Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 21.02.2022 – RO 8 K 20.874
Titel:

Fahrungeeignetheit aufgrund einer Erkrankung oder eines Mangels nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV

Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1 S. 2
FeV Anl. 4 Nr. 7.5.2
Leitsätze:
1. Die Fahrungeeignetheit liegt nach § 46 Abs. 1 S. 2 FeV insbesondere dann vor, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen steht der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Fall nicht zu. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 4a zur FeV muss das Gutachten der Begutachtungsstelle in allgemeinverständlicher Sprache verfasst, nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
medikamentöse Behandlung, schwere Depression, Fahrungeeignetheit, medizinisch-psychologisches Gutachten, rezidivierende depressive Störung, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Fahrerlaubnisbehörde, soziale Phobien, Panikstörung, Begutachtungsstelle
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.09.2022 – 11 ZB 22.1287
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25890

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt A.-S. (LRA).
2
Der Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1 und B (inkl. Unterklassen), ausgewiesen durch den Führerschein Nr. ....
3
Am 5. September 2018 übermittelte die Polizeiinspektion A. an das LRA unter anderem ein Tatblatt und eine Strafanzeige gegen den Kläger wegen Nachstellung gem. § 238 Strafgesetzbuch (StGB) zu Lasten seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Darin waren Angaben über seit geraumer Zeit andauernde psychische Probleme des Klägers sowie einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik enthalten.
4
In einem auf Aufforderung des LRA vom Kläger am 16. Januar 2019 vorgelegten Entlassungsbericht der Klinik W. … vom 15. Februar 2018 betreffend eine psychosomatische Krankenhausbehandlung vom 15. November 2017 bis zum 3. Januar 2018 wurden als Diagnose nach ICD10 unter anderem angegeben: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtige schwere Episode ohne psychotische Symptome (F33.2); soziale Phobien (F40.1); Panikstörung (episodisch paroxsymale Angst) (F41.0). Als Medikation zum Entlasszeitpunkt wurde unter anderem angegeben: Quetiapin ratio 100mg (Quetiapin) 0-0-0-1, sowie Sertralin ratio 100 mg (Sertralin) 2-0-0-0. Unter dem Punkt „Beschwerden bei Aufnahme“ wurde ausgeführt, dass der Kläger im Aufnahmegespräch berichtet habe, dass er unter einer zumindest mittelschweren depressiven Symptomatik, unter anderem erheblich verminderten Selbstwertgefühl, Suizidgedanken und sozialem Rückzug leide. Es bestehe ein starker Leidensdruck aufgrund starker Ängste in größeren Gruppen und allgemein aufgrund häufiger, meist unerwartet aufkommender Angst- und Panikattacken. Es bestünden Probleme, den Alltag zu meistern sowie eine sehr schnelle Überforderung und panische Angst vor beruflicher Arbeit. Zudem bestehe Angst vor Menschen und davor, anders zu sein als alle anderen. Der Sinn des Lebens sei nicht bekannt und neben einem absoluten Leeregefühl bestünden häufige Suizidgedanken und Hoffnungslosigkeit. Unter dem Punkt „psychischer Befund bei Aufnahme“ wird festgehalten, dass der Kläger im Kontakt stark angespannt gewesen sei. Aufmerksamkeit und Konzentration seien deutlich beeinträchtigt. Im Denken sei er gehemmt. Es sei häufiges Grübeln festzustellen und er sei im Affekt sehr stark zum depressiven Pol hin ausgelenkt. Sein Antrieb sei deutlich vermindert. Es seien jedoch keine Zwänge oder Ich-Störungen zu erkennen. Im Jahr 2015 habe der Kläger einen Suizidversuch unternommen. Von akuter Suizidalität habe er sich jedoch glaubhaft distanziert. Unter dem Punkt Behandlungsverlauf wird schließlich angegeben, dass trotz einer spürbaren Besserung des Zustands des Klägers die Aufnahme zumindest einer ambulanten Psychotherapie angeraten werde. Zudem halte man einen weiteren stationären Aufenthalt in einer Klinik ausschließlich für erwachsene Patienten für sinnvoll, um dem Kläger bei der Bearbeitung offener Themen zu helfen.
