteilen, wiegt sicher schwer. Andererseits liegt eine Beschäftigungslosigkeit, die den Bezug von Arbeitslosengeld 1 legitimiert, auch dann vor, wenn der Betreffende eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausübt (vgl. Merkblatt für Arbeitslose 1; s. auch Bearbeitungsaufforderung der Agentur für Arbeit v.. …9.2018 zum Umfang der am …7.2018 aufgenommenen Beschäftigung: „G“ = geringfügig), hatte der Antragsteller gegenüber der Agentur für Arbeit am … Juli 2018 angegeben, dass er voraussichtlich eine Arbeit aufnehmen werde, wobei er den Arbeitgeber nicht nennen könne, weil noch kein Vertrag vorliege und gab am … Oktober 2018 u.a. an, weder einen Vertrag zu haben, noch eine festgelegte, geregelte Arbeitszeit. Dies zeigt, dass der kaum Deutsch sprechende (aber Deutsch verstehende) Antragsteller den Inhalt des Merkblatts 1 (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I) möglicherweise nicht in jeder Hinsicht verstanden hatte und eine „Autonomie“ des Antragstellers, selbst entsprechende Erklärungen gegenüber der zuständigen Stelle abzugeben, wohl nicht in jeder Beziehung bestand (vgl. Hefendehl in MüKo StGB, 4. Auflage 2022, § 263 StGB Rn. 328 m.w.N.). Das ändert zwar nichts an dem zurechenbar und schuldhaft durch Unterlassen herbeigeführten Sozialleistungsbetrug des Antragstellers, zeigt aber auch angesichts des Strafmaßes von zuletzt 60 Tagessätzen, dass ein gravierendes Delikt, das bereits bei einem einmaligen Verstoß eine Unzuverlässigkeit indiziert, nicht vorliegt.
62
(c) Auch aus der Zusammenschau der beiden strafrechtlichen Verurteilungen sowie der Auskunft aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei, in der auch noch ein Vorgang vom … April 2014 wegen Ladendiebstahls geringwertiger Sachen erwähnt wird, ergibt sich unter Berücksichtigung des anzustellenden Gesamteindrucks des Verhaltens des Antragstellers nicht, dass er nicht die Gewähr dafür bietet, Bewachungsaufgaben wie bisher auch künftig ordnungsgemäß durchzuführen.
63
Hiervon ausgehend liegt aus Sicht des Gerichts unter allein möglicher Berücksichtigung der vonseiten der Antragsgegnerin ermittelten Tatsachen und der vonseiten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen keine bewachungsrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers vor. Das durch die Antragsgegnerin festgestellte Ergebnis der Regelüberprüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers als unzuverlässig ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse rechtsfehlerhaft, weshalb auch weder die Eintragung des Antragstellers in das Bewacherregister als unzuverlässig (wegen Straftat) noch die Mitteilung des negativen Ergebnisses an Bewachungsgewerbetreibende gerechtfertigt sind.
64
b) Ein Anordnungsgrund i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gegeben, weil die in Nr. I des Beschlusstenors dieser Entscheidung getroffenen Anordnungen nötig sind, um wesentliche Nachteile im Interesse des Antragstellers zu verhindern.
65
Auf Seiten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass ihm - zumal aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus - aufgrund seiner Beurteilung als unzuverlässig (wegen Straftat) die Weiterführung seiner Beschäftigung sowie die Fortführung einer Bewachertätigkeit faktisch versperrt wird, was durch den Hinweis an die Bewachungsgewerbetreibenden, dass ein Einsatz der Person für Bewachungstätigkeiten nicht zulässig sei, noch verstärkt wird.
66
Auf Seiten des von der Antragsgegnerin zu vertretenden öffentlichen Interesses ist zu berücksichtigen, dass ihr aufgetragen ist, unzuverlässige Personen von der Durchführung von Bewachungsaufgaben auszuschließen, um Gefahren für die Allgemeinheit sowie für die Personen, deren Leben oder Eigentum es zu bewachen gilt, abzuwenden. Bestehen nach Auffassung der Antragsgegnerin trotz der anderweitigen Beurteilung durch das Gericht weiterhin „begründete Zweifel“ an der Zuverlässigkeit des Antragstellers als Wachperson, kann sie diesen etwa dadurch begegnen, dass sie aus konkretem Anlass schon vor Ablauf von fünf Jahren eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der Wachperson durchführt (vgl. § 34a Abs. 1a Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 10 GewO i.V.m. § 23 Abs. 5 BewachV „spätestens“ sowie „muss“) und vorliegend ohnehin wohl noch durchführen muss (s. nachfolgend II.)
