Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 12.09.2022 – AN 2 E 22.01832
Titel:

Erfolglose schulrechtliche einstweilige Anordnung: Neuverbescheidung von Noten sowie vorläufige Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe – Legasthenie

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2, § 294
BaySchO Art. 36 Abs. 4 S. 1
BayEUG Art. 53
GSO § 30
Leitsätze:
1. Fehler im Prüfungsverfahren begründen keinen Anspruch auf Neu- und Besserbewertung, sodass ein auf Verfahrensfehler gestützter Antrag, gerichtet auf Neuverbescheidung von Schulnoten schon daran scheitert. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein Schüler in drei Vorrückungsfächern die Note "mangelhaft" erzielt hat, ist für einen vorläufigen Anspruch auf Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe kein Raum, wenn etwaige Bewertungsfehler in einem Fach vorliegen könnten, das Vorrücken aber auch beim Vorliegen der Note "mangelhaft" in zwei Vorrückungsfächern nicht möglich ist. (Rn. 70 – 72) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Jahreszeugnis, Nachteilsausgleich, Anspruch auf Neu- und Besserbewertung, unverzügliche Rüge von Verfahrensfehlern, Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe, Schulrecht, Neubewertung, Besserbewertung, Verfahrensfehler, Versetzung, Legasthenie, Arbeitszeitverlängerung, Vorlesen, Leistungsfestsetzung, mündlich, Rechtschreibung, Rechtschreibstörung, mangelhaft, Vorrückungsfach, Rüge
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25476

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, seine Schulnoten in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik neu zu bescheiden und ihm die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu erteilen.
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Der am … 2010 geborene Antragsteller besuchte im Schuljahr 2021/2022 die Klasse 6* des …Gymnasiums in … (nachfolgend: Gymnasium). Er leidet laut ärztlichem Attest vom 30. Juli 2019 an einer Rechtschreibstörung, sog. Legasthenie im Sinne von ICD-10: F 81.0.
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Mit Bescheid vom 8. Oktober 2020 zur Gewährung von Maßnahmen nach Art. 52 Abs. 5 BayEUG wurden für den Antragsteller - bis zum Ende des Schuljahres 2022/2023 - folgende Regelungen getroffen:
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I. Individuelle Unterstützung außerhalb der Leistungsfeststellungen nach § 32 BaySchO Über methodische, technische, pädagogische und organisatorische Stützmaßnahmen, die das Unterrichtsgeschehen betreffen, entscheidet die Schule im Rahmen ihrer räumlichen, technischen und personellen Möglichkeiten. Die durchgeführten Maßnahmen werden von der Schule in einer Übersicht dokumentiert.
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II. Nachteilsausgleich bei Leistungsfeststellung nach § 33 BaySchO 1. Für den Schüler kann die Arbeitszeit bei allen schriftlichen Leistungsnachweisen um bis zu 25% der vorgesehenen Arbeitszeit verlängert werden.
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2. Dem Schüler können schriftliche Aufgabenstellungen zusätzlich vorgelesen werden.
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3. Sofern keine bestimmte Form der Leistungserhebung und Gewichtung in der Schulordnung vorgesehen ist, können einzelne schriftliche (z.B. Diktat, Vokabeltests) durch mündliche Leistungsfeststellungen ersetzt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass das fachliche Anforderungsniveau der Leistungsanforderung gewahrt bleibt.
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III. Notenschutz bei Leistungsfeststellung nach § 34 BaySchO 1. Aufgrund der bescheinigten Rechtschreibstörung kann auf die Bewertung der Rechtschreibleistung verzichtet werden.
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Art und Umfang des Notenschutzes sind im Zeugnis in folgender Form zu vermerken:
„Auf die Bewertung des Rechtschreibens wurde in allen Fächern verzichtet.“
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2. Aufgrund der bescheinigten Rechtschreibstörung können in den Fremdsprachen mit Ausnahme der Abschlussprüfungen abweichend von der Schulordnung mündliche Leistungen stärker gewichtet werden.
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Art und Umfang des Notenschutzes sind im Zeugnis in folgender Form zu vermerken:
„In den Fremdsprachen wurden die mündlichen Leistungen stärker gewichtet." “
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Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass gemäß § 36 BaySchO die Erziehungsberechtigten oder die volljährigen Schülerinnen und Schüler schriftlich beantragen können, dass ein bewilligter Nachteilsausgleich oder Notenschutz nicht mehr gewährt wird. Ein Verzicht auf Notenschutz sei spätestens innerhalb der ersten Woche nach Unterrichtsbeginn zu erklären. Die konkret gewährten und in Anspruch genommenen Maßnahmen zum Nachteilsausgleich bzw. Notenschutz seien in Art und Umfang bei den jeweiligen schriftlichen Leistungserhebungen zu vermerken.
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Mit Schreiben vom 22. Juli 2022 informierte der Schulleiter des Gymnasiums die Eltern des Antragstellers darüber, dass dieser nach Beschluss der Lehrerkonferenz „wegen mangelhafter Leistungen in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik“ das Klassenziel nicht erreicht habe. Er könne die Klasse wiederholen. Gleichzeitig ist der Übertritt in die Realschule empfohlen worden.
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Mit Schreiben vom 26. Juli 2022 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers dessen anwaltliche Vertretung gegenüber dem Gymnasium an und führten im Wesentlichen und sinngemäß aus, im Fach Latein sei der Antragsteller bei einer Schulaufgabe von der Lehrkraft im Rahmen des bestehenden Subordinationsverhältnisses derart unter Druck gesetzt worden, dass er selbst schriftlich nach Vorgabe der Lehrerin auf den Nachteilsausgleich auf der Schulaufgabe verzichtet und dies auf der Schulaufgabe vermerkt habe. Da der Antragsteller minderjährig sei, könne er jedoch selbstverständlich, und was der zuständigen Lehrkraft auch bekannt sein müsse im Rahmen ihrer pädagogischen Tätigkeit, gar nicht wirksam auf den Nachteilsausgleich verzichten. Die Lehrkraft habe daher gezielt, bewusst und vorsätzlich darauf hingewirkt, dass der minderjährige und in Angst vor (weiteren) schlechten Noten handelnde Schüler dies in Kauf nehme, damit er keinen schlechten Eindruck bei der Lehrerin erwecke. Bereits aus diesem Grund sei die Note „mangelhaft“ in der Schulaufgabe hinfällig, insbesondere vor dem Hintergrund bereits zuvor erfolgter etwaiger Mobbingsachverhalte.
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Im Fach Englisch habe die Klassenleiterin im Gespräch und Beisein von Herrn Rechtsanwalt … auf Nachfrage der Mutter des Antragstellers am 19. Juli 2022 im Rahmen des gewünschten Elterngesprächs mehrfach eingeräumt, gegen den Bescheid über den Nachteilsausgleich verstoßen zu haben. Insbesondere seien dem Antragsteller nicht die erforderlichen Räumlichkeiten sowie Arbeitszeiten eingeräumt worden, ebenso wenig eine mündliche Prüfung. Letztlich habe die Lehrerin im Gespräch und Beisein von Herrn Rechtsanwalt … mehrfach gegenüber der Mutter des Antragstellers bestätigt, die Eltern hätten für den Nachteilsausgleich explizite Anträge schriftlich stellen müssen, was völlig an der Sache vorbeigehe und auch rechtlich völlig unzutreffend sei. Dies müsste der Klassenleiterin im Rahmen ihrer Berufsausübung auch bekannt sein, wovon ausgegangen werde.
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Im Fach Mathematik habe der Antragsteller in einer schriftlichen Arbeit die Note „ungenügend“ erzielt, während er im Rahmen einer mündlichen Beteiligung die Note „gut“ erzielt habe. Letztere sei jedoch nun nachträglich ohne Kenntnis des Antragstellers oder dessen Eltern sowie ohne weitere Begründung in die Note „ausreichend“ geändert worden, was im Rahmen des geltenden Schulrechts nicht möglich sei. Darüber hinaus seien dem Antragsteller in den Leistungsspiegel zwei weitere mündliche Noten „mangelhaft“ eingetragen worden, ohne dass die zuständige Lehrkraft - nach Rücksprache auf Nachfrage der Eltern des Antragstellers - hiervon Kenntnis gehabt habe. Laut Angaben der Lehrkraft habe es keine mündlichen Abfragen gegeben, da im betreffenden Zeitraum entweder der Antragsteller oder aber die Lehrkraft selbst erkrankt gewesen sei.