5
Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 bat das LRA den Kläger, bis spätestens 27. Februar 2019 ein aktuelles, ausführliches ärztliches Attest seines Psychotherapeuten vorzulegen, bevor ggf. ein (kostenpflichtiges) ärztliches Gutachten gefordert werden müsse, in welchem auf folgende Fragen einzugehen sei:
„1. Welche Diagnosen gestellt wurden,
2. in welchem Zustand Sie sich befinden und ob sich der Zustand verschlechtern kann,
3. welche Art von Medikamenten eingenommen wird und
4. seit wann Sie in Behandlung des Arztes sind, der das Attest ausstellt.“
6
In einem sodann vom Kläger vorgelegten, weiteren Entlassungsbericht der psychosomatischen Klinik mit C. B. … in B. … vom 7. September 2018 über einen Klinikaufenthalt vom 24. April 2018 bis zum 12. Juni 2018 wurden wiederum die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig schwerer Episode ohne psychotische Symptome (F33.2), sozialer Phobien (F40.1), sowie einer Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) (F41.0) gestellt. Bezüglich der Medikation wurde angegeben, Sertralin würde weiterhin mit 200 mg am Morgen eingenommen, die Medikation mit Quetiapin sei von 125 mg zur Nacht zu Beginn des Klinikaufenthaltes auf 100 mg zur Nacht herabgesetzt worden. Unter dem Punkt „Beschwerden“ wird hier angegeben, dass der Kläger im Anreisegespräch über Stimmungsschwankungen, Trauer- und Verzweiflungsgefühle, Antriebs- und Freudlosigkeit, Sinnlosigkeitsgefühle, Gedankenchaos und starke innere Unruhe mit Zittern, mangelndes Selbstbewusstsein sowie sozialen Rückzug geklagt habe. Daneben bestünden Gedächtnislücken, Konzentrationsprobleme, Durchschlafstörungen und nächtliches Grübeln. Auch gebe es eine Angstsymptomatik und Panikattacken. Unter dem Punkt psychopathologischer Befund bei Aufnahme wurde vermerkt, dass der Kläger gekränkt, niedergeschlagen, ängstlich, besorgt und selbstunsicher sei. Es lägen Konzentrationsstörungen vor. Auffällig sei auch das Vorhandensein von Grübeln. Eine Ich-Störung sei zu verneinen, jedoch gebe es Hinweise auf eine Ich-Schwäche. Von akuter Suizidalität habe er sich glaubhaft distanziert. Abschließend wurde empfohlen, den begonnenen intrapsychischen Prozess in einer ambulanten Psychotherapie zu sichern und fortzuführen.
7
In einem gleichzeitig vom Kläger vorgelegten Arztbrief von Herrn Dr. R. … vom 13. September 2018 über eine Untersuchung vom 12. September 2018 wurden die in den Entlassberichten gestellten Diagnosen im Wesentlichen bestätigt. Die aktuelle Medikation liege bei 200 mg Sertralin am Morgen, sowie 100 mg Quetiapin zur Nacht. Die depressive Störung sei immer noch deutlich ausgeprägt. Die Angstsymptomatik sei jedoch etwas weniger auffällig.
8
Aus dem Medikationsplan des Klägers vom 4. Dezember 2018, ausgestellt von der Hausärztin des Klägers, Frau Dr. S. …, ergibt sich eine Medikation zum damaligen Zeitpunkt von 200 mg Sertralin am Morgen, 100 mg Quetiapin zur Nacht, sowie 100 mg Amitriptylin am Abend.
