Titel:
Nachträgliche Auflagenänderung bei einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG
Normenketten:
TierSchG § 21 Abs. 5
§ 11 Abs. 2a a.F.
Schlagwort:
Nachträgliche Auflagenänderung bei einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25638
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Änderung der Auflagen in dem ihm erteilten Erlaubnisbescheid nach § 11 Abs. 1 Tierschutzgesetz - TierSchG.
2
Mit Bescheid vom 1.4.2019 erteilte das Landratsamt K. dem Kläger, vertreten durch die Vorsitzende die Erlaubnis, Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland zu verbringen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung zu vermitteln (Nr. 1). Die Vorsitzende, Frau … S., wurde als verantwortliche Person des Betriebes benannt (Nr. 2). Gleichzeitig wurde festgelegt, dass bei der Tierhaltung die im Beiblatt genannten Auflagen zu beachten seien, welches Bestandteil des Bescheides sei (Nr. 3). Die nachträgliche Änderung oder Ergänzung der vorgenannten Auflagen sowie die Aufnahme weiterer Auflagen bleibe vorbehalten (Nr. 4).
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Im Beiblatt Auflagen war unter Nr. 17 Folgendes bestimmt:
„Der … hat sich durch entsprechende Nachkontrollen nach einer angemessenen Zeit vor Ort davon zu überzeugen, dass die vermittelten Hunde bei ihren neuen Besitzern art- und tierschutzgerecht gehalten werden. Gegebenenfalls ist die jeweils zuständige Behörde zu informieren.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch diese Kontrollen verhindert werden solle, dass Hunde an Stellen vermittelt werden würden, wo eine tierschutzgerechte Haltung nicht möglich oder zweifelhaft sei, auch die Abgabe an mögliche „Animal Hoarder“ solle so vermieden werden.
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Unter Nr. 23 wurde als Auflage festgesetzt:
„Für die Überwachung der ordnungsgemäßen Pflege und Betreuung der Tiere auf den Pflegestellen, einschließlich der möglichen tierärztlichen Versorgung, sind die benannten sachkundigen Personen verantwortlich, weiterhin für die Vorkontrolle neuer Pflegestellen und die dortige Einhaltung von Anforderungen des § 2 TierSchG und der Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV). Über Ausnahmeregelungen oder Vereinfachungen im Falle kurzfristiger Unterbringung entscheidet im Sinne des § 9 der Tierschutz-Hundeverordnung das örtlich zuständige Veterinäramt.“
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Unter Nr. 24 wurde bestimmt:
„Für Urlaubs-, Krankheits- oder sonstige Ausfallzeiten muss eine zusätzliche und sachkundige Person mit der Betreuung der Tiere und Pflegestellen beauftragt werden. Der entsprechende Nachweis der Sachkunde ist zu dokumentieren.“
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dafür zu sorgen sei, dass die Tiere auch bei Ausfall der verantwortlichen Person tierschutzgerecht versorgt werden würden.
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Am 3.6.2020 wurde dem Veterinäramt K. durch das Veterinäramt Landshut mitgeteilt, dass am gleichen Tag Frau L. auf Grund einer nicht verordnungskonformen Altersangabe auf einem Tracis-Zeugnis in Verbindung mit dem innergemeinschaftlichen Verbringen von Hunden aus Rumänien kontrolliert worden sei. Frau L. habe angegeben, eine Pflegestelle des Klägers aus … zu sein. Dabei habe Frau L. erklärt, sie habe sich während der Corona-Krise hilfreich einbringen wollen und mit dem Kläger einen Pflegestellenvertrag geschlossen. Im Zuge des Vertragsverhältnisses seien Frau L. drei Hunde über den Kläger als Pflegestelle überstellt worden. Frau L. stehe nun nicht weiter als Pflegestelle zur Verfügung, da sie beginne, wieder zu arbeiten und die Hunde nicht entsprechend betreuen könne.
