Titel:
Beseitigung einer teilweisen Straßenabsperrung - Berufungszulassung
Normenketten:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1
StVG § 24 Abs. 1
StVO § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
Leitsätze:
1. Fehler der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen, genügt es nicht, einer vertretbaren Sachverhaltsbewertung des Gerichts nur eine eigene abweichende Sachverhaltsbewertung entgegenzustellen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist eine nicht als Verkehrsfläche gewidmete Teilfläche eines Privatgrundstücks asphaltiert und zur vorbeilaufenden Straße nicht sichtbar abgegrenzt, ist der Rückschluss naheliegend und zutreffend, dass diese Fläche damit zumindest konkludent dem Gemeingebrauch überlassen worden ist und als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche eine Straße im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 1 StVO darstellt, da es dabei nicht auf den inneren Willen des Berechtigten, sondern auf die für die Verkehrsteilnehmer erkennbaren äußeren Umstände ankommt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den abstrakten Gefährdungstatbestand des § 32 Abs. 1 StVO muss die Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs nicht bereits eingetreten oder sicher, sondern nur mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten oder nicht ganz unwahrscheinlich sein. Ob durch den Gegenstand auf der Straße ein verkehrswidriger Zustand eintreten kann, ist im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen, wobei der Inhalt der Widmung der Verkehrsfläche einschließlich der konkreten Zweckbestimmung der betroffenen Areale und die Zweckbestimmung des Gegenstands sowie die mit ihm und der Dauer seines Verbleibs einhergehende Erschwerung oder Gefährdung des Verkehrs von Bedeutung sind ((BVerwG BeckRS 2015, 43468 Rn. 23, Rn. 24). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Verantwortlich für die verkehrswidrigen Zustände und Beseitigungspflichtige iSd § 32 Abs. 1 S. 2 iVm S. 1 StVO sind - in Übereinstimmung mit polizei- bzw. sicherheitsrechtlichen Grundsätzen - sowohl der unmittelbare Verursacher der Verkehrserschwernis als auch der dies duldende Eigentümer der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche, den die Verkehrssicherungspflicht trifft, so dass im Interesse einer raschen und effektiven Beseitigung des verkehrswidrigen Zustands von vornherein beide nebeneinander in Anspruch genommen werden können. (Rn. 24 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, teilweise Absperrung einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche, Störerauswahl, Überzeugungsgrundsatz, Sachverhaltsbewertung, Gemeingebrauch, tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, abstrakter Gefährdungstatbestand, verkehrswidriger Zustand, Gesamtschau, Beseitigungspflichtige, unmittelbarer Verursacher, Verkehrssicherungspflichtiger
Vorinstanz:
VG Regensburg, Entscheidung vom 08.03.2022 – RO 4 K 20.2401
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25914
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen eine sicherheitsrechtliche Anordnung der beklagten Marktgemeinde.
2
Am 9. Juli 2020 erwarb die Klägerin zu 2 das Anwesen H. H.str. … in S. … (Grundstück Fl.Nr. 20/1 der Gemarkung S. ….) von ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1. Östlich des Anwesens und auf einer nicht als Verkehrsfläche gewidmeten Teilfläche dieses Grundstücks verläuft eine S., über die bereits seit ca. 20 Jahren das Anwesen H. H.str. … und seit jüngstem auch das Anwesen H. H.str. … . erschlossen wird.
3
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Mai 1963 verkaufte der Beklagte das Anwesen H. H.str. …, die Grundstücke Fl.Nr. 18 und 21 der Gemarkung S. … („Schule mit Lehrerwohnung, Nebengebäude, Hofraum, Gartenland“ 0,1780 ha und „an der H. … straße, freier Platz“ 0,0310 ha), an C.A.B. und F.P.. Das Grundstück Fl.Nr. 21 der Gemarkung S. … entspricht dem heutigen Grundstück Fl.Nr. ../1 der Gemarkung S. … Mit notariellem Kaufvertrag vom 5. April 1977 verkaufte F.P. seinen Miteigentumsanteil an den Grundstücken an den Kläger zu 1 und dessen damalige Ehefrau. In der notariellen Urkunde ist festgehalten, dass über den Miteigentumsanteil des weiteren Miteigentümers C.A.B. das Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht Regensburg eröffnet worden sei und die Käufer dessen Ersteigerung beabsichtigten. Ein notarieller Kaufvertrag liegt nicht vor.
