Inhalt

VG München, Beschluss v. 13.06.2022 – M 1 SN 21.3590
Titel:

Erfolgloser Eilrechtsschutz eines Denkmaleigentümers gegen eine Baugenehmigung für ein Wohn- und Geschäftshaus

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1
BayBO 2018 Art. 6 Abs. 3 S. 1, Art. 59 S. 1 Nr. 3, Art. 66, Art. 68 Abs. 2 S. 2
BayDSchG Art. 6
Leitsätze:
1. Der baurechtliche Nachbarbegriff iSv Art. 66 BayBO umfasst diejenigen Grundstückseigentümer oder dinglich Berechtigten, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten, nachbarlichen Belangen berührt sein können. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Denkmaleigentümer kann iRd sog. Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 BayDSchG ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals zukommen, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals auswirkt (hier verneint). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Eigentümer eines Baudenkmals ist kein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung und Gewichtung seiner Belange als Denkmaleigentümer zuzubilligen (aA VG Augsburg BeckRS 2012, 59860 Rn. 96 ff.). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abstandsflächen, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme, Denkmalschutzrechtliche Erlaubnis, Drittschutz Denkmalrecht, Ermessensausfall, Beschwerde, Baugenehmigung, fehlende Nachbarbeteiligung, Begründungsmangel der Baugenehmigung, Gebietserhaltungsanspruch, Gebietsprägungserhaltugsanspruch, erdrückende Wirkung, Denkmalschutz, erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals, Drittschutz, kein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.09.2022 – 1 CS 22.1541
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25895

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Baugenehmigung für ein Wohn- und Geschäftshaus, welche die Antragsgegnerin der Beigeladenen erteilt hat.
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Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 263 Gem. …, das mit einem in die Denkmalliste als Einzeldenkmal eingetragenen Haus bebaut ist. Dieses ist dort wie folgt beschrieben: „Villa M., vornehmer, palaisartiger Bau, zweigeschossig mit abgewalmtem Mansarddach, polygonalem Treppenhausrisalt und polygonalem Steherker mit Balkon, in neubarock-historisierender Formensprache, nach Plänen von Heilmann und Littmann, 1893.“ Südlich dieses Grundstücks befinden sich, durch die M.Straße (FlNr. 260/16 Gem. …*) getrennt, die Vorhabengrundstücke FlNrn. 260/24 und 260/12 jew. Gem. … Alle genannten Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Altstadtkern - Vergnügungsstätten“ der Antragsgegnerin, der für diesen Bereich ein Mischgebiet festsetzt.
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Mit am 8. November 2019 eingegangenem Antrag begehrte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Abbruch der Bestandsgebäude und den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf FlNr. 260/12 und die Erweiterung des Bestandsgebäudes auf FlNr. 260/24 sowie Abweichungen, unter anderem von den Abstandsflächenvorschriften. Eine Beteiligung der Kläger im Genehmigungsverfahren erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom 15. Dezember 2020, den Antragstellern jeweils mittels Postzustellungsurkunde am 24. Dezember 2020 zugestellt, erteilte die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Baugenehmigung sowie die beantragten Abweichungen, insbesondere die Abweichungen hinsichtlich der Überschreitung der Abstandsflächen aufgrund der geplanten Staffelgeschosse/ Dachterrassen nach Osten, Süden und Westen.
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Hiergegen ließen die Kläger am … Januar 2021 Klage (M 1 K 21.388) erheben, über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2021, den Antragstellern mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 25. bzw. 29. Juni 2021, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zudem einen Tekturbescheid bezüglich der Änderung der Zufahrt und der Raumaufteilung der Ladenflächen im Erdgeschoss, statischen Änderungen im Erd- und Untergeschoss sowie neuer Anordnung der Stellplätze im Erd- und Untergeschoss.
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Mit am 2. Juli 2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten haben die Kläger diesen Tekturbescheid in das Verfahren M 1 K 21.388 einbezogen, suchen zudem Eilrechtsschutz und beantragen insoweit,
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die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom … Januar 2021 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2020 in Gestalt des Bescheids der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2021 anzuordnen.