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Auch sei den Eltern des Antragstellers - trotz wiederholter Nachfragen - der aktuelle Leistungsspiegel des Antragstellers nicht ausgehändigt worden.
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Die Bevollmächtigten des Antragstellers beantragten weiter schriftliche Auskunft darüber, wie die Jahresendnote des Antragstellers in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik jeweils im Einzelnen zustande gekommen sei, weshalb die schriftliche Note im Fach Mathematik nachträglich geändert und die beiden mündlichen Noten auf welcher Grundlage nachträglich eingetragen worden seien sowie Auskunft darüber, weshalb den Eltern des Antragstellers trotz mehrfacher Nachfrage der aktuelle Notenspiegel vorenthalten worden sei. Zudem beantragten sie Einsicht in die Schulakte des Antragstellers.
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Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 teilte der Schulleiter des Gymnasiums mit, dass sämtliche schriftliche Leistungsnachweise erst geprüft werden müssten und sich die Überprüfung des Vorgangs aufgrund der nahenden Sommerferien verzögern könne. Auch sei eine Einsichtnahme in die Schulakte erst zu Beginn des neuen Schuljahres kurzfristig möglich.
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Mit streitgegenständlichem Jahreszeugnis vom 29. Juli 2022 erteilte das Gymnasium dem Antragsteller in den Fächern Latein, Englisch, Mathematik und Musik jeweils die Einzelnote „mangelhaft“. In allen übrigen Fächern erhielt der Kläger bessere Noten. Die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe wurde nicht erteilt. Das Zeugnis enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
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Mit Schreiben vom 1. August 2022 forderten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers den Schulleiter erneut auf, die bereits erbetenen Auskünfte zu erteilen. Zudem beantragten sie erneut Einsicht in die Schulakte des Antragstellers und baten um Übersendung des Abschlusszeugnisses des Antragstellers.
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Mit Schreiben vom 2. August 2022 an die Bevollmächtigten des Antragstellers teilte der Schulleiter im Wesentlichen mit, dass der Nachteilsausgleich in allen Fächern gewährt worden sei, auch in den Fächern, deren Notengebung nicht explizit in Frage gestellt werde. Diese Vorwürfe würden entschieden zurückgewiesen. Im Folgenden gab der Schulleiter die Stellungnahmen der Lehrkräfte in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik wieder.
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Laut Stellungnahme der Lehrkraft im Fach Latein habe der Antragsteller in drei von vier Schulaufgaben auf den Nachteilsausgleich verzichtet und entgegen dem Vorwurf habe sie ihn niemals dazu genötigt oder unter Druck gesetzt. Ganz im Gegenteil: der Antragsteller habe stets abgeben wollen und sie habe ihn dann mehrmals gefragt, ob er sich sicher sei und nicht noch die Zeit nutzen wolle, er solle sich die Arbeit nochmal durchlesen etc. Er habe darauf verzichtet und gleich darauf hingewiesen, dass er den Verzicht auf den Zeitzuschlag schon auf der Arbeit notiert habe. Außerdem lese sie den lateinischen Text immer laut vor und auch die Aufgabenstellungen des Zusatzteils würden mündlich besprochen und alle Aufgabentypen nochmals erklärt. Die Schulaufgabennoten des Antragstellers seien 6, 5, 6, 6. Lediglich in der dritten Schulaufgabe (Note 6) habe er etwa drei Minuten länger geschrieben als die anderen. Davor habe er immer von sich aus abgegeben, ohne dass sie auch nur einen Kommentar dazu abgegeben habe dahingehend, dass er nun auch abgeben müsse. Ihre Zeitansagen richteten sich dabei immer an ihn im speziellen und die restliche Klasse. Drei von vier Extemporalien habe er mitgeschrieben, auch hier verfahre sie wie in Schulaufgaben. Die Aufgaben würden von ihr vorgelesen und kurz erklärt. Auch hier habe er die Noten 6, 4, 6 erhalten, wobei er da auch schon vor der Zeit fertig gewesen sei und mit den Worten „mir fällt nichts mehr ein“ die Arbeit mit den anderen Schülern der Klasse abgegeben habe. Die rein mündlichen Noten setzten sich aus drei Unterrichtsbeiträgen und einer Abfrage zusammen. Sie hätte ihn gerne gegen Ende des Schuljahres nochmal abgefragt, aber da habe er des Öfteren gefehlt. Die Unterrichtsbeiträge seien 4-, 3- und 6. Die ersten beiden Noten seien noch im ersten Halbjahr entstanden, wo die Lücken noch nicht allzu groß gewesen seien. Die letzte Note sei in der Kalenderwoche 18 entstanden, wo sie im Laufe der ganzen Woche, wenn sie den Antragsteller aufgerufen habe, nur ein Schulterzucken als Antwort erhalten habe. Die Abfrage sei am 21. Februar erfolgt und habe die Note 4- ergeben.
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Gemäß der Stellungnahme der Lehrkraft im Fach Englisch seien die ihr gemachten Vorwürfe in allen Punkten haltlos. Es sei völlig richtig, dass bei dem Antragsteller im Herbst 2020 eine isolierte Rechtschreibstörung festgestellt worden sei. Demnach stehe ihm ein Nachteilsausgleich zu, der ihm ab diesem Zeitpunkt in allen Fächern stets gewährt worden sei. So sei die Rechtschreibung in den Fremdsprachen und im Fach Deutsch nicht bewertet worden, ebenso wenig seine Leseleistung. Außerdem habe er in den schriftlichen Leistungsnachweisen einen Zeitzuschlag von bis zu 25% erhalten und die mündlichen Leistungen seien stärker gewichtet worden. Diese Besserstellung von mündlichen im Vergleich zu schriftlichen Noten sei auch im Jahreszeugnis in den Fächern Englisch und Latein durchweg angewendet worden. Spezifisch auf das Fach Englisch bezogen sei anzumerken, dass sie zu Beginn jeder Englischschulaufgabe mit den Schülerinnen und Schülern die unterschiedlichen Aufgabenstellungen durchgehe, diese begleitend unter der Dokumentenkamera auch visualisiere und auf Englisch laut vorlese. Hiermit folge sie also gewissenhaft und ordnungsgemäß den Empfehlungen des Art. 52 Abs. 5 BayEUG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 BaySchO sowie § 34 Abs. 7 BaySchO. Ebenso sei ein schriftlicher Leistungsnachweis durch eine mündliche Leistungsfeststellung ersetzt worden (Art. 52 Abs. 5 BayEUG). Art. 52 Abs. 5 BayEUG sowie § 34 Abs. 7 BaySchO (Verzicht auf die Bewertung der Rechtschreibung) seien bei dem Antragsteller, wie bereits oben angeführt, in Englisch ebenso angewendet worden. Im Fach Englisch sei dem Antragsteller bei allen großen schriftlichen Leistungsnachweisen ein Zeitzuschlag von elf bis zwölf Minuten (also 25%) gewährt worden. Diesen habe der Antragsteller aber nur zum Teil in Anspruch genommen oder habe direkt zum gleichen Zeitpunkt wie seine Mitschülerinnen und Mitschüler den schriftlichen Leistungsnachweis abgegeben. Auch auf die konkrete Nachfrage der Lehrkraft hin, ob er wirklich schon vorzeitig abgeben wolle, und den Hinweis, dass er noch mehr Zeit habe, habe der Antragsteller dies mit dem Kommentar „Ich weiß nichts mehr, ich gebe ab“ kommentiert. Sie habe sich bei jeder Schulaufgabe akribisch notiert, wie viel Zeitzuschlag der Antragsteller am besagten Tag in Anspruch genommen habe. Genau dies habe sie der Mutter des Antragstellers und dem Rechtsanwalt in dem Gespräch am 19. Juli 2022 mitgeteilt. In keinem Fall habe sie eingeräumt, dass sie gegen den Nachteilsausgleich verstoßen habe. Der Antragsteller habe in jeder der vier Schulaufgaben die Möglichkeit gehabt, elf bis zwölf Minuten länger zu arbeiten, er habe diesen Zeitzuschlag aber