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Bei einer Vorortkontrolle des Klägers durch das Veterinäramt K. gab Frau S. als Vorsitzende des Klägers an, dass Frau … L. zwar eine Pflegestelle des Vereins sei, sie die Pflegestelle selbst und Frau L. aber nicht kenne. Frau S. habe jedoch einen Pflegestellenvertrag mit Frau L. zeigen können.
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Auf Grund dieses Sachverhalts kam das Veterinäramt K. zum Ergebnis, dass ohne Kontrolle nicht gewährleistet sei, dass jede Unterbringung von Tierschutzhunden aus dem Ausland in Pflege- oder Endstellen den Vorgaben des Tierschutzrechts entspreche.
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Mit Schreiben vom 13.11.2020 hörte das Landratsamt K. den Kläger, vertreten durch die Vorsitzende, zur beabsichtigten Auflagenänderung an.
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Mit Schreiben vom 17.12.2020 nahm der Prozessvertreter des Klägers dahingehend Stellung, dass mit Frau L. ein Vertrag geschlossen, ihr jedoch noch kein Hund durch den Kläger übermittelt worden sei. Die Übergabe des Hundes an Frau L. sei über Frau … G. erfolgt, welche Frau L. kenne. Die fragliche Hündin sei bei ihrer Ausreise aus Rumänien drei Monate und 22 Tage alt gewesen, das Auffanglager habe ein falsches Datum in dem Tracis angegeben. Eine Kontrolle von Frau L. habe insofern stattgefunden, als diese ein Video per WhatsApp an Frau S. geschickt habe, in welchem sie ihre Wohnung und den Garten gezeigt habe. Eine weitergehende Kontrolle sei Frau S. nicht möglich, da sie auf Grund ihres Grades der Behinderung nicht durch ganz Deutschland fahren könne, um Kontrollen vorzunehmen. Sie müsse auf Hilfsmittel und Hilfspersonen wie beispielsweise Videochats zurückgreifen. Eine Kontrolle bei Frau L. sei nicht zwingend erforderlich gewesen, da dieser über den Kläger noch kein Hund vermittelt worden sei. Sie stelle keine Pflegestelle des Klägers dar. Es sei falsch, dass keine Vorortkontrollen stattfänden. Jede Pflegestelle werde vorkontrolliert. Es gebe im Verein ein Team, das nur für solche Kontrollen zuständig sei. Es müsse bei großen Entfernungen möglich sein, Kontrollen, insbesondere Nachkontrollen, per Videochat durchzuführen. Es erscheine nicht ersichtlich, warum sich der Kläger keiner Personen bedienen dürfe, die nicht Vereinsmitglieder seien, um die Nachkontrollen durchzuführen. Eine Einschränkung in dieser Form sei nicht verhältnismäßig. Vor allem sei sie mit einer kurzen Frist von sechs Wochen nicht realisierbar. Mangels eines Verstoßes gegen die bisherigen Auflagen komme eine Änderung und Verschärfung der Auflagen nicht in Betracht.
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Mit Schreiben vom 3.3.2021 erfolgte eine erneute Anhörung des Klägers zur nunmehr beabsichtigten Neufassung.
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Der Prozessvertreter des Klägers verwies auf die Unverhältnismäßigkeit der Auflagen. Eine Kontrolle per Video sei ohne Weiteres umsetzbar und sei bislang auch erfolgreich so gehandhabt worden. Ergänzend verwies er auf die noch immer aktuelle Pandemielage, welche es geboten erscheinen lasse, Kontakte mit anderen, insbesondere unbekannten Personen zu vermeiden. Im Übrigen beruhe der Bescheid auf einer rechtswidrigen Auflage. Die in Nr. 4 des Erlaubnisbescheids enthaltene Nebenbestimmung, sich nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sowie die Aufnahme weiterer Auflagen vorzubehalten, sei offensichtlich rechtswidrig. Es reiche nicht aus, sich schlicht auf die Bestandskraft der Auflage zu berufen. Auf Grund der Rechtswidrigkeit bestehe ein Anspruch des Klägers auf isolierte Rücknahme der Nr. 4 des Erlaubnisbescheids.
