Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 24.06.2022 – W 7 K 21.31128
Titel:

unzulässiger Asylfolgeantrag

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 5
Leitsatz:
Einem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann, der zudem bereits vor seiner Ausreise in Albanien gearbeitet hat, ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Falle seiner Rückkehr nach Albanien möglich und zumutbar, um so eine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage für sich zu erwirtschaften. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herkunftsland Albanien, unzulässiger Folgeantrag, junger, gesunder und erwerbsfähiger Mann, Hepatitis-Erkrankung, kein Abschiebungsverbot, Albanien, Wiederaufgreifensgrund, Abschiebungsverbot, Existenzminimum, Rückkehrhilfe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.09.2022 – 9 ZB 22.30835
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25952

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags als unzulässig und begehrt die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote hinsichtlich Albanien unter Abänderung eines früheren bestandskräftigen Ablehnungsbescheids.
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1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am … … 1990 in F* … geborener albanischer Staatsangehöriger. Am … … 2015 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Der Asylantrag des Klägers ist mit Bescheid des Bundesamts vom … … 2015 (Az.: …*) unanfechtbar als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt.
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Im Asylerstverfahren gab der Kläger im Rahmen der persönlichen Anhörung am … … 2015 an, er habe in Albanien Abitur gemacht, anschließend habe er Gelegenheitsjobs auf dem Bau und im Gaststättengewerbe durchgeführt. Seine Eltern wohnten noch in F* …Albanien, zudem habe er noch einen Bruder und eine Schwester in Albanien. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt gab der Kläger an, in Albanien gebe es kein sicheres Leben, der Staat funktioniere nicht und er erhalte keine Unterstützung wie Sozialhilfe, er finde auch keine Arbeit. Er wolle seinen Eltern helfen, die beide krank seien, keine gesundheitliche Unterstützung erhielten und nicht arbeiten gehen könnten. Zudem sei in Albanien die Korruption sehr hoch. Ab und zu sei er arbeiten gewesen, nach fünf Monaten Arbeit habe er immer noch kein Gehalt bekommen. Er habe dies bei der Polizei angezeigt, die davon nichts habe wissen wollen und ihn zum Gericht geschickt habe, das vom Arbeitgeber geschmiert geworden sei und keine Strafe erlassen habe. Er habe in Albanien nichts zu befürchten. Das Einzige, was ihm Unbehagen bereite, sei das schwierige Leben dort.
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2. Am … … 2021 stellte der Kläger schriftlich beim Bundesamt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) sowie auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten. Zur Begründung führte der Kläger aus, er sei seit 2015 an Hepatitis B erkrankt, davon habe er während der Prozeduren in Betreff der Asylregeln erfahren. Er habe dieses Problem damals jedoch nicht ernst genommen und sein Problem nicht mit Ernsthaftigkeit weiterverfolgt. Die Untersuchung und Behandlung würden Geld kosten und könnten nur in privaten Krankenhäusern durchgeführt werden, diese Art von Therapie existiere nicht in Albanien. Eine Therapie müsse begonnen werden, da die Krankheit sich mit der Zeit zu Krebs entwickle.
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3. Mit Bescheid vom … … 2021, zugestellt am … … 2021, lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom … … 2015 (Az.: …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, es handele sich um einen unzulässigen Folgeantrag im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71 Abs. 1 AsylG, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Der Kläger habe keine neuen Gründe vorgetragen, die erst nach Abschluss des Asylerstverfahrens entstanden seien, da er die Krankheit bereits im Erstverfahren habe vorbringen können. Neue Beweismittel seien nicht vorgelegt worden. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien damit nicht erfüllt, das Verfahren sei auch nicht im Interesse rechtmäßigen Verwaltungshandelns von Amts wegen wiederaufzugreifen, da Gründe, die in Bezug auf die Feststellung von Abschiebungsverboten unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Änderung der bisherigen Entscheidung rechtfertigen würden, nicht vorlägen. Selbst wenn der Kläger an Hepatitis erkrankt sei, sei eine medizinische Versorgung für ihn im Heimatland verfügbar und erreichbar. Einer erneuten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung bedürfe es gemäß § 71 Abs. 5 AsylG nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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4. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 8. November 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg und ließ zuletzt beantragen,
1.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. Oktober 2021 wird aufgehoben.
2.
