Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 22.02.2022 – Au 5 S 22.50008
Titel:

Dublin-Überstellung nach Litauen 

Normenkette:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a
Leitsatz:
Litauen verfügt über ein ordnungsgemäßes Asyl- und Aufnahmeverfahren. Es ist nicht ersichtlich, dass im litauischen Asylsystem systemische Schwächen vorliegen, die auf strukturellen Missständen beruhen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Litauen, systemische Mängel des Asylverfahrens, Dublin-Verfahren
Fundstelle:
BeckRS 2022, 26081

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Dezember 2021, Gz.:, wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von, wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben eine irakische Staatangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit.
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Sie reiste am 1. August 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3
Die Antragstellerin stellte am 11. November 2021 einen förmlichen Asylantrag.
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Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) liegt für die Antragstellerin ein Eurodac-Treffer mit der Nr. ... vor, nach dem die Antragstellerin am 22. Juni 2021 in Litauen einen Asylantrag gestellt hat.
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Das Bundesamt richtete am 29. September 2021 ein Übernahmeersuchen an Litauen.
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Die litauischen Behörden haben mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 ihre Bereitschaft zur Rückübernahme der Antragstellerin gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO erklärt. Die Antragstellerin habe Litauen verlassen, bevor eine endgültige Entscheidung über ihren Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes gefallen sei.
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Am 11. November 2021 fanden beim Bundesamt das persönliche Gespräch mit der Antragstellerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages statt.
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Am 1. Dezember 2021 fand eine weitere Anhörung beim Bundesamt zur Zulässigkeit des Asylantrages statt.
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Am 1. Dezember 2021 fand darüber hinaus die persönliche Anhörung der Antragstellerin zu ihrem Asylantrag statt. Die Antragstellerin erklärte bei der Anhörung, ein Sohn lebe in Deutschland. Ihr Ehemann, ein Sohn, zwei Töchter, zwei Brüder und eine Schwester lebten nach wie vor im Irak. Sie sei zusammen mit dem Sohn ausgereist. Der Ehemann der Antragstellerin habe die Ausreise organisiert. Die Antragstellerin hat bei der Anhörung eine medizinische Bescheinigung in englischer Sprache vom 27. Juli 2021 aus dem Irak vorgelegt und macht geltend, sie habe bereits im Irak mehrere Schlaganfälle erlitten und sei in einem Krankenhaus in ... in medizinischer Behandlung gewesen. Auf Nachfrage erklärte der bei der Anhörung anwesende Sohn der Antragstellerin, der Vater der Antragstellerin habe die Bescheinigung nachträglich im Irak ausstellen lassen und dann der Antragstellerin zu dem in Deutschland wohnenden Sohn nachschicken lassen.
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Mit Bescheid vom 22. Dezember 2021, Gz.:, hat das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheides), hat festgestellt das Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheides) und hat die Abschiebung der Antragstellerin nach Litauen angeordnet (Nr. 3 des Bescheides). Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4 des Bescheides). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
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Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 30. Dezember 2021 zugestellt.
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Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 6. Januar 2022, eingegangen bei Gericht am 6. Januar 2022, unter dem Az.: Au 5 K 22.5007 Klage erhoben und beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2021 aufzuheben.
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Darüber hinaus hat die Antragstellerin mit weiterem Schreiben vom 6. Januar 2022, eingegangen bei Gericht am 6. Januar 2022, beantragt,
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1. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2021 enthaltene Abschiebungsandrohung (gemeint ist Abschiebungsanordnung) nach Litauen anzuordnen,
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2. der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr, beizuordnen.
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Die Antragsgegnerin hat die Akte vorgelegt und mit Schreiben vom 11. Januar 2022 beantragt,
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die Klage abzuweisen sowie den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
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Der Antragstellerin wurden am 18. Januar 2022 die Akten zur Akteneinsicht übersandt.
