Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 29.03.2022 – B 5 K 21.164
Titel:

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, Persönliche (charakterliche) Eignung, aggressives Verhalten gegenüber Kollegen

Normenketten:
BPolG § 2
BBG § 37 Abs. 1
Schlagworte:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, Persönliche (charakterliche) Eignung, aggressives Verhalten gegenüber Kollegen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25372

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
2
Der Kläger, geboren am …1999, begann am 01.03.2019 die Ausbildung zum Polizeimeister unter Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Polizeimeisteranwärter - PMA) bei der Bundespolizei. Die Ausbildung fand beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum (BPOLAFZ) in … statt.
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Am 18.06.2019 kam es anlässlich einer Grillfeier unter den Polizeimeisteranwärtern zu einem Vorfall, bei dem der Kläger das Fahrrad seines Ausbildungskollegen PMA B. ohne dessen Einwilligung benutzte, welches hierbei beschädigt wurde. Als Reaktion hierauf holte PMA B. eine Hose des Klägers aus dessen Stube. Im Verlauf des hierüber entstandenen Streits ging der Kläger PMA B. körperlich an. Das deswegen gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde von der Staatsanwaltschaft … durch Verfügung vom 08.11.2019 gemäß § 45 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG eingestellt.
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Im Zeitraum Oktober/November 2019 pflegte der Kläger eine intime Beziehung mit seiner Ausbildungskollegin PMAin D., die diese Beziehung Anfang Dezember 2019 beendete. In der Folgezeit versuchte der Kläger mehrfach vergeblich, mit PMAin D. darüber ins Gespräch zu kommen, und kontaktierte sie mehrfach über den Kurznachrichtendienst Snapchat. Gegen 22:00 Uhr am Abend des 17.12.2019 klopfte der Kläger an die Tür der Stube von PMAin D., fand die Tür aber abgeschlossen vor. Daraufhin verfasste er im Klassenchat auf W.A. die Nachricht: „M., wenn du schon wieder den nächsten Männerbesuch hast, dann mach Musik an, dann hört man auch nicht das Stöhnen“. Daraufhin trat ein Ausbildungskollege des Klägers und von PMAin D., PMA L., aus der Stube von PMAin D. Der Kläger betrat die Stube, stellte sich PMAin D. in den Weg und verließ die Stube erst nach einer im Einzelnen streitigen Auseinandersetzung mit PMAin D. und PMA L. Auf dem Flur vor der Stube kam es zu einer weiteren verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger, PMA L. und PMAin D. Dabei bezeichnete der Kläger PMAin D. u.a. als „Klassenbitch“. Auf die Auseinandersetzung aufmerksam gewordene Lehrgangskollegen gingen dazwischen, bis der Kläger auf sein Zimmer ging. Am Mittag des Folgetags betrat der Kläger wiederum die Stube von PMAin D. zwecks einer Unterredung, bei der es in der Folge dazu kam, dass der Kläger PMAin D. lautstark u.a. als „Hure“, „Schlampe“, „Miststück“ und „verlogene Schlampe“ bezeichnete.
5
Aufgrund dieser Vorkommnisse sprach der Dienststellenleiter des BPOLAFZ gegenüber dem Kläger am 19.12.2019 zunächst mündlich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung aus. Am 19. und 20.12.2019 wurden außerdem polizeiinterne Verwaltungsermittlungen durchgeführt, insbesondere Anhörungen aller beteiligten PMA. Am 07.01.2020 leitete das BPOLAFZ eine Strafanzeige wegen der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 gegen den Kläger an die Staatsanwaltschaft … weiter.
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Unter dem 24.01.2020 verfasste der Lehrgruppenleiter Polizeihauptkommissar (PHK) S. ein ergänzendes Persönlichkeits- und Leistungsbild des Klägers. Demnach sei der Kläger im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit. Allerdings habe der Kläger über das Jahr hinaus gezeigt, dass er sich scheinbar emotional nicht im Griff habe. Anlass zu dieser Annahme gebe sein phasenweise trotziges und nicht kritikfähiges Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal sowie sein klasseninternes Verhalten nach Dienstschluss. Letztlich komme er zu dem Schluss, dass der Kläger nicht für den Polizeidienst geeignet sei. Er habe seine Emotionen nicht in der Weise im Griff, wie es von einem Polizeibeamten sowohl innerhalb der Behörde als auch nach außen mit dem polizeilichen Gegenüber verlangt werden müsse. Dieses Verhalten werde zu Problemen führen. Gerade bei einem polizeilichen Gegenüber, welches eine emotionale Überreaktion eines Polizisten provoziere, gelte es, sich im Griff zu haben, um nicht unrechtmäßig oder gar strafrechtlich relevant zu handeln.