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Unter dem 13.7.2021 lehnte das Landratsamt das Wiederaufgreifen des Verfahrens ab. Die hiergegen gerichtete Klage nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16.8.2022 zurück.
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Ebenfalls unter dem 13.7.2021 erließ das Landratsamt K. folgenden Bescheid:
17
I. Der Bescheid des Landratsamts K. vom 1.4.2019, Az.: 3-568-19/30, wird wie folgt geändert:
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1. Auflage Nr. 17 wird wie folgt gefasst:
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Die verantwortliche Person nach Ziffer 2, deren Vertreter nach Auflage Nr. 24 dieses Bescheids (Beiblatt Auflagen) oder geeignete Dritte haben sich vor Ort davon zu überzeugen, dass vermittelte Hunde bei ihren neuen Haltern art- und tierschutzgerecht gehalten werden (Nachkontrolle). Die Nachkontrolle hat spätestens sechs Wochen nach Vermittlung zu erfolgen. Für die Durchführung der Nachkontrolle gilt Auflage Nr. 23, Seite 3 bis 9 dieses Bescheids (Beiblatt Auflagen) entsprechend.
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Werden im Rahmen der Nachkontrolle Anhaltspunkte für tierschutzrechtliche Verstöße in der neuen Haltung eines vermittelten Hundes festgestellt, ist die zuständige Veterinärbehörde spätestens innerhalb einer Woche nach Abschluss der Nachkontrolle hierüber zu unterrichten.
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2. Auflage Nr. 23 wird wie folgt gefasst:
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Jede Pflegestelle muss vor Inbetriebnahme vor Ort auf die Einhaltung der für den Pflegestellenbetrieb einschlägigen Tierschutzvorgaben überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen des TierschG, der Tierschutzhundeverordnung und der Bestimmungen dieses Bescheids (Vorkontrolle). Die Kontrolle hat durch die verantwortliche Person nach Ziffer 2, deren Vertreter nach Auflage Nr. 24 dieses Bescheids oder geeignete Dritte zu erfolgen.
23
Eine Vorkontrolle durch Dritte darf nur von Personen durchgeführt werden, die
1. über die erforderliche Sachkunde verfügen und
2. keine tierschutzrechtlichen einschlägigen Vorstrafen aufweisen.
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Eine Person ist sachkundig im Sinne von Nr. 1, wenn sie eine abgeschlossene staatlich anerkannte oder sonstige Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, die zum Umgang mit den Tierarten befähigt, auf die sich ihre Tätigkeit erstreckt (Tätigkeit hier: Überprüfung der Haltungsbedingungen von Hunden hinsichtlich der Haltung, Unterbringung, Ernährung und Pflege) oder auf Grund ihres bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgangs mit Tieren, beispielsweise langjähriger erfolgreicher Haltung der betreffenden Tierarten, nachweislich die dazu erforderlichen fachlichen Kenntnisse besitzt.
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Die nach Nr. 2 erforderlichen Tatsachen sind durch ein polizeiliches Führungszeugnis nachzuweisen, dessen Ausstellungsdatum bei Vorlage höchstens sechs Monate zurückliegt.
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Eine mit der Durchführung von Vorkontrollen beauftragte Person hat vor erstmaliger Aufnahme der Kontrolltätigkeit bei der verantwortlichen Person Sachkundenachweis und polizeiliches Führungszeugnis zu hinterlegen. Die verantwortliche Person hat diese Dokumente auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.
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Über die Vorkontrolle ist ein Protokoll zu fertigen und mindestens mit folgenden Aufzeichnungen zu dokumentieren:
- Name und Anschrift der Kontrollpersonen
- Name und Anschrift der Pflegestelle
- Haltungsform gemäß Tierschutzhundeverordnung
- Verfügbarer Platz für aufgenommene Hunde in Quadratmeter
- Anzahl und Art der bereits vorhandenen Tiere
- Unterschrift aller beteiligten Personen
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Das Protokoll über die Vorkontrolle ist von der verantwortlichen Person aufzubewahren, solange die Pflegestelle betrieben wird.