9
Mit Schreiben vom 22. Mai 2019 forderte das LRA den Kläger dazu auf, bis spätestens 18. Juli 2019 ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Feststellung über Art und Umfang möglicher gesundheitlicher Einschränkungen vorzulegen. Im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende affektive Psychose (Anlage 4 der FeV) seien zur Klärung der Fahreignung insbesondere folgende Fragen zu beantworten:
„1a. Liegt bei dem Untersuchten eine Erkrankung vor, die nach Nr. 7 der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt?
1b. Wenn ja: ist der Untersuchte (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vollständig gerecht zu werden?
2. Liegt eine ausreichende Compliance (u.a. Krankheitseinsichtigkeit, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige Medikamenten- bzw. Cannabiseinnahme (Hinweise auf -ggf. selbst induzierteÜber- oder Unterdosierung)) vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs (je nach Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je nach Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i. S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“
10
Zur Begründung wird auf den Entlassungsbericht der psychosomatischen Klinik B. … a. d. S. sowie den Arztbrief des Dr. R. … Bezug genommen und erklärt, dass aufgrund dieser Informationen der Verdacht bestehe, dass beim Kläger eine affektive Psychose im Sinne der Nummer 7.5 der Anlage 4 zur FeV vorliegen könnte, die Auswirkungen auf den Straßenverkehr und somit auch auf die Verkehrssicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer haben könnte. Zur Ausräumung dieser Eignungszweifel werde auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 FeV in Verbindung mit § 46 Abs. 3 FeV eine ärztliche Begutachtung bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet. Die Anordnung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Anordnung sei geeignet, die körperlichen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Relevanz zur Verkehrstauglichkeit festzustellen. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen beeinträchtige die Anordnung die Persönlichkeitsrechte am wenigsten und sei somit erforderlich. Aufgrund des Risikos, welches von körperlich bzw. geistig beeinträchtigten Personen ausgehe, müssten die persönlichen Interessen hinter der öffentlichen Verpflichtung zur Erhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr zurückstehen. Die Anordnung sei daher auch angemessen.
11
Am 25. September 2019 legte der Kläger das geforderte Gutachten der Begutachtungsstelle TÜV S. L. Service R. …, das am 18. September 2019 versendet worden war, dem LRA vor. Begutachtungstermin war ausweislich des Gutachtens der 29. Juli 2019. Das Gutachten hat die vom Beklagten gestellten Fragen wie folgt beantwortet:
„1. a) Es liegen bei dem Untersuchten Erkrankungen vor, die nach Nr.7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellen.
Dabei handelt es sich um die Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV (rezidivierende depressive Störung), soziale Phobien und Panikattacken.
1. b) Wenn ja: Der Untersuchte ist derzeit aufgrund der unklaren Befundlage nicht (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 vollständig gerecht zu werden.
2. Inwieweit eine ausreichende Compliance (u.a. Krankheitseinsichtigkeit, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige überwachte Medikamenten- bzw. Cannabiseinnahme (Hinweise auf - ggf. selbstinduzierte Über- oder Unterdosierung) vorliegt und auch umgesetzt wird (Adhärenz), kann aufgrund der unklaren Befundlage nicht beantwortet werden.
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Entfällt.
Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? Entfällt.
In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Entfällt.
Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Entfällt.
Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen? Entfällt.
Wenn ja: warum?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je nach Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? Entfällt.