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Mit Bescheid vom 29.01.2020 untersagte die Beklagte dem Kläger gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) unter Anordnung des Sofortvollzugs die Führung der Dienstgeschäfte bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzuleitenden Entlassungsverfahrens nach § 37 Abs. 1 BBG. Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger unter dem 06.02.2020 Widerspruch einlegen. Weiterhin beantragte er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.02.2020, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht erklärte sich mit Beschluss vom 21.02.2020 - 12 B 14/20 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das zuständige Verwaltungsgericht Bayreuth. Dieses lehnte den Antrag mit Beschluss vom 16.04.2020 - B 5 S 20.187 ab.
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Das mit Strafanzeige vom 07.01.2020 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 02.08.2020 hinsichtlich der Beleidigung zum Nachteil von PMA L. und PMA W. und der versuchten Nötigung zum Nachteil von PMAin D. am 18.12.2019 gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. In einem weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen der Vorfälle am 17. und 18.12.2019 in der Mittagspause und in den Abendstunden wurde der Kläger seitens der Staatsanwaltschaft … beschuldigt, „in die Wohnung eines anderen widerrechtlich eingedrungen und sich auf Aufforderung des Berechtigten nicht entfernt zu haben und durch dieselbe Handlung einen anderen beleidigt zu haben und durch eine weitere Handlung einen anderen beleidigt zu haben“ (Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 02.08.2020 - Az....). Die Staatsanwaltschaft … hat festgestellt, dass sich der Kläger wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung gemäß § 123 Abs. 1, Abs. 2, §§ 185, 194, 52, 53 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar gemacht hat. Jedoch teilte die Staatsanwaltschaft … mit Schreiben vom 09.09.2020 mit, dass der Kläger die ihm auferlegte Geldauflage vollständig erfüllt habe und deshalb von der Verfolgung der Tatvorwürfe gemäß § 45 Abs. 2 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG abgesehen worden sei.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 24.04.2020 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entlassung angehört. Auf seinen Antrag vom 19.05.2020 hin wurde der Gesamtpersonalrat bei der Bundespolizei beteiligt. Mit E-Mail vom 07.09.2020 führte der Gesamtpersonalrat aus, dass er sich in seiner 131. Sitzung am 01.09.2020 mit dem Entlassungsverfahren eingehend beschäftigt und keine Einwände gegen die Entlassung des Klägers habe.
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Mit Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 29.09.2020 widerrief die Beklagte gemäß § 37 Abs. 1 BBG i.V.m. § 2 Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolG) das zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland begründete Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung und entließ den Kläger aus der Bundespolizei. Darüber hinaus wurde die sofortige Vollziehung der Entlassverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das seitens des Klägers gezeigte Verhalten vom 18.06, 17. und 18.12.2019 erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für die Laufbahn eines Polizeivollzugsbeamten begründe.
11
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22.10.2020 hat der Kläger gegen die Entlassungsverfügung vom 29.09.2020 Widerspruch erhoben, der mit Bescheid vom 12.01.2021 zurückgewiesen wurde. Ein weiteres Anzeichen für die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers sei seine Aussage vom 09.09.2019. Bei der Sportausbildung habe er geäußert, dass er Ausländer hasse. Auf diese Aussage angesprochen habe er erwidert, dass dies nicht schlimm sei, da es seine Klasse und ein Scherz gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei am 10.09.2019 in einem Kritikgespräch mit der Ausbilderin PHKin S. und dem Betroffenen aufgearbeitet worden. Der Kläger habe vorgegeben, die Äußerung nicht getätigt zu haben und die Unterschrift auf dem Protokoll des Gesprächs verweigert.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.02.2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Kläger gegen die Entlassungsverfügung der Beklagten vom 29.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 Klage erhoben und beantragt,
1. die Entlassungsverfügung der Beklagten vom 29.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 aufzuheben und
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Mit weiteren Schriftsatz vom 16.02.2021 beantragte der Klägerbevollmächtigte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers vom 22.10.2020 gegen die Entlassungsverfügung der Beklagten vom 29.09.2020 wiederherzustellen. Dieser Antrag wurde dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entlassverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides begehrt und mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 15.03.2021 - B 5 S 21.177 abgelehnt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen.
