Titel:
keine Anwendung der Regelung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf freiwillig nach § 1
Normenketten:
SVG § 55c
PersAnpassG § 1
BwAttraktStG
BPolBG § 5
GG Art. 3
GG Art. 33 Abs. 5
Schlagwort:
keine Anwendung der Regelung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf freiwillig nach § 1
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25370
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.
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1. Der im Jahre 1958 geborene Kläger, der am 03.07.1978 als Wehrpflichtiger in die Dienste der Beklagten eingetreten war, war zuletzt bis zu seinem Ausscheiden als Oberstleutnant tätig. Zum 31.12.2008 wurde der Kläger gemäß § 1 des Personalanpassungsgesetzes (PersAnpassG) zur Ruhe gesetzt und erhält seither ein Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
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Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - … vom 02.08.1994 wurde ein Versorgungsausgleich zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers geregelt. Demnach wurden, bezogen auf das gerichtlich festgestellte Ende der Ehezeit am 28.02.1994, Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 663,40 DM auf dem Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Diese gingen zu Lasten der vom Kläger gegenüber dem Wehrbereichsgebührnisamt V (jetzt: Generalzolldirektion) bestehenden Versorgungsanwartschaften aus öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis.
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Mit Bescheid vom 29.12.2008 setzte die Wehrbereichsverwaltung Süd - … die Versorgungsbezüge des Klägers nach dem Soldatenversorgungsgesetz fest.
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Durch weiteren Bescheid vom 31.12.2008 wurde der Kläger über die Kürzung seiner Versorgungsbezüge zugunsten der geschiedenen Ehefrau ab dem Eintritt in den Ruhestand in Höhe von damals monatlich 424,68 Euro in Kenntnis gesetzt. Dieser Betrag erhöht oder vermindert sich in dem Verhältnis, in dem sich das Ruhegehalt durch Anpassung der Versorgungsbezüge ändert. Zum Zeitpunkt der Klagebegründung (21.10.2017) betrug der Kürzungsbetrag 498,54 Euro. Gegen diese Bescheide wurde in der Folgezeit kein Rechtsmittel eingelegt.
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Am 14.12.2016 beantragte der Kläger die Neuberechnung des Auszahlungsbetrages der Versorgungsbezüge. Er forderte, aufgrund der seiner Ansicht nach rechtswidrigen Kürzung seines Versorgungsausgleichs die Aussetzung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) festgesetzten Altersgrenze sowie die Zahlung der sich daraus ergebenden Versorgungsleistungen rückwirkend ab dem 01.06.2015 bzw. für den noch nicht verjährten Zeitraum unter Verweis auf die Regelungen des Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetzes (BwAttraktStG).
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Mit Bescheid vom 16.12.2017 lehnte die Generalzolldirektion die vom Kläger mit Schreiben vom 14.12.2016 beantragte Neuberechnung des Ruhegehaltes ab. Dies wurde damit begründet, dass die durch Artikel 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG eingeführte Neuregelung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG, die ab dem 01.06.2015 in Kraft trat, nur Soldaten betreffe, die wegen Überschreitens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden seien. Die besondere Altersgrenze sei für Soldaten in § 44 und § 45 i.V.m. § 96 des Soldatengesetzes (SG) enthalten, während der Kläger nach § 1 Abs. 1 PersAnpassG ohne Überschreitung einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sei.
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Mit Schreiben vom 23.12.2017 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 16.01.2017. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Nichtanwendung der Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge für die nach den Vorschriften des Gesetzes zur Anpassung der personellen Struktur der Streitkräfte (SKPersStruktAnpG) bzw. des PersAnpassG zur Ruhe gesetzten Soldaten sei eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Zugleich verletze der Dienstherr dadurch seine Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation seiner pensionierten Staatsdiener. Der Abzug des Versorgungsausgleichs zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung erfolge unabhängig davon, ob und gegebenenfalls wann der durch den Verwaltungsakt begünstigte geschiedene Ehepartner die Versorgungsausgleichsleistungen in Anspruch nehme, sodass dadurch der Versorgungsausgleich über einen besonders langen Zeitraum erfolge und beim Dienstherrn verbleibe. Dies sei weder gesetzgeberisch gewollt, noch verhältnismäßig. Aufgrund eines anhängigen Musterverfahrens werde um ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung gebeten.