In welchem Abstand? Entfällt.“
12
In den Ausführungen des Gutachtens wurde in Hinblick auf das ärztliche Untersuchungsgespräch vermerkt, dass der Kläger angegeben habe, dass es seit dem Aufenthalt in B. … zwar in kleinen Schritten, aber stetig bergauf gehe. Er sei seit ca. 6 Monaten psychisch stabil. Es lägen keine Schlaf- und Appetitstörungen, Gedankenkreisen, Zwangsgrübeln oder Suizidgedanken vor. Antriebsstörungen seien mittlerweile gering. Panikattacken träten zwar noch auf. Er könne jedoch inzwischen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Im Straßenverkehr sei es bislang noch nie zu Panikattacken gekommen. Die letzte Panikattacke in einer Menschenmenge habe er zuletzt vor ca. 4-5 Monaten gehabt. Der Empfehlung zur Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie im Entlassbericht der Klinik B. … sei er nicht nachgekommen. Dies sei deswegen unterlassen worden, da er sich bei seiner Hausärztin, Frau Dr. S. … gut aufgehoben fühle. Er sehe sie als seine Psychiaterin an. Alle 2 Wochen sei er bei ihr zu Gesprächen. Eine Medikamentenreduktion werde angestrebt. Bei Frau Dr. S. … sei er seit 20. Juli 2017 in Behandlung. Vom Kläger sei eine aktuelle hausärztliche Bescheinigung zum bisherigen Behandlungsverlauf sowie zur weiteren geplanten Behandlung, die Angabe der aktuellen Medikation, Compliance des Klägers, sowie die Angabe, seit wann nach ärztlicher Beobachtung keine Panikattacken mehr aufgetreten sind, nachgefordert worden. Unter „Bewertung der Befunde“ wird ausgeführt, es könne aufgrund der Tatsache, dass eine angeforderte Bestätigung der Hausärztin des Klägers über dessen psychische Stabilisierung und eine geplante Medikamentenreduktion ausgeblieben sei, trotz der nicht vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten während der Begutachtung, aufgrund der letztlich unklaren Befundlage derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vollständig gerecht zu werden.
13
Zusammen mit dem Gutachten legte der Kläger auch ein Schreiben vor, in dem er erklärte, er habe am 6. August 2019 ein von der Begutachtungsstelle am 2. August 2019 verfasstes Schreiben erhalten, in dem er zur Vorlage der hausärztlich erhobenen Befunde aufgefordert wurde. Die Vorlage sei ihm jedoch nicht möglich gewesen, da die Praxis vom 12. August 2020 bis zum 30. August 2020 wegen Urlaubs unbesetzt gewesen sei. Er könne die entsprechenden Unterlagen jedoch nachreichen.
14
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 erklärte das LRA gegenüber dem Kläger, die Begutachtungsstelle habe bezüglich seiner Erklärung, er habe die Befunde nicht beibringen können, erklärt, man habe ihn noch mehrfach dazu aufgefordert und habe keine Rückmeldung bzw. ein Erbeten um Fristverlängerung von ihm erhalten. Aufgrund des negativen Abschlusses des Gutachtens müsse dem Kläger die Fahrerlaubnis kostenpflichtig entzogen werden, er habe jedoch die Möglichkeit bis zum 7. November 2019 freiwillig auf eine Fahrerlaubnis zu verzichten.
15
Mit Bescheid vom 15. April 2020 entzog das LRA dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen. (Ziffer 1). Der Kläger wurde verpflichtet, seinen Führerschein innerhalb von 7 Tagen (ab Zustellung des Bescheides) beim LRA abzuliefern (Ziffer 2). Für den Fall, dass die in Ziffer 2 enthaltene Verpflichtung nicht innerhalb von 7 Tagen (ab Zustellung des Bescheides) erfüllt wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 800 Euro angedroht (Ziffer 3). Die Ziffern 1 und 2 des Bescheides wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). In Ziffer 5 wurde der Kläger zur Kostentragung verpflichtet und in Ziffer 6 wurde eine Gebühr von 150,00 Euro, sowie Auslagenzahlung von 3,50 Euro festgesetzt. Zur Begründung wurde angeführt, dass aufgrund des negativen Ergebnisses des Gutachtens erwiesen sei, dass der Kläger nicht (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vollständig gerecht zu werden. Eine angeforderte Bestätigung der psychischen Stabilisierung des Klägers durch seine Hausärztin sei ausgeblieben und der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Gutachtenserstellung nicht nachgekommen.