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Zur Begründung der Klage trägt der Klägerbevollmächtigte vor, da es nunmehr um die Entlassung des Klägers gehe, müsse die Beklagte genauer und vollständig ermitteln. Die Gegenargumente des Klägers seien jedoch ignoriert worden. Vor diesem Hintergrund verwundere es, dass die Beklagte den Kläger circa neun Monate nach dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ohne weitere Ermittlungen mit Bescheid vom 29.09.2020 entlassen habe. Im Fall des PMA B. bestreite der Kläger, dass dieser den Sachverhalt richtig dargestellt habe. Er habe B.s Fahrrad nicht beschädigt und ihn auch nicht gewürgt. Für die Richtigkeit seiner Darstellung beziehe er sich auf den damaligen Lehrgangskollegen S. Zwar sei eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft kein Freispruch. Allerdings sei es kühn, wenn die Beklagte die Behauptung aufstelle, an der Richtigkeit der Aussage des PMA B. gebe es keinen vernünftigen Zweifel. Zum Fall PMA L. sei auszuführen, dass nicht der Kläger PMA L. provoziert habe, vielmehr sei es umgekehrt gewesen. PMA L. habe in die Hände geklatscht als er grinsend aus dem Zimmer von PMAin D. gekommen sei. Er habe die linke Hand gehoben (etwaig um zuzuschlagen), sei stur im Flur stehen geblieben, anstatt in sein Zimmer zu gehen, wie ihm dies seitens seiner Kameraden empfohlen worden sei. Der Kläger sei von PMA L. etwa sechs bis sieben Meter entfernt gewesen. Die Richtigkeit der Darstellung könnten die Angehörigen der Lehrgruppe bestätigen. Zum Fall PMA W. sei klarzustellen, dass dieser anlässlich seiner Vernehmung am 09.03.2020 nicht die Behauptung wiederholt habe, dass sich der Kläger ihm bis auf zehn Zentimeter genähert habe. Er habe vielmehr davon gesprochen, dass der Kläger die Fäuste geballt habe. Die Beklagte habe PMA W. nicht einmal auf diese Widersprüche hingewiesen. Auch habe eine Befragung der übrigen Lehrgangskollegen nicht stattgefunden. Unstreitig sei das Verhalten des Klägers gegenüber PMAin D. nicht akzeptabel gewesen. Jedoch habe der Kläger PMAin D. nicht gegen den Schrank gestoßen oder ihr gedroht, ihr das Leben zur Hölle zu machen, wenn sie sich an PHK S. wende. Erstaunlich sei, dass die Beklagte der Darstellung der Zeugin K. nicht weiter nachgegangen sei. Sie sei am Abend des 18.12.2019 dazugekommen, als der Kläger und PMAin D. Arm in Arm in deren Zimmer zusammengesessen hätten. Sie habe mitbekommen, dass PMAin D. zunächst gar nichts weiter habe unternehmen wollen. Zusätzlich führe die Beklagte im Widerspruchsbescheid ein völlig neues Thema ein, nämlich den Vorwurf, der Kläger habe sich bei seiner Sportausbildung am 09.09.2019 rassistisch geäußert. In dem Kritikgespräch am 10.09.2019 habe der Kläger seine Aussage nicht bestätigt, sondern auf seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten, Herrn S., warten wollen. Auch diesem Vorgang sei die Beklagte nicht weiter nachgegangen. Dies sei eine völlig einseitige Ermittlung und kein faires Verfahren; vielmehr hätte die Beklagte etwaigen Entlastungsumständen nachgehen müssen. Dies gelte erst recht für die Darstellung des Klägers, dass er sich damals, also im Dezember 2019, in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden habe. Weiterhin stelle sich die Frage, wie es möglich sei, dass der Kläger als eine derart aggressive Person wie er von Beklagtenseite dargestellt werde, seit Beginn der Ausbildung als stellvertretender Lehrgruppensprecher fungiere. Zudem werde auf die Ausführungen des Seminarleiters PHK P. und des Lehrgruppenleiters PHK S. vom 24.01.2020 verwiesen, wonach der Kläger im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit sei. Dem Ausbildungspersonal gegenüber habe er sich nie respektlos verhalten. Die Vorgänge im Dezember 2019 seien kein Ruhmesblatt für den Kläger gewesen. Gleichwohl werde es keine Wiederholung geben, dafür sei die Zeit danach für ihn zu schlimm gewesen. Es sei unverhältnismäßig, den Kläger ein Jahr nach den Vorfällen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entlassen. Die Befürchtung der Beklagten, der Kläger könne im Fall einer Rückkehr die aussagenden Kollegen sanktionieren, sei rein spekulativ, zumal diese ehemaligen Lehrgangskollegen allesamt ihren Lehrgang inzwischen beendet haben dürften.
15
Mit Schriftsatz vom 24.03.2021 beantragt die Bundespolizeiakademie für die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
16
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Erstellung der Entlassverfügung ca. zehn Monate nach dem Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte erfolgt sei, sei überwiegend dem Umstand geschuldet, dass das gegen den Kläger geführte Strafverfahren wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB und der Beleidigung gemäß § 185 StGB erst am 09.09.2020 endgültig beendet worden sei. Die in dem Strafverfahren getroffenen Feststellungen seien bei der Entscheidung und Begründung der Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf berücksichtigt worden. Nur so habe eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung gewährleistet werden können.