meistens abgelehnt beziehungsweise nur vier bis fünf Minuten der ihm zur Verfügung stehenden zusätzlichen Zeit genutzt. Auch beim ersten kleinen angekündigten schriftlichen Leistungsnachweis im 1. Halbjahr (6. Oktober 2021) habe dem Antragsteller ein Zeitzuschlag zur Verfügung gestanden. Der zweite kleine Leistungsnachweis im 2. Halbjahr (6. Juli 2022) sei auf Antrag der Eltern mit dem Antragsteller mündlich und allein in einem Raum durchgeführt worden. Bei diesem Leistungsnachweis habe sie die Antworten des Antragstellers für ihn mitgeschrieben. Bei einem großen Teil der gefragten Vokabeln habe er ihr gar keine Antwort gegeben, bei vielen anderen sei die Antwort schlichtweg falsch gewesen. Auch hier habe der Antragsteller nicht die volle, ihm zur Verfügung stehende Prüfungszeit nutzen wollen und die Prüfung auf eigenen Wunsch früher beendet. Die Note dieser mündlichen Ersatzprüfung sei eine 6 gewesen. Sie könne hier also nachweislich den Vorwurf zurückweisen, dass sie nicht versucht habe, die erforderlichen Räumlichkeiten oder Arbeitszeiten für den Antragsteller zu schaffen. Als sie die Mutter des Antragstellers, ohne vorherige Ankündigung, im Gespräch mit dem Rechtsanwalt gefragt habe, warum nicht alle schriftlichen Leistungserhebungen durch mündliche ersetzt worden seien, habe sie sie darauf hingewiesen, dass dies nicht in ihrer Entscheidungsbefugnis liege, dieses Vorgehen nicht üblich und der Wunsch in keinem Gespräch ihr gegenüber vorher geäußert worden sei. Sie habe ebenso darauf hingewiesen, dass solche besonderen Maßnahmen an der Schule nur nach Absprache mit der Schulpädagogin und explizit gestellten Anträgen gegenüber der Schulleitung möglich seien. Dass man für den Nachteilsausgleich wiederholt explizit schriftliche Anträge stellen müsse, habe sie nie gesagt. Es sei noch zu erwähnen, dass der Antragsteller schon zum Halbjahr (Stand 15. Februar 2022) auf zwei Fünfern in den Fächern Latein (4,83) und Englisch (4,66) gestanden habe. Dies sei der Familie damals auch im zweiten Zwischenbericht vom 18. Februar 2022 mitgeteilt worden und es hätten mehrfache Treffen stattgefunden. Die Noten des Antragstellers im Fach Englisch setzten sich folgendermaßen zusammen:
„Schulaufgaben:
1. SA: 11.11.21 Note 6 2. SA: 27.1.22 Note 5 3. SA: 22.3.22 Note 5 4. SA: 24.5.22 Note 6 1. schriftlicher kleiner angekündigter Leistungsnachweis: 6.10.2021 Note 5 2. schriftlicher kleiner angekündigter Leistungsnachweis: 6.07.2022 Note 6 kleine mündlichen Leistungen - 1. Halbjahr Unterrichtsbeitrag: 21.10.21 Note 2 (Thema: Fragen mit Präpositionen)
Unterrichtsbeitrag 8.12.21 Note 5 (Textverständnis: Treasure Hunt S. 34)
Rechenschaftsablage 10.2.22 Note 5 (Vokabeln und Text S. 58/59 Living Together) kleine mündlichen Leistungen - 2. Halbjahr Unterrichtsbeitrag 15.3.22 Note 4 (Beobachtungen nach einer Woche 07.-15.03)
Unterrichtsbeitrag 29.3.22 Note 6 (Wiederholung im Workbook S. 51)
Rechenschaftsablage 27.4.22 Note 6 (Hilfsverben, Vokabeln)
Schnitt normale Berechnung:
Große Leistungsnachweise: 5,5; kleine Leistungsnachweise: 4,875 → Endschnitt 5,29 Schnitt mit Mündlich-Schriftlich 1:1 schriftl. Leistungsnachweise: 5,5; mündliche Leistungsnachweise: 4,66 → Endschnitt 5,08“
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Ausweislich der Stellungnahme der zuständigen Lehrkraft im Fach Mathematik handele es sich bei der nachträglichen Änderung der Note um einen falschen Eintrag im Notenmanager. Die Berechnung der Jahresendnote sei korrigiert worden. Dennoch verbleibe es bei der Gesamtnote „mangelhaft“. Der Antragsteller habe also mündlich die sechs Noten 2, 2, 2, 4, 5 und 5 in diesem Schuljahr. Insgesamt komme er damit auf einen Notendurchschnitt von 4,69, wenn die Noten der Schulaufgaben (5, 5, 5, 6) sowie der beiden Extemporalien (5, 2) mitberücksichtigt würden. Dies entspreche leider immer noch der Note 5. Der Vorhalt im Schreiben des Rechtsanwalts, dass er keinerlei Kenntnis der beiden „5er“ hätte, sei natürlich nicht der Fall. Selbstverständlich habe er diese Noten gemacht und eingetragen. Es sei korrekt, dass er nicht explizit abfrage - diese „5er“ seien Unterrichtsbeitragsnoten. Dass der Antragsteller bzw. er nie gleichzeitig in der Schule gewesen seien, sei auch falsch. Aufgrund des knappen Notenbildes habe er zwei Gelegenheiten Ende Mai und Ende Juni genutzt, an denen der Antragsteller noch anwesend gewesen sei, um ihm innerhalb einer Stunde mehrere Fragen zu stellen und so ein fundiertes Bild seiner mündlichen Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Leider habe seine mündliche Leistungsfähigkeit gegen Ende des Schuljahres stark abgenommen. Wo er Anfang des Schuljahres mündlich noch „gut dabei“ gewesen sei, sei seine mündliche Leistung am Schuljahresende leider nur noch als mangelhaft einstufbar gewesen. Den Nachteilsausgleich habe er selbstverständlich gewährt. Hierzu seien schriftliche Arbeiten vor der Bearbeitung durch die Schüler kurz gemeinsam besprochen worden. Der Antragsteller habe je nach Sprachlastigkeit der Arbeit eine angemessene Zeitverlängerung erhalten, die sich im Rahmen des Bescheids bewegten. Sowohl die gewährte Zeitverlängerung als auch der Umstand, ob er sie in Anspruch genommen habe oder nicht, seien auf allen Arbeiten von ihm vermerkt worden.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. August 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Antragsteller könne einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, da er einen Anspruch auf Vorrücken in die 7. Jahrgangsstufe habe. Gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayEUG rückten in die nächsthöhere Jahrgangsstufe Schüler vor, die während des laufenden Schuljahres die erforderlichen Leistungsnachweise erbracht und dabei den Anforderungen genügt hätten. Nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 BayEUG würden die Zeugnisse unter Berücksichtigung der einzelnen schriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungen erteilt. Hierbei würden die gesamten Leistungen eines Schülers unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler in pädagogischer Verantwortung der Lehrkraft bewertet (Art. 52 Abs. 3 Satz 2 BayEUG). Hierbei sei zu beachten, dass keine strikte Bindung der Lehrer- bzw. Klassenkonferenz an eine rechnerische Gesamtnote bestehe; vielmehr sei die Gesamtleistung des Schülers gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BayEUG in pädagogischer Verantwortung unter Berücksichtigung der einzelnen Leistungen zu bewerten. Insoweit stehe der Klassen- bzw. Lehrerkonferenz ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Beurteilungsspielraum zu. Dennoch habe der betroffene Schüler auch in diesem Bereich einen Anspruch auf eine so weit wie möglich tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gericht habe daher zu prüfen, ob die Schule bei ihrer Entscheidung den Sinngehalt der einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften verkannt habe, ob sie frei von sachfremden Erwägungen, also nicht willkürlich entschieden habe und ob die der Entscheidung zugrundeliegende pädagogische Wertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt sei, die - soweit notwendig - vollständig ermittelt worden seien und einer sachlichen Überprüfung standhielten.
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Gemessen an diesen Grundsätzen seien die Schulnoten in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik rechtlich zu beanstanden, da die einschlägigen schulrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten worden seien.