16
Mit am 15. Mai 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 15. April 2020 erheben und außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 stellte das Verwaltungsgericht Regensburg die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. Mai 2020 gegen den Bescheid des LRA vom 15. April 2020 wieder her bzw. ordnete diese an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides den an sie gestellten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht mehr gerecht werde, da diese keinen Bezug zum Einzelfall des Klägers aufweise. Zur Begründung der Klage wird insbesondere ausgeführt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig sei und den Kläger in seiner Rechten verletze, da nicht alleine aufgrund des Gutachtens, welches letztlich lediglich wegen Fehlen des hausärztlichen Attestes negativ ausgefallen sei und im Ergebnis jedoch bei der Untersuchung keine Auffälligkeiten festgestellt haben werden können, auf die nicht vorhandene Fahreignung hätte geschlossen werden dürfen. Alleine aufgrund der unklaren Befundlage sei keine negative Beantwortung der Fragestellung möglich. Die Vorlage des Attestes seiner Hausärztin sei für den Kläger nicht möglich gewesen, da sich die hausärztliche Praxis während der Zeit vom 12. August 2019 bis zum 30. August 2019 im Urlaub befunden habe. Dies habe der Kläger auch dem Beklagten mitgeteilt. Es sei insoweit als milderes Mittel anzusehen gewesen, dem Kläger nochmals zu ermöglichen, das Gutachten unter Vorlage des hausärztlichen Attests ergänzen zu lassen oder ein neues Gutachten beizubringen. Den Kläger treffe daher kein Verschulden an der Nichtvorlage des hausärztlichen Attests.
17
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15. April 2020 (Az.: 72.1/1431/sl/ws), zugestellt am 17. April 2020, mit welchem dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen wurde, aufzuheben.
18
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund des vorgelegten Gutachtens die nicht vorhandene Fahreignung festgestanden habe. Das Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar, die Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und Erstellung des Gutachtens gemäß Anlage 4a zur FeV und somit auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung seien beachtet worden. Außerdem schließe die Anordnung, ein Gutachten über die Fahreignung beizubringen, die Forderung ein, an der Klärung der Fahreignung soweit notwendig und möglich mitzuwirken, insbesondere zweckdienliche Angaben zu machen, sich den erforderlichen Untersuchungen zu unterziehen und sonstige für die Fragestellung aussagekräftige Unterlagen beizubringen. Aufforderungen in dieser Hinsicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Die mitgeteilten Hinderungsgründe seien zum einen zu spät gekommen und zum anderen seien sie nicht geeignet gewesen nachzuweisen, dass eine Vorlage der ärztlichen Bescheinigung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre.
20
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Februar 2022 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
21
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage ist unbegründet.
23
Der Bescheid des LRA vom 15. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer 1 des Bescheids ist nicht zu beanstanden.
25
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als nicht geeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
26
a) Die Fahrungeeignetheit liegt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann vor, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen steht der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Fall nicht zu. Innerhalb der Anlage 4 zur FeV behandelt Nr. 7.5 die Frage der Fahreignung im Hinblick auf affektive Psychosen, wobei speziell Nr. 7.5.1 unter anderem die sehr schweren Depressionen in den Blick nimmt und regelt, dass bei Vorliegen einer solchen die Fahreignung für Fahrzeuge der Klassen sowohl aus Gruppe 1 als auch aus Gruppe 2 generell nicht gegeben ist. Gem. Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV kann die Fahreignung in diesen Fällen dann wieder gegeben sein, wenn nach Abklingen der relevanten Symptome der sehr schweren Depression mit einem Wiederauftreten der Symptome - ggf. unter medikamentöser Behandlung - nicht mehr gerechnet werden muss. Nach Nr. 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: Dezember 2019) ist unter diesen Voraussetzungen in der Regel davon auszugehen, dass wieder ein angepasstes Verhalten des Betroffenen bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug stattfindet. Ferner wird hierbei festgestellt, dass ein solches angepasstes Verhalten nur dann wieder angenommen werden kann, wenn die Krankheitsaktivität geringer geworden ist und mit einer Verlaufsform in der vorangegangenen Schwere nicht mehr gerechnet werden muss, wobei die so beschaffene gesundheitliche Verfassung durch psychiatrische Kontrollen belegbar sein muss.