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Die Baugrundstücke befänden sich in einem Bereich, der im Wesentlichen durch eine kleinteilige Bebauung geprägt sei, mit Sattel-, Walm oder auch Mansarddächern. Dem habe die bisherige Bebauung auf den Baugrundstücken mit zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss und einem Satteldach entsprochen.
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Mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben solle nun ein fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit einer Wandhöhe an der M.Straße von 13,20m und rückversetztem 5. Obergeschoss (Höhe 16,10m) mit Flachdach inklusive Tiefgarage errichtet werden, das Hinterhaus solle aufgestockt werden. Die künftige Bebauung solle eine Grundfläche von 1279 Quadratmetern aufweisen. Es seien 32 Stellplätze vorgesehen, erschlossen über die im östlichen Bereich der FlNr. 260/12 geplante (Tief-) Garagenzufahrt.
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Das Bauvorhaben verstoße aufgrund seiner Dimensionierung und Ausgestaltung gegen die Vorgaben der §§ 30 Abs. 3, 9a BauGB i.V.m. der Festsetzung Mischgebiet i.V.m. §§ 6, 12 Abs. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Für die Bestimmung der Eigenart des Baugebiets im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sei gerade die konkrete Eigenart des jeweiligen Gebiets maßgeblich, die insbesondere auch - in starkem Maße - durch die Größe, Anzahl und Lage der Anlagen bestimmt werde. Das streitgegenständliche Bauvorhaben stünde danach in wesentlichem Gegensatz zur konkreten Eigenart des als Mischgebiet festgesetzten Baugebiets. Dieses sei durch eine kleinteilige Bebauung geprägt, sowohl hinsichtlich der Grundflächen, der Höhenentwicklung als auch der Geschosszahl. Vereinzelt größer dimensionierte bauliche Anlagen seien als Fremdkörper zu qualifizieren. Hinzukomme der mit dem streitgegenständlichen Vorhaben und seinen 32 Stellplätzen in Verbindung stehende Ziel- und Quellverkehr im öffentlichen Verkehrsraum, welcher ebenfalls räumlich nur begrenzt dimensioniert sei. Zudem sei das Baugebiet durch die ebenfalls überdimensionierte Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 262/3 Gem. … bereits vorbelastet. Bei Hinzutreten des streitgegenständlichen Bauvorhabens würde dieser Teil des Baugebiets die Eigenart des Baugebiets nicht mehr aufweisen.
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Darüber hinaus verstoße das Bauvorhaben gegen das vorliegend aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO abzuleitende Gebot der Rücksichtnahme. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BayDSchG brächten zum Ausdruck, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben in verstärktem Maße auf die Denkmalwürdigkeit der „Villa M.“ Rücksicht zu nehmen habe, zumal es sich schon grundsätzlich nicht in dem Rahmen halte, das ihm vom Bauplanungsrecht vorgegeben werde. Die schutzwürdigen Interessen der Antragsteller, weder durch eine erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung des streitgegenständlichen Vorhabens, noch durch von diesem ausgehende Immissionen unzumutbar belastet zu werden, überwögen die schutzwürdigen Belange der Beigeladenen deutlich, zumal die M.Straße eine verhältnismäßig geringe Breite aufweise und sich dort in beide Richtungen Parkmöglichkeiten befänden. Verstärkte Rangier- und Stauvorgänge und eine Verkehrszunahme seien zu erwarten.