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Hierauf wies die Generalzolldirektion mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2017 den vom Kläger erhobenen Widerspruch zurück. Der Kläger sei nicht wegen Erreichens der für ihn vorgesehenen besonderen Altersgrenze nach dem Soldatengesetz, sondern freiwillig aufgrund eigener Interessenbekundung nach dem PersAnpassG in den Ruhestand versetzt worden. Daher lägen die Voraussetzungen des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG nicht vor und die Kürzung sei zwingend vorgeschrieben. Auch sei kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gegeben, weil sachliche Gründe die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung rechtfertigten. Die gesetzgeberische Überlegung für die Einführung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG habe nach der amtlichen Begründung von Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG darin bestanden, dass bei Berufssoldaten infolge des früheren Ruhestandseintritts die Kürzung der Versorgung durchschnittlich ca. acht Jahre früher einsetze als bei anderen Beamten und Richtern. Da die betroffenen Soldaten auch keine Möglichkeit hätten, ihre Einkommenssituation durch längeres Dienen zu verbessern, sei es dem Gesetzgeber sachgerecht erschienen, die Kürzung der Versorgung zu dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in dem sich die soldatenspezifischen besonderen Altersgrenzen nicht mehr auswirkten. Der Kläger habe sich aber freiwillig für den Eintritt in den Ruhestand vor Erreichen der besonderen Altersgrenze entschieden. Daher sei ein essentielles Unterscheidungsmerkmal zu der Gruppe von Berufssoldaten gegeben, die wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt würden. Zudem begegne die Kürzungsvorschrift des § 55c SVG, die im Wesentlichen dem § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) entspreche, im Allgemeinen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch sei in den Fällen vorzeitiger Zurruhesetzung des Ausgleichsverpflichteten eine Koppelung der Versorgungskürzung an den tatsächlichen Rentenbezug des Ausgleichsberechtigten verfassungsrechtlich ebenfalls nicht geboten.
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2. Mit Schriftsatz an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth vom 13.02.2017 erhob der Kläger Klage und beantragte
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Versorgungsbezüge des Klägers vor dem Ende des Monats des Erreichens der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze um einen Versorgungsausgleich zu kürzen.
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Zur Begründung seiner Klage führte er im Schriftsatz vom 29.09.2017 im Wesentlichen aus, dass § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf ihn anwendbar sei. Der Gesetzeswortlaut verzichte auf eine Definition der „besonderen Altersgrenze“. Sowohl die allgemeine Altersgrenze des § 45 Abs. 1 SVG wie auch die besonderen Altersgrenzen dienten ausschließlich als Anknüpfungspunkt für Zurruhesetzungen. Systematisch setze die allgemeine Altersgrenze das Lebensalter des Soldaten fest, bis zu dem er grundsätzlich verpflichtet ist, seinem Dienstherrn aktiv zu dienen, während die besonderen Altersgrenzen dem Dienstherrn das Recht gäben, einseitig die vorzeitige Zurruhesetzung des Soldaten bei Erreichen der besonderen Altersgrenze zu veranlassen. Demgegenüber habe der Soldat bei Erreichen der besonderen Altersgrenze keinen Anspruch auf Zurruhesetzung vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze. Daher seien die besonderen Altersgrenzen, die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersAnpassG sowie § 2 Abs. 1 Nr. 4 SKPersStruktAnpG enthalten seien, ebenfalls von § 55c SVG umfasst. Eine Beschränkung nur auf nach § 45 Abs. 2 SVG zur Ruhe gesetzte Soldaten sei nicht gerechtfertigt. Der Dienstherr werbe auf seiner Internetseite nach wie vor für eine vorzeitige Zurruhesetzung unter gleichem Versorgungsbezug wie bei einem regulären Ausscheiden. Mit Verweis auf die Begründung des Gesetzesentwurfs zur Neuregelung des § 55c SVG durch Erlass des Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetzes (BT-Drs. 18/3697) führt der Kläger aus, dass dem gesetzgeberischen Willen nur entsprochen würde, wenn man § 55c SVG so anwende, dass Abs. 1 Satz 3 der Norm auch für Soldaten gelte, die wegen der Regelung in § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG oder § 1 PersAnpassG mit abgesenkter Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden seien. Des Weiteren sei die Nichtanwendung der Ausnahmeregelung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf den Kläger ein Verstoß gegen das sich aus der EU-RL 2000/78/EG ergebende Verbot der Altersdiskriminierung und daher