27
b) Vorliegend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im streitentscheidenden Zeitpunkt des Bescheidserlasses von der Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ausgegangen ist. Der Kläger legte ein Gutachten der Begutachtungsstelle TÜV S. L. R. … (Versanddatum 18. September 2019) vor, welches in Beantwortung der behördlichen Fragestellung zu dem Ergebnis kam, dass beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, Panikattacken sowie soziale Phobien vorlägen, welche unter die in Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV genannten Erkrankungen fielen und der Kläger aufgrund dessen nicht (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs gerecht zu werden.
28
Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gutachten der TÜV S. L. S. GmbH R. … vom 18. September 2019 (ohne dass es ergänzt werden müsste) verwertbar. Es kommt unter Zugrundelegung der korrekten Tatsachen und Bewertungsmaßstäbe und unter Beachtung der Vorgaben des § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV plausibel und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht (wieder) geeignet ist.
29
Das Gutachten ist von der Fahrerlaubnisbehörde und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren insoweit auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit sowie darauf zu prüfen, ob die Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 4a zur FeV und damit auch die Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung beachtet worden sind. Nach den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 4a zur FeV muss das Gutachten in allgemeinverständlicher Sprache verfasst, nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden. Das Gutachten muss in allen wesentlichen Punkten, insbesondere im Hinblick auf die gestellten Fragen (§ 11 Abs. 6 FeV), vollständig sein. Im Gutachten muss dargestellt und unterschieden werden zwischen der Vorgeschichte und dem gegenwärtigen Befund.
30
Gemessen an obigen Maßstäben ist festzustellen, dass sich die gutachterlichen Bewertungen keinen Bedenken im Hinblick auf deren Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit ausgesetzt sehen. Das Explorationsgespräch ist wiedergegeben. Die einzelnen Befunde sind in angemessener Weise dargestellt und bewertet worden. Bei der Bewertung der Befunde (Ziffer IV des Gutachtens) wird zunächst - entsprechend den vorher erfolgten klinischen Diagnosen - diagnostiziert, dass beim Antragsteller eine rezidivierende depressive Störung, soziale Phobien sowie eine Panikstörung vorlägen. Im Explorationsgespräch sei vom Kläger dargestellt worden, dass eine psychische Stabilisierung eingetreten sei und eine Medikamentenreduktion geplant sei. Ferner wird auf die beiden vom Kläger durchgeführten Klinikaufenthalte Bezug genommen und festgestellt, dass der Kläger erklärt habe, der durch die C.-Klinik B. … ausgesprochenen Empfehlung, den dort begonnenen, intrapsychischen Prozess in einer ambulanten Psychotherapie zu sichern und fortzuführen, durch Besuche bei seiner Hausärztin nachzukommen. Schließlich wurde ausgeführt, dass aufgrund der Tatsache, dass der Begutachtungsstelle - trotz entsprechender Aufforderung - keine Bestätigung der hausärztlichen Praxis über die Stabilisierung der Psyche des Klägers oder Stellungnahme zur aktuellen Medikation vorgelegt worden sei, letztlich eine unklare Befundlage vorliege. Fahreignung könne aus diesem Grund - trotz des Fehlens offenkundiger psychopathologischer Auffälligkeiten im Rahmen der Begutachtung - nicht angenommen werden.