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Am 28. Januar 2020 bat der Kläger zu 1 den Beklagten um Übersendung eines Lageplans des Grundstücks Fl.Nr. 8/.. der Gemarkung S. …, aus dem sich im fraglichen Bereich eine Straßenbreite zwischen 3,76 und 3,92 m ergibt.
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In den folgenden Tagen kam es zu mehreren Beschwerden der Anwohner der Anwesen H. H.str. … … und … Die Familie der Kläger parke oft zwei Autos vor dem Anwesen H. H.str. … und erschwere dadurch die Ausfahrt. Außerdem hätten die Kläger die Abschleppung parkender Fremdfahrzeuge von ihrem Privatgrund angedroht. Am 26. Mai 2020 kam es zu einem Verkehrsunfall, als eine Besucherin des Anwesens H. H.str. … beim Rückwärtsfahren gegen eine Säule stieß, die die Kläger an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Fl.Nr. 8/.. und ../1 der Gemarkung S. … aufgestellt hatten.
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Am 25. Juli 2020 errichteten die Kläger auf einer Länge von 27 m eine Absperrung auf der Grundstücksgrenze, bestehend aus einem Maschendrahtzaun und fünf Pflanzkübeln.
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Mit Bescheid vom 24. September 2020 verpflichtete der Beklagte die Kläger gestützt auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i.V.m. §§ 32, 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und der Androhung eines Zwangsgelds, die entlang der Grundstücksgrenze zwischen den Fl.Nr. 8/.. und ../1 der Gemarkung S. … auf einer Länge von ca. 27 m errichtete, im beigefügten Lageplan näher bezeichnete Absperrung im Bereich der H. … straße zu entfernen und den baulichen Zustand der Straße vor Errichtung der Absperrung wiederherzustellen. Durch die Absperrung würden insgesamt ca. 32 m² der bisherigen Fahrbahn abgesperrt und dem öffentlichen Verkehr entzogen. Eine Genehmigung für die Errichtung der Absperrung sei nicht beantragt worden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stelle die Errichtung einer Absperrung oder eines sonstigen Hindernisses auf einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche eine unzulässige Selbsthilfe und verbotene Eigenmacht dar. Es sei nicht zu bezweifeln, dass durch die Errichtung der Zaunanlage ein Verkehrshindernis geschaffen worden sei. Es liege auf der Hand, dass dies unter den ohnehin schon beengten Verhältnissen zu einer abstrakten Gefahr führe. Die Durchfahrtsbreite werde an der engsten Stelle auf ca. 3 m verengt. Es entspreche pflichtgemäßem Ermessen, die Beseitigung des errichteten Hindernisses anzuordnen. Zum einen entspreche es dem Normzweck, Eingriffe Privater in den Gemeingebrauch an (faktisch) öffentlichen Straßen zu unterbinden. Zum anderen bedeuteten die errichteten Absperrungen im vorliegenden Fall eine erhebliche Verschlechterung der ohnehin beengten Gesamtfahrbahnbreite mit dem Ergebnis, dass für breitere Fahrzeuge ein Passieren dieses Abschnitts von und zu den Grundstücken im dahinterliegenden Bereich nicht mehr möglich sei.
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Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger am 1. Oktober 2020 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben, das am 7. Juli 2021 einen Augenschein durchführte.
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Mit Schreiben vom 29. November 2021 beantragten die Kläger beim Beklagten vorsorglich die Straße, soweit sie auf ihrem Grund liege, einzuziehen und die Asphaltfläche zu beseitigen.