17
Die Sachverhaltsschilderung des Klägers entspreche nicht den Tatsachen und könne nicht nachvollzogen werden. Insbesondere die Schilderung des Vorfalls mit der Zeugin PMAin D. vom 17.12.2019 sei aufgeklärt und durch verschiedene Zeugenaussagen bestätigt worden. Die Rüge des Klägers, dass nicht alle anwesenden Zeugen vernommen worden seien, treffe zu, jedoch seien insgesamt fünf Zeugenvernehmungen durch die Beklagte durchgeführt worden. Diese hätten in sich stimmige und übereinstimmende Schilderungen des Vorfalls wiedergegeben, so dass weitere Vernehmungen entbehrlich gewesen seien. Zudem habe der Kläger keine Zeugen benannt, die seine Version des Vorfalls bestätigen könnten. Schließlich seien selbst im Strafverfahren gegen den Kläger keine weiteren Zeugen vernommen worden, so dass auch die Staatsanwaltschaft … davon ausgegangen sei, dass der Sachverhalt bereits ausreichend ermittelt worden sei und die bisherigen Zeugenaussagen glaubhaft seien. Zur Ausführung des Klägers, dass der Zeuge PMA W. in der Vernehmung vom 09.03.2020 nicht mehr angegeben habe, dass sich der Kläger ihm bis auf zehn Zentimeter genähert und die Fäuste geballt habe, sei anzumerken, dass PMA W. allerdings erklärt habe, vom Kläger weggeschubst worden zu sein, was bereits eine gewisse Nähe bedinge und gravierender als ein bloßes Ballen der Fäuste sei. Es sei mithin ein körperlicher Angriff geschildert worden. Diese Schilderung habe PMA W. in jeder Vernehmung getätigt, so dass daran keine Zweifel bestünden und mithin das unbeherrschte Verhalten des Klägers aufgezeigt sei. Auch wenn sich der Kläger am 17.12.2019 in einer Ausnahmesituation befunden habe, so zeige dies dennoch, wie er sich in solchen Situationen verhalte. Im Polizeivollzugsdienst werde er immer wieder auf Situationen treffen, die er bisher nicht gekannt habe und die extrem seien. In solchen werde vom Kläger erwartet, ruhig und besonnen zu agieren und sich bei den getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen an Recht und Gesetz zu halten. Es werde bezweifelt, dass ihm dies gelingen würde. Der Kläger erscheine weiterhin als charakterlich ungeeignet für die Ausübung des Polizeiberufes.
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In Erwiderung hierauf führt der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27.04.2021 ergänzend aus, dass es unzulässig wäre, dem Kläger Verfehlungen vorzuhalten, die Folge eines Charakterzuges und nicht situativ bedingt seien. Für eine derartige Beurteilung hätte es der Einholung eins psychologischen Gutachtens bedurft. Die Aussagen des PMA L. in seiner Vernehmung vom 19.12.2019 durch die Beklagte und seiner polizeilichen Vernehmung am 09.03.2020 würden sich widersprechen. Gegenüber der PI … habe PMA L. angegeben, dass er sich nicht erinnern könne, ob er ein Scheppern des Schrankes gehört habe, auch nicht, ob PMAin D. ihm im Nachgang erzählt habe, dass der Kläger sie gegen den Schrank geschubst habe. Auch PMA W. habe sich in seinen Vernehmungen vom 19.12.2019 und vom 09.03.2020 widersprochen. Während er sich bei seiner ersten Vernehmung lediglich daran erinnert habe, dass in der Nachricht des Klägers, die er mit den anderen beim Kartenspiel erhalten habe, etwas von „Stöhnen“ gestanden sei, habe er die Nachricht in seiner zweiten Vernehmung viel genauer und detailliert wiedergeben und darüber hinaus angegeben können, dass der Kläger PMA L. „Hurensohn“ genannt habe. Dies zeige, dass PMA W. erkennbar dazu neige, die damaligen Vorgänge zu dramatisieren, insbesondere wenn es darum gehe, sich selbst als Opfer dazustellen und das Aufeinandertreffen zwischen dem Kläger und PMA L. als bedrohlich darzustellen, während PMA L. keine derartige Bedrohungslage dargestellt habe. Der Kläger selbst habe den Vorgang völlig anders wiedergegen. PMA W. habe sich dem Kläger von hinten genähert und dann plötzlich ganz dicht vor ihm gestanden. Geschlagen habe der Kläger PMA W. nicht, auch nicht beleidigt. Dazu habe es auch keinen Anlass gegeben. Schließlich habe PMA W. kein Verhältnis mit PMAin D. gehabt. Der Kläger habe PMA W. lediglich gesagt, dass er sich heraushalten solle und ihn der Vorgang nichts angehe. Aggressiv sei der Kläger nicht gewesen. Zum Beweis der Richtigkeit der klägerischen Einlassungen seien die Zeugen PMA Sch., Dü., P., PMAin Be., PMA Wo. und PMAin Z. zu vernehmen. Im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Beklagte habe PMAin D. noch angegeben, der Kläger habe sie mit beiden Händen an der Schulter angefasst und gegen den Schrank gedrückt. Demgegenüber habe sie ihren Vortrag in der polizeilichen Vernehmung am 09.03.2020 dahingehend gesteigert, dass der Kläger sie gegen den Schrank gestoßen habe. Die Stellungnahmen der Ausbilder S. und P. sowie das über den Kläger erstellte Persönlichkeits- und Leistungsbild seien nicht objektiv und damit nicht aussagekräftig.