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Die Jahresendnote „mangelhaft“ im Fach Latein sei bereits deshalb fehlerhaft und damit rechtswidrig, da die Noten in drei der vier schriftlichen Schulaufgaben unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 1 BaySchO zustande gekommen seien. Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 BaySchO könnten die Erziehungsberechtigten oder volljährige Schülerinnen und Schüler schriftlich beantragen, dass ein bewilligter Nachteilsausgleich oder Notenschutz nicht mehr gewährt werde. Auch gemäß dem Bescheid zur Gewährung von Maßnahmen nach Art. 52 Abs. 5 BayEUG könnten in Ansehung der Vorschrift des Art. 36 BaySchO ausschließlich und allein die Erziehungsberechtigten schriftlich auf den Nachteilsausgleich oder den Notenschutz verzichten. Sofern die Eltern des Schülers daher nicht in seinem Namen auf den Nachteilsausgleich verzichten würden, sei dieser zwingend durch die Schule bzw. die Lehrkräfte von sich aus zu gewähren. Ein Verzicht durch den minderjährigen Schüler sei gerade nicht wirksam möglich. Der Antragsteller sei von der zuständigen Lehrkraft im Rahmen mehrerer Schulaufgaben gezielt und bewusst unter Druck gesetzt worden, sodass dieser aus Angst selbst schriftlich nach Vorgabe der Lehrerin auf den Nachteilsausgleich verzichtet und dies auf der Schulaufgabe vermerkt habe, um im Hinblick auf weitere Noten im laufenden Schuljahr keinen schlechten Eindruck bei der Lehrkraft zu erwecken. Ein schriftlicher Verzicht seiner Eltern auf den gewährten Nachteilsausgleich liege nicht vor.
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Auch die Jahresendnote „mangelhaft“ im Fach Englisch sei fehlerhaft und rechtswidrig, da dem Antragsteller der durch Bescheid vom 8. Oktober 2020 gewährte Nachteilsausgleich nicht entsprechend eingeräumt worden sei. Gemäß den dortig enthaltenen Regelungen auf Grundlage des Art. 52 Abs. 5 BayEUG könne dem Schüler laut Ziffer II.2. eine schriftliche Aufgabenstellung zusätzlich mündlich vorgelesen werden. Auch könnten gemäß Ziffer II.3. - sofern keine bestimmte Form der Leistungserhebung vorgesehen sei - einzelne schriftliche Leistungsnachweise durch mündliche Leistungsfeststellungen unter Beibehaltung des fachlichen Anforderungsniveaus ersetzt werden. Ausweislich Ziffer III. des Bescheids könne aufgrund der bescheinigten Rechtschreibstörung im Rahmen des Notenschutzes auf die Bewertung der Rechtschreibleistung verzichtet oder könnten in den Fremdsprachen mündliche Leistungen stärker gewichtet werden. Wie die zuständige Lehrkraft im Rahmen des Gesprächs am 19. Juli 2022 selbst eingeräumt habe, habe sie mehrfach gegen den Bescheid über den Nachteilsausgleich verstoßen. Insbesondere seien dem Antragsteller nicht die erforderlichen Räumlichkeiten sowie die benötigte Arbeitszeit eingeräumt worden. Gleiches gelte für die Gewährung einer mündlichen Prüfung an Stelle einer schriftlichen Arbeit. Die Lehrkraft habe im Gespräch gegenüber der Mutter des Antragstellers die Auffassung vertreten, die Eltern des Antragstellers hätten für den Nachteilsausgleich explizite Anträge schriftlich bei der Schule stellen müssen.
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Schließlich sei auch die Jahresendnote „mangelhaft“ im Fach Mathematik rechtswidrig zustande gekommen, da der Notenspiegel nachträglich und ohne Kenntnis der zuständigen Lehrkraft zu Ungunsten des Antragstellers geändert worden sei. Die durch den Antragsteller in Mathematik erzielte mündliche Beteiligung mit der Note „gut“ sei nachträglich und ohne seine Kenntnis oder die seiner Eltern sowie ohne weitere Begründung in die Note „ausreichend“ abgeändert worden. Ebenso seien in den Leistungsspiegel zwei weitere mündliche Noten „mangelhaft“ eingetragen worden, ohne dass die zuständige Lehrkraft hiervon Kenntnis gehabt habe. Insbesondere habe es hier keine mündlichen Abfragen gegeben, da der Antragsteller oder die zuständige Lehrkraft abwechselnd nicht in der Schule anwesend gewesen seien.
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In allen anderen Fächern, mithin in denjenigen, in welchen dem Antragsteller der Nachteilsausgleich entsprechend dem Bescheid und den gesetzlichen Vorgaben gewährt worden sei, habe er durchweg die Noten „gut“ und „befriedigend“ sowie im Fach Deutsch „ausreichend“ erzielt.
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Ausweislich des „Wechsler Intelligence Scale for Children - Fifth Edition“ (WISC-V-) Test“ vom 22. Juni 2022 sei der Antragsteller unter der Voraussetzung der Gewährung eines Nachteilsausgleichs auch absolut geeignet für den Besuch eines Gymnasiums.
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Darüber hinaus könne der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Wegen der Eilbedürftigkeit des Anordnungsverfahrens seien die Anforderungen an das Beweismaß und somit auch an den Umfang der Ermittlung von Sach- und Rechtslage geringer als im Hauptsacheverfahren. Es genüge eine nur summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage. Im vorliegenden Fall sei ein Anordnungsgrund bereits deshalb glaubhaft gemacht, da der Beginn des Schuljahrs 2022/2023 unmittelbar bevorstehe und der Antragsteller möglichst bald Klarheit darüber gewinnen müsse, ob er im kommenden Schuljahr zumindest vorläufig die 7. Klasse des Gymnasiums besuchen dürfe.
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Der Antragsteller beantragt wörtlich:
I. Der Antragsgegner wird unter Aufhebung des Bescheids vom 29.07.2022 verpflichtet, dem Antragsteller unter der Rechtsauffassung des Gerichts die Schulnoten in den Fächern „Latein“, „Englisch“ und „Mathematik“ neu zu bescheiden
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu erteilen.
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Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
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Zur Begründung trägt er sinngemäß im Wesentlichen vor, Nachteilsausgleich sei in allen Fächern gewährt worden, auch in Fächern, deren Notengebung nicht explizit in Frage gestellt werde. Im vergangenen Schuljahr hätten zweimal pädagogische Klassenkonferenzen stattgefunden. Es handele sich dabei um formlose Treffen der Fachlehrkräfte der Jahrgangsstufen 5 bis 10, in denen pädagogische Themen behandelt würden, wie z.B. Organisation Tafel-/Ordnungsdienst, Klassenbuch, disziplinäre Angelegenheiten, Teilnehmer am Sprachförderprogramm, Schülerinnen und Schüler mit speziellem Förderbedarf, Schülerinnen und Schüler mit Nachteilsausgleich und dessen Umsetzung u.v.m. Schon allein dieses pädagogische Konzept zeige, dass die Förderung von Schülerinnen und Schülern am Gymnasium eine große Rolle spiele. In den pädagogischen Klassensitzungen werde der Nachteilsausgleich der betroffenen Schülerinnen und Schülern generell angesprochen und jeder einzelne Schüler besprochen. Dabei würden auch organisatorische Aspekte bei deren Umsetzung angesprochen. Ihre Schulpsychologin stehe allen Fachlehrkräften darüber hinaus als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Am Gymnasium gebe es mehrere Schülerinnen und Schüler, die Nachteilsausgleich in Anspruch nähmen; den Lehrkräften seien diese Regelungen bekannt und sie seien bei der Umsetzung sehr sensibel und genau. Es handele sich bei dem Antragsteller also um keinen Einzelfall. Auf ein weiteres pädagogisches Instrument solle hingewiesen werden: In den Jahrgangsstufen 5 und 6 würden sogenannte „Klassenteams“ gebildet. Die Lehrkräfte der Hauptfächer, also Deutsch, Mathematik und Englisch bildeten ein Team und begleiteten die Klasse über die ersten beiden Schuljahre am Gymnasium hinweg. Sie träfen sich einmal pro Woche in einer eigenen Sitzung und berieten über die einzelnen Schülerinnen und Schüler (nötige Hilfen, Lernfortschritt, Probleme u.v.m.). Auch im Rahmen dieser Sitzungen sei der Nachteilsausgleich ein wichtiges Thema, das ständig präsent sei. Es gehe auch darum, wie bei Leistungserhebungen mit der Gewährung längerer Arbeitszeit zu verfahren sei. Zusammenfassend werde festgestellt, dass es am Gymnasium verschiedene Instrumente gebe, mit Hilfe derer die Gewährung von Nachteilsausgleich sichergestellt werde.