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Das Bauvorhaben stehe zudem im Widerspruch zu den denkmalschutzrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG, weil es die Denkmalwürdigkeit der „Villa M.“ erheblich beeinträchtige, worauf sich die Antragsteller als Eigentümer des Baudenkmals auch berufen könnten. Die das Baudenkmal charakterisierenden - städtebaulichen - Eigenschaften würden bei Errichtung des streitgegenständlichen Gebäudekomplexes völlig in den Hintergrund gedrängt und von diesem erheblich übertönt. Das Erscheinungsbild und die besondere Wirkung der „Villa M.“ würden insbesondere durch eine palaisartige zweigeschossige Bauweise sowie ein halb abgewalmtes Mansarddach geprägt. Bei Realisierung des straßenseitig 53,34 m breiten Bauvorhabens mit seiner Höhenentwicklung sei mit einer erheblichen Beeinträchtigung zu rechnen. Künftig stünden nicht mehr die genannten Charakteristika der „Villa M.“, sondern diejenigen des streitgegenständlichen Bauvorhabens im Mittelpunkt des Erscheinungsbildes, auch wegen dessen Flachdachs. Die Antragstellerin habe aber nicht nur diese materiellrechtlichen Anforderungen verkannt, sondern jegliche Erwägungen zum Denkmalschutz unterlassen. Dies begründe zulasten der Antragsteller einen relevanten Ermessensfehler.
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Schließlich sei die streitgegenständliche Baugenehmigung auch in verfahrensrechtlichen Hinsicht rechtswidrig, weil eine Beteiligung der Antragsteller unterblieben war und die Begründung nicht den Anforderungen des Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BayBO entspreche, zumal die Antragsgegnerin die denkmalschutzrechtliche Dimension ihrer Entscheidung völlig verkannt habe. Hierbei handle es sich auch um zugunsten der Antragsteller drittschützende Vorschriften.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei bereits unzulässig, weil das Grundstück der Antragsteller nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenze und die Antragsteller damit nicht im baurechtlichen Sinne als Nachbarn anzusehen seien. Das Bauvorhaben füge sich nach Art der Nutzung in das festgesetzte Mischgebiet ein. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sei anzumerken, dass mit Ausnahme des Grundstücks der Antragsteller entlang der M.Straße auf beiden Straßenseiten geschlossene Bauweise vorliege. Das Bauvorhaben sei gegenüber dem Bestand in der Straßenfront lediglich um 6m länger. Das 5. Obergeschoss sei im Westen, Osten und Norden zurückgesetzt. Das Pultdach weise auf der Straßenseite eine Höhe von 16,10m, auf der Innenhofseite eine Höhe von 17,09m auf. Das gegenüberliegende Gebäude der M.Straße 8 sei in Bezug auf die Höhe vergleichbar. Im Übrigen dienten die Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung. Die Antragsteller als Nachbarn seien diesbezüglich auf die Geltendmachung einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme beschränkt. Eine erdrückende Wirkung könne insbesondere bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden gesehen werden. Halte aber ein Bauvorhaben, wie vorliegend, die Vorschriften des Abstandsflächenrechts ein, werde das Rücksichtnahmegebot zumindest aus tatsächlichen Gründen im Regelfall nicht verletzt. Hinsichtlich der zu den Antragstellern hin einzuhaltenden Abstandsflächen sei aufgrund der vorhandenen geschlossenen Bauweise Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO einschlägig. Im Übrigen würden die nach dem seit 1. Februar 2021 geltenden Recht erforderlichen Abstandsflächen bis zur Straßenmitte eingehalten. Der dem Grundstück der Antragsteller gegenüberliegende Teil des Bauvorhabens sei in diesem Bereich lediglich viergeschossig.
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Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG diene grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse, ohne dem Einzelnen subjektive Abwehrrechte einzuräumen, soweit das Denkmal durch das Vorhaben nicht in schwerwiegender Weise erheblich beeinträchtigt werde. Aufgrund der bereits links und rechts des Baudenkmals bestehenden Bebauung sehe die Antragsgegnerin bei dem auf der gegenüberliegenden Seite gelegenen Bauvorhaben keine erhebliche Beeinträchtigung auf das Erscheinungsbild des Denkmals. Auch die Vorschriften zur Beteiligung des Landesamts für Denkmalpflege dienten allein dem öffentlichen Interesse.
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Die Beigeladene hat mit Schriftsatz Ihres Bevollmächtigtem vom 24. Mai 2022 Stellung genommen, jedoch keinen Antrag gestellt.