19
Mit Schriftsatz vom 16.02.2022 verzichtete der Klägerbevollmächtigte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 08.02.2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
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Ergänzend wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte, auch auf diejenige des zugehörigen Eilverfahrens (B 5 S 21.177) sowie des Verfahrens B 5 S 20.187, und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
22
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23
Die fristlose Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf durch Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 29.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
24
1. In Bezug auf die formelle Rechtmäßigkeit begegnet die streitgegenständliche Entlassverfügung keinen Bedenken. Der Kläger ist ordnungsgemäß gemäß § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angehört worden. Der Personalrat wurde auf Antrag des Klägers gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) beteiligt und hat mit E-Mail vom 07.09.2020 mitgeteilt, dass keine Einwände erhoben werden.
25
2. Auch in materieller Hinsicht erweist sich die Entlassverfügung als rechtmäßig.
26
a) Rechtsgrundlage für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 f.).
27
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 - 2 B 11152/04 - NVwZ-RR 2005, 253), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst - wie hier - für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 17 m.w.N.). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6).
28
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn - mit Blick auf den Kläger also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes - nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 f.; BayVGH, B.v. 13.11.2014 - 3 CS 14.1864 - juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 - 2 B 174/18 - juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 20). Berechtigte Zweifel können sich sowohl aus dienstlichem, als auch außerdienstlichem Verhalten des Beamten oder aus sonstigen Umständen ergeben. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig, ist aber im Umkehrschluss umso eher möglich, wenn ein Dienstvergehen vorliegt.
29
§ 37 BBG ermöglicht in der Gesamtschau eine leichte Lösbarkeit des Beamtenverhältnisses auf Widerruf. Dies entspricht dem Wesen dieses Beamtenverhältnisses als Ausbildungsverhältnis. Die Grundkonzeption dieses Beamtenverhältnisses ist nicht darauf gerichtet, über das Ende des Vorbereitungsdienstes hinaus irgendwelche objektiv-rechtlichen Verpflichtungen, Soll-Vorschriften oder gar subjektiv-rechtlichen Rechts- bzw. Anwartschaftspositionen für den Widerrufsbeamten für ein Fortsetzen des Dienstverhältnisses zu begründen (Hebeler in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 37 Rn. 2).
30
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 - 6 B 977/17 - juris Rn. 4).
31
b) Gemessen daran ist die Entlassung des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen (dazu unter aa), noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Klägers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessenspielraums überschritten (dazu unter bb). Die Zweifel sind vielmehr so erheblich, dass sie die fristlose Entlassung rechtfertigen (dazu unter cc).
32
aa) Die Beklagte hat den der Entlassung zugrunde liegenden Sachverhalt ausreichend ermittelt.
33
Insbesondere bedurfte es keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsvorschrift des § 37 BBG verlangt - anders als § 34 Abs. 4 Satz 2 BBG für die Entlassung von Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte - nicht die entsprechende Anwendung der §§ 21 bis 29 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG). Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist. Nach § 24 Abs. 2 VwVfG hat die Behörde dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Ergänzend legt § 26 Abs. 1 VwVfG fest, dass sich die Behörde der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann dafür u.a. Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen.
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Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 alle beteiligten Personen angehört und den Chatverlauf aus der W.A.-Gruppe der Lehrklasse bildlich gesichert. Namentlich finden sich in den Verwaltungsakten die Anhörungsprotokolle von PMAin D., PMA L. sowie den PMAn W., Z. und PMAin K. Damit liegen fünf Schilderungen der Ereignisse vor, aus denen sich das Geschehen insgesamt schlüssig ergibt. Darüber hinaus wurden die Zeugen PMA W., PMAin D. sowie PMA L. seitens der Polizeiinspektion …-Stadt vernommen und bestätigten insoweit in den wesentlichen Kernpunkten ihre bereits gegenüber der Beklagten getätigten Aussagen. Auch wenn Einzelheiten, insbesondere Art und Einzelheiten der Intensität der Beziehungen zwischen PMAin D. und dem Kläger bzw. PMA L., das Ausmaß der Körperlichkeit der Auseinandersetzung am 17.12.2019, die Frage, ob außer PMAin D. auch andere Beteiligte beleidigt wurden, und ob er PMAin D. gedroht hat, sie auch künftig nicht in Ruhe zu lassen, seitens des Klägers bestritten werden, ergibt sich doch ein einheitliches Gesamtbild der Geschehnisse. Insbesondere räumt der Kläger selbst ein, sich PMAin D. gegenüber inakzeptabel verhalten, sie beschimpft und beleidigt, andere Lehrgangskollegen in die Auseinandersetzung hineingezogen und sich aggressiv verhalten zu haben. Dass die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Az....) hinsichtlich der Beleidigung zum Nachteil des PMA L. und des PMA W. (jeweils am 17.12.2019) und der versuchten Nötigung zum Nachteil der PMAin D. am 18.12.2019 gemäß § 170 Abs. StPO eingestellt worden sind, steht weder der Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse noch der Entlassungsverfügung selbst entgegen. Unerheblich ist damit weiterhin, dass die Staatsanwaltschaft … hinsichtlich des Tatvorwurfs des Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung zum Nachteil der PMAin D. gemäß § 45 Abs. 2 JGG von der Erhebung der öffentlichen Klage gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 500,00 Euro abgesehen hat, zumal diese Einstellungsentscheidung das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts und den Abschluss der Ermittlungen voraussetzt (vgl. Schneider in: BeckOK, JGG, Gertler/Kunkel/Putzke, 20. Edition, Stand: 01.11.2020, § 45, Rn. 11). Auch besteht keine Bindung der Verwaltungsgerichte an die Entscheidung der Strafbehörden in dem Sinne, dass aus Verhalten, das nicht strafrechtlich abgeurteilt worden ist, nachteilige Folgerungen nicht gezogen werden dürften (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2010 - 6 A 2055/09 - juris Rn. 46).