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Aus der Stellungnahme der Lateinlehrerin sei ersichtlich, dass sie den Antragsteller keineswegs unter Druck gesetzt habe. Auch werde der Vorwurf zurückgewiesen, die Englischlehrerin habe in dem Gespräch vom 19. Juli 2022 Verstöße gegen den Bescheid des Nachteilsausgleichs eingeräumt. Zusammenfassend werde festgestellt, dass der Nachteilsausgleich in allen Fächern in vollem Umfang gewährt worden sei. Die vorgebrachten Vorwürfe seien nicht haltbar und würden zurückgewiesen. Der Antragsteller sei nie an die Lehrkräfte herangetreten mit dem Wunsch, er wolle auf den Nachteilsausgleich von vorneherein verzichten. Vielmehr habe er den Nachteilsausgleich in Anspruch genommen, aber ihn nicht bzw. nicht vollständig ausgenutzt, wenn er eine Arbeit früher abgegeben habe. Daher werde der Vorwurf, der Antragsteller sei unter Druck gesetzt worden, den Nachteilsausgleich nicht in Anspruch zu nehmen, mit Nachdruck zurückgewiesen. Es werde garantiert, dass die drei Lehrkräfte tüchtige, vertrauensvolle und verantwortungsbewusste Beamtinnen bzw. Beamte seien. Alle drei erfüllten ihre dienstlichen Pflichten gewissenhaft und das Engagement werde als überdurchschnittlich eingestuft. Die Schülerinnen und Schüler lägen ihnen am Herzen; der Lernfortschritt sei allen dreien sehr wichtig. Es werde versichert, dass die drei Lehrkräfte ihre Dienstpflichten nicht nur im Hinblick auf diesen Fall erfüllten.
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Der Antragsteller sei in den letzten beiden Wochen des Schuljahres erkrankt und am Tag der Zeugnisausgabe nicht anwesend gewesen. Zeugnisse von abwesenden Schülerinnen und Schülern würden üblicherweise nicht nachgesendet, sondern abgeholt. Davon habe der Rechtsanwalt erst am 10. August 2022 um 10:00 Uhr Gebrauch gemacht. Trotz mehrmaliger Hinweise, dass die Schülerakte kurzfristig nach telefonischer Ankündigung im neuen Schuljahr (Beginn am 1. August 2022) eingesehen werden könne, habe die Kanzlei davon keinen Gebrauch gemacht. Schülerakten müssten am Ende des Schuljahres erst abgeschlossen werden (Ablage der Zeugniskopien sowie Notenbögen sowie handschriftlicher Vermerk über das Vorrücken/Nichtvorrücken). Dies übernehme die Klassenleitung und brauche entsprechend Zeit. Auf mehrfache Nachfrage sei ein Termin am 31. August 2022 mit dem Rechtsanwalt in den Räumen der Schule vereinbart worden. Eine Einsichtnahme der Schülerakte in den Räumen der Kanzlei sei unüblich und erfolge grundsätzlich nicht. Es werde mit Unverständnis zur Kenntnis genommen, dass die Mutter des Antragstellers eine eidesstattliche Erklärung abgebe, es sei kein Nachteilsausgleich gewährt und ihr Sohn sei unter Druck gesetzt worden. Es werde gefragt, wie sie als nicht anwesende Person diesen Sachverhalt nachvollziehen wolle. Falls eine Zeitverlängerung vom Schüler nicht weiter in Anspruch genommen werde, da er nichts mehr wisse, könne er dies durchaus entsprechend äußern. Ein Gymnasiast der 6. Klasse sollte dazu fähig sein. Die Mutter des Antragstellers sei in diesen Fällen nicht anwesend gewesen und könne sich also dazu nicht äußern; vielmehr könne sie nur die Erzählungen ihres Sohnes wiedergeben.
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Hierauf lässt der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. September 2022 im Wesentlichen über das bereits Vorgebrachte wie folgt erwidern: Aus der Tatsache, dass grundsätzlich mehrere pädagogische Instrumente zur Sicherstellung des Nachteilsausgleichs existierten, lasse sich nicht ohne weiteres herleiten, dass der Nachteilsausgleich im vorliegenden Fall auch tatsächlich gewährt worden sei. Aus der Stellungnahme der Lehrkraft im Fach Latein lasse sich nicht herleiten, dass der Nachteilsausgleich in vollem Umfang gewährt worden sei. Der Nachteilsausgleich sehe zwar vor, dass bei schriftlichen Aufgaben die Texte laut vorzulesen seien. Allerdings könne der Stellungnahme gerade nicht entnommen werden, dass die Rechtschreibung vorliegend tatsächlich nicht bewertet worden sei. Für die Annahme, dass die Schreibleistung hier - entgegen dem Nachteilsausgleich - sehr wohl berücksichtigt worden sei, spreche, dass im Rahmen der 4. Schulaufgabe im Fach Latein vom 27. Juni 2022 ausweislich des Kommentars der Lehrkraft alle Antworten des Antragstellers, die für sie nicht lesbar seien, als falsch gewertet worden seien („Was ich nicht lesen kann, ist falsch, …!“). Hierbei sei zu beachten, dass der Antragsteller ein vergleichsweise großes Schriftbild habe und die Worte mit geringem Aufwand gut entzifferbar seien. Eine gewisse Anstrengung könne einer Lehrkraft bei der Entzifferung eines Textes durchaus zugemutet werden.
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Aufgrund der Tatsache, dass die übrigen Schülerinnen und Schüler nach dem Ende der regulären Arbeitszeit ihre Arbeiten alle gleichzeitig abgegeben hätten, sei es dem Antragsteller nicht möglich gewesen, sich hinreichend auf die Schulaufgabe zu konzentrieren, so dass er sich genötigt gesehen habe, die Arbeit gemeinsam mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern abzugeben. Die Behauptung der Lehrkraft im Fach Englisch, sie habe keineswegs eingeräumt, gegen den Nachteilsausgleich verstoßen zu haben, verwundere doch sehr, zumal bei diesem Gespräch mehrere Zeugen, unter anderem die Mutter des Antragstellers sowie Herr Rechtsanwalt … anwesend gewesen seien. Im Rahmen dieses Gesprächs habe die Lehrkraft explizit eingeräumt, keine separaten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und auch keine Verlängerung der Arbeitszeit gewährt zu haben. Durch die gleichzeitige Abgabe der übrigen Schülerinnen und Schüler zum Ende der regulären Arbeitszeit und den damit verbundenen erheblichen Lärmbelästigungen habe der Antragsteller sich dazu genötigt gesehen, auch hier die Arbeit gleichzeitig mit den anderen Schülerinnen und Schülern abzugeben und von seiner Schreibzeitverlängerung keinen Gebrauch zu machen. Hinsichtlich der Tatsache, dass die schriftlichen Leistungsnachweise nicht durch mündliche ersetzt worden seien, sei die Stellungnahme der Lehrkraft im Fach Englisch widersprüchlich. So werde vorgebracht, dass die Ersetzung eines schriftlichen Leistungsnachweises durch einen mündlichen als besondere Maßnahme nur nach Absprache mit der Schulpsychologin und explizit gestellten Anträgen bei der Schulleitung möglich sei. Dass man für den Nachteilsausgleich schriftliche Anträge stellen müsse, habe sie hingegen nie behauptet. Allerdings sei nach Aussage der Lehrkraft für die Ersetzung eines schriftlichen Leistungsnachweises durch einen mündlichen sehr wohl ein Antrag erforderlich.
42
Die Behauptung der Lehrkraft im Fach Mathematik, ihm sei bei der Eintragung der Noten ein Fehler unterlaufen, indem er versehentlich die Note 2 mit der nächsten mündlichen Note im Notenmanager überschrieben habe, erscheine wenig überzeugend. In diesem Kontext sei weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Fach Mathematik am 30. Mai 2022 mündlich abgefragt worden sei, obwohl er ab dem 25. Mai 2022 bis einschließlich 29. Mai 2022 nachweislich erkrankt gewesen sei. Über welchen Unterrichtsstoff der Lehrer den Antragsteller befragt habe und welche konkreten Fragen ihm gestellt worden seien, bleibe freilich offen. Gleiches gelte für die zweite Abfrage Ende Juni. Denn die zuständige Lehrkraft sei in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 2022 nicht in der Schule gewesen und dementsprechend habe auch kein Unterricht stattgefunden. Dennoch sei der Antragsteller am darauffolgenden Montag, den 27. Juni 2022, mündlich abgefragt worden, ohne dass zuvor der relevante Stoff im Unterricht hätte behandelt werden können, wobei er ausweislich des Notenbogens die Note „mangelhaft“ erzielt habe. Welche konkreten Fragen dem Antragsteller hierbei gestellt worden seien, bleibe freilich völlig offen. Dass der Antragsteller in den beiden Abfragen am 30. Mai 2022 sowie am 27. Juni 2022 die Note 5 „mangelhaft“ erzielt habe, da er wegen Krankheit die vorangegangenen Unterrichtstunden versäumt bzw. überhaupt kein Unterricht stattgefunden habe, verwundere nicht. Vielmehr dränge sich hier die Frage auf, ob der Lehrer den Antragsteller gezielt abgefragt habe, um die vorherigen Noten „gut“, „gut“, „gut“ und „ausreichend“ bis einschließlich Ende Mai „nach unten zu korrigieren“, zumal der Notenspiegel bis dahin im Fach Mathematik einen Notendurchschnitt von 4,2 aufgewiesen habe.