europarechtswidrig. Der deutsche Gesetzgeber habe die Richtlinie mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt, jedoch von der eingeräumten Möglichkeit der Schaffung von Sonderregelungen für den Bereich der Streitkräfte keinen Gebrauch gemacht, sodass auch Soldaten vollumfänglich in den Schutzbereich der Richtlinie einbezogen seien. Schließlich liege in einer restriktiven Anwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Verpflichtung zur lebenslangen amtsangemessenen Alimentation. Der Kläger bittet daher um Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag beruhe auf der Verfassungswidrigkeit des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG. Es könnten nämlich keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen seien, auch wenn die Verfassungsmäßigkeit der Rechtslage in Frage gestellt werde. Daher müsse der Alimentationsanspruch in einem solchen Falle mit der Klage auf Feststellung geltend gemacht werden.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 24.02.2017,
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Zur Begründung der Klageabweisung wurde zunächst auf den Widerspruchsbescheid der Generalzolldirektion vom 06.02.2017 Bezug genommen. In den Gesetzesmaterialien zum PersAnpassG (BT-Drs. 14/6881, S.4020) seien keine Anhaltspunkte enthalten, die eine Herabsetzung der besonderen Altersgrenze des § 45 Abs. 2 SG stützen würden. Auch sei der Gesetzesbegründung in der Drucksache 17/9340 zu § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG, die der Zurruhesetzung des Klägers nach § 1 Abs. 1 PersAnpassG vergleichbar sei, nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Im Übrigen entspreche es dem Wesen der besonderen Altersgrenze, dass der Dienstherr einen Berufssoldaten nach Überschreiten der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze einseitig durch Verwaltungsakt nach Ablauf eines Monats in den Ruhestand versetzen könne. Hingegen gebe § 1 Abs. 1 PersAnpassG dem Soldaten die Möglichkeit einer freiwilligen Zurruhesetzung. Auch lasse sich der Anspruch des Klägers nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG rechtfertigen, da diese in Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut treten würde. Gesetzgeberischer Hintergrund für die Neuregelung sei gewesen, dass Berufssoldatinnen und Berufssoldaten im Verhältnis zu anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund der für sie geltenden besonderen Altersgrenzen wesentlich früher einseitig durch Verwaltungsakt in den Ruhestand versetzt werden könnten, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben werde, ihre Vermögenssituation durch längeres Dienen verbessern zu können.
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Aufgrund der freiwilligen Entscheidung des Soldaten sei dieser nicht gleich schutzbedürftig, da er die Möglichkeit zur Abwägung der Vor- und Nachteile habe und frei entscheiden könne, ob er von der kürzeren Dienstzeit profitieren möchte oder den kraft Gesetzes erfolgenden Eintritt in den Ruhestand bei Erreichen der besonderen Altersgrenze abwarten und damit möglichen finanziellen Nachteilen entgehen möchte. Der Berufssoldat habe hier zudem die Möglichkeit einer vorherigen Versorgungsauskunft, bei der die zu erwartenden Versorgungsbezüge ermittelt würden.
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Mit Schriftsatz der Beklagten vom 13.03.2018 bzw. des Klägers vom 28.03.2018 erklärten die Beteiligten den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Nach Anhörung durch gerichtliches Schreiben vom 26.04.2018 nach § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wurde das Verfahren mit Beschluss vom 14.05.2018 bis zur Erledigung der Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 2 BvR 463/18 ausgesetzt. Darin ging es um die Streitfrage, ob § 55c Abs. 1 SVG in der vorliegenden Fassung gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstoße, soweit die Person des Klägers von der Aussetzung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der Altersgrenze des § 5 BPolBG ausgeschlossen sei.
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Die Beklagtenseite beantragte mit Schriftsatz vom 10.09.2020 die Fortführung des Verfahrens, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.07.2020 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat.
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Das Verfahren wurde mit Schreiben des Gerichts vom 16.09.2020 unter dem neuen Aktenzeichen B 5 K 20.862 fortgesetzt.
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Die Beteiligten erklärten auch nach Fortfall des Aussetzungsgrundes auf gerichtliche Nachfrage vom 06.08.2021 mit Schriftsätzen vom 10.08.2021 bzw. 12.08.2021, dass weiterhin Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe.