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3. Auflage Nr. 24 wird um einen Satz 3 ergänzt:
30
Auflage Nr. 23 Satz 3 Nr. 2, Seite 5 und 6 dieses Bescheids gelten entsprechend.
31
Zur Begründung stütze sich das Landratsamt K. auf § 21 Abs. 5 TierschG und § 11 Abs. 2 a TierschG a.F. i.V.m. Nr. 4 des bestandskräftigen Erlaubnisbescheids vom 1.4.2019. Im tierschutzrechtlichen Schrifttum sei anerkannt, dass sowohl die nachträgliche Anordnung von Auflagen als auch deren Vorbehalt zulässige Nebenbestimmungen einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 TierSchG seien, wenn dies Zielen des Tierschutzes diene und verhältnismäßig sei. Dies sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung bestätigt worden. Die vorliegenden Änderungsanordnungen entsprächen diesen Grundsätzen. Vor Ort stattfindende Vor- und Nachkontrollen verfolgten den Zweck, die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben in der lokalen, ggf. längerfristigen Haltungsumgebung einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. Dabei könne eine Videokontrolle mittels „WhatsApp“ oder in ähnlicher Form eine persönliche Ortseinsicht nicht ersetzen. Die Kontrollperson könne sich in diesem Format regelmäßig keinen umfassenden, persönlichem Augenschein entsprechenden Eindruck von der jeweiligen Örtlichkeit verschaffen, denn sei bleibe stets auf die übermittelten Bilder angewiesen und vermöge sich nur ein eingeschränktes Bild von der Umgebung und dem situativen Verhalten der betroffenen Tierhalter zu machen. Auch würden olfaktorische Sinneseindrücke, die Anlass für weitergehende Nachschauen geben könnten, in diesem Verfahren nicht berücksichtigt. Die Anordnung persönlicher Kontrollen gewährleiste dem gegenüber einen höheren Tierschutzstandard und diene damit unmittelbar Belangen des Tierwohls. Sie sei auch verhältnismäßig. Gleich wirksame Alternativen zu persönlichen Ortseinsichten seien aus den vorgenannten Gründen nicht ersichtlich. Sie seien auch angemessen, weil sie persönliche Leistungshindernisse der Beteiligten berücksichtigten. Durch die geänderten Nebenbestimmungen werde ausdrücklich klargestellt, dass Vor- und Nachkontrollen nicht höchstpersönlich durchzuführen seien. Es werde vielmehr die Möglichkeit eröffnet, diese Kontrollen auch von Dritten durchführen zu lassen, sofern das eingesetzte Personal persönlich wie fachlich geeignet sei. Der Kläger habe vortragen lassen, dass intern sogar ein „Team, das nur für solche Kontrollen zuständig sei“, bestehe.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 19.8.2021 Klage erhoben.
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Er trägt vor, dass der Bescheid nicht rechtmäßig sei und den Kläger in unangemessener Weise belaste. Er missachte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Kläger stelle durch Video fest, ob die Pflegeeinrichtung oder die potentiellen neuen Halter eine art- und tiergerechte Haltung gewährleisten könnten. Dabei lasse er sich Videos zukommen, welche die Gesamtsituation dokumentierten, um sich bereits vorab einen Eindruck verschaffen zu können. Der Kläger sei dabei so sorgfältig, dass es nicht auf die physische Anwesenheit eines Sachverständigen vor Ort ankomme. Via Videotelefonie könne er alles genauestens in Augenschein nehmen und mit den Kandidaten ein Gespräch führen wie bei einem physischen Besuch. Somit fördere die Maßnahme das Ziel nicht. Die Maßnahme sei auch nicht erforderlich, weil die Videotelefonie ein milderes Mittel zur physischen Anwesenheit darstelle. Bei Unklarheiten könne sofort mit Nachfragen reagiert werden. Über Videotelefonie könne genauso viel gesehen und in Augenschein genommen werden wie bei einem physischen Besuch vor Ort. Die Videotelefonie habe jedoch den Vorteil, dass lange Anfahrtswege vermieden werden könnten, was auch der Kontrolldurchführung selbst zu Gute komme. Die Maßnahmen seien auch nicht angemessen. Sie benachteiligten den Kläger auch gegenüber Tierheimen, welche nicht einer solchen intensiven Kontrollpflicht unterlägen. Konkretindividuell könne dem Kläger die Kontrollpflicht auch auf Grund der körperlichen Verfassung der Vorsitzenden, die auf Grund einer überstandenen Krebserkrankung körperlich eingeschränkt sei, nicht zugemutet werden. Der Beklagte erwarte von ihr, ganz Deutschland zu bereisen, um die gewünschten Kontrollen durchzuführen. Die Maßnahmen bedeuteten eine unzumutbare Härte.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid vom 13.7.2021 hinsichtlich des Vollzugs des Tierschutzgesetzes aufzuheben.