43
Auch sei dem Antragsteller im Fach Latein kein separater Raum zur Verfügung gestellt worden mit der Konsequenz, dass dieser sich durch die erheblichen Lärmbelästigungen der anderen Schülerinnen und Schüler zur Abgabe gezwungen gesehen und von seiner Schreibzeitverlängerung keinen Gebrauch gemacht habe. Darüber hinaus habe der (minderjährige) Antragsteller auch nach Fertigstellung der Arbeiten vor Verlassen des Klassenzimmers schriftlich auf der jeweiligen Arbeit selbst vermerken müssen, dass er auf den Nachteilsausgleich verzichte, was in Ansehung der Vorschrift des Art. 36 BaySchO nicht zulässig sei. .
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Nach alldem dränge sich hier der Verdacht auf, dass der Antragsteller aufgrund seiner isolierten Rechtschreibstörung einer zu intensiven Betreuung bedurft hätte und man daher versucht habe, ihn durch das Nicht-Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe zu einem Schulwechsel zu bewegen und ihn damit „loszuwerden“. Dies werde insbesondere auch durch das Schreiben des Schulleiters vom 2. August 2022 deutlich. Die Äußerung des Schulleiters, er werde „das Schulrecht nächstes Schuljahr konsequent umsetzen“, sofern der Antragsteller nicht die Schule wechsle, stelle zweifelsfrei eine Drohung mit einem empfindlichen Übel für den Antragsteller dar und mache zugleich deutlich, dass er in dieser Schule nicht erwünscht sei. Auch von „zahlreichen Tobsuchtsanfällen“ des Antragstellers könne vorliegend keine Rede sein. In diesem Kontext sei anzumerken, dass gegenüber dem Antragsteller weder ein Verweis ausgesprochen noch eine andere Disziplinarmaßnahme verhängt worden sei. Tatsächlich werde der Antragsteller von seinen Mitschülern regelmäßig schikaniert, gehänselt und provoziert, so dass er dem Unterrichtsgeschehen nicht folgen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichts- und Schülerakte verwiesen.

Gründe

II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
47
Gemäß § 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand oder zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn die Regelung notwendig erscheint, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierbei prüft das Gericht die Sach- und Rechtslage lediglich summarisch (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022. § 123 Rn. 122). Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Nimmt der Erlass der einstweiligen Anordnung die Hauptsache - wenn auch nur vorläufig - vorweg, so sind an die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund qualifizierte Anforderungen zu stellen. Die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs liegen im Falle der Vorwegnahme der Hauptsache daher im Regelfall nur dann vor, wenn ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren mit einer hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht wurde (vgl. so zum Ganzen BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris Rn. 4). Bezüglich des Anordnungsgrundes muss dargelegt werden, dass der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile erleiden würde, die durch die spätere Hauptsacheentscheidung nicht mehr nachträglich beseitigt werden könnten (BVerfG, B.v. 25.1.1995 - 2 BvR 2689/94 - NJW 1995, 950).
48
Gemessen an diesen Anforderungen ist der vorliegende Antrag unbegründet, weil der Antragsteller zwar einen Anordnungsgrund infolge Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht hat, es jedoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs mangelt. Bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ergibt sich weder ein Anspruch des Antragstellers darauf, dass ihm die Schulnoten in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu verbeschieden werden, noch darauf, dass er vorläufig in die 7. Jahrgangsstufe des Gymnasiums vorrücken darf. Ausgehend von den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts (1.) sind die von dem Antragsteller gerügten Verfahrensfehler nicht geeignet, einen Anspruch auf Neu- und Besserbewertung seiner Prüfungsleistungen zu bewirken (2.). Auch soweit der Antragsteller moniert, es sei gerade nicht ersichtlich, dass seine Rechtsschreibung tatsächlich nicht bewertet worden sei, führt sein Antrag auf Neuverbescheidung nicht zum Erfolg (3.). Schließlich sind die erhobenen Rügen nicht geeignet, einen Anspruch auf vorläufiges Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe zu begründen (4.).
49
1. In Prüfungsangelegenheiten sind die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Beurteilungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Beurteilungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums (vgl. so zum Ganzen Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 804).
50
Hinsichtlich des Prüfungsverfahrens ist im Grundsatz anerkannt, dass Prüfungsergebnisse keinen Bestand haben können, sofern sie verfahrensfehlerhaft erhoben wurden (vgl. Jeremias a.a.O. Rn. 127). Verfahrensverstöße, die Fehler im Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings betreffen, sind jedoch in der Regel nicht geeignet, einen Anspruch auf eine Neu- und Besserbewertung der Prüfungsleistung zu bewirken. Denn Verfahrensfehler können grundsätzlich nicht zu einer Neubewertung der erbrachten Prüfungsleistung führen, sondern nur zu einer erneuten Prüfung. Ein bei der Leistungserhebung unterlaufener Fehler lässt sich auch nicht durch eine Änderung des Bewertungsmaßstabes oder durch Zugrundelegung fiktiver Leistungen ausgleichen (vgl. zum Ganzen Fischer/Jeremias/Dietrich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 500; BVerwG, U.v. 22.6.1994 - 6 C 37/92 - juris Rn. 25; OVG NRW, U.v.25.8.2011 - 14 A. 2189/09 - juris Rn. 40 ff.; BayVGH, B.v. 27.6.2018 - 22 CE 18.1073 - juris Rn. 21). Dies gilt selbst dann, wenn allein die Prüfungsbehörde den Verfahrensfehler zu vertreten hat (vgl. Jeremias a.a.O. Rn. 226).
51
Das Prüfungsrechtsverhältnis begründet dabei nicht nur Pflichten der Prüfungsbehörde, sondern auch Obliegenheiten des Prüflings. Diese folgen aus dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insbesondere obliegt es dem Prüfling bereits im eigenen Interesse, auf ein fehlerfreies Verfahren hinzuwirken. Zwar hat die Prüfungsbehörde bereits von Amts wegen offensichtliche Mängel des Prüfungsverfahrens zu vermeiden, jedenfalls aber sogleich zu beheben (vgl. zum Ganzen Jeremias a.a.O. Rn. 213 ff.). Dies betrifft oftmals Fallgestaltungen im äußeren Prüfungsablauf, in denen die Chancengleichheit der Prüflinge aufgrund Art und Ausmaß äußerer Beeinträchtigungen ohne jeden Zweifel verletzt ist, beispielsweise bei besonderem Lärm oder besonderer Kälte im Prüfungsraum (vgl. Birnbaum NVwZ 2006, 286/292 und die dortigen Nachweise aus der Rechtsprechung). Erscheint eine Verletzung der Chancengleichheit aber auch nur zweifelhaft, obliegt dem Prüfling eine entsprechende Rüge (vgl. BVerwG, B.v. 10.8.1994 - 6 B 60.93 - BeckRS 1994, 31223806). Dies ist etwa bei nicht ohne weiteres erkennbarer persönlicher Betroffenheit des Prüflings der Fall, insbesondere wegen Krankheit oder im Fall von Prüfungsstörungen etwa durch Lärm. Da den Prüfling insoweit lediglich Obliegenheiten und keine Verpflichtungen treffen, steht es ihm frei, Prüfungsbeeinträchtigungen hinzunehmen, etwa um eine (vermeintlich) leichte Aufgabenstellung erfolgreich bearbeiten zu können. In diesem Fall ist es dem Prüfling jedoch nach Treu und Glauben grundsätzlich verwehrt, die fragliche Beeinträchtigung später geltend zu machen. Denn es entspräche grundsätzlich widersprüchlichem Verhalten, zunächst Mängel des Prüfungsverfahrens bewusst in Kauf zu nehmen, um sich die Chance einer vorteilhaften Bewertung etwa aufgrund (vermeintlich) leichter Aufgabenstellung zu erhalten, im Fall des Misserfolgs diese Entscheidung aber wieder revidieren zu wollen, um nunmehr doch etwaige Verfahrensmängel geltend zu machen. Entscheidet sich der Prüfling zur Rüge, hat er diese unverzüglich - also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) - zu erheben, wobei insoweit regelmäßig ein strenger Maßstab angelegt wird (vgl. zum Ganzen Jeremias a.a.O. Rn. 213 ff.). Die Rüge muss dabei über eine bloße Unmutsäußerung im Hinblick auf den Ablauf der Prüfung hinausgehen, auf eine Entscheidung des zuständigen Prüfungsorgans gerichtet sein und der Prüfling muss dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen (BayVGH, B.v. 20.8.2012 - 7 ZB 12.554 - BeckRS 2012, 56566 Rn. 10). Eine Belehrung seitens der Prüfungsbehörde über diese Obliegenheit zur zumutbaren unverzüglichen Rüge bedarf es dabei nicht (Jeremias a.a.O. Rn. 478).
