Titel:
Finanzielle Abgeltung von Erholungsurlaub eines Offiziers bei krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr
Normenketten:
SG § 28 Abs. 1, Abs. 4
EUrlV § 7 Abs. 3, § 10 Abs. 1
Arbeitszeit-RL Art. 7 Abs. 1
Leitsätze:
1. § 10 Abs. 1 EUrlV begrenzt den Abgeltungsanspruch für Erholungsurlaub, soweit dieser vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist, ausdrücklich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr. Deshalb sind Urlaubstage, die über den in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG statuierten Mindesturlaub von vier Wochen hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch umfasst. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mindesturlaubsansprüche aus vergangenen Jahren sind auch nur dann abzugelten, wenn sie bei Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht verfallen sind. Ist ein Urlaubsanspruch bereits verfallen, ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach § 7 Abs. 3 EUrlV verfällt der Erholungsurlaub, soweit er in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen wird, spätestens mit Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres. Rechtliche Bedenken gegen diese Verfallsfrist bestehen nicht. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist der Soldat seit Januar 2018 bis zur Entlassung aus der Bundeswehr zum 31.12.2019 durchgehend dienstunfähig erkrankt, war es dem Dienstherrn deshalb bereits nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der Soldat tatsächlich in der Lage war, den bezahlten Jahresurlaub aus 2017 auch zu nehmen, da der dienstunfähige Beamte diesen auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, wegen der Dienstunfähigkeit nicht hätte antreten können. Eine Belehrung über die Verfallfristen von Urlaubsansprüchen als Obliegenheit des Dienstherrn kann nur dann bestehen, wenn der Beamte auch in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen, woran es im Falle einer durchgehenden Dienstunfähigkeit fehlt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Finanzielle Abgeltung von Erholungsurlaub, fortwährende Dienstunfähigkeit, Hinweispflicht des Dienstherrn
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25368
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die finanzielle Abgeltung von Urlaubstagen aus dem Jahr 2017, die er aufgrund krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte.
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Der Kläger war Soldat der Bundeswehr, zuletzt im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Mit Wirkung vom 01.01.2018 wurde der Kläger zum M. Kommando ... (M. K.) in das J. ... C. ... Element (J. C.) versetzt. Krankheitsbedingt konnte er den Dienst erst am 18.01.2018 antreten. Am 25.01.2018 wurde eine ärztliche Untersuchung auf „Dienst- und Verwendungsfähigkeit“ eingeleitet, die am 08.02.2018 mit dem Ergebnis „nicht dienst- und verwendungsfähig auf Dauer“ abgeschlossen worden ist. Mit Ablauf des 31.12.2019 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit aus der Bundeswehr entlassen.
3
Zwischen Dienstantritt beim M. K. und Entlassung wegen Dienstunfähigkeit war der Kläger dauerhaft dienstunfähig erkrankt und konnte deshalb in den Urlaubsjahren 2018 und 2019 keinen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen. Daraufhin wurde von Beklagtenseite die finanzielle Abgeltung des nicht gewährten Erholungsurlaubs für die Urlaubsjahre 2018 und 2019 geprüft. Ausweislich der Ausführungen der Bundeswehr ergab diese Prüfung, dass für beide Urlaubsjahre jeweils 20 Tage finanziell abzugelten gewesen seien, da gemäß ZDv A-1420/12 Nr. 605 der Umfang des Abgeltungsanspruchs auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen (i.d.R. 20 Tage) Erholungsurlaub im Jahr begrenzt sei. Mit der Mitteilung CJ1 vom 18.12.2019 veranlasste die Bundeswehr von Amts wegen die finanzielle Abgeltung von insgesamt 40 Urlaubstagen.
4
Mit Schreiben vom 27.03.2020 erhob der Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung Beschwerde und machte geltend, dass in der Mitteilung CJ1 lediglich die Urlaubsjahre 2018 und 2019 berücksichtigt worden seien. Seiner Auffassung nach sei auch das Urlaubsjahr 2017 berücksichtigungsfähig und hätte daher in der Mitteilung enthalten sein müssen.
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Mit Bescheid des Chefs des Stabes M. K. vom 30.04.2020 wurde die Beschwerde des Klägers wegen Verstreichens der Beschwerdefrist gemäß § 6 der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) als unzulässig zurückgewiesen, jedoch wurde der zugrundeliegende Sachverhalt geprüft. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass - mit Verweis auf ZDv A-1420/12 Nr. 403 i.V.m. Nr. 609 - die Urlaubsansprüche des Klägers für das Urlaubsjahr 2017 - selbst bei für den Kläger günstigster Berechnung - spätestens mit Ablauf des 30.06.2019 verfallen seien. Daher seien nur die Urlaubsjahre 2018 und 2019 hinsichtlich einer finanziellen Abgeltung zu betrachten gewesen.