35
Der Beklagte beantragt,
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Er führt aus, dass die nachträgliche Anordnung von Auflagen in der obergerichtlichen Rechtsprechung als zulässig erachtet werde, wenn dies Zielen des Tierschutzes diene und verhältnismäßig sei. Insoweit werde auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
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Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Behördenakte sowie die Gerichtsakte mit den wechselseitigen Schriftsätzen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.8.2022.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.7.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
39
Die nachträgliche Änderung der im Ausgangsbescheid vom 1.4.2019 erlassenen Auflagen durch den Beklagten stützt sich auf § 21 Abs. 5 TierSchG i.V. m. § 11 Abs. 2a TierSchG in der Fassung vom 26.4.2006, die bis zum 12.7.2013 gültig war (§ 11 Abs. 2a TierSchG a. F.), ohne dass es dazu eines Rückgriffs auf Nr. 4 des Ausgangsbescheids bedürfte (dazu 1.). Die Auflagenänderung ist auch verhältnismäßig (dazu 2.), ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich (dazu 3.).
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1. Vorliegend war eine Änderung der Auflage grundsätzlich zulässig. Rechtsgrundlage für die Änderung ist § 21 Abs. 5 TierSchG i.V. m. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F.
41
Die Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 5 TierSchG bestimmt, dass bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 oder 6 Satz 2 unter anderem § 11 Abs. 2a TierSchG in der bis zum 13.7.2013 geltenden Fassung mit bestimmten Maßgaben weiter Anwendung findet. Eine solche Rechtsverordnung wurde bislang noch nicht erlassen.
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§ 11 Abs. 2a a.F. seinerseits bestimmt, dass die nach § 11 TierSchG zu erteilende Erlaubnis, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, unter Befristungen, Bedingungen und Auflagen erteilt werden kann. In diesem Zusammenhang entspricht es der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass auch nachträgliche Auflagen zulässig sind, wenn mit ihnen künftige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz verhindert werden sollen (OVG Lüneburg, B. v. 12.7.2011 - 11 LA 540/09, NuR 2011, 655, 656; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11, Rn. 31; Dietz, NuR 1999, 681, 684).
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Dabei kommt es nach Auffassung des Gerichts auch nicht darauf an, dass der Beklagte sich im bestandskräftigen Bescheid vom 1.4.2019 die nachträgliche Änderung oder Ergänzung der vorgenannten Auflagen sowie die Aufnahme weiterer Auflagen vorbehalten hat, was nach überwiegender Meinung ebenfalls zulässig ist (OVG Lüneburg, B. v. 12.7.2011, a.a.O.; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O.). Vielmehr reicht es aus, dass der Erlass der nachträglichen Auflagen zum Schutz der Tiere geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, ohne dass die Verhängung derartiger Auflagen voraussetzen würde, dass bereits Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorgekommen sind (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O.). Dies ergibt sich daraus, dass die Beifügung von Nebenbestimmungen den Zweck verfolgt, das in § 11 Abs. 2 i.V.m. § 2 TierSchG vorgegebene Schutzniveau durch genauere Regelungen auszufüllen und zu konkretisieren und auf diese Weise einen wirksamen Tierschutz zu erreichen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 12.7.2011, a.a.O.).