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Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch im Hauptsacheverfahren (M 1 K 21.388), Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag, der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 25. Januar 2021 gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerichtet ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog, weil sie eine Verletzung ihrer subjektiven Nachbarrechte geltend machen können. Sie fallen als Eigentümer des dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Grundstücks FlNr. 263 Gem. … zweifelsohne unter den baurechtlichen Nachbarbegriff in Sinne von Art. 66 BayBO. Dieser umfasst diejenigen Grundstückseigentümer oder dinglich Berechtigten, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten, nachbarlichen Belangen berührt sein können. Entscheidend ist, dass das Bauvorhaben so zu einem Grundstück liegt, dass es sich auf dieses, besonders dessen Nutzung, unmittelbar und tatsächlich auswirken kann, dies betrifft nicht nur unmittelbar angrenzende Grundstücke (BayVGH, B.v. 28.9.2021 - 9 ZB 21.901 - BeckRS 2021, 30914, Rn. 8). Dass sich das Bauvorhaben der Beigeladenen unmittelbar und tatsächlich auf das auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegene Grundstück der Antragsteller und dessen Nutzung auswirken kann, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften erscheint in einem für die Bejahung der Antragsbefugnis ausreichenden Maße möglich.
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2. Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg, weil er unbegründet ist.
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Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Die Interessenabwägung fällt zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus. Die gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Anfechtungsklage keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung dürfte im Hinblick auf nachbarschützende und im Verfahren zu prüfende Vorschriften rechtmäßig sein und die Antragsteller daher nicht in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt ein Anspruch auf Aufhebung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das ist dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 - juris Rn.9). Weiterhin ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die gemäß Art. 59 oder Art. 60 BayBO Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren.
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Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit vorliegender Nachbarklage gegen die Baugenehmigung vom 15. Dezember 2020 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 23. Juni 2021 ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgeblich, mithin die Bayerische Bauordnung in der Fassung vom 10. Juli 2018 (BayBO 2018). Hinsichtlich späterer Änderungen ist zu differenzieren: solche zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Insofern vermittelt die erteilte Baugenehmigung dem Bauherrn nämlich eine Rechtsposition, die sich gegenüber im Rechtsmittelverfahren eines Dritten eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, U.v. 13.12.2007 - 4 C 9.07 - juris Rn. 13). Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts vermittelten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, B.v. 23.4.1998 - 4 B 40/98 - juris Rn. 3).
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Danach verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung in der Fassung des Tekturbescheids die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
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2.1 Die Antragsteller sind nicht aufgrund formeller Rechtsfehler in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Insbesondere können sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihre Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 66 BayBO unterblieben ist, obschon sie, wie oben (Rn. 22) bereits ausgeführt, unter den Nachbarbegriff im Sinne dieser Vorschrift fallen. Dieser Verfahrensmangel begründet nämlich nicht die materielle Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung, denn die formelle Beteiligung des Nachbarn hat auf die materielle Entscheidung der Behörde und die materielle Rechtmäßigkeit grundsätzlich keinen Einfluss (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Werkstand: 144. EL September 2021, Rn. 208 zu Art. 66). Der Verfahrensfehler wird darüber hinaus geheilt und das formelle Recht des Nachbarn nachgeholt, wenn, wie vorliegend, der Nachbar zum Vorhaben Stellung nimmt, insbesondere, wenn er in Kenntnis der im Bescheid enthaltenen, entscheidungserheblichen Tatsachen im Rahmen einer Klage Einwendungen erhebt, weil er damit die Gelegenheit wahrnimmt, seine Rechte zu vertreten (Dirnberger, a.a.O, Rn. 208).