52
Anerkannt ist, dass den Prüfern hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen ein Bewertungs- bzw. Beurteilungsspielraum zusteht. Dies betrifft etwa den Schwierigkeitsgrad einer Prüfungsaufgabe, die Genauigkeit des Erfassens der Prüfungsprobleme durch den Prüfling, die Geordnetheit seiner Darlegungen und die Qualität der Darstellung, genauso wie die Bedeutung einzelner Teile für das Gesamtergebnis sowie der Gesamteindruck (so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 635). Allerdings wird der prüfungsrechtliche Beurteilungsspielraum beschränkt durch das Willkürverbot, durch das Verbot sachfremder Erwägungen, durch das Verbot, im Rahmen der Bewertung von falschen Tatsachen auszugehen sowie durch die Gebote, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze zu beachten und Gleiches gleich zu bewerten (Fischer a.a.O. Rn. 636; Dieterich a.a.O. Rn. 882). Genauso wenig erfasst der prüfungsrechtliche Beurteilungsspielraum fachliche Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere darf eine fachlich vertretbare Lösung nicht als falsch bewertet werden. Der Antwortspielraum des Prüflings kann eine Bandbreite fachlich vertretbarer Antworten umfassen, die jeweils weder fachlich falsch sind noch so beurteilt werden dürfen (vgl. Dieterich a.a.O. Rn. 875, 879).
53
Allerdings untersucht das Verwaltungsgericht die Bewertungen der Prüfer nicht ohne konkreten Anlass. Hierfür bedarf es vielmehr konkreter und substantiierter Einwendungen des Prüflings, die sich nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, die Bewertungen seien falsch oder ungerecht. Vielmehr obliegt es dem Prüfling klarzustellen, in welchen konkreten Einzelpunkten die Korrektur bzw. Bewertung fehlerhaft ist. Hier reicht eine Wiederholung des eigenen Standpunkts auch auf verbreiteter subjektiver Argumentationsbasis nicht aus. Die Darlegungslast des Prüflings ist noch nicht erfüllt, sofern er dem Gericht die Vorzüge der von ihm vertretenen Auffassung darlegt. Stattdessen obliegt es dem Prüfling, die fachliche Vertretbarkeit oder gar Richtigkeit seiner Leistung aufgrund objektiver Kriterien darzulegen. Dieser Obliegenheit kommt er grundsätzlich durch Bezugnahme auf qualifizierte, fachwissenschaftliche Äußerungen im Schrifttum nach (vgl. so zum Ganzen Dieterich a.a.O. Rn. 856).
54
Auch bei Vorliegen von Bewertungsfehlern ist die Prüfungsentscheidung jedoch nur dann aufzuheben, wenn der Mangel erheblich ist. Kann hingegen mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass sich der Bewertungsfehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, so besteht vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Chancengleichheit kein Anspruch auf Neubewertung, da sich die Prüfungsentscheidung als im Ergebnis rechtmäßig erweist (vgl. hierzu im Ganzen Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 679).
55
Schließlich ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs anerkannt, dass einzelne Noten in Zeugnissen nur dann selbstständig angreifbar sind, wenn die Schülerin oder der Schüler gerade durch diese Note in seinen Rechten verletzt wird (Dirnaichner in Pdk Bay G-1, Stand Mai 2022, Art. 52 BayEUG Ziff. 2.2).
56
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dringt der Antragsteller mit seinem Vorbringen nicht durch, soweit er Verfahrensrügen erhebt. Er führt diesbezüglich zunächst im Wesentlichen und sinngemäß aus, es sei gegen Ziffer II des Bescheids vom 8. Oktober 2020, wonach ihm ein Nachteilsausgleich zustehe, sowohl im Fach Latein als auch im Fach Englisch verstoßen worden und insoweit liege auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art. 36 Abs. 4 Satz 1 BaySchO vor. Darüber hinaus sei im Fach „Mathematik“ der Notenspiegel nachträglich und ohne Kenntnis der zuständigen Lehrkraft zu seinen Ungunsten geändert worden. Zuletzt macht er zudem geltend, es sei zu erheblichen Lärmbelästigungen zum Ende der regulären Arbeitszeit der schriftlichen Prüfungen gekommen und die Abfragen im Fach Mathematik hätten unzulässigerweise unmittelbar nach überstandener Krankheit bzw. Rückkehr der zuständigen Lehrkraft nach einer Woche Abwesenheit stattgefunden.
57
a) Wie bereits ausgeführt, können Verfahrensfehler keinen Anspruch auf Neu- und Besserbewertung begründen, so dass der auf Verfahrensfehler gestützte Antrag, gerichtet auf Neuverbescheidung der Schulnoten in den Fächern Latein, Englisch und Mathematik schon daran scheitert. Auch ist dargelegt, dass etwaige Verfahrensfehler - auch wenn sie allein von der Antragsgegnerseite zu vertreten sein sollten - nicht dadurch ausgeglichen werden können, dass der Bewertungsmaßstab zugunsten des Antragstellers (nachträglich) geändert wird oder gar fiktive Leistungen - etwa in fiktiven mündlichen statt schriftlichen Prüfungen - berücksichtigt werden.
58
b) Im Übrigen stünde dem Antragsteller mangels unverzüglicher Rüge etwaiger Verfahrensfehler (1) bzw. jedenfalls teilweise mangels Vorliegens eines Verfahrensfehlers (2) auch kein Anspruch zu, die Leistungsnachweise erneut abzulegen.
59
(1) So könnte sich der Antragsteller auf eine möglicherweise fehlerhafte bzw. nicht erfolgte Gewährung von Nachteilsausgleich bereits nicht berufen, weil die entsprechende Rüge zu spät erhoben wurde. Gleiches gilt für die zuletzt mit Schriftsatz vom 6. September 2022 geltend gemachten Lärmbelästigungen zum Ende der regulären Arbeitszeit der schriftlichen Prüfungen bzw. der sinngemäßen Rüge, er hätte nicht unmittelbar nach seiner Krankheit bzw. der einwöchigen Abwesenheit seines Mathematiklehrers abgefragt werden dürfen. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller erstmals mit Schriftsatz vom 6. September 2022 geltend macht, man habe ihn „loswerden“ wollen, also der Sache nach von einer Befangenheit auf Seiten des Antragsgegners ausgeht.
60
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass antragstellerseits erstmals mit Schreiben vom 26. Juli 2022 bzw. frühestens im Gespräch mit der Klassenlehrerin am 19. Juli 2022 die Gewährung des dem Antragsteller zustehenden Nachteilsausgleich thematisiert worden ist, anderes ist auch nicht vorgetragen. Es wurde mithin weder während einer Prüfung gerügt, dass es Probleme mit der Gewährung des Nachteilsausgleichs gebe, noch im zeitnahen Anschluss hieran. Jedenfalls wäre es dem Antragsteller oder seinen Eltern zumutbar gewesen und hätte ihrer Obliegenheit entsprochen, etwaige Probleme im Zusammenhang mit der Gewährung des Nachteilsausgleichs zeitnah nach den jeweiligen Prüfungen zu rügen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in den Schulaufgaben in den streitgegenständlichen Fächern stets die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ erhalten hat. Es ist in diesem Zusammenhang kaum vorstellbar, dass die Eltern des Antragstellers keine Kenntnis von den behaupteten Vorgängen um die Gewährung des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs bzw. seiner Noten hatten bzw. sie sich nicht bei ihm danach und nach etwaigen Problemen mit der Gewährung des Nachteilsausgleichs erkundigt haben. Dies gilt umso mehr nach dem Vortrag der Antragstellerseite bezüglich der eidesstaatlichen Versicherung der Mutter des Antragstellers, diese sei von ihrem Sohn umfassend über die Vorgänge unterrichtet worden.