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Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der VwGO auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
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2. Das Begehren des Klägers ist entsprechend dem erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Verpflichtung der Beklagten begehrt, unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion vom 16.01.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06.02.2017, den Bescheid über die Kürzung der Versorgungsbezüge vom 31.12.2008 aufzuheben, seit dem 01.06.2015 nach § 55c SVG einbehaltene Kürzungsbeträge zu erstatten und ihm Versorgungsbezüge zukünftig ohne Kürzung nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze zu gewähren, sowie hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Versorgungsbezüge ohne Kürzung nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze zu gewähren. Dabei ist davon auszugehen, dass das Klagebegehren auch die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides vom 31.12.2008 über die Kürzung der Versorgungsbezüge umfasst. Anderenfalls könnte der Kläger die von ihm ersichtlich begehrte Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge nicht erreichen. Denn auch wenn der Bescheid vom 16.01.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06.02.2017 aufgehoben würde, verbliebe immer noch die Festsetzung im Kürzungsbescheid vom 31.12.2008. Bei diesem handelt es sich entsprechend der eindeutigen Formulierung „ab 01.01.2009“ um einen Dauerverwaltungsakt, der für die Zukunft verbindlich regelt, dass eine Kürzung nach § 55c Abs. 1 SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 2009 (BGBl. I S. 3054), zuletzt geändert durch Art. 90 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) vorgenommen wird. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingelegt beziehungsweise Widerspruch erhoben. Mit Ablauf der Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO ist der Kürzungsbescheid bestandskräftig geworden und damit die Kürzungsregelung gemäß § 55c Abs. 1 SVG für den Kläger unanfechtbar festgestellt. Die weitere Dynamisierung des Kürzungsbetrages nach § 55c Abs. 2 Satz 3 SVG tritt kraft Gesetzes ein und wird üblicherweise nicht mit fortlaufenden Bescheiden aktualisiert (vgl. VG Trier, U.v. 4.8.2017 - 6 K5039/17.TR; VG Augsburg, U.v. 7.12.2017 - Au 2 K 17.897; VG Würzburg, U.v.12.12.2017 - W 1 K 17.60).
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2. Die so verstandene Klage ist im Hauptantrag zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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a) Der Hauptantrag ist zulässig. Im Hinblick auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten auf Aufhebung des Kürzungsbescheides ist die Klage als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft. Dagegen ist der Antrag des Klägers auf Neuberechnung des Auszahlungsbetrages im Sinne der eben dargestellten Auslegung zugunsten des Klägers als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu behandeln. Diesen hat die Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2017 konkludent abgelehnt. Insoweit ist zwar streitig, ob nach Durchführung des Vorverfahrens sogleich Klage auf Verpflichtung der Behörde auf Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsaktes, gegen den sich der Wiederaufnahmeantrag richtet, erhoben werden kann oder zunächst nur auf Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 51 Rn. 53). Aus Gründen der Prozessökonomie ist die Klage unmittelbar auf die Sachentscheidung aber auch zulässig, da es sich bei der in Streit stehenden Kürzungsregelung des § 55c Abs. 1 SVG um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 51 Rn. 54; VG Trier, U.v. 04.08.2017 - 6 K5039/17.TR).
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Auch hinsichtlich der Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze ist die Klage als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft.
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Soweit der Kläger darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten begehrt, seit dem 01.06.2015 nach § 55c SVG einbehaltene Kürzungsbeträge zu erstatten, ist die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft.
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b) Die Klage hat im Hauptantrag jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat mangels eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 29.10.2010. Zudem kann er sich weder auf einen Anspruch auf Leistung der Erstattung einbehaltener Kürzungsbeträge nach § 55c SVG seit dem 01.06.2015 durch die Beklagte berufen, noch auf die Verpflichtung der zukünftigen Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze. Der Bescheid der Generalzolldirektion vom 16.01.2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 06.02.2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
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(1) Einem Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 31.12.2008 steht dessen Bestandskraft entgegen. Der Kläger kann keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens geltend machen. Dieser ergibt sich zunächst nicht aus den Regelungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Demnach hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dies setzt voraus, dass sich das maßgebliche materielle Recht nach Erlass des Verwaltungsaktes geändert hat. Die entscheidungserhebliche Norm des § 55c SVG wurde durch Art. 10 Nr. 8 a) des Bundeswehrattraktivitätssteigerungsgesetzes vom 23. Mai 2015 (BGBl. I S.706) modifiziert. Diese Änderung trat auch nachträglich, das heißt nach Erlass des Verwaltungsaktes ein. Dennoch hat sich durch die damit eingetretene Gesetzesänderung die Rechtslage nicht zu Gunsten des Klägers verändert, weil die geänderte Vorschrift weder direkt noch analog auf den Fall des Klägers Anwendung findet und es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere durch Prüfung des Gleichheitssatzes, nicht geboten erscheint, den Kläger so zu behandeln, als wäre die modifizierte Vorschrift auf ihn anwendbar.