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Auch liegt kein Begründungsmangel vor, der die Antragsteller in ihren Rechten verletzt. Gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO 2018 ist die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird oder der Nachbar gegen das Vorhaben in Textform Einwendungen erhoben hat. Gemessen daran ist die Bescheidsbegründung nicht zu beanstanden. Obschon der Begriff des „Abweichens“ nicht im engeren Sinne dahingehend zu verstehen ist, dass er lediglich Abweichungen nach Art. 63 BayBO umfasst, sondern „untechnisch“ alle Abweichungen von nachbarschützenden Vorschriften meint, die im Rahmen des materiellen Prüfungsumfangs zu beachten sind, ist hinsichtlich der Bescheidsbegründung nichts zu erinnern. Diese gibt eine ausreichende Begründung für die erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften - ohne dass es für die Antragsteller hierauf ankäme, denn die Abweichungen betreffen nicht die nach Norden einzuhaltenden Abstandsflächen. Soweit die Antragsteller vortragen lassen, es hätte einer Begründung der gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayDSchG im Rahmen der Baugenehmigung zu erteilenden dankmalschutzrechtlichen Erlaubnis bedurft, führt das nicht zum Erfolg. Es dürfte sich bereits aus systematischen Gründen bei der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nicht um eine „Abweichung“ im Sinne von Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln, zumal Art. 6 BayDSchG lediglich ein eingeschränkter nachbarschützender Gehalt zukommt (s. unten). Schließlich spricht einiges dafür, dass ein solcher Fehler nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich wäre. In jedem Falle käme eine Heilung durch Nachholung der Begründung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz in Betracht, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG.
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2.2 Es liegen auch keine materiellen Rechtsfehler vor, durch die die Antragsteller in ihren Rechten verletzt sind.
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2.2.1 Die Baugenehmigung verletzt die Antragsteller nicht in ihren bauplanungsrechtlichen Nachbarrechten.
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2.2.1.1 Sie verstößt nicht zulasten der Antragsteller gegen deren Gebietserhaltungsanspruch aus § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. dem einschlägigen Bebauungsplan „Altstadtkern - Vergnügungsstätten“ der Antragsgegnerin. Dort fügt sich das Vorhaben nach Art der Nutzung zweifelsohne ein.
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Soweit die Antragsteller vortragen, das Vorhaben widerspreche der Eigenart des durch kleinteilige Bebauung geprägte Baugebiets, lässt sich dies unter den sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch fassen, der sich vorliegend aus § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ergeben könnte. Danach sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob das Bauplanungsrecht einen solchen Gebietsprägungserhaltungsanspruch als eigenständigen Anspruch gewährt oder ob § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO als Teil des nachbarschützenden Rücksichtsnahmegebots anzusehen ist (s. zum Streitstand: BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 19 ZB 19.1221 - juris Rn. 9). Denn ein solcher Anspruch kann - unabhängig von seiner dogmatischen Verortung - nur dann einschlägig sein, wenn das den Vorgaben der §§ 2 - 14 BauNVO an sich entsprechende Vorhaben bei typisierender Betrachtung gleichwohl als gebietsunverträglich zu bewerten ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht. Da es sich bei § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO um eine Ausnahmevorschrift zur Art der baulichen Nutzung handelt, ist ein solcher Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets aber nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang steht, genügt dafür nicht (s. BayVGH, a.a.O, Rn. 10).
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Für einen derartigen, offensichtlichen Widerspruch fehlt es vorliegend bereits an jeglichem Anhaltspunkt. Das Vorhaben soll in der Innenstadt von T. verwirklicht werden. Das Quartier ist geprägt von einer dichten, innenstädtischen Bebauung in geschlossener Bauweise mit einer mischgebietstypischen Nutzungsart, einem Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe. Dieser konkreten Zweckbestimmung entspricht das streitgegenständliche Vorhaben.
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2.2.1.2 Die Baugenehmigung verstößt schließlich nicht gegen sonstige drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
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Das Maß der baulichen Nutzung, die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, und die Bauweise (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) sind nicht drittschützend (BayVGH, B.v.12.09.2013 - 2 CS 13.1351 - BeckRS 2013, 56189 Rn. 3; BayVGH, B.v. 20.05.2020 - 9 ZB 18.2585 - BeckRS 2020, 14735 Rn. 5), weshalb sich die Antragsteller auf eine subjektive Rechtsverletzung diesbezüglich nicht berufen können. Es kann daher dahinstehen, ob sich das Bauvorhaben im Hinblick auf die Zahl der Vollgeschosse, die Grundflächen und die Höhenentwicklung in die Eigenart der Umgebung einfügt.