61
Es ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller bzw. seinen Eltern nicht möglich und zumutbar gewesen wäre, eine etwaige Lärmbelästigungen am Ende der regulären Arbeitszeit bzw. Abfragen unmittelbar nach Krankheit des Antragstellers und Rückkehr des vorher einwöchig abwesenden Lehrers jedenfalls zeitnah nach den jeweiligen Vorfällen zu rügen.
62
Weiter ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller nicht unverzüglich nach Eingang des Schreibens der Antragsgegnerseite vom 2. August 2022, aus dem er der Sache nach eine Befangenheit auf Antragsgegnerseite entnimmt, eine solche nicht hat rügen können. Insoweit ist erstmals mit Schriftsatz vom 6. September 2022, also nach etwa einem Monat und damit nicht mehr unverzüglich vorgetragen.
63
Auch sind keine derart schwerwiegenden Verfahrensmängel glaubhaft gemacht, die eine Rüge des Antragstellers entbehrlich gemacht hätten. Soweit die Mutter des Antragstellers eidesstattlich erklärt hat, letzterer sei gezielt und bewusst unter Druck gesetzt worden, bestehen Zweifel an der Glaubhaftmachung, da die Mutter des Antragstellers entsprechendes nicht unmittelbar hat wahrnehmen können.
64
Nach alldem kann sich der Antragsteller auf etwaige Verfahrensfehler schon mangels unverzüglicher Rüge nicht berufen.
65
(2) Soweit der Antragsteller darüber hinaus die nachträgliche Änderung des Notenspiegels im Fach Mathematik rügt, ist mit der dem Gericht nachvollziehbaren Stellungnahme der zuständigen Lehrkraft in Verbindung mit den vorliegenden Notenübersichten bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass insoweit kein Verfahrensmangel, sondern lediglich ein Versehen beim Eintragen der endgültigen Noten vorliegt. Im Übrigen kommt der Antragsteller gemäß Stellungnahme der zuständigen Lehrkraft und Überprüfung durch die Kammer auch bei Berücksichtigung der überschriebenen Note „gut“ in den mündlichen Leistungen nur auf einen Notendurchschnitt von 4,62, was tendenziell noch immer der Note 5 entspricht, mag auch im Rahmen des pädagogischen Ermessens keine strikte Bindung an eine rechnerische Gesamtnote bestehen (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand Juni 2022, Art. 52 BayEUG Rn. 14).
66
3. Soweit der Antragsteller erstmals mit Schriftsatz vom 6. September 2022 rügt, der Stellungnahme seiner Lateinlehrerin könne gerade nicht entnommen werden, dass die Rechtschreibung tatsächlich nicht bewertet worden sei, und insoweit von einer Bewertungsrüge auszugehen ist, dringt er damit ebenfalls nicht durch.
67
Vorliegend ist insofern zu berücksichtigen, dass das Jahreszeugnis des Antragstellers in drei Vorrückungsfächern (Latein, Englisch und Mathematik) die Note „mangelhaft“ aufweist. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 GSO ist das Fach Musik kein Vorrückungsfach, da das Gymnasium nicht die Ausbildungsrichtung des Musischen Gymnasiums anbietet. Insofern würde dem Antragsteller eine Besserbewertung der Leistungen im Fach Latein - selbst wenn er damit insgesamt die Note „ausreichend“ oder besser erreichen würde - nicht weiterhelfen. Vom Vorrücken sind nämlich gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 GSO Schülerinnen und Schüler ausgeschlossen, deren Jahreszeugnis u.a. in zwei Vorrückungsfächern die Note 5 aufweist. Fiele die Note „mangelhaft“ im Fach Latein weg, blieben noch immer die Noten „mangelhaft“ in den Fächern Englisch und Mathematik übrig. Aus diesem Grund steht bei summarischer Prüfung jedenfalls kein erheblicher Bewertungsfehler in Frage, der sich auf die Frage des Vorrückens auswirken und deswegen einen Anspruch auf Neubewertung begründen könnte. Soweit die Zeugnisnote im Fach Latein unter diesem Gesichtspunkt den Antragssteller gerade nicht in seinen Rechten verletzt, kann sie im Übrigen nicht isoliert angegriffen werden. Schließlich wäre insoweit auch kein Eilbedürfnis, also kein Anordnungsgrund ersichtlich.
68
Weitere, die Leistungen in den Fächern Englisch und Mathematik betreffende, konkrete und substantiierte Bewertungsrügen sind weder vorgetragen, ersichtlich oder glaubhaft gemacht, auch wenn berücksichtigt wird, dass die Beteiligten unter Nachteilsausgleich möglicherweise (rechtlich unzutreffend) auch Notenschutz verstehen. Insoweit reicht es nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus, lediglich Kritik an den vergebenen Noten zu äußern, vorliegend also beispielsweise darzustellen, es sei nicht ersichtlich, über welchen Unterrichtsstoff der Mathematiklehrer den Antragsteller befragt habe und welche konkreten Fragen ihm gestellt worden seien. Vielmehr obliegt es dem Prüfling klarzustellen, in welchen konkreten Einzelpunkten die Korrektur bzw. Bewertung fehlerhaft ist. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Im Übrigen steht es im Wissen des Antragstellers, welche Fragen ihm im Rahmen von Abfragen gestellt wurden. Eine Bewertungsbegründung hat der Antragsteller auch insoweit nicht verlangt, zumal vieles dafür spricht, dass eine solche Begründung aktuell wegen Zeitablaufs nicht mehr zumutbar erteilt werden könnte (vgl. Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 713 f.).
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4. Auch mit seinem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in die 7. Jahrgangsstufe des Gymnasiums vorrücken zu lassen, dringt der Antragsteller nicht durch.
70
Gemäß Art. 53 Abs. 1 BayEUG rücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe Schülerinnen und Schüler vor, die während des laufenden Schuljahres oder des sonstigen Ausbildungsabschnitts die erforderlichen Leistungsnachweise erbracht und dabei den Anforderungen genügt haben.
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Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 GSO bilden die Leistungen in den Vorrückungsfächern die Grundlage für die Entscheidung über das Vorrücken. Vom Vorrücken sind Schülerinnen und Schüler ausgeschlossen, deren Jahreszeugnis in einem Vorrückungsfach die Note 6 oder in zwei Vorrückungsfächern die Note 5 aufweist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GSO). Vorrückungsfächer in den Jahrgangsstufen 5 bis 11 sind gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GSO alle Pflichtfächer und Wahlpflichtfächer der Stundentafeln mit Ausnahme von Sport und des Moduls zur beruflichen Orientierung, mithin sowohl Latein und Englisch als auch Mathematik.
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Das Jahreszeugnis des Antragstellers weist in den zuletzt genannten Fächern die Note „mangelhaft“ auf. Wie bereits ausgeführt, können die von ihm erhobenen Verfahrensrügen keinen Anspruch auf Neu- und Besserbewertung bewirken. Auch ist ausgeführt, dass Verfahrensrügen bei summarischer Prüfung mangels unverzüglicher Rüge keinen Erfolg versprechen. Zudem ist keine überwiegende oder gar hohe Wahrscheinlichkeit - vorliegend steht jedenfalls faktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache in Frage - dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Fall eines ggf. durchgreifenden Verfahrensfehlers mit der Konsequenz der Prüfungswiederholung entscheidend bessere Ergebnisse erzielen würde. Im Übrigen würden etwaige allein im Fach Latein gerügte Bewertungsfehler nichts daran ändern, dass das Zeugnis des Antragstellers noch in zwei weiteren Vorrückungsfächern, nämlich in Englisch und Mathematik, die Note „mangelhaft“ aufweist. Die Voraussetzungen für ein Vorrücken liegen somit nicht vor. Schließlich können nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayEUG auch etwaige auf die Schule zurückgehende Informationsdefizite der Erziehungsberechtigten über den Leistungsstand des Antragstellers o.Ä. kein Vorrücken begründen.
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5. Aus den dargestellten Gründen waren die Anträge daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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6. Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre rechtliche Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.5, 38.5 Streitwertkatalog.