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2. Die vom Landratsamt nachträglich festgesetzten Änderungen bzw. Ergänzungen der Auflagen Nr. 17, 23 und 24 erweisen sich entgegen der Auffassung der Klägerseite unter Beachtung dieser Maßgaben auch als verhältnismäßig.
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2.1 Die in Nr. 23 getroffene Regelung beinhaltet eine Präzisierung der Kontrollpflichten des Erlaubnisinhabers in Bezug auf Pflegestellen. Insbesondere enthält sie die ausdrückliche Verpflichtung, dass die Pflegestellen vor Inbetriebnahme vor Ort auf Einhaltung der für den Pflegestellenbetrieb einschlägigen Tierschutzvorgaben überprüft werden (Vorkontrolle). Sie enthält aber zugleich die ausdrückliche Regelung, dass diese Kontrollen nicht nur durch den Erlaubnisinhaber selbst, sondern auch durch geeignete Dritte erfolgen können, wobei diese Dritten sowohl über die erforderliche Sachkunde verfügen müssen als auch keine tierschutzrechtlich einschlägigen Vorstrafen aufweisen dürfen, was im Folgenden jeweils näher erläutert wird.
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Diese Festlegungen erachtet das Gericht zunächst als zum Schutz der Tiere geeignet, weil sie dazu beitragen, dass die Anlaufstellen, an denen die aus dem Ausland nach Deutschland verbrachten Hunde zunächst für einen möglicherweise auch längeren Zeitraum bis zur Vermittlung verbleiben, tierschutzrechtlichen Mindeststandards entsprechen.
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Sie sind auch erforderlich, weil ein zur Erreichung des tierschutzrechtlichen Zwecks gleich geeignetes milderes Mittel nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist die von der Klägerseite ins Spiel gebrachte Videokontrolle nicht als gleich geeignet anzusehen. Insoweit hat die Beklagtenseite zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Kontrolle nicht die gleichen Erkenntnisse vermittelt. Zum einen sind nämlich olfaktorische Wahrnehmungen per Video gar nicht erkennbar, zum anderen ermöglicht eine Videokontrolle immer nur die Wahrnehmung eines bestimmten Bildausschnitts, während eine persönliche Kontrolle umfassendere Erkenntnisse vermittelt, weil vom Kontrollierenden stets auch die Umgebung wahrgenommen wird. Letztendlich soll der Kontrollierende aufgrund eines Gesamteindrucks entscheiden können, ob die konkrete Pflegestelle den Anforderungen genügt. Hierfür ist aus Sicht des Gerichts eine Anwesenheit vor Ort unabdingbar.
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Die Bestimmungen der Auflage sind auch verhältnismäßig. Dabei legt die Kammer zugrunde, dass es sich bei der Auswahl und Überprüfung von Pflegestellen um eine zentrale Aufgabe im Rahmen einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 TierSchG handelt, so dass der Hinweis der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung, es handle sich um eine „versteckte § 11 Erlaubnis“ nicht verfängt. Dass es sich um eine zentrale Aufgabe handelt, wird auch dadurch bestätigt, dass die erste Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, alle derzeit bestehenden fünf Pflegestellen persönlich besichtigt zu haben.
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Als verhältnismäßig erweisen sich auch die Konkretisierungen in Nr. 23, wann eine Person sachkundig ist. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Beklagte neben dem Absolvieren einer abgeschlossenen staatlich anerkannten oder sonstigen Aus- und Weiterbildung, die zum Umgang mit Hunden befähigt, als Alternative die Möglichkeit aufgenommen hat, dass die Sachkunde auch ohne eine solche Aus- oder Weiterbildung durch den bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgang mit Tieren, beispielsweise langjährige erfolgreiche Hundehaltung belegt werden kann. Damit wird die nötige Flexibilität geschaffen, dass auch praktisch erfahrene Tierhalter in die Kontrolltätigkeit eingebunden werden können. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klägervertreters wäre eine solche Erfahrung auch durchaus nachweisbar, da Hundehalter in der Regel über Herkunftspapiere, jedenfalls aber über Tierarztrechnungen verfügen und dadurch nachweisen können, dass sie über einen bestimmten Zeitraum Hunde gehalten haben.