Hilfsweise wird die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung zumindest für den Fall der Nichtbehandlung vor. Der Kläger leide an Hepatitis-C. Beigefügt war ein Befundbericht von „L* … B* …“ vom … … 2021, wonach im EDTA-Plasma bzw. Serum HBV-DNA nachgewiesen worden sei. Er habe keine Verwandten und keine Familie in Albanien. Seine Mutter und sein Bruder lebten in Italien. Aufgrund der Erkrankung an Hepatitis-B seit 1,5 Jahren und der fehlenden Therapie habe er 10 kg Körpergewicht verloren, Leberprobleme (erhöhte Gefahr der Leberzirrhose) und fühle sich kraftlos. Er habe an der Uni T* … Business Management studiert, zwei Jahre in seinem Beruf in Albanien gearbeitet und anschließend eine Umbildung zum Makeup Artist und Friseur gemacht. Aufgrund der Erkrankung sei der Kläger jedoch nicht mehr in der Lage, den Lebensunterhalt zu bestreiten, er könne auch nicht auf die familiäre Unterstützung zählen. Es liege zumindest ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor.
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5. Das Bundesamt beantragte für die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde auf die Gründe des angefochtenen Bescheids verwiesen. Auf den Bericht von United Kingdom - Home Office, Albania - Medical and Healthcare Provision vom 25. Januar 2022 wurde verwiesen.
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6. Mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Die Erkenntnismittelliste Albanien, Stand: Juni 2022, war Gegenstand des Verfahrens.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Gerichts- und Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll vom 24. Juni 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem diesem das Verfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist, § 76 Abs. 1 AsylG.
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Die zulässige Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Unzulässigkeitsentscheidung unter Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom … … 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat ferner weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens in Bezug auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, noch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung insoweit gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG, weil sein darauf gerichteter Anspruch bereits durch eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten erfüllt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insbesondere droht dem Kläger im Fall der Rückkehr nach Albanien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG im Hinblick auf die schlechte Versorgungslage.
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Hierzu wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2021, welchen sich das Gericht aufgrund eigener Überzeugung anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG), verwiesen.
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Lediglich ergänzend hierzu ist noch Folgendes auszuführen:
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1. Die Beklagte hat den Folgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt.
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Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Fall eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags (Folgeantrag) nach Rücknahme oder - wie hier - unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
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Nach diesen Vorschriften liegen Gründe für ein Wiederaufgreifen nur vor, wenn sich die dem Verwaltungsakt zu Grunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich, d.h. nach Abschluss des früheren Asylverfahrens, zu Gunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), Wiederaufgreifensgründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG) und der Betroffene gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen, obwohl die Geltendmachung in dem früheren Verfahren objektiv möglich war (vgl. Bergmann in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 71 AsylG Rn. 22). Die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe genügt (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2000 - 2 BvR 39/98 - juris Rn. 32 m.w.N.).
21
Danach ergeben sich weder aus dem klägerischen Vortrag noch aus den Akten oder dem vorliegenden Erkenntnismaterial zum Herkunftsstaat Albanien Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG. Hierzu verweist das Gericht auf die zutreffenden Erwägungen im angegriffenen Bescheid des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
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Zur Begründung seines Folgeantrags bringt der Kläger vor, er leide seit 2015 an Hepatitis B bzw. C, davon habe er während der Prozeduren in Betreff der Asylregeln erfahren. Da dem Kläger seine Erkrankung an Hepatitis B bzw. C bereits im Asylerstverfahren bekannt war, handelt es sich bereits nicht um eine nachträgliche Änderung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.
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Soweit der Kläger darüber hinaus zum Beleg seiner Erkrankung nunmehr einen Befundbericht von „L* … B* …“ vom … … 2021 vorlegt und hierzu durch seine Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen, dass er sich nicht in der Lage fühle, für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können, vermag dies eine Veränderung der entscheidungsrelevanten Sachlage zugunsten des Klägers hinsichtlich der auf Flüchtlingsschutz beziehungsweise subsidiären Schutz sowie auf Asylanerkennung gerichteten Schutzbegehren nicht zu begründen. Die Voraussetzungen des Wiederaufgreifensgrunds der Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sind schon deshalb nicht erfüllt, da der Kläger in seiner Folgeantragsbegründung vorgetragen hat, er habe von der Erkrankung bereits während der Prozeduren in Betreff der Asylregeln gewusst. Darüber hinaus ist der Vortrag insoweit jedenfalls nach § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Der Kläger hätte den dahingehenden Vortrag bereits im früheren Verfahren geltend machen können, er war hierzu nicht ohne grobes Verschulden außerstande. Nach eigenen Angaben des Klägers handelt es sich bei der Erkrankung an Hepatitis B bzw. C um eine Tatsache, die bereits während des Erstverfahrens objektiv vorlag und ihm auch bekannt war. Es hätte sich dem Kläger aufgrund der ihm bekannten Umstände aufdrängen müssen, die Erkrankung im Asylerstverfahren vorzutragen (vgl. Decker in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 15. April 2022, § 51 Rn. 15). Sofern der Kläger anführt, er habe dies nicht vorgetragen, da er die Krankheit nicht ernst genommen habe, genügt dies nicht, um die Annahme des groben Verschuldens im Sinne von § 51 Abs. 2 VwVfG zu entkräften.