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Mit Urteil vom 8. März 2022 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 LStVG seien erfüllt, weil die Kläger den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 27 i.V.m. § 32 StVO verwirklicht hätten, indem sie auf der östlich des Anwesens der Klägerin zu 2 gelegenen S. auf einer Länge von 27 m eine Absperrung, bestehend aus einem Maschendrahtzaun und fünf Pflanzkübeln, errichtet hätten. Die Befugnis des Beklagten sei nicht durch eine andere spezialgesetzliche Befugnis verdrängt worden. Die Beseitigungsanordnung leide auch nicht an einem Ermessensfehler. Bei der östlich des Anwesens der Klägerin zu 2 gelegenen S. handle es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, auch wenn den Klägern bis zur Errichtung des Zauns nicht bekannt gewesen sei, dass die Grundstücksgrenze auf der Straßenfläche verlaufe. Nach Auffassung des Gerichts habe bereits der Beklagte, der bis 1963 Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. 18 und 21 der Gemarkung S. … gewesen sei, die Fläche zum Gemeingebrauch überlassen. Aus einem Luftbild von 1953 ergebe sich, dass schon zu diesem Zeitpunkt die S. der Erschließung der im rückwärtigen Bereich der H. … straße gelegenen Anwesen gedient habe. Dies lasse den Rückschluss zu, dass die Fläche zumindest konkludent dem Gemeingebrauch überlassen worden sei. Ein anderes Ergebnis folge nicht aus dem Lageplan zum Kaufvertrag von 1963, weil dieser nicht die Straßenverhältnisse abbilde, sondern lediglich die Grundstücksgrenzen wiedergebe. Durch die Absperrung, die den Verkehr im Sinne von § 32 StVO erschweren könne, hätten die Kläger unberechtigt einen Gegenstand auf die Straße gebracht. Die Absperrung führe zu einer erheblichen Verengung der S., die deren Nutzung und die Zufahrt zu den im rückwärtigen Bereich gelegenen Grundstücken erheblich beeinträchtige. Dies werde u.a. durch den Verkehrsunfall vom 26. Mai 2020 belegt. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Der Beklagte habe das ihm zustehende Ermessen erkannt und sich bei dessen Ausübung am Normzweck orientiert. Zusätzlich habe er berücksichtigt, dass die hier errichteten Absperrungen die ohnehin beengte Gesamtfahrbahnbreite erheblich verschmälerten. Sachfremde Erwägungen seien nicht erkennbar. Unschädlich sei, dass der Bescheid keine vertieften Überlegungen zur Störerauswahl enthalte. Die Kläger hätten nie bestritten, die streitgegenständliche Absperrung errichtet zu haben, sodass sie als Handlungsstörer verantwortlich seien. Die Klägerin zu 2 sei als Eigentümerin jedenfalls Zustandsstörerin. Bei dieser Sachlage sei der Beklagte nicht gehalten gewesen, weitere Ermittlungen anzustellen. Ein Ermessensfehler liege auch nicht im Erlass des Bescheids drei Tage nach Gewährung der Akteneinsicht. Dies stelle auch keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, machen die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten geltend. Zur Begründung tragen sie vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer Überlassung zum Gemeingebrauch ausgegangen. Nach dem Kaufvertrag vom 28. Mai 1963 sollten „Nutzen und alle öffentlichen Lasten und Abgaben“ mit demselben Tag auf den Käufer und der „freie Platz an der H. … straße“ ausdrücklich mit allen Rechten auf die Käufer übergehen. Es dürfe unterstellt werden, dass die an Recht und Gesetz gebundene Gemeinde nicht eine Gemeingebrauchsfläche wider besseres Wissen zurückbehalten hätte, was eine arglistige Täuschung bzw. Betrug dargestellt hätte. Ferner lägen keine Beschwerden der Anwohner der H. H.str. … und … vor. Insoweit sei der Vortrag des Beklagten falsch. Auch aus einem Verkehrsunfall unbekannten Hergangs könne nicht spekulativ auf eine gefährliche Straßenverengung geschlossen werden. Dazu hätte das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen oder zumindest einen Fahrversuch unternehmen müssen. Die Zufahrt diene augenblicklich als Erschließung eines neu genehmigten Bauvorhabens (H. H.str. ..), zu dem ein Verkehrsgutachten eingeholt worden sei, demzufolge die verkehrliche Erschließung gesichert sei. Hierauf gehe das Verwaltungsgericht nicht ein. Demgegenüber würden zahlreiche Baufahrzeuge, u.a. Lastkräne, riesige Lkw mit Anhänger und Ladekabinen, die Enge passieren, um zu den Grundstücken H. H.str. … und … zu kommen. Der Bau sei in vollem Gange. Schwerstes Gerät habe die Enge passiert. Die Annahme, diese könne nicht mehr durchfahren werden, sei also unbewiesen und falsch. Die sich trichterförmig öffnende S. werde während der Bauphase derzeit vom Bauherrn oft stundenlang für Ladearbeiten genutzt. Was die Störerauswahl betreffe, reiche es nicht aus, dass die Kläger die Errichtung der Absperrung nicht bestritten hätten. Es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Anhörung. Es sei nicht Aufgabe der Kläger, die Störerauswahl zu begründen. Der Beklagte müsse sich schon entscheiden: entweder ziehe er die Klägerin zu 2 als Zustandsstörerin heran oder eben den Beklagten (gemeint wohl: den Kläger zu 1) als Verhaltensverantwortlichen. Die Anforderungen an das Auswahlermessen würden es verbieten, beide in „Sippenhaft“ zu nehmen. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten ergäben sich daraus, dass die Rechtssache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle abweiche. Eine nur kursorische bzw. summarische Prüfung der Erfolgsaussichten im Zulassungsverfahren lasse keine sichere hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits zu.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 - Vf. 133 VI 04 - VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 - Vf. 38-VI-14 - BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall.