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Die Antragstellerin hat zur Begründung der Klage und des Antrages in dem Schreiben vom 6. Januar 2022 geltend gemacht, als Yezidin im Irak traumatische Erlebnisse und Verfolgung erlitten zu haben. Die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Familienangehörigen hätten sich bereit erklärt, sich um die Antragstellerin zu kümmern. Die Antragstellerin sei krank und benötige regelmäßig ärztliche Versorgung, die ihr in Litauen nicht gewährt werden könne. Darüber hinaus bestünden systemische Mängel im litauischen Asylverfahren. Auch sei die humanitäre Lage vor Ort angesichts der weiter anhaltenden Flüchtlingsströme in Litauen sehr schlecht.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2022 hat die Antragstellerin noch eine medizinische Bescheinigung in englischer Sprache vom 28. September 2019 übersandt. Darüber hinaus hat sie eine hausärztliche Bescheinigung vom 24. Januar 2022 vorgelegt, nach der die Antragstellerin chronisch krank sei und deswegen nach ... zu ihrer Tochter übersiedeln wolle.
22
Ergänzend wird auf die vorgelegte Akte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Er ist insbesondere nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil der Klage der Antragstellerin nach § 75 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt und er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 AsylG bei Gericht eingegangen ist.
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2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch nicht begründet.
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Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durchzuführenden Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, die sich maßgeblich, aber nicht ausschließlich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, fällt im vorliegenden Fall die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsgegnerin aus.
27
Die Abschiebungsanordnung nach Litauen erweist sich im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig.
28
2.1. Der Asylantrag der Antragstellerin ist unzulässig.
29
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne des § 27a AsylG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO).
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2.1.1. Für die Durchführung des Asylverfahren ist vorliegend gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Antragsgegnerin, sondern Litauen zuständig.
31
Die Zuständigkeit Litauens für die Bearbeitung des Asylantrages der Antragstellerin ergibt sich vorliegend aus Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO.
32
Die Antragstellerin hat ausweislich des EURODAC-Treffers Nr. ... am 22. Juni 2021 einen Asylantrag in Litauen gestellt. Nach der Auskunft der litauischen Behörden wartete die Antragstellerin den weiteren Gang des Asylverfahrens nicht ab, sondern verließ Litauen kurze Zeit nach der Antragstellung und reiste nach Deutschland ein.
33
Auf das Übernahmegesuch der Antragsgegnerin vom 29. September 2021 haben die litauischen Behörden am 12. Oktober 2021 ihre Bereitschaft zur Rückübernahme der Antragstellerin gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO erklärt, so dass die Zuständigkeit mit Ablauf des 12. Oktober 2021 auf Litauen überging. Dies zieht auch die Verpflichtung nach sich, angemessene Vorkehrungen für die Ankunft der Antragstellerin zu treffen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist des § 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen.
34
2.1.2 Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgeg nerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann.
35
Die Überstellung nach Litauen ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
36
Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
37
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C493/10 - juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragstellerin führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9).
38
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der verwaltungsgericht lichen Rechtsprechung ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht davon auszugehen, dass ein außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung liegender Ausnahmefall vorliegt oder dass die Antragstellerinin Litauen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. dazu auch VG Ansbach, B.v. 7.5.2019 - AN 18 S 18.50925 - juris Rn. 28; VG Augsburg, B.v. 21.1.2019 - Au 6 S 19.50042 - Rn. 29; VG Ansbach, B.v. 11.4.2018 - AN 14 S 18.50048 - juris; VG München, B.v. 14.7.2016 - M 7 S 16.50401, M 7 S 16.50403 - juris; United States/US Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2017 - https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320. html). Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Litauen gestellt haben, können dies nach ihrer Rückkehr tun. Dublin-Rückkehrer haben in Litauen ohne Unterschied dieselben Ansprüche betreffend Unterbringung und medizinische Versorgung wie andere Asylbewerber auch. Eine kostenlose medizinische Grundversorgung sowie soziale Leistungen in der Asylbewerberunterkunft werden gewährleistet; vulnerable Personen haben Zugang zu psychologischer Unterstützung. Die Unterbringungsbedingungen haben sich in den letzten Jahren sehr verbessert und werden als sehr gut beschrieben, auch wenn es Stimmen gibt, die die Unterkünfte für eine langfristige Unterbringung als ungeeignet empfinden und weitere Verbesserungen fordern. Asylbewerber erhalten ein Tagegeld von zehn Euro im Monat; Nahrung und Hygieneartikel werden zur Verfügung gestellt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl v. 2.11.2018, S. 6 ff.). Danach verfügt Litauen unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass im litauischen Asylsystem systemische Schwächen vorliegen, die auf strukturellen Missständen beruhen, von den litauischen Behörden tatenlos hingenommen werden und zu massiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Asylsuchenden führen würden.