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Jedenfalls betrifft dieser Vortrag auch nicht die entscheidungserheblichen Voraussetzungen des angegriffenen Verwaltungsakts in dem Sinne, dass er unabhängig von der Einordnung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 VwVfG eine günstigere Entscheidung für den Kläger ermöglicht (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 93, 115 ff.). Es wurde als Folge der mutmaßlichen Erkrankung nur vorgetragen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, dem Kläger zur Asylberechtigung, zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu verhelfen, der vom Kläger vorgelegte Befundbericht vom … … 2021 bescheinigt diesem keine Erwerbsunfähigkeit. Der pauschalen Behauptung mangelnder Erwerbsfähigkeit, die mangels entsprechender Belege nicht hinreichend substantiiert ist, ist deshalb nicht zu folgen. Ein entsprechendes Attest, welches dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, liegt im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht vor. Der Kläger hat nicht darlegen können, inwieweit die Erkrankung an Hepatitis B bzw. C und der hierzu vorgelegte Befundbericht zu einer günstigeren Entscheidung in Bezug auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 118).
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2. Des Weiteren hat der Kläger weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, noch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung insoweit gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG, weil sein darauf gerichteter Anspruch bereits durch eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten erfüllt ist. Insbesondere drohen dem Kläger im Fall seiner Rückkehr nach Albanien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG. Auch insoweit wird auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ermessensentscheidung der Beklagten, das Verfahren nicht wieder aufzugreifen, ist daher nicht zu beanstanden. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegt hinsichtlich Albanien nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Albanien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 3 EMRK.
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Der Kläger ist jung, gesund (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG) und arbeitsfähig. Er hat nach eigenen Angaben bereits vor der Ausreise gearbeitet und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Falle einer Rückkehr nach Albanien nicht möglich und zumutbar sein sollte, um so eine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage für sich zu erwirtschaften.
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Zudem ist der Kläger darüber hinaus bei einer möglichen Rückkehr nach Albanien auf Sozialhilfen zur Sicherung seines Existenzminimums sowie die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen zu verweisen. In Albanien ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.600 ALL (ca. 27 EUR) und 8.000 ALL (ca. 57 EUR) sowie gegebenenfalls Invalidengeld von 9.900 ALL (ca. 70 EUR) und einem gleichen Betrag für Betreuung bewegen, sowie Sozialdienstleistungen durch soziale Pflegedienste. Das Gesetz Nr. 9355 für Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen bestimmt als Empfänger von Geldleistungen Familien mit keinem oder geringem Einkommen, Waisen ohne Einkommen, Familien mit Mehrlingsgeburten, Opfer von Menschenhandel oder Gewalt in der eigenen Familie und Menschen mit Behinderung. Staatliche Unterkunft ist auf kommunaler Ebene möglich. Daneben können Sozialhilfebüros drei Prozent ihrer Mittel nach eigenen Kriterien verteilen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich zudem im sozialen Bereich (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [im Folgenden: BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien vom 3.5.2021 [im Folgenden: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien], S. 27 f.).
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Überdies steht es dem Kläger frei, seine finanzielle Situation in Albanien aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können albanische ausreisewillige Personen etwa Leistungen aus dem REAG-Programm und dem GARP-Programm erhalten sowie Leistungen von Reintegrationsprogrammen wie Perspektive Heimat/Startfinder oder StarthilfePlus in Anspruch nehmen (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/countries/albania/, abgerufen am 24.6.2022). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Albanien freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
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An Vorstehendem ändert auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts, zumal der Kläger nicht substantiiert vorgebracht hat, dass und inwieweit ihm persönlich aufgrund der Pandemie zum jetzigen Zeitpunkt eine konkrete Gefahr mit beachtlicher bzw. hoher Wahrscheinlichkeit drohen könnte. Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Albanien aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie verschlechtert (vgl. BAMF, Länderinformation - Albanien, Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, November 2020, S. 6 ff.), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt für nicht hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, zumal eine Erholung der Exporte und des privaten Konsums 2021 zu einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zwischen vier und sechs Prozent führen sollte. Zudem führt Albanien wichtige Strukturreformen durch, die ein gerechtes Wachstum unterstützen, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhöhen, mehr Arbeitsplätze schaffen und die Regierungsführung und die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen verbessern. Die albanische Regierung arbeitet an einem breit angelegten Reformprogramm, das sich auf die makroökonomische und fiskalische Nachhaltigkeit, die Stabilisierung des Finanzsektors, die Energiereform, die Reform der Sozialhilfe und des Behindertenwesens sowie die territoriale Dezentralisierung konzentriert (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, S. 27 f.).