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Ebenso wenig hat das Gericht Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Bestimmung, das Fehlen tierschutzrechtlich einschlägiger Vorstrafen durch ein weniger als sechs Monate altes polizeiliches Führungszeugnis nachzuweisen. Denn ein solches Führungszeugnis muss nicht immer wieder erneuert werden, sondern, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, lediglich vor erstmaliger Aufnahme der Kontrolltätigkeit hinterlegt werden. Dass dies eine unzumutbare Belastung sein könnte, ist nicht erkennbar.
51
Schließlich bestehen auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Mindestanforderungen an das von der Kontrollperson anzufertigenden Protokoll keine durchgreifenden Bedenken. Insoweit hat sich der Beklagte nämlich auf die Vorgaben der hier einschlägigen Tierschutzhundeverordnung (TierSchHundeV) bezogen, welche von der Pflegestelle zwingend erfüllt werden müssen.
52
Das Gericht verkennt bei alledem nicht, dass die Bestimmungen zum Nachweis der Sachkunde und des Fehlens tierschutzrechtlich einschlägiger Vorstrafen einen erhöhten Verwaltungsaufwand für den Kläger bedeuten. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die derzeitige Praxis der Auswahl der Kontrollpersonen, wie sie von der ersten Vorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung geschildert wird, unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten vollkommen unzureichend erscheint. Insoweit hat die erste Vorsitzende nämlich erklärt, dass in sozialen Medien wie Facebook in Gruppen nach Personen gesucht werde, die bereit seien, Vor- und Nachkontrollen zu übernehmen. Seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) habe sie von den Kontrollpersonen meist nur noch Name, Vorname, Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse. Dass eine solche Praxis nicht geeignet ist, den tierschutzrechtlichen Standard bei der Unterbringung der Hunde sicher zu gewährleisten, liegt auf der Hand. Denn weder kann eine derartige Auswahl sicherstellen, dass die Kontrollpersonen nicht einschlägig tierschutzrechtlich vorbestraft sind, noch lässt sich bei dieser Form der Auswahl erkennen, ob die Personen sachkundig sind, und selbst der Hinweis der ersten Vorsitzenden des Klägers, es handle sich um „tierliebe Menschen“ ist bei diesen wenigen Informationen reine Spekulation. Bestätigt wird der Eindruck der fehlenden Eignung nicht zuletzt dadurch, dass die erste Vorsitzende des Klägers auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass die Kontrollpersonen über die Kontrolle meist nur eine E-Mail versenden würden, aber wohl nicht zu einer eigenhändigen Unterschrift bereit seien.
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2.2 Die in Nr. 17 getroffene Auflagenänderung beinhaltet eine Konkretisierung der im Bescheid vom 1.4.2019 getroffenen Regelung für die Nachkontrolle der Endabnehmer. Insoweit ist neben einer Klarstellung, dass diese Nachkontrolle „vor Ort“ erfolgen muss, die Erweiterung enthalten, dass die Nachkontrolle auch durch „geeignete Dritte“ erfolgen kann, sowie die Festlegung, dass eine Nachkontrolle spätestens sechs Wochen nach der Vermittlung durchzuführen ist.
54
Auch diese Bestimmung erweist sich als unter Tierschutzgesichtspunkten geeignet, da sie sicherstellt, dass Hunde an einem für sie möglicherweise nicht geeigneten Ort nur möglichst kurz verbleiben und somit Verstöße gegen § 2 TierSchG zu vermeiden hilft.