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Ein entsprechender Antrag des Klägers auf Aufhebung der Kürzungsbescheide setzt nämlich voraus, dass das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens ist insbesondere dann unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.2017 - 6 C 32/06; VG Würzburg, U.v. 12.12.2017 - W 1 K 17.60).
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Eine Unerträglichkeit durch die Aufrechterhaltung des bestandskräftigen Bescheids vom 31.12.2008 ist nicht ersichtlich. Die Kürzung des Versorgungsbetrages hat ihre Rechtsgrundlage in § 55c Abs. 1 S. 1 SVG. Hiernach werden die Versorgungsbezüge einer ausgleichspflichtigen Person nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den gemäß § 55 Abs. 2 oder 3 SVG zu berechnenden Betrag gekürzt, wenn durch eine wirksame Entscheidung des Familiengerichts Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung begründet wurden.
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Nach dem Urteil des Amtsgerichtes - Familiengericht - … vom 01.06.1995 sind zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers Rentenanwartschaften in Höhe von damals monatlich 663,40 DM begründet worden. Die Voraussetzungen des § 55c Abs. 1 Satz 1 SVG lagen somit vor. Zudem sind auch keine Fehler innerhalb der bisherigen Berechnung ersichtlich und vom Kläger insoweit auch nicht geltend gemacht, die eine offensichtliche Rechtswidrigkeit begründen könnten.
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(2) Die Anwendung der Kürzung nach § 55c Abs. 1 Satz 1 SVG auf den vorliegenden Sachverhalt begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die für Beamte geltende, mit der Norm des § 55c SVG vergleichbare Vorschrift des § 57 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als auch hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten (u.a. Art. 6 Abs. 1 GG) sowie hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes mehrfach verfassungsgerichtlich überprüft worden. Danach ist der Eingriff in die versorgungsrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten, der in dem sofortigen und endgültigen Vollzug des Versorgungsausgleichs bei Eintritt des ausgleichspflichtigen Beamten in den Ruhestand liegt, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG legitimiert und insgesamt verfassungsrechtlich, auch hinsichtlich des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG, unbedenklich (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1980 - 1 BvL 17/77; BVerwG, U.v. 19.11.2015 - 2 C 48.13; VG Trier, U.v. 4.8.2017 - 6 K5039/17.TR; VG Augsburg, U.v. 7.12.2017 - Au 2 K 17.897; VG Würzburg U.v. 12.12.2017 - W 1 K 17.60; VG Schleswig-Holstein, U.v.1.11.2017 - 12 A 66/17). Die angeführte Rechtsprechung kann auch auf § 55c SVG übertragen werden.
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(3) Darüber hinaus entspricht die Nichtanwendung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf den Kläger auch dessen tatbestandlichen Voraussetzungen. Durch Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG wurde § 55c SVG mit Wirkung zum 01.06.2015 dahingehend geändert, dass gemäß dem neu eingeführten Satz 3 bei Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sind, die Kürzung der Versorgungsbezüge bis zum Ende des Monats ausgesetzt wird, in dem sie die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit - § 5 BPolBG - erreichen. Diese Regelung ist auf den Kläger mit Blick auf den Gesetzeswortlaut sowie die gesetzgeberische Intention weder direkt noch analog anwendbar. Die Nichtanwendung verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz und beinhaltet keine verfassungswidrige Unteralimentation.
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Die Vorschrift ist auf den Fall des Klägers zunächst nicht direkt anwendbar. Der unmittelbaren Anwendung steht bereits der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen. Der Kläger wurde nicht wegen des Überschreitens der für ihn festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt. Vielmehr erfolgte die Zurruhesetzung auf Grundlage des § 1 Abs. 1 PersAnpassG, der keine für den Kläger besondere Altersgrenze i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG darstellt. Dies folgt sowohl aus der systematischen Betrachtung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG, als auch aus der Gesetzesbegründung zu Art. 10 Nr. 8 a) des BwAttraktStG, und auch aus § 1 Abs. 1 PersAnpassG.