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Die Antragsteller sind damit auf das drittschützende, bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO, verwiesen. Dieses ist nicht verletzt.
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Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 - juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 - 4 B 215.96 - juris Rn. 9). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).
40
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze geht vom streitgegenständlichen Vorhaben weder eine rücksichtslose erdrückende Wirkung aus, noch stellt es sich als rücksichtslos dar, weil es eine abriegelnde Wirkung erzeugt. Der Abstand zum Gebäude der Antragsteller beträgt ca. 14m; an der nördlichen Grundstücksgrenze soll das Bauvorhaben 4 Vollgeschosse aufweisen - das fünfte Geschoss ist nach den Planunterlagen von der nördlichen Grundstücksgrenzen 2m nach Süden und von der westlichen Grundstücksgrenze 10m nach Osten versetzt. Auf nahezu der gesamten Breite des Gebäudes des Antragsteller ist es lediglich viergeschossig. Das Gebäude der Antragsteller hingegen weist selbst 2 Vollgeschosse mit Mansarddach auf. Angesichts dieser Dimensionen besteht kein Raum für die Annahme einer erdrückenden Wirkung, ebensowenig für die Annahme einer abriegelnden Wirkung in dem durch geschlossene Bauweise charakterisierten innenstädtischen Bereich.
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Auch ist im Zusammenhang mit dem durch das Bauvorhaben zu erwartenden PKW-Aufkommen nicht mit einer Verletzung des Gebots der Rücksichtsnahme zu rechnen. Dieser ist den Antragstellern vielmehr schon bereits deshalb zumutbar, weil sich die Grundstücke im innenstädtischen Bereich befinden, wo grundsätzlich mit einem vermehrten Verkehrsaufkommen gerechnet werden muss.
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2.2.3 Anhaltspunkte für eine Verletzung in drittschützenden Rechten aufgrund eines Verstoßes gegen den Denkmalschutz liegen ebenfalls nicht vor (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 BayDSchG).
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Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. U.v. 21.4.2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347; B.v. 16.11.2010 - 4 B 28.10 - BauR 2011, 657) wird zwar davon ausgegangen, dass dem Denkmaleigentümer im Rahmen des sogenannten Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals zukommen kann, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals auswirkt. Dies ergibt sich einerseits aus seinen gesetzlichen Pflichten, das Denkmal zu erhalten und zu pflegen (Art. 4 BayDSchG), die Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, und im Hinblick auf die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG andererseits, die verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers vermeiden sowie die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris). Der Denkmaleigentümer ist jedoch in seinen Rechten nur dann verletzt, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des benachbarten Anwesens erheblich beeinträchtigt (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2020 - 2 ZB 18.1193 - juris Rn. 15). Es wäre mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar, dem Eigentümer eines Baudenkmals einerseits Pflichten für dessen Erhaltung und Pflege aufzuerlegen, die mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sein können, ohne ihm andererseits die Möglichkeit zu geben, rechtswidrige Beeinträchtigungen durch Vorhaben in seiner Umgebung, die seine Erhaltungsinvestitionen möglicherweise entwerten, abzuwehren. Darüber hinaus lässt sich dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz jedoch kein allgemeiner Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - juris Rn. 21 f).
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Schon aufgrund der fehlenden Sichtbeziehung des streitgegenständlichen Bauvorhabens zur „Villa M.“ ist eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmals „Villa M.“ nicht ansatzweise erkennbar. Das unmittelbare Umfeld der „Villa M.“ ist durch das groß dimensionierte Gebäude auf FlNr. 262/3 (E+3+D, in geschlossener Bauweise) und das Gebäude auf FlNr. 263/3, die in direkter Sichtbeziehung zu ihr stehen, geprägt. Es ist daher nicht erkennbar, dass aufgrund der Errichtung des streitgegenständlichen Bauvorhabens die von der „Villa M.“ verkörperten denkmalpflegerischen Merkmale nicht mehr zur Geltung kommen würden.