39
Selbst wenn die sozialen und medizinischen Standards in Litauen niedriger sein sollten als in der Bundesrepublik, ist nichts dafür ersichtlich oder konkret vorgetragen, dass dort die Mindeststandards bei der Behandlung der Asylbewerber im Allgemeinen oder im konkreten Fall nicht einhalten würden.
40
Etwas anderes ergibt sich auch nicht von der von der Antragstellerin geltend gemachten Erkrankung. Aus der von der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Februar 2022 vorgelegten Bescheinigung vom 28. September 2019 lässt sich weder konkret entnehmen, wo die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt im Irak in medizinischer Behandlung gewesen sein soll, noch aufgrund welcher Erkrankungen, das der Fall gewesen sein soll. Der sich in allgemeinen Floskeln erschöpfenden Bescheinigung in englischer Sprache vom 27. Juli 2021, die der Ehemann der Antragstellerin dieser nach ihren Angaben nach Deutschland nachgeschickt haben will, lässt sich ungeachtet des geringen Beweiswertes der Bescheinigung „to whom it may concern“ nicht hinreichend entnehmen, dass die Antragstellerin an behandlungsbedürftigen Erkrankungen leidet, die nicht auch in Litauen ausreichend behandelt werden könnten. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin, die sich bereits seit längerer Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, über die Bescheinigung der Hausärztin vom 24. Januar 2022 hinaus keine aktuellen Nachweise für eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorgelegt hat.
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2.1.3 Auch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergibt sich keine Verpflichtung der An tragsgegnerin zum Selbsteintritt. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller bei einer Rückführung nach Litauen erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchten müssten, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK begründen ließen, gibt es nicht.
42
2.1.4 Die Abschiebung nach Litauen kann auch durchgeführt werden.
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Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig.
44
Die Antragstellerin kann sich auf zielstaatsbezogene - bezogen auf Litauen - oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 - 11 ZB 15.50050 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris), nicht berufen.
45
Abschiebungsverbote bezogen auf den Irak sind im Dublin-Verfahren nicht zu prüfen.
46
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Reisefähigkeit der Antragstellerin eingeschränkt wäre.
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Eine Einreise nach Litauen ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG, auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie tatsächlich möglich. Reisende aus der EU unterliegen bei ihrer Einreise einer Registrierungspflicht. Für Einreisende aus Deutschland besteht derzeit nach der Einreise eine Quarantäne- und Testverpflichtung. Diese entfällt bei Genesenen oder Personen, die bereits zweifach geimpft sind. Diese Verpflichtungen treffen die Antragsteller jedoch in gleicher Weise wie alle Personen, die nach Litauen einreisen. Grundsätzlich ist die Einreise jedenfalls möglich. Es bestehen auch regelmäßige, wenn auch reduzierte Flugverbindungen nach Litauen (siehe Auswärtiges Amt, Litauen: Reise- und Sicherheitsnachweise, Stand: 3.1.2022).
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2.2 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, nach dem das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG hierfür nicht.
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2.3 Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG und dessen Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind ebenfalls rechtmäßig. Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu 5 Jahren. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.
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3. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles war daher der An trag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vor allem im Hinblick auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Klage abzulehnen.
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Besondere Umstände, die die Anordnung der aufschiebende Wirkung der Klage entgegen der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides im Wege der Interessenabwägung erforderlich erscheinen ließen, liegen nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).