67
Angesichts des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs wird der Anordnungsgrund im konkreten Einzelfall auch indiziert, weil ein gewichtiges Rechtsgut des Antragstellers in Rede steht, dessen Gewährleistung dieser weder im behördlichen Verfahren noch durch einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung geltend machen kann (vgl. Kuhla in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2022, § 123 Rn. 126 ff. m.w.N.).
68
II. Der Antrag bleibt ohne Erfolg, soweit beantragt wird, den Antragsteller „bis zu einer Verbescheidung durch die Antragsgegnerin im Sinne von Klageantrag II“ als zuverlässig zur Ausübung jeder Bewachungstätigkeit anzusehen.
69
Da es dem Zweck des Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO, nur vorläufige Regelungen zu treffen, zuwiderläuft, die Hauptsache endgültig vorwegzunehmen, kann der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller als zuverlässig im Hinblick auf die Durchführung von Bewachungsaufgaben einzustufen, nur Erfolg haben, sofern eine Versagung den Antragsteller schwer und unzumutbar oder irreparabel belasten würde (vgl. Kuhla in BeckOK, VwGO, Stand 1.7.2022, § 123 Rn. 156 m.w.N.). Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung des effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 92.12 - juris Rn. 22 m.w.N.).
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Der danach zu fordernde hohe Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch des Antragstellers auf Bescheinigung seiner Zuverlässigkeit begründet ist, liegt nicht vor. Denn die Antragsgegnerin als die am Hauptwohnsitz der Wachperson zuständige Behörde hat den Antragsteller als Wachperson regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren, auf seine Zuverlässigkeit zu überprüfen (§ 34a Abs. 1a Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 10 GewO und § 23 Abs. 5, § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das Bewachungsgewerbe (BewachV - v. 3.5.2019, BGBl I 2019, 692). Hierzu muss die Antragsgegnerin nicht nur (mindestens) eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Abs. 1 Nr. 9 BZRG sowie eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder dem jeweils zuständigen Landeskriminalamt einholen (§ 34a Abs. 1a Satz 3 GewO), sondern - im Fall des Antragstellers - auch eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz (§ 34a Abs. 1a Satz 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 GewO; vgl. Auszug aus dem Bewacherregister, Übersicht Bl. 1 f. der Behördenakte: Tätigkeiten/Einsatzarten). Daran fehlt es bislang, weil die Antragsgegnerin davon ausging, die eingeholten Auskünfte würden bereits für sich die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründen. Da eine Regelüberprüfung nicht unterbleiben kann, ist sie nachzuholen; die Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Regelüberprüfung durchzuführen, lebt wieder auf, nachdem das bisherige Ergebnis der Überprüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers aufgrund der bislang eingeholten Auskünfte und Stellungnahmen keinen Bestand haben kann (entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Im Rahmen einer solchen Überprüfung der Zuverlässigkeit können auch etwaige sonstige neue Tatsachen berücksichtigt werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Der Antragsteller hat im Eilverfahren im Wesentlichen obsiegt. Gleichwohl war er zur Kostentragung heranzuziehen, weil sein Antrag teilweise auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist und nicht nur auf eine erneute „Verbescheidung“, sondern auf eine Verbescheidung im Sinne von Klageantrag Nr. II und damit auf eine unverzügliche Zuverlässigkeitsbescheinigung. Dies wirkt sich auch auf die Bemessung des Streitwerts aus.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 54.1 des Streitwerts für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da der Antragsteller als Wachperson unselbständig beschäftigt ist, ist es interessengerecht, den in Nr. 54.1 bzw. 54.2.1 des Streitwertkatalogs empfohlenen Streitwert für eine Gewerbeerlaubnis von 15.000 Euro zu halbieren, so dass im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 7.500 Euro in Ansatz zu bringen ist. Eine Reduzierung des Streitwerts im Hauptsacheverfahren für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht veranlasst (vgl. Nr. 1.5 und Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).