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Auf das Unterbleiben von Ermessenserwägungen hinsichtlich der im Baugenehmigungsverfahren konzentrierten Erlaubnis (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayBO) können die Antragsteller sich nicht berufen. Ein über das oben Gesagte hinausgehender Drittschutz lässt sich dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz nicht entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - juris Rn. 21f.). Der weitergehenden, vereinzelt vertretenen Rechtsauffassung, wonach dem Eigentümer ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung und Gewichtung seiner Belange als Denkmaleigentümer zuzubilligen sei (VG Augsburg, U.v. 27.10.2010 - Au 4 K 10.378 - BeckRS 2012, 59860 Rn. 96ff.) schließt sich die Kammer nicht an. Ihr ist entgegenzuhalten, dass das Denkmalschutzrecht in Bayern grundsätzlich dem öffentlichen Interesse dient. Auch vor dem Hintergrund, dass Art. 4 Abs. 1 BayDSchG die Erhaltungspflicht im Rahmen der durch Art. 14 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen auf das Zumutbare beschränkt, ist ein Abwehrrecht, das über den Rahmen dessen hinausgeht, was Art. 14 Abs. 1 GG als Mindestschutz verlangt - Schutz vor einer erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit des benachbarten Anwesens - nicht zuzuerkennen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - juris Rn. 22).
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2.2.3 Die Klage wird auch nicht im Hinblick auf drittschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften erfolgreich sein. Die Baugenehmigung verstößt nicht zulasten der Antragsteller gegen die Abstandsflächenvorschriften. Zwar hat die Antragsgegnerin es versäumt, eine Abweichung gemäß Art. 63 BayBO hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen nach Norden hin zu erteilen, obschon hinsichtlich des zurückgesetzten 5. Geschosses Abstandsflächen einzuhalten sind, was aber nach der zum Bescheidserlass maßgeblichen Rechtslage nicht der Fall war (s. hierzu bereits den „Lageplan Abstandsflächen“ mit Genehmigungsvermerk der Antragsgegnerin vom 15.Dezember 2020). Die Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, wonach Abstandsflächen nicht erforderlich sind vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (oder gebaut werden darf) ist nämlich hinsichtlich des 5. Geschosses schon nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar, der sich auf „Außenwände, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden“ bezieht, während das 5. Geschoss um knapp 2m zurückversetzt errichtet werden soll. Aus diesem Grund hatte die Antragsgegnerin selbst die Abweichungen von der Einhaltung der Abstandsflächen nach Osten, Westen und Süden erteilt.
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Jedoch sind die zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Abstandsflächenvorschriften nach summarischer Prüfung eingehalten. Nach oben unter 2. Gesagtem ist insoweit zugunsten der Beigeladenen die zwischenzeitlich eingetretene Änderung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO zu berücksichtigen. Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt nach dieser Vorschrift vorliegend 0,4 H. Im westlichen, 4-geschossigen Bereich, der direkt an die Grundstücksgrenze errichtet wird, sind keine Abstandsflächen erforderlich, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, da vorliegend faktisch eine geschlossene Bauweise gegeben ist (s.o.). Der östliche Teil des Grundstücks der Antragsteller liegt auf einer Breite von ca. 1,2m bis 1,4m dem fünfgeschossigen Bereich des streitgegenständlichen Vorhabens gegenüber. Hier weist dieses eine Wandhöhe von gut 16,30m auf; die Höhe des 5 Grad geneigten Pultdaches beträgt 0,98m. Es ergibt sich damit ein H von 16,63m (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 und 3 BayBO: 16,30m zuzüglich einer zu einem Drittel zu berücksichtigenden Dachhöhe, Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO, von 0,33m), mithin eine Abstandsfläche 0,4 H von 6,65m. Der Abstand dieses zurückversetzten Geschosses zur Straßenmitte (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO beträgt ca. 7,60m, sodass die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, im Hinblick auf die Personenmehrheit auf Antragstellerseite zudem aus § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Dabei entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sich diese nicht durch Stellung eines Antrags einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffern 9.7.1, 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von EUR 15.000,00 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.