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Als besondere Altersgrenzen i.S.d. § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG hat der Gesetzgeber die in § 45 Abs. 2, 96 SG aufgeführten Altersgrenzen erfasst. In der Gesetzesbegründung zu Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG wird ausgeführt, dass „Berufssoldatinnen und Berufssoldaten […] im Verhältnis zu anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund der für sie geltenden besonderen Altersgrenzen nach § 45 Absatz 2 und § 96 des Soldatengesetzes wesentlich früher in den Ruhestand versetzt“ werden (BT-Drucks. 18/3697, S.61). Des Weiteren wird ausgeführt: „Die betroffenen Soldatinnen und Soldaten haben auch keine Möglichkeit, ihre Einkommenssituation durch längeres Dienen zu verbessern. Nach § 44 Abs. 2 des Soldatengesetzes kann der Dienstherr eine Berufssoldatin oder einen Berufssoldaten nach Überschreiten der für sie oder ihn geltenden besonderen Altersgrenze einseitig durch Verwaltungsakt mit Ablauf eines Monats in den Ruhestand versetzen. In der Praxis erfolgt die Zurruhesetzung regelmäßig nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze“ (BT-Drucks. 18/3697, S.62).
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Demgegenüber handelt es sich bei der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersAnpassG genannten Altersgrenze um eine Mindest-, nicht um eine Maximalgrenze, ab der eine Zurruhesetzung auch nicht zwangsweise, sondern nur mit Zustimmung der Berufssoldaten verfügt werden kann. Im Unterschied zu den besonderen Altersgrenzen des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG beinhaltet das PersAnpassG folglich keine Altersgrenze, nach deren Überschreiten eine Zurruhesetzung regelmäßig erfolgt, sondern stellt lediglich eine Altersschwelle dar, ab deren Erreichen eine kleine Anzahl an Soldaten mit ihrer Zustimmung unter Umständen in den Anwendungsbereich des PersAnpassG fällt (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v.1.11.2017 - 12 A 66/17). Die Versetzung in den Ruhestand ist bei Erreichen dieser Schwelle dagegen nicht die Regel und auch nicht einklagbar (vgl. zur Nichteinklagbarkeit des vergleichbaren Anspruchs aus § 2 Abs. 1 Sk-PersStruktAnpG OVG NW, U.v. 14.12.2016 - 1 A 1681/12).
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Zudem lässt auch die historische Betrachtung unter Heranziehung der Gesetzesbegründung zu Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG keine Auslegung zu, die eine freiwillige Versetzung in den Ruhestand unter das Merkmal des Überschreitens der festgesetzten besonderen Altersgrenze fallen ließe. Der zitierten Intention des Gesetzgebers entsprechend sollten nur die unvermeidbaren Nachteile der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten gegenüber anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausgeglichen werden, die diese dadurch erleiden, dass sie infolge gesetzlich bestimmter besonderer Altersgrenzen einseitig in den Ruhestand versetzt werden und dann nur noch über eine gekürzte Versorgung verfügen können. Die Möglichkeit, die Versorgungssituation durch Verlängerung der Dienstzeit zu verbessern, besteht insoweit nicht. Entgegen dem klägerischen Vorbringen zeigt der Blick auf die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersAnpassG, dass insoweit eine andere Konstellation gegeben ist. So kann nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift eine Zurruhesetzung nur mit Zustimmung der Berufssoldatin bzw. des Berufssoldaten erfolgen. Eine entsprechende Anwendung wurde vom Gesetzgeber weder in der Norm geregelt, noch ist eine dahingehende Absicht aus der Gesetzesbegründung zu entnehmen.
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Auch eine analoge Anwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG scheidet aus. Dem steht bereits der in § 1a Abs. 1 SVG geregelte Gesetzesvorbehalt entgegen. Wie gerade dargestellt, scheint darüber hinaus aufgrund der Intention des Gesetzgebers von keiner planwidrigen Regelungslücke auszugehen zu sein. Zeitlich wurde das PersAnpassG (beschlossen am 20.12.2001) deutlich vor dem am 13.05.2015 beschlossenen BwAttraktStG verabschiedet. Aufgrund fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Anwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf die freiwillig zur Ruhe gesetzten Soldaten abgesehen hat. Darüber hinaus fehlt es an der für eine Analogie zusätzlichen Voraussetzung der vergleichbaren Interessenlage. Während nach dem Überschreiten der gesetzlich festgelegten besonderen Altersgrenze eine Zurruhesetzung einseitig durch Verwaltungsakt zwangsweise erfolgen kann, sind Zurruhesetzungen nach dem PersAnpassG gegen den Willen des Betroffenen ausgeschlossen. Aus diesem Grund sind Soldatinnen und Soldaten, die nach dem PersAnpassG in den Ruhestand versetzt wurden, nicht gleich schutzbedürftig. Abgesehen von der Freiwilligkeit der Entscheidung des Betroffenen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, besteht darüber hinaus ein Versorgungsauskunftsanspruch, in dessen Rahmen die zu erwartenden Versorgungsbezüge zuvor ermittelt werden können (vgl. VG Trier, U.v. 04.08.2017 - 6 K5039/17.TR; VG Augsburg, U.v. 07.12.2017 - Au 2 K 17.897; VG Würzburg U.v.12.12.2017 - W 1 K 17.60; VG Schleswig-Holstein, U.v. 1.11.2017 - 12 A 66/17).