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Ähnliches gilt für den Vorfall im Juni 2019. Insoweit wurden seitens der Polizeiinspektion …-Stadt sämtliche Beteiligte vernommen. Neben dem zum Tatzeitpunkt verantwortlichen Lehrgruppenleiter We., wurden zu der Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und B. die Zeugen PMA K. und PMA P. angehört. Der Geschädigte B. wurde, da er inzwischen kein Angehöriger der Bundespolizei in … mehr war, seitens des ermittelnden Beamten telefonisch kontaktiert. Den Ausführungen der Befragten ließ sich das Kerngeschehen übereinstimmend entnehmen. Dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen vorsätzlicher Köperverletzung und Sachbeschädigung zum Nachteil des B. ebenfalls wegen geringer Schuld gemäß § 45 Abs. 1 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG eingestellt wurde, erweist sich nach den oben dargestellten Grundsätzen als unerheblich.
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bb) Die Bundespolizeiakademie durfte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die sie in nicht zu beanstandender Weise getroffen und in der Entlassungsverfügung aufgeführt hat, davon ausgehen, dass berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers für ein Amt des Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei bestehen und damit ein Grund für die sofortige Entlassung vorliegt. Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Betreffende der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird (BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 18.16 - juris Rn. 26). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eignung nicht nur an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes, sondern auch an denen der angestrebten Laufbahn zu messen ist (BVerwG, U.v. 17.12.1959 - 6 C 70.50 - BVerwGE 10, 75 [79]; BayVGH, B.v. 12.12.2011 - 3 CS 11.2397 - juris Rn. 34). Von den Polizeivollzugsbeamten ist in diesem Sinne eine gewisse soziale Kompetenz zu erwarten; es wird von ihnen verlangt, zugleich einerseits deeskalierend und andererseits die polizeilichen Ziele verfolgend auf andere Menschen einzuwirken (vgl. NdsOVG, B. 7.2.2009 - 5 ME 25/09 - juris Rn. 32).
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Im Rahmen der Vorfälle im Dezember 2019 zeigte der Kläger ein dienstpflichtwidriges Verhalten im Umgang mit Konflikten und gegenüber Ausbildungskollegen, von dem unter Mitberücksichtigung des Vorfalls vom Juni 2019 davon auszugehen ist, dass es nicht situativ bedingt, sondern Folge eines Charakterzuges des Klägers ist. Konkret zeigte der Kläger, dass er mit der Zurückweisung durch PMAin D. in keiner Weise selbstbeherrscht umgehen konnte. Schon durch die wiederholten Kontaktversuche über Chatdienste im Nachgang zur Beendigung der intimen Beziehung Anfang Dezember 2019 überschritt der Kläger die von PMAin D. gewollte persönliche Distanz. Er übertrat zunächst verbal durch die schriftlich - unter anderem in der W.A.-Gruppe - geäußerten Beschimpfungen und am Abend des 17.12.2019 auch körperlich - zumindest durch das Betreten der Stube von PMAin D. - die durch sie gesetzten Grenzen. In der emotionalen Stresssituation beim Zusammentreffen mit PMAin D. und PMA L. reagierte er mit Aggressionen gegenüber seinen Kollegen, unbeherrscht und verbal ausfällig. Die Situation konnte nur durch das Eingreifen Dritter deeskaliert werden. Besonderes Gewicht erhält der Vorfall aufgrund der zeitlichen und persönlichen Dimensionen: Zeitlich deshalb, weil die Kontaktversuche bereits Anfang Dezember begannen und auch nach dem einschneidenden Vorfall am 17.12.2019 nicht endeten. Vielmehr riskierte der Kläger beim erneuten Zusammentreffen mit PMAin D. am Folgetag wiederum die schließlich auch eingetretene zumindest verbale Eskalation. In persönlicher Hinsicht wiegt der Vorfall besonders schwer, weil neben der besonders betroffenen PMAin D. auch zahlreiche weitere Ausbildungskollegen des Klägers, allen voran PMA L., in die Geschehnisse involviert wurden - vom Kläger selbst in Kauf genommen oder gar beabsichtigt durch die Nachricht im W.A.-Klassenchat. Damit erreichten die verbalen Übergriffe gegenüber PMAin D. auch eine deutlich größere Reichweite.