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Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid unter formellen Fehlern, insbesondere einer fehlerhaften Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG), leiden soll. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Kläger haben mit ihrem Vorbringen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids aber auch nicht in materieller Hinsicht in Frage gestellt.
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Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982, im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch § 2 des Gesetzes vom 27. April 2020 (GVBl S. 236), können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anordnungen für den Einzelfall auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung treffen, um rechtswidrige Taten zu verhüten oder zu unterbinden, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen. Nach § 24 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2020 (BGBl I S. 1653), i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl I S. 367), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. April 2020 (BGBl I S. 814), erfüllt ein Verstoß gegen das Verbot, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann, den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Der für solche verkehrswidrigen Zustände Verantwortliche hat sie unverzüglich zu beseitigen und bis dahin ausreichend kenntlich zu machen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 StVO).
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Entgegen der Auffassung der Kläger ist die gerichtliche Annahme, dass es sich bei der in ihrem Eigentum stehenden, nicht gewidmeten Teilfläche um eine Straße im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO handelt, nämlich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche und damit eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne von § 1 StVG und § 1 StVO, nicht zu beanstanden. Mit ihrem Vortrag, der Beklagte habe ihren Rechtsvorgängern mit Kaufvertrag vom 28. Mai 1963 sämtliche Rechte, Nutzen und Lasten an den verkauften Grundstücken übertragen, und der Unterstellung, eine rechtsgebundene Gemeinde hätte nicht eine Gemeingebrauchsfläche wider besseres Wissen zurückbehalten, ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass ein kleiner Teil der veräußerten Grundstücke mindestens seit 1953 als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche zur Erschließung der rückwärtigen Grundstücke genutzt wurde, nicht in Frage gestellt. Die Nutzung als Verkehrsfläche bedeutet nicht, dass die Gemeinde bei der Veräußerung im Jahr 1963 eine „Gemeingebrauchsfläche … zurückbehalten“ hätte, was nach dem notariellen Kaufvertrag auch nicht der Fall ist. Ob die Eigenschaft einer Teilfläche als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche einen Sach- oder Rechtsmangel des veräußerten Grundstücks darstellt und von welchen Vorstellungen die Beteiligten beim Abschluss des Kaufvertrags ausgegangen sind, kann hier dahinstehen. Ziffer II. des notariellen Vertrags spricht dafür, dass den Rechtsvorgängern der Kläger die jeweilige Eigenschaft und Beschaffenheit der von ihnen erworbenen Grundstücksflächen bekannt war, da die Übergabe der veräußerten Grundstücke bei Vertragsabschluss bereits stattgefunden hatte. Jedenfalls ergibt die Luftaufnahme aus dem Jahr 1953, auf die das Verwaltungsgericht seine rechtliche Würdigung gestützt hat, eindeutig, dass die streitgegenständliche Fläche bereits damals asphaltiert war und ohne sichtbare Abgrenzung zu der S. gehörte, die zu den rückwärtigen Grundstücken führt. Der Rückschluss, dass diese Fläche damit zumindest konkludent dem Gemeingebrauch überlassen worden ist, ist naheliegend und zutreffend, da es dabei nicht auf den inneren Willen des Berechtigten, sondern auf die für die Verkehrsteilnehmer erkennbaren äußeren Umstände ankommt (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl., 2020, Rn. 13 ff.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 1 StVO Rn. 13 f.; BayVGH, U. v. 26.2.2013 - 8 B 11.1708 - BayVBl 2013, 629 = juris Rn. 32; B. v. 7.2.2011 - 11 CS 10.3000 - juris Rn. 20 f.; B.v. 19.4.2007 - 11 ZB 06.2058 - juris Rn. 42 f.). Ebenso wenig ist die Erwägung des Gerichts zu beanstanden, dass diese tatsächlichen Verhältnisse nicht durch einen die Grundstücksgrenzen aufzeigenden Lageplan widerlegt werden können.
