Titel:
Kein Schadensersatz wegen Nichtbeförderung bei einer Kreuzfahrt aufgrund unvollständigen Corona-Impfschutzes
Normenkette:
BGB § 651n
Leitsätze:
Der Passus lässt auch ohne die nähere Definition des Begriffs der vollständigen Impfung keine andere Auslegung zu, als dass nur die Erfüllung des vollständigen Markenimpfprotokolles des jeweiligen Impfstoffes gemeint war. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Passus in den Reisbedingungen bezüglich einer Kreuzfahrt, dass alle Gäste bis spätestens zwei Wochen vor der Einschiffung vollständig geimpft sein müssen und dass Gäste, die nicht alt genug sind, um bereits geimpft zu werden oder aus einem anderen Grund nicht dazu berechtigt sind, geimpft worden zu sein, auf der Kreuzfahrt nicht zugelassen sind, lässt keine andere Auslegung zu, als dass hiermit nur die Erfüllung des vollständigen Markenimpfprotokolles des jeweiligen Impfstoffes gemeint ist. (Rn. 2) (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reisevertrag, Schadensersatz, Nichtbeförderung, Kreuzfahrt, Corona-Pandemie, Mangelnder Impfschutz
Fundstellen:
LSK 2022, 26067
BeckRS 2022, 26067
COVuR 2022, 655
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 1.915,86 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Rückerstattung eines Reisepreises. Unter der Buchungsnummer ... schloss die Klägerin am 02.09.2021 mit der Beklagten einen Vertrag über die Durchführung einer Mittelmeerkreuzfahrt im Zeitraum vom 02.10.2021 bis zum 10.10.2021 zu einem Reisepreis in Höhe von 1.830,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 vorgelegte Buchungsbestätigung Bezug genommen.
2
Dort heißt es (in rot hervorgehobener Schrift, der link zur Homepage in blauer Schrift):
Voraussetzungen für Ihre Kreuzfahrt:
Alle Gäste mit Abfahrtsdaten bis zum 31.Dezember 2021 müssen bis spätestens zwei Wochen vor der Einschiffung vollständig geimpft sein, um an Bord gehen zu dürfen. Jeder Gast muss den Nachweis erbringen, bis spätestens zwei Wochen vor Beginn der Kreuzfahrt alle erforderlichen Impfdosen der Covid-19 Impfung erhalten zu haben. Gäste, die nicht alt genug sind, um bereits geimpft zu werden oder aus einem anderen Grund nicht dazu berechtigt sind, geimpft worden zu sein, werden auf dieser Kreuzfahrt nicht zugelassen.
Für zusätzliche Protokolle, gehen Sie bitte auf [es folgt die Hompage der Beklagten]
3
Auf ihre Webseite stellte die Beklagte den nachfolgenden Hinweis, auf den unter anderem in den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten Bezug genommen wird:
Obligatorische Impfungen gegen Covid-19
Alle Gäste und unsere Besatzung müssen mindestens 2 Wochen vor der Abreise einen vollständigen Impfschutz vorweisen können, um an Bord kommen zu können. Die aktuellen Impfanforderungen für Gäste gelten für alle Abfahrten.
*Passagiere, die auf einem Schiff von ...reisen, müssen mit Einmarken-Impfprotokollen geimpft sein, die von der US Food and Drug Administration (FDA), der European Medicines Agency (EMA) und/oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugelassen sind.
4
Unter dem Reiter „Sicherheit für unsere Gäste & Crew“ zur Frage „Welche Impfstoffe werden akzeptiert?“ klappt u.a. folgender Text auf:
Vollständig geimpft zu sein bedeutet, das vollständige Markenimpfprotokoll einer Impfstoffmarke ODER zwei Dosen einer gemischten Impfkombination abgeschlossen zu haben. Daher gilt eine einzige Impfung von AstraZeneca, Pfizer-BioNTech, Moderna Sinopharm oder Sinovac nach der COVID-19-Genesung NICHT als vollständig geimpft.
5
In den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten ist unter Ziff. 2.4 geregelt:
Verpflichtende Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen bezüglich COVID-19.
Ungeachtet anderer hierin oder in unserer Rückerstattungsrichtlinie enthaltenen Bestimmungen sind wir bei einer Nichteinhaltung unserer Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen bezüglich COVID-19 oder der Bestimmungen dieses Gastticketvertrages durch Gäste oder Mitglieder der Reisegruppe eines Gastes berechtigt, die Einschiffung oder ein erneutes Betreten des Schiffs zu verweigern (…)
6
Die Beklagte verweigerte der Klägerin am ersten Tag der Reise den Zutritt zu ihrem Schiff, wobei sie sich auf einen nicht ausreichenden Impfschutz der Klägerin gegen das Coronavirus berief. Die Klägerin und ihr mitreisender Ehemann erkrankten im März 2021 an Covid-19. Entsprechend einer Empfehlung des Robert-Koch-Instituts ließen sich beide in einem Abstand von mindestens 3 Monaten zur durchlaufenen Infektion, die Klägerin am 09.09.2021, ihr Ehemann am 01.09.2021 einmalig gegen das Coronavirus impfen. Den Nachweis über die durchlaufene Infektion sowie die Impfung legten beide bei dem Versuch der Einschiffung vor.