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Zudem erscheint auch eine analoge Anwendung für den Zeitraum ab Erreichen der besonderen Altersgrenze nicht angezeigt. Der Unterschied besteht gerade darin, dass die vorzeitig zur Ruhe gesetzten Soldatinnen und Soldaten die Vorteile einer kürzeren Dienstzeit nutzen konnte, während den durch besondere Altersgrenzen zur Ruhe gesetzten Soldatinnen und Soldaten dies verwehrt blieb.
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(4) Die Nichtanwendung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf den Kläger verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Knüpft eine Ungleichbehandlung nicht an personenbezogene, sondern an situationsgebundene Kriterien an und enthält zudem keine Differenzierungsmerkmale, die in der Nähe des Art. 3 Abs. 3 GG angesiedelt sind, steht dem Gesetzgeber ein größerer Regelungsspielraum offen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Betroffenen die Anwendung der eine Ungleichbehandlung auslösenden Regelung durch Gebrauchmachen von einer Wahlmöglichkeit beeinflussen oder gar ausschließen können. Zudem belässt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber im Besoldungs- und Versorgungsrecht ohnehin eine weite Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11, Rn. 96, 97).
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Vorliegend liegt eine ungleiche Begünstigung für die Gruppe von nach besonderen Altersgrenzen in den Ruhestand versetzten Soldatinnen und Soldaten zu der Gruppe, die nach dem PersAnpassG zur Ruhe gesetzt wurde, vor. Der sachliche sowie der persönliche Schutzbereich des Art. 3 GG sind somit eröffnet. Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, da zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 1.11.2017 - 12 A 66/17).
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Maßgeblich hierbei ist die Anknüpfung an die Freiwilligkeit der Zurruhesetzung, die ein tragfähiges Differenzierungskriterium für die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen darstellt. Während die unter § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG zu subsumierende Gruppe von Soldaten zwangsweise in den Ruhestand versetzt wird und daher keine Möglichkeit haben, ihre Vermögenssituation durch längeres Dienen zu verbessern, bestand für den Kläger keinerlei Zwang, die ihm durch das PersAnpassG eröffnete Möglichkeit zur Zurruhesetzung vor Erreichen der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze zu nutzen. Der Kläger konnte vielmehr die Höhe seiner Versorgungsbezüge durch seine Entscheidung beeinflussen. Die Ungleichbehandlung zweier Vergleichsgruppen bedarf stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lässt (BVerfG, B. v. 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, Rn.38). Für den Bereich der Ansprüche aus dem Soldatenversorgungsgesetz gilt, dass rentenversicherungsrechtliche Positionen Funktionen erfüllen, deren Schutz Aufgabe der Eigentumsgarantie ist. Sie weisen die konstituierenden Merkmale des durch Art. 14 GG geschützten Eigentums auf. Daraus folgt, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt. Der Versorgungsausgleich ist dabei als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt (BVerfG, U.v.28.02.1980 - 1 BvL 17/77 - Rn. 146, 181, 257ff.). Gleiches gilt für die mit dem BwAttraktStG eingeführte Berücksichtigung jener Soldaten, die aufgrund des Erreichens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden. Der damit ausgeübte Gestaltungsspielraum lässt den grundsätzlich durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Bereich unangetastet, so dass als Differenzierungsgrund sachliche Gründe ausreichen, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 1.11.2017 - 12 A 66/17).