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Die Kläger haben nicht aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht mit diesen Erwägungen die Grenzen der freien richterlichen Überzeugungsbildung überschritten hat, wonach die richterliche Überzeugung auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen und insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten muss. Fehler der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen, genügt es nicht, einer vertretbaren Sachverhaltsbewertung des Gerichts nur eine eigene abweichende Sachverhaltsbewertung entgegenzustellen (Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2022, § 124a Rn. 100; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 19; BayVGH, B.v. 18.8.2022 - 10 ZB 22.1265 - juris Rn. 4; B.v. 6.7.2022 - 24 ZB 22.319 - juris Rn. 22; B.v. 23.5.2022 - 3 ZB 21.2958 - juris Rn. 8; SächsOVG, B.v. 13.5.2022 - 3 A 844/20 - juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 30.3.2022 - 6 A 1776/20 - juris Rn. 8 f.).
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Rechtlich ohne Belang ist der Einwand, es lägen keine Anwohnerbeschwerden vor, was nach dem Akteninhalt allerdings nicht zutrifft. Nach einem Aktenvermerk vom 4. Februar 2020 haben u.a. die Bewohner der Anwesen H. H.str. … und … beim Beklagten wegen der durch die Kläger zu ihrem Nachteil veränderten Verhältnisse in der S. vorgesprochen.
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Soweit die Kläger vortragen, die von ihnen errichtete Absperrung führe zu keiner gefährlichen Verengung der Straße, geht dies zumindest teilweise an der Sache vorbei. Wie der Beklagte zu Recht geltend macht, ist das Verwaltungsgericht nicht von einer gefährlichen Verengung, sondern davon ausgegangen, dass die Absperrung den Verkehr im Sinne von § 32 StVO erschweren könne, weil sie die S. erheblich verenge. Deren Nutzung und die Zufahrt zu den im rückwärtigen Bereich gelegenen Grundstücken würden erheblich beeinträchtigt, was durch den Verkehrsunfall vom 26. Mai 2020 belegt werde. Das Gericht hat weder - wie behauptet - aus einem Verkehrsunfall unbekannten Hergangs auf das Vorliegen einer Gefahr geschlossen, noch angenommen, dass die Engstelle nicht mehr durchfahren werden kann.
21
Bei § 32 Abs. 1 StVO handelt es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand (BVerwG, U.v. 11.12.2014 - 3 C 6.13 - BVerwGE 151, 129 = juris Rn. 23). Die Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs muss nicht bereits eingetreten oder sicher sein. Es reicht vielmehr aus, dass sie mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten oder nicht ganz unwahrscheinlich ist (BVerwG, a.a.O. m.w.N.; König in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 32 StVO Rn. 17). Ob ein auf die Straße gebrachter oder dort belassener Gegenstand danach ein solches Hindernis darstellt, ist im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen (BVerwG, a.a.O. Rn. 24). Es kommt darauf an, ob durch den Gegenstand ein verkehrswidriger Zustand eintreten kann, wobei der Inhalt der Widmung der Verkehrsfläche (also z.B. für alle Verkehrsarten oder etwa nur für den Fußgängerverkehr) einschließlich der konkreten Zweckbestimmung der betroffenen Areale (also Fahrbahn, Gehweg oder Sperrfläche) und die Zweckbestimmung des Gegenstands sowie die mit ihm und der Dauer seines Verbleibs einhergehende Erschwerung oder Gefährdung des Verkehrs von Bedeutung sind (BVerwG, a.a.O. Rn. 24).
22
Hieran gemessen ist die gerichtliche Würdigung des Sachverhalts nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Die S. dient der Erschließung von mindestens zwei rückwärtigen Wohnanwesen und der Aufnahme von Kraftfahr-, Rad- und Fußgängerverkehr. Gehsteige, Grünstreifen oder sonstige Ausweichmöglichkeiten sind nicht vorhanden. Auf der Ostseite wird die S. unmittelbar durch die Gebäudewand des Anwesens H. H.str. … begrenzt. Nach den vorliegenden Lichtbildaufnahmen verschmälert die auf der Grundstücksgrenze errichtete Absperrung die ohnehin nicht breite S. noch etwa um bis zu ein Drittel. Auch wenn die restliche Straße an der engsten Stelle nach dem Vortrag der Kläger noch etwa 3,20 m breit sein soll, ist damit ein Begegnungsverkehr mit einem Kraftfahrzeug auf einer Länge von etlichen Metern ausgeschlossen und mit Fahrrädern und Fußgängern deutlich erschwert. Die Absperrung schneidet Fahrradfahrern und Fußgängern auf der Westseite der S. bisher vorhandene Möglichkeiten ab, einem Kraftfahrzeug auszuweichen, und verringert den seitlichen Sicherheitsabstand auf ein Minimum. Ferner wird der Verkehr mit breiteren Fahrzeugen wie Rettungs- und Feuerwehrfahrzeugen erschwert, nämlich zumindest deutlich verlangsamt. Dagegen spricht nicht, dass ein Baufahrzeug, dessen Führer regelmäßig nicht unter demselben Zeitdruck steht wie der eines Rettungsfahrzeugs, die Enge noch passieren kann. Nach den Lichtbildern in der Behördenakte ist auch davon auszugehen, dass das verunfallte Kraftfahrzeug der Besucherin des Anwesens H. H.str. … am 26. Mai 2020 ohne den aufgestellten Grenzpfosten die S. rückwärts sehr viel leichter und voraussichtlich ohne Schaden hätte verlassen können.