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Auch unter Berücksichtigung der vorgehenden Ausführungen hat das Gericht vorliegend keine Zweifel daran, dass es dem jungen, gesunden (§ 60a Abs. 2c AufenthG) und arbeitsfähigen Kläger gelingen wird, seine Existenz in Albanien durch eigene Erwerbstätigkeit sowie gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen sowie staatlicher Unterstützungsleistungen zu sichern, selbst wenn unter Umständen nur ein Leben am Rande des Existenzminimums möglich wäre.
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b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die sich das Gericht zu eigen macht, wird wiederum Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Lediglich ergänzend ist Folgendes auszuführen:
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei ist unerheblich, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt alleine auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324). Es gilt der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
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§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr voraus, die den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betrifft. Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet allerdings dann aus, wenn die Gefahr eine Vielzahl von Personen im Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so z.B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen, § 60 Abs. 7 Satz 5  AufenthG. Diese allgemeinen Gefahren sind stattdessen bei Aussetzungsanordnungen durch die obersten Landesbehörden nach § 60 Abs. 7 Satz 5 i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Gleichwohl kann ein Ausländer nach der Rechtsprechung des BVerwG im Hinblick auf die im Herkunftsland herrschenden Existenzbedingungen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er im Fall der Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, dem betroffenen Ausländer im Wege verfassungskonformer Auslegung Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09, NVwZ 2011, 48 Rn. 14 f.). Wann sich allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot verdichten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Es muss sich aber jedenfalls um Gefahren handeln, die nach Art, Ausmaß und Intensität von erheblichem Gewicht sind. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 ff. m.w.N.; BayVGH. U.v. 17.2.2009 - 9 B 08.30225 - juris m.w.N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Fall der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde: vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 -; BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 -; BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 -; BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 -; BayVGH, U.v. 16.1.2014 - 13a B 13.30025 -, alle juris). Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen.
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Im Fall des Klägers kann eine derartige Extremgefahr jedoch nicht prognostiziert werden. Auch insoweit gilt, wie bereits ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es dem jungen, gesunden (§ 60 Abs. 2c AufenthG) und arbeitsfähigen Kläger möglich sein wird, seine Lebensgrundlage - auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie - durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern.
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Es liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen einer Erkrankung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor.
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Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen kann ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u. a. - juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
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Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze wird nach § 60a Abs. 2c AufenthG vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese gesetzliche Vermutung hat der Kläger mangels Vorlage einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung, die die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG erfüllt, auch nicht widerlegt. Der vorgelegte Befundbericht vom 1. September 2021 genügt schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, da dieser keine genaue Diagnose unter Nennung eines ICD-10-Codes beinhaltet. Es handelt sich lediglich um die Darstellung von Blutwerten in Bezug auf eine durchgeführte Blutuntersuchung auf Hepatitis und HIV. Eine genaue Diagnose wird jedoch nicht genannt. Aus dem vorgenannten Befundbericht geht auch nicht der Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen hervor, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Befundbericht auch nicht das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG.
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Da es nach alledem bereits an einer Erkrankung i.S.d § 60 Abs. 7 AufenthG fehlt, kommt es auf die Frage der Behandelbarkeit und ihrer Zugänglichkeit nicht an. Für das Gericht bestand auch weder aufgrund der vorgelegten Unterlagen, noch aufgrund der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung Anlass für eine weitere gerichtliche Amtsermittlung. Es bleibt bei der Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
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Selbst wenn man entgegen der vorgenannten Ansicht davon ausgehen wollte, das beim Kläger eine Erkrankung i.S.d § 60 Abs. 7 AufenthG vorläge, so wäre - selbständig tragend - die vorgetragene Erkrankung an Hepatitis B bzw. C in Albanien auch behandelbar und dem Kläger die Behandlung zugänglich. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen, denen sich das Gericht aus eigener Überzeugung anschließt (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
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c) Der Kläger hat letztlich auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG. Er hat zwar grundsätzlich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, Ermessensfehler der Beklagten sind vorliegend jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, so dass die Ermessensentscheidung, das Verfahren nicht wieder aufzugreifen, nicht zu beanstanden ist. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, welchen das Gericht aus eigener Überzeugung folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.