Titel:
Anfechtungsklage gegen Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts
Normenketten:
BayNatSchG Art. 39
VwGO § 124 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage des Verkäufers gegen Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts, Wechselbeziehung zwischen einem möglichen aufsichtlichen Vorgehen durch die Naturschutzbehörde und der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts (verneint), Ermessensreduzierung bezüglich der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts wegen unterlassenen naturschutzrechtlichen Einschreitens (verneint)., Anfechtungsklage, Vorkaufsrechtsausübungsbescheid, naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht, Abwägung, Privatautonomie, naturschutzrechtliche Belange, Ermessensreduzierung, naturschutzrechtliches Einschreiten
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 24.05.2022 – RO 4 K 20.2231
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25902
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
2
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
3
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
4
a) Der Kläger ist der Auffassung, das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg, mit dem seine Anfechtungsklage gegen den Vorkaufsrechtsausübungsbescheid des Beklagten bezüglich der vom Kläger verkauften Grundstücke FlNrn. 809 und 810 der Gemarkung H. abgewiesen wurde, sei falsch, da die Belange des Naturschutzes die Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegend nicht rechtfertigten. Es müsse eine Abwägung stattfinden zwischen der Privatautonomie bzw. dem Grundrecht nach Art. 14 GG, da der Eigentümer grundsätzlich entscheiden könne, wem er bzw. zu welchen Konditionen er sein Eigentum übertrage. Um darin einzugreifen, müssten die gesetzlichen Vorgaben ohne Zweifel vorliegen. Das Urteil führe lediglich auf, dass vieles dafür spreche, dass die bislang ausgeübte Nutzung des Grundstücks FlNr. 809 jedenfalls teilweise den beschriebenen Zielen des Naturschutzes zuwider laufe. Wie sich jedoch aus dem Urteil und dem Ortstermin ergebe, seien die größeren Holzablagerungen, Gartenmüll und eine Feuerstelle teilweise auf dem Nachbargrundstück vorhanden. Hier hätten Auflagen seitens des Landratsamts ausgereicht, um das Eigentumsgrundrecht zu schützen und die - plausiblen - Gründe der unteren Naturschutzbehörde zu erfüllen. Eines Eingriffs in das Grundrecht im Rahmen des Vorkaufsrechts habe es in keinster Weise bedurft. Dies gelte umso mehr, da das Ermessen auf null reduziert sei. Jedenfalls dann, wenn private Belange von grundrechtlichem Gewicht im Raum stünden, sei bei der Ermessensausübung von der Verwaltung die - nicht regelhafte - Vorkaufsrechtsausübung zu begründen. Diesen vom Gericht vorgegebenen Maßgaben werde die Ausübung des Ermessens durch den Beklagten nicht gerecht, jedenfalls seien dessen Erwägungen weder ausreichend noch nachvollziehbar, da die untere Naturschutzbehörde im Rahmen von Auflagen bzw. Verwaltungsakten tätig hätte werden können. Hinzu komme, dass aufgrund der Tatsache, dass die untere Naturschutzbehörde bezüglich der bereits seit langem vorhandenen Hütte sowie der Nutzung, wie dies beim Ortstermin auch gesehen worden sei, schon viel früher hätte eingreifen müssen. Da dies jahrelang in Kauf genommen worden sei, könne dies nunmehr im Rahmen der Ermessensausübung bewertet werden, weshalb hier eine Ermessensreduzierung auf null vorzunehmen sei mit der Folge, dass keine Ausübung des Vorkaufsrechts möglich gewesen sei.