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Mit diesem Auftreten hat der Kläger die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines (künftigen) Bundespolizisten erheblich verletzt. Namentlich hat der Kläger gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Klägers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 17.16 - juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 14.7.2018 - 2 B 174.18 - juris Rn. 10).
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Auch in einer emotionalen Ausnahmesituation besonnen zu reagieren, weder in Wort noch Tat übergriffig zu werden, die von dem oder der Anderen gesuchte Distanz zu respektieren und die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, muss zwingend von jedem - auch angehenden - Bundespolizisten erwartet werden können. Im Polizeivollzugsdienst begeben sich die Beamten alltäglich in physisch und psychisch belastende Situationen, in denen sie mit der ihnen übertragenen rechtlichen und tatsächlichen Machtposition verantwortungsvoll umgehen müssen. Dazu ist es insbesondere erforderlich, auch bei beachtlichen persönlichen Spannungen selbstdiszipliniert zu reagieren und Konflikte sachlich zu lösen. „Ausraster“ sind dabei keinesfalls tolerabel. Demgemäß müssen von Bundespolizeibeamten charakterliche Stabilität, Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit erwartet werden, die ein entsprechend besonnenes Verhalten nicht nur im dienstlichen, sondern auch im privaten Bereich bedingen. Auch wenn sich der Vorfall am 17.12.2019 in der privaten Sphäre zutrug, schlug das Verhalten des Klägers jedenfalls auf den dienstlichen Bereich über, weil sich der Vorfall in den dienstlichen Unterkünften und unter ausschließlicher Beteiligung der Lehrgruppenmitglieder ereignete.
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In Zusammenschau mit dem Vorfall vom 18.06.2019 verdichtet sich der Gesamteindruck des Verhaltens des Klägers zu der Annahme, dass die Ereignisse im Dezember 2019 nicht einer einmaligen Ausnahmesituation geschuldet und für ihn untypisch, sondern Ausdruck eines charakterlichen Wesenszuges des Klägers waren.
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Zwar ist hinsichtlich des Vorfalls vom 18.06.2019 insbesondere unklar, inwieweit sich B. seinerseits unkorrekt und provokant verhalten hat. Allerdings kann den im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Zeugenaussagen der PMAn K. und P. sowie der Sachverhaltsschilderung des Geschädigten B. und des Lehrgruppenleiters We. entnommen werden, dass der Kläger unbefugt das Fahrrad des B. genommen habe und dieses im Fortgang einer verbalen Auseinandersetzung gegen eine Hausmauer prallen ließ. Darüber hinaus schilderten die Befragten übereinstimmend, dass es in der Folge zu einer Auseinandersetzung zwischen B. und dem Kläger gekommen sei, in deren Verlauf der Kläger B. kurzzeitig mit einer Hand gewürgt habe. Nur durch das Eingreifen Dritter hätten der Kläger und B. getrennt werden können. Ebendieses Verhaltensmuster findet sich bei den Vorkommnissen im Dezember 2019.
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Auch dem seitens seiner Ausbilder unter dem 24.01.2020 erstellten Persönlichkeits- und Leistungsbild ist zu entnehmen, dass der Kläger über das Jahr hinweg phasenweise gleichgültiges und trotziges Verhalten bei Druck und Kritik von Seiten des Ausbildungspersonals gezeigt habe. Diesbezüglich sei der Kläger mehrfach durch die Ausbilder angesprochen worden, die ihm klargemacht hätten, dass ein solches Verhalten für einen angehenden Polizeivollzugsbeamten nicht angemessen sei und im Kontakt mit dem polizeilichen Gegenüber sowie Vorgesetzten zu Problemen führen könne. Unter weiterer Berücksichtigung seines klasseninternen Verhaltens nach Dienst müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger emotional nicht im Griff habe.
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Soweit der Widerspruchsbescheid vom 12.01.2021 darüber hinaus auf eine rassistische Äußerung des Klägers im Rahmen der Sportausbildung Bezug nimmt, um damit ein weiteres Indiz für die charakterliche Nichteignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst zu liefern, ist dieses Vorgehen der Bundespolizeiakademie nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten wurde dieser Umstand nicht etwa zu spät in das Verfahren eingeführt. Denn maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügenden Entlassung ist die letzte Behördenentscheidung, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2014 - 3 ZB 13.1074 - juris Rn. 13).