31
Diese Schlussfolgerungen erscheinen aus der Sicht des Gerichts als schlüssig und nachvollziehbar. Nachdem die Gutachterin erneut die Diagnosen u.a. einer rezidivierenden depressiven Störung beim Kläger bestätigt hatte, war im Rahmen der Begutachtung letztlich zentral die Frage zu bewerten, ob der Kläger nach den im Rahmen der Klinikaufenthalte festgestellten zumindest mittelschweren depressiven Episoden die Fahreignung wieder erlangt hat, mithin ob - im Einklang mit der Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV - die relevanten Symptome der sehr schweren Depression wieder abgeklungen sind und ob mit einem Wiederauftreten der Symptome - ggf. unter medikamentöser Behandlung - nicht mehr gerechnet werden muss. Wie bereits dargestellt ist gem. Nr. 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung in diesem Zusammenhang Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung, dass ein angepasstes Verhalten im Straßenverkehr zu erwarten ist. Um dies bejahen zu können, muss die Krankheitsaktivität geringer geworden sein und mit einer Verlaufsform in der vorangegangenen Schwere darf nicht mehr gerechnet werden. All dies muss durch psychiatrische Kontrollen belegbar sein. Nachdem im Rahmen der Begutachtung mit den Klägerangaben zur psychischen Stabilisierung sowie dem Fehlen psychopathologischer Auffälligkeiten Anhaltspunkte dafür auftraten, dass vorstehend genannte Voraussetzungen für eine positive Begutachtung gegeben sein könnten, wurden von der Gutachterin konsequenterweise und im Einklang mit den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung Nachweise für die Besserung des klägerischen Gesundheitszustands eingefordert. Letztlich hat er diese Unterlagen jedoch vor dem Versand des Gutachtens am 18. September 2019 nicht mehr vorgelegt. Da der Begutachtungsstelle mithin bis zuletzt psychiatrische Nachweise einer geringer gewordenen Krankheitsaktivität und eines dauerhaften Abklingens der einschlägigen Symptome der Depression nicht vorlagen, war eine wesentliche Voraussetzung einer positiven Eignungsbeurteilung nach Nr. 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung nicht gegeben. Dies hatte zur Folge, dass die Wiedererlangung der Fahreignung durch den Kläger von der Gutachterin als nicht gegeben angesehen wurde. Dabei durfte die Gutachterin aus Sicht des Gerichts auch davon ausgehen, dass die Vorlage der entsprechenden Unterlagen abschließend unterbleibt. Nach den eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei dieser bereits beim Begutachtungstermin, mithin am 29. Juli 2019, darauf hingewiesen worden, dass die Befunde der Hausärztin für die abschließende Gutachtenserstellung noch vorzulegen seien. Sodann sei er am 5. August 2019 nochmals schriftlich dazu aufgefordert worden. Weiteren Kontakt mit der Begutachtungsstelle habe es - wiederum nach den eigenen Angaben des Klägers - in der Folge nur noch einmal gegeben, als er telefonisch um zeitnahe Erstellung des Gutachtens gebeten habe. Da mithin nicht ersichtlich ist, dass der Kläger an die Begutachtungsstelle mit dem Wunsch des Zuwartens mit der Gutachtenserstellung aufgrund der problematischen Erreichbarkeit der Hausarztpraxis herangetreten ist, musste jene - insbesondere nach der Bitte um schnelle Gutachtenserstellung - davon ausgehen, dass die entsprechenden Befunde nicht mehr vorgelegt werden. Das Gutachtensergebnis erscheint insofern als konsequent und nachvollziehbar.