5
b) Durch dieses Vorbringen des Klägers werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
6
Was die naturschutzrechtliche Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung gemäß Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG betrifft, setzt sich der Kläger nicht substantiiert mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter 1.3 der Entscheidungsgründe (UA S. 7 f.) auseinander, wonach die FlNr. 809 vollständig und die FlNr. 810 überwiegend mit einem Erlenauwald bestanden ist, zu dessen Schutz die Ausübung des Vorkaufsrechts gerechtfertigt sei. Der Kläger befasst sich im Wesentlichen nur mit den Ablagerungen etc. auf dem Grundstück FlNr. 809, bezüglich derer das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der naturschutzrechtlichen Rechtfertigung festhält, dass diese bislang ausgeübte Nutzung jedenfalls teilweise den beschriebenen Zielen des Naturschutzes zuwiderlaufe. Inwieweit ein mögliches aufsichtliches Vorgehen gegen diese Nutzungen durch die untere Naturschutzbehörde im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorkaufsrechts eine Rolle spielen könnte, wird dabei nicht ersichtlich. Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation, dass ein aufsichtliches Vorgehen durch die Naturschutz- bzw. Baubehörde und die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nach Art. 39 BayNatSchG völlig voneinander getrennte und jeweils eigenständige Instrumente zur Verbesserung des Natur- und Landschaftsschutzes darstellen, also insoweit keine Wechselbeziehung dahingehend besteht, dass ein bisheriges Absehen von einem aufsichtlichen Einschreiten die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts unzulässig machen könnte. Dabei geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts schon dann gerechtfertigt sein kann, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 - 14 B 15.205 - VGH n.F. 69, 103 Rn. 41 m.w.N), und dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand - Gleiches gilt auch für Naturschutzverbände - die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 a.a.O. Rn. 54 m.w.N).
7
Die vom Kläger auch im Rahmen seiner Kritik am Vorliegen von Rechtfertigungsgründen nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG angesprochene erforderliche Abwägung mit (grund) rechtlich geschützten Privatinteressen wie der Privatautonomie oder dem Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG betrifft nur die Frage der ordnungsgemäßen behördlichen Ermessensausübung (vgl. BayVGH, U.v. 9.7.2020 - 14 B 19.96 - BayVBl 2021, 454 Rn. 34). Dabei ist jedoch bei der Beurteilung des Gewichts des Eingriffs in Privatinteressen durch Ausübung des Vorkaufsrechts die Besonderheit zu sehen, dass bei dem - vom Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler bejahten - Vorliegen der in Art. 39 Abs. 1 und 2 BayNatSchG vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen das jeweils betroffene Grundstück von vornherein mit dem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht belastet ist (BayVGH, U.v. 9.7.2020 - 14 B 19.765 - BayVBl 2021, 529 Rn. 35 m.w.N.). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht unter 2. seiner Entscheidungsgründe (UA S. 8 f.) ausgeführt, dass der Beklagte das ihm zustehende Ermessen erkannt hat und Ermessensfehler nicht erkennbar seien. Soweit der Kläger meint, das Ermessen sei vorliegend wegen eines möglichen aufsichtlichen Einschreitens der unteren Naturschutzbehörde, das jahrelang nicht erfolgt sei, dahingehend auf null reduziert, dass nur ein Absehen von der Ausübung des Vorkaufsrechts rechtmäßig sei, wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen, wonach dies nicht der Fall ist, weil Wechselbeziehungen zwischen den beiden eigenständigen Instrumenten zur Verbesserung des Natur- und Landschaftsschutzes nicht bestehen. Inwieweit im Übrigen die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Ausübung des Ermessens durch den Beklagten werde den erforderlichen Maßgaben gerecht, da sich die Behörde mit den vom Kläger und den Beigeladenen zu 1 und 2 im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Ausführungen eingehend auseinander gesetzt und dabei erläutert habe, warum aus ihrer Sicht dem öffentlichen Interesse an der Ausübung des Vorkaufsrechts der Vorrang einzuräumen sei, unrichtig sein könnten, wird nicht i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt; insbesondere wird nicht deutlich gemacht, welche besonders gewichtigen Eigentumsbelange hier gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts sprechen könnten.
8
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
9
Die Antragsbegründung verweist insoweit auf die Ausführungen zu ernstlichen Zweifeln und sieht besondere rechtliche Schwierigkeiten gerade bezüglich der Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf null vorliege. Damit genügt sie den Darlegungsanforderungen i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Die Frage einer Ermessensreduzierung auf null dahingehend, dass nur ein Absehen von der Ausübung des Vorkaufsrechts rechtmäßig sei, stellt sich nach den Ausführungen unter 1. b) richtigerweise nicht bzw. wäre eindeutig mit „Nein“ zu beantworten. Inwieweit die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweisen sollte, wird nicht ansatzweise dargelegt.
10
3. Zwar wird der Zulassungsantrag auf „sämtliche in Betracht kommende Zulassungsgründe“ gestützt. Zu weiteren Zulassungsgründen wird jedoch nichts ausgeführt.
11
Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.6.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).