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Soweit der Klägerbevollmächtigte ausführt, dass sich der Kläger hinsichtlich der Vorfälle im Dezember 2019 in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden habe und sein diesbezügliches Verhalten nicht wesensprägend sei und im Hinblick darauf die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens beantragt, war dieser Beweiserhebung nicht nachzukommen. Die von Klägerseite aufgeworfene Beweisfrage erweist sich vor dem Hintergrund der vorgenannten rechtlichen Maßstäbe bereits nicht als entscheidungserheblich. Denn von einem Polizeivollzugsbeamten, der in seinem Berufsalltag regelmäßig mit auch psychisch belastenden Situationen konfrontiert ist, wird gerade auch in emotionalen Ausnahmelagen eine besonnene und deeskalierende Reaktion erwartet. Dies erfordert zudem angesichts beachtlicher persönlicher Spannungen ein hohes Maß an Selbstdisziplin, welches der Kläger in den ihm zur Last gelegten Situationen und durch diverse Zeugen geschilderten Vorfällen nicht in der Lage war aufzubringen. Im Übrigen bestand vorliegend keine Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung über den Beweisantrag gemäß § 86 Abs. 2 VwGO. Denn diese gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Zwar gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden (vgl. BVerwG, B.v. 6.9.2011 - 9 B 48.11 - NVwZ 2012, 376 Rn. 10; U.v. 28.11.1962 - 4 C 113.62 - BVerwGE 15, 176 [176]). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Beweisantrag - wie hier - vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 - 1 B 15.13 - juris Rn. 7; B.v. 29.3.1979 - 7 B 27.78).
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cc) Dass der Beklagten infolge des festgestellten Sachverhalts berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeiberuf erwachsen sind, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ereignisse im Juni und Dezember 2019 sowie sein trotziges und nicht kritikfähiges Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal belegen exemplarisch den Umgang des Klägers mit Konfliktsituationen. Auch wenn sich der Kläger - wie aus dem Persönlichkeits- und Leistungsbild vom 24.01.2020 ebenfalls hervorgeht - im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit gezeigt hat, sich gegenüber den zuständigen Ausbildern nie über die Maßen respektlos oder aggressiv verhalten hat, lassen seine leichte Reizbarkeit sowie sein Aggressionspotential gegenüber gleichaltrigen Kollegen darauf schließen, dass es ihm an der erforderlichen Loyalität sowie der Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Deeskalation und mithin an der notwendigen Dienstauffassung fehlen wird. Die Beklagte hat dem Kläger mit den in der Entlassverfügung im Einzelnen aufgeführten Vorfällen und Verhaltensweisen zu Recht ein gravierendes Defizit in Bezug auf die Grundvoraussetzungen polizeilicher Aufgabenwahrnehmung vorgehalten. Besonders schwer wiegt insoweit, dass der Kläger wiederholt seitens der Ausbilder auf seine mangelnde Fähigkeit zur Deeskalation angesprochen worden ist und sich gleichwohl nach dem Vorfall im Juni 2019 in eine öffentliche Auseinandersetzung mit PMAin D. und weiteren Ausbildungskollegen begab, obwohl er gerade in dieser Situation - noch mehr als ohnehin - darauf bedacht hätte sein müssen, auch außerdienstlich besonnenes und defensives Verhalten an den Tag zu legen. Wie es dem Kläger ob dieser charakterlichen Defizite gelingen sollte, die polizeilichen Aufgaben auch in emotionalen Ausnahmesituationen sachgerecht wahrzunehmen, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht.
46
Polizeibeamte haben die Aufgabe, die Rechtsordnung und die Rechtsgüter Einzelner, insbesondere auch die körperliche Integrität anderer, zu schützen und Gewalttaten zu verhindern. Begeht ein mit solchen Aufgaben und entsprechenden Befugnissen betrauter Beamter die dem Kläger zur Last gelegten Straftaten, so handelt er seinem Auftrag in grober Weise zuwider. Polizeibeamte sind in einem durch das Gewaltmonopol des Staates geprägten Kernbereich der öffentlichen Verwaltung tätig. Zu ihren Dienstaufgaben gehört einerseits der Gebrauch von Waffen; andererseits müssen sie in deeskalierenden und Verteidigungstechniken besonders geübt sein und über die hierzu benötigte Grundeinstellung verfügen oder sich diese aneignen. Von daher beeinträchtigt es das Ansehen der Polizei in besonderer Weise, wenn ein Polizeivollzugsbeamter, bei dem aufgrund seiner Ausbildung und des charakterlichen Anforderungsprofiles gerade das gegenteilige Verhalten erwartet werden muss, in der Öffentlichkeit ein solches von Unbeherrschtheit und Aggressivität sowohl gegen Sachen als auch gegen Menschen gekennzeichnetes Verhalten an den Tag legt (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2010 - 6 A 2055/09 - juris Rn. 34), wie es der Kläger namentlich bei den Vorfällen im Juni und Dezember 2019 getan hat.
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Die Beklagte durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
48
Darüber hinaus hat auch die von Klägerseite eingewandte zeitliche Verzögerung des Entlassungsverfahrens keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Denn ein Blick auf den gesamten Verfahrensablauf zeigt, dass die Entlassung innerhalb dieses Zeitraums stets zielstrebig verfolgt worden ist.
II.
49
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.