23
Schließlich haben die Kläger auch nicht dargelegt, dass der Beklagte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ermessenswidrig gehandelt habe, indem er sie beide als Störer herangezogen hat.
24
Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StVO hat derjenige, der für die verkehrswidrigen Zustände, hier die Erschwerung des Verkehrs durch eingebrachte Gegenstände, verantwortlich ist, diese unverzüglich zu beseitigen. Dies ist sowohl der unmittelbare Verursacher der Verkehrserschwernis als auch der dies duldende Eigentümer der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche, den die Verkehrssicherungspflicht trifft (vgl. Ritter in BeckOK Straßenverkehrsrecht, Stand 15.7.2022, § 32 StVO Rn. 22; Sauthoff, a.a.O. Rn. 17). Gleiches gilt nach polizei- bzw. sicherheitsrechtlichen Grundsätzen. Danach ist auch Handlungsstörer, wer das gefahrverursachende oder störende Verhalten einer anderen Person duldet, obwohl er von Rechts wegen dagegen einschreiten müsste und auch könnte (vgl. Lindner in Beck OK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.7.2022, Art. 9 LStVG Rn. 8 ff. zur weitgehenden Identität der Störervorschriften des LStVG und des PAG; Art. 7 PAG Rn. 29).
25
Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass beide Kläger als Handlungsstörer in Betracht kamen. Die Klägerin zu 2 wäre aufgrund ihres Eigentums an der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche weiter als Zustandsstörerin zur Beseitigung der Absperrung verpflichtet gewesen. Im Interesse einer raschen und effektiven Beseitigung des verkehrswidrigen Zustands durfte der Beklagte auch beide Kläger von vornherein nebeneinander in Anspruch nehmen. Andere Personen als sie kamen als Störer ersichtlich nicht in Betracht. Die Kläger haben nie in Abrede gestellt, dass sie die Absperrung zu verantworten haben, weil sie sie entweder selbst errichtet, in Auftrag gegeben oder gebilligt und geduldet haben. Die genaueren Umstände, unter denen es zu der Errichtung der Absperrung und deren Verbleib auf dem Grundstück der Klägerin zu 2 gekommen ist, konnten allein ihnen bekannt sein. Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Maßnahme hätte es ihnen daher oblegen, sich zu äußern, wenn sich einer von ihnen für die Straßenabsperrung nicht für verantwortlich hielt. Aufgrund des Anhörungsschreibens vom 18. August 2020 war für sie hinreichend erkennbar, dass, weshalb und wozu sie sich äußern konnten und mit welcher Entscheidung sie zu rechnen hatten (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 35). Es handelt sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt, an dessen Entstehung sie maßgeblichen Anteil hatten. Stattdessen hat ihr Bevollmächtigter am letzten Tag der bis 11. September 2020 verlängerten Äußerungsfrist jedoch nur einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Inwiefern dieser Verfahrensablauf einen die Ermessensentscheidung beeinflussenden Anhörungsfehler bergen soll, ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen.
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Nach alledem bestand für den Beklagten kein Anlass, nähere Ermittlungen zum verantwortlichen Störer und entsprechende Ermessenserwägungen anzustellen.
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2. Aus den vorstehenden Gründen sind auch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ersichtlich. Die durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen lassen sich ohne weiteres anhand des Gesetzes beantworten oder sind bereits in der Rechtsprechung geklärt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27 ff.; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO § 124 Rn. 28e). Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 - 9 ZB 16.1068 - juris Rn. 14).
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3. Als unterlegene Rechtsmittelführer haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG.
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5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).