7
Die Klägerin konnte erst für den 04.10.2021 einen Rückflug nach Deutschland organisieren. Hierdurch entstanden Übernachtungskosten in Höhe von 85,86 €.
8
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 651l, 651n BGB zu. Sie habe bei Antritt der Reise über den erforderlichen Impfschutz verfügt. Die Einschränkung auf der Webseite sei nicht Vertragsbestandteil geworden, zumal sie weder aus 2 C 1102/21 - Seite 3 - dem Hinweis in der Buchungsbestätigung noch den AGB der Beklagten ersichtlich sei.
9
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 1.915,86 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
11
Die Beklagte beruft sich darauf, die Klägerin sei nicht vollständig geimpft im Sinne der Vorgaben der Beklagten gewesen, weswegen sie dieser die Einschiffung habe verweigern dürfen.
12
Mit dem Einverständnis der Parteien entscheidet das Gericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
13
Die zulässige Klage ist unbegründet.
14
I. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu, da diese berechtigt war, die Einschiffung zu verweigern.
15
Dass die Allgemeinen Reisebedingungen und der rot gefärbte, teilweise fett gedruckte Passus zu den Voraussetzungen der Kreuzfahrt grundsätzlich wirksam in den Vertrag einbezogen wurden steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
16
Der Passus lässt jedoch bereits für sich genommen - auch ohne die nähere Definition des Begriffs der vollständigen Impfung - keine andere Auslegung zu, als dass hiermit nur die Erfüllung des vollständigen Markenimpfprotokolles des jeweiligen Impfstoffes gemeint war.
17
Zunächst einmal handelt es sich bei der Beklagten um ein international operierendes Unternehmen mit Hauptsitz in den USA. Die Klägerin konnte daher nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass diese ihre Reisevorgaben an den Empfehlungen des RKI ausrichtet. Gerade der letzte Satz, wonach Gäste, die nicht alt genug sind, um bereits geimpft zu werden oder aus einem anderen Grund nicht dazu berechtigt sind, geimpft worden zu sein, (…) auf dieser Kreuzfahrt nicht zugelassen [werden], steht einer Auslegung, wonach als vollständig geimpft auch Personen gelten, die genesen sind und danach eine Impfstoffdosis erhalten haben entgegen. Dieser Passus verdeutlicht, dass es der Beklagten einzig und allein auf die Einhaltung eines vollständigen Markenimpfprotokolls ankam und ein (möglicher) Genesenenstatus keine Rolle spielen sollte. Unabhängig davon wird am Ende dieses Passus aber auch, getrennt durch einen Absatz und mit dem ausdrücklichen Hinweis auf „zusätzliche Protokolle“ (hierbei handelt es sich offensichtlich um eine missglückte, wörtliche Übersetzung des englischen Begriffes „protocol“, der in diesem Zusammenhang als Vorschrift zu verstehen ist), ein farblich hervorgehobener, fett gedruckter und unterstrichener link zur Homepage der Beklagten eröffnet, der direkt auf den klägerseits angesprochenen Reiter und die Definition des Begriffes der vollständigen Impfung leitet.
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Der klägerseits abgedruckte Screenshot der Homepage der Beklagten verdeutlicht, dass die Beklagte angesichts der vielen Fragen und Unsicherheiten, die das Reisen während der Corona Pandemie mit sich bringt bemüht war, Reisenden einen geordneten und umfassenden Überblick über die auf ihren Reisen geltenden Vorschriften zu geben. Die Beschreibung erfolgt unter dem Oberbegriff der „Sicherheit“ bzw. „Safe“ oder „Sail-Safe“. Die nähere Definition zum Begriff der vollständigen Impfung findet sich unter der Frage „Welche Impfstoffe werden akzeptiert“. Die Erläuterungen hierunter sind knapp, informativ und übersichtlich gehalten, die Definition der vollständigen Impfung findet sich, getrennt durch einen Absatz, am Ende des nicht einmal eine halbe Seite umfassenden Textes.
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Es bestand daher für die Klägerin eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme dieser Regelung, § 305 Abs. 2 BGB. Diese gilt umso mehr, als die besondere pandemische Situation es - gerade bei Kreuzfahrten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko nahezu unentbehrlich machte, dass sich Reisende vor Buchung bei ihrem jeweiligen Anbieter über die jeweils geltenden Bedingungen eingehend informieren.
20
Nachdem die Klägerin bei dem Versuch der Einschiffung nicht vollständig geimpft im Sinne der Reisebedingungen der Beklagten war, war diese gemäß ZIff. 2.4 ihrer ARB berechtigt, die Einschiffung zu verweigern.
21
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.