32
Auch war die Fahrerlaubnisbehörde nach Auffassung des Gerichts nicht gehalten, im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragene Problematik der Erreichbarkeit der Hausarztpraxis nochmals weiter zu ermitteln bzw. ihm zu einer etwaigen Veranlassung einer Gutachtensnachbesserung eine noch längere Frist einzuräumen, als sie ohnehin schon gewährt wurde. Dem Kläger war in der Gutachtensanforderung vom 22. Mai 2019 ursprünglich eine Frist bis zum 18. Juli 2019 gesetzt worden. Diese Frist ist sodann faktisch erheblich verlängert worden. Nach den glaubhaften Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ist dem Kläger nach einer telefonischen Vorsprache bei der Fahrerlaubnisbehörde am 13. August 2019, in der er erklärte, dass er zur finalen Erstellung des Gutachtens noch Unterlagen nachreichen müsse, weitere Zeit zur Vorlage des Gutachtens bis in den September hinein eingeräumt worden. Diese Zeit hätte der Kläger zur weiteren Kontaktaufnahme mit der Begutachtungsstelle und Vorlage der hausärztlichen Befunde noch vor der abschließenden Erstellung des Gutachtens nutzen können, da die Praxis seiner Hausärztin nach seinen eigenen Angaben ab dem 30. August 2019 wieder besetzt war. Hinzu kommt, dass nach der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis vom 10. Oktober 2019 bis zum Bescheidserlass am 15. April 2020 noch erheblich Zeit für den Kläger bestand, eine Nachbesserung des Gutachtens zu veranlassen und somit die drohende Entziehung durch Nachweis eines für ihn positiven Gutachtensergebnisses noch abzuwenden. Während dieses Zeitraums hat der Kläger jedoch weder die Begutachtungsstelle noch die Behörde erneut kontaktiert. Letztere durfte demnach in nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass im Hinblick auf die Frage der Fahrgeeignetheit des Klägers kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht und konnte - gestützt auf das vorliegende Gutachten - das Entziehungsverfahren mit dem Bescheid vom 15. April 2020 abschließen.
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Nach alledem ist nicht zu beanstanden, dass die Behörde - basierend auf dem Gutachten der Begutachtungsstelle TÜV S. L. R. … (Versanddatum 18. September 2019) - von der Fahrungeeignetheit des Klägers ausgegangen ist. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Auch unter Einbeziehung des von der Klägerseite im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegten ärztlichen Attestes der Hausärztin des Klägers, Frau Dr. S. …, vom 7. November 2021 ergibt sich kein anderes Bild. Ungeachtet der Tatsache, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der Anfechtungsklage derjenige des Bescheidserlasses ist, ist in diesem Zusammenhang jedenfalls zu berücksichtigen, dass nach Nr. 2 der Vorbemerkung zur Anlage 4 der FeV Grundlage der im Rahmen der §§ 11, 13 oder 14 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV) ist. Vorliegend existiert nur das die Fahreignung des Klägers verneinende Gutachten des TÜV S. vom 18. September 2018. Ein weiteres - positiv ausfallendes - Gutachten, welches im Rahmen der Begutachtung das Attest vom 7. November 2021 hätte einbeziehen und bewerten können, hat der Kläger bislang nicht erstellen lassen. Allein das genannte Attest kann das Gutachten vom 18. September 2018 in seinem negativen Endergebnis nicht entkräften. Dies gilt umso mehr, als im Attest vergleichsweise pauschal und knapp eine psychische Stabilisierung des Klägers angegeben wird und dies eine eingehende gutachterliche Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand des Klägers - unter Einbeziehung dieser Wertung - letztlich nicht ersetzen kann.
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2. Auch die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Ziffer 2 des Bescheids vom 15. April 2020 ist nicht zu beanstanden.
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Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV zu finden. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis - wie vorliegend - rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern, nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.
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3. Auch im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheids vom 15. April 2020 ist festzustellen, dass diese rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
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Die maßgeblichen, in Art. 29, 31 und 36 VwZVG normierten, Voraussetzungen sind gegeben. Insbesondere wurde das Zwangsgeld schriftlich angedroht (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und eine ausreichende Frist zur Erfüllung der sich aus Ziffer 2 des Bescheids vom 15. April 2020 ergebenden Verpflichtung gesetzt (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (800 €) ist nicht zu beanstanden (vgl. Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
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Die Klage war nach alledem abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.