55
Das Gericht sieht die Anordnung auch als erforderlich an, weil gleich geeignete mildere Mittel nicht ersichtlich sind. Diesbezüglich hat der Amtstierarzt, der als beamteter Tierarzt als gesetzlich vorgesehener Sachverständiger im Bereich des Tierschutzes eigens bestellt ist (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG) und dem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof deshalb im Hinblick auf die Anforderungen des § 2 TierSchG eine vorrangige Beurteilungskompetenz einräumt (vgl. B. v. 25.9.2020 - 23 CS 20.1928 - juris Rn. 25; U. v. 30.1.2018 - 9 B 05.3146 - juris Rn. 29), in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass aus fachlicher Sicht, für den Fall, dass es bei einem Endabnehmer nicht passt, schon sechs Wochen zu lang seien. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich um Hunde aus Rumänien handle, welche eine „Vorgeschichte“ hätten. Diese Einschätzung erachtet das Gericht als plausibel und schließt sich ihr an.
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Auch hinsichtlich Auflage Nr. 17 hat das Gericht keine Zweifel an der Angemessenheit. Hierbei kann im Wesentlichen auf die oben unter 2.1 getroffene Erläuterung verwiesen werden. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass Nachkontrollen der Endabnehmer deutlich häufiger anfallen werden als Vorkontrollen der Pflegestellen. Andererseits handelt es sich bei den Endabnehmern aber um diejenigen Plätze, bei denen die Hunde dauerhaft eine Heimat finden sollen, so dass einer wirksamen Nachkontrolle aus Tierschutzgesichtspunkten eine zentrale Bedeutung zukommt.
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Soweit der Klägervertreter bemängelt, von der ersten Vorsitzenden des Klägers werde erwartet, „ganz Deutschland zu bereisen, um die gewünschten Kontrollen durchzuführen“, geht dies schon deshalb völlig ins Leere, weil die angefochtene Auflage den Kläger ja ausdrücklich dadurch entlastet hat, dass sie grundsätzlich die Möglichkeit einer Kontrolle durch geeignete Dritte zulässt. Dass diese Dritten dann sorgfältig ausgewählt werden müssen, um eine effiziente Kontrolltätigkeit sicherzustellen, erachtet das Gericht als selbstverständlich.
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2.3 Die in Nr. 24 getroffene Auflagenergänzung betrifft die Anforderungen an die für Urlaubs-, Krankheits- oder sonstige Ausfallzeiten zu beauftragende zusätzliche und sachkundige Person. Dass diese Person das Fehlen einschlägiger tierschutzrechtlicher Vorstrafen nachweisen muss, ist aus Tierschutzgründen ebenfalls geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, zumal es sich, wie oben ausgeführt, lediglich um eine einmalige Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses handelt.
59
3. Die Änderung der Auflagen verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere sieht das Gericht keinen Verstoß gegen den in Art. 3 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass die Auflagenänderung als „generelle Änderung der Verwaltungspraxis“ zu sehen sei. Hiergegen ist rechtlich nichts einzuwenden, weil die Änderung, wie oben dargestellt, aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten geeignet, erforderlich und verhältnismäßig anzusehen ist. Der Beklagtenvertreter hat im Übrigen ausdrücklich erklärt, dass die inzwischen erlassenen neuen Bescheide mit den gleichen Auflagen verbunden worden seien.
60
Am Ergebnis ändert es auch nichts, dass der Beklagtenvertreter eingeräumt hat, dass die anderen Tierschutzvereine in … bislang keine vergleichbaren Auflagen haben. Denn insoweit fehlt es zum einen schon deshalb an einer vergleichbaren Sachlage, weil im Hinblick auf die Mitteilung des Veterinäramts Landshut vom 3.6.2020 ein konkreter Anlass bestand, den Fall des Klägers näher zu untersuchen. Zum anderen fehlt es an einer vergleichbaren Sachlage, weil der Beklagtenvertreter unwidersprochen ausgeführt hat, die Auflagen bei diesen Vereinen seien nicht so unbestimmt formuliert gewesen wie beim Kläger, so dass einleuchtend erscheint, dass beim Kläger ein dringlicherer Handlungsbedarf bestand.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).