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Die Anknüpfung an die Freiwilligkeit stellt demnach einen sachlichen Grund dar, der auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Dem steht auch der Vortrag des Klägers nicht entgegen, dass die Kürzung des Versorgungsausgleiches ab Beginn der Zurruhesetzung einen besonders langen Zeitraum umfasse. Gemäß § 3 PersAnpassG ist für vorzeitig zur Ruhe gesetzte Soldaten eine zusätzliche Kompensation dergestalt vorgesehen, dass die ruhegehaltsfähige Dienstzeit um die Zeit von der Versetzung in den Ruhestand an bis zum Ablauf des Monats, von dem an der Berufssoldat frühestens hätte in den Ruhestand versetzt werden können, erhöht wird. Zeitlich gesehen nimmt diese Vorschrift damit die Spanne zwischen der Zurruhesetzung nach § 1 Abs. 1 PersAnpassG und derjenigen nach § 44 Abs. 2 SG in den Blick. Für diesen Zeitraum werden die Soldaten so gestellt, als hätten sie aktiv Dienst geleistet. Darüber hinaus besteht für die Soldaten die Möglichkeit, zusätzliches Einkommen zu erzielen und ihre Einkommenssituation nach Maßgabe des § 53 SVG deutlich, nämlich zusätzlich zu den Versorgungsbezügen bei regulärer Zurruhesetzung, zu verbessern (VG Koblenz, U.v. 16.8.2017 - 2 K 244/17.KO; VG Schleswig-Holstein, U.v. 1.11.2017 - 12 A 66/17). Der Kläger hätte bis zum Erreichen der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze seine Versorgungssituation also selbstbestimmt verbessern können. Zudem werden unverhältnismäßige Nachteile durch die frühzeitige Ruhestandsversetzung auch insoweit abgefedert, als die Soldatinnen und Soldaten vor der Inanspruchnahme ermitteln können, ob die zu erwartenden Versorgungsbezüge ausreichend sind.
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(5) Ferner liegt in der Nichtanwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auch keine verfassungswidrige Unteralimentation vor. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kürzung der Versorgungsbezüge grundsätzlich mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Besonders durch die finanzielle Stellung des Klägers für die Zeitspanne bis zur regulären Zurruhesetzung, als hätte er innerhalb dieser Zeit aktiv Dienst geleistet, sowie durch die Möglichkeit, zusätzliches Erwerbseinkommen zu erzielen, wird dieses Ergebnis unterstrichen. Der insoweit angeführte weite Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Besoldungs- und Versorgungsrechts ist jedenfalls nicht überschritten.
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(6) Zudem liegt auch keine Altersdiskriminierung vor. Dabei kann es dahinstehen, ob eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund des Alters durch § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auch für Soldaten anzunehmen ist oder ob insoweit die Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78EG Anwendung findet. Jedenfalls stellen die im Rahmen des Gleichheitssatzes dargelegten Unterscheidungskriterien hinsichtlich der Freiwilligkeit der Entscheidung sowie der Möglichkeit zur Erzielung zusätzlicher Erwerbseinkünfte auch insoweit sachlich legitimierende Rechtfertigungsgründe dar.
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c) Aufgrund der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Dauerverwaltungsaktes vom 31.12.2008 und der dargestellten Rechtmäßigkeit der Nichtanwendung von § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf den Kläger ist folglich sowohl die Verpflichtungsklage auf Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze, als auch die allgemeine Leistungsklage auf Erstattung der einbehaltenen Kürzungsbeträge seit dem 01.06.2015 unbegründet.
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3. Gemäß dem klägerischen Begehren nach § 88 VwGO war auch über den Hilfsantrag zu entscheiden, der unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Hauptantrags gestellt wurde. Da der Hilfsantrag gegen denselben Beklagten vor dem identischen Gericht gerichtet ist und den gleichen Sachverhalt betrifft, sind die Voraussetzungen einer Klagehäufung gemäß § 44 VwGO gegeben.
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Der Hilfsantrag ist aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage unzulässig. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO legt fest, dass die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage ebenso gut oder besser verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Vorliegend beruft sich der Kläger für die Zulässigkeit der Feststellungsklage auf die Verfassungswidrigkeit des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG. Es kann vorliegend aufgrund der Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes dahinstehen, ob bei gegebener Verfassungswidrigkeit und somit fehlender gesetzlicher Grundlage eine Feststellungsklage für die Geltendmachung von Besoldungsleistungen zulässig wäre. Somit verbleibt es aufgrund des effektiveren Rechtsschutzes durch die unmittelbare Verpflichtung der Behörde zur Neuberechnung und folglich kürzungsfreien Zahlung der Versorgungsbezüge bei der Subsidiarität der Feststellungsklage, da diese insoweit das gleiche klägerische Begehren beinhaltet, das bereits mit der Verpflichtungsklage im Hauptantrag geltend gemacht wurde. Nur hilfsweise sei zu erwähnen, dass die rechtmäßige Nichtanwendung des § 55c Abs. 1 Satz 3 SVG auf den Kläger auch zur Unbegründetheit des Feststellungsantrages führen würde.
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4. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Vollstreckungsentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr.3 und Nr.4 VwGO liegen nicht vor.