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Mit weiterer Beschwerde vom 18.05.2020 wandte sich der Kläger gegen den Bescheid vom 30.04.2020 und machte geltend, dass die Berechnung der Beschwerdefrist nicht korrekt sei. Er begehrte wiederum die Berücksichtigung seines Erholungsurlaubs für das Urlaubsjahr 2017 im Rahmen der finanziellen Abgeltung.
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Mit Bescheid des Befehlshabers des M. K. vom 07.07.2020 wurde die weitere Beschwerde des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 verfallen sei. Auch sei die Erstbeschwerde nicht fristgerecht eingelegt worden. Gemäß ZDv 1420/12 Nr. 608 unterliege der Urlaubsabgeltungsanspruch über unionsrechtlich abzugeltende Urlaubstage, die krankheitsbedingt nicht hätten genommen werden können, keinem Antragserfordernis und sei von Amts wegen mit Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses zu prüfen. Die letzte für die Gewährung von Erholungsurlaub zuständige Stelle teile der Bezüge zahlenden Stelle die abzugeltenden Urlaubstage zur Berechnung und Zahlung des Abgeltungsbetrages mit und stelle dieser alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung. Die Übermittlung der Daten an die Bezüge zahlende Stelle erfolge mit Hilfe eines zentral in der Formulardatenbank der Bundeswehr vorgegebenen Vordrucks (Nr. Bw 2517) „Mitteilung nach Nr. 608 der ZDv 1420/12“. Diese Mitteilung stelle keinen Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrungdar (dies sehe die ZDv 1420/12 nicht vor), es sei eine truppendienstliche Erstmaßnahme, für die Rechtsbehelfsbelehrungen nicht vorgeschrieben seien. Gleichwohl handele es sich um eine Information an den Betroffenen, aus der eindeutig hervorgehe, wie viele Urlaubstage für welche Urlaubsjahre finanziell abzugelten seien, auch wenn sich aus dieser Mitteilung noch nicht der tatsächliche Auszahlungsbetrag ableiten lasse. Im Fall des Klägers sei das M. K. die für die Erstellung der Mitteilung zuständige Dienststelle. Durch die Abteilung CJ1 sei die Mitteilung am 18.12.2019 erstellt und gemäß dem im Formblatt vorgesehenen Verteiler versandt worden. Wie aus den Ermittlungen zur Beschwerde des Klägers hervorgegangen sei, habe dieser seit mindestens 27.12.2019 Kenntnis von der Mitteilung. Der Kläger habe also seit dem 27.12.2019 gewusst, dass Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2017, anders als von ihm begehrt, finanziell nicht abgegolten werden sollten. Dass sich der Kläger danach noch schriftlich mit dem Oberstleutnant … ausgetauscht habe, ändere nichts; darin liege keine Neubescheidung, denn Oberstleutnant … habe dem Kläger lediglich die rechtlichen Hintergründe der Entscheidung erklärt. Bei enger Auslegung der Fristbestimmungen der Wehrbeschwerdeordnung hätte das Datum 27.12.2019 als Ausgangspunkt für die Berechnung der Beschwerdefrist zugrunde gelegt werden müssen. Auch bei der für den Kläger günstigsten Betrachtung sei die Erstbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 6 Abs. 1 WBO eingelegt worden und daher verspätet. Die außerhalb des Beschwerdeverfahrens durchgeführte dienstaufsichtliche Prüfung des klägerischen Vorbringens komme materiell-rechtlich zu keinem anderen Ergebnis.
8
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2020 hat der Kläger beim Truppendienstgericht Süd, dort am selben Tag eingegangen, weitere Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 09.06.2021 aus, dass es nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie (RL) 2003/88/EG für die Abgeltung des Urlaubs keines Antrages bedürfe. Vielmehr sei diese Abgeltung vom Arbeitgeber/Dienstherrn ohne Antrag vorzunehmen. Dieser unionsrechtliche Abgeltungsanspruch unterfalle der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Verjährung beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei (§ 199 Abs. 1 BGB). Aus diesem Grund seien die Urlaubsansprüche 2017 Ende 2019 noch nicht verjährt gewesen. Die Mitteilung nach Nr. 608 der ZDv A-1420/12 stelle keinen beschwerdefähigen Bescheid dar. Vielmehr sei es notwendig, dem Soldaten einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Da dies nicht geschehen sei, habe sich der Kläger dann mit weiterem Schreiben am 27.02.2020 an den Dienstherrn gewandt. Es entspreche der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dass dieser Kameraden auf Urlaubsansprüche hinweise, insbesondere, nachdem diese nach den europäischen Regeln nicht einmal aktiv geltend zu machen seien.
9
Mit Schriftsatz vom 04.08.2021 nahm die Bundeswehr - M. K. gegenüber dem Truppendienstgericht Süd Stellung zu der Beschwerdeangelegenheit und hielt an ihrer bislang geäußerten Rechtsauffassung fest.
10
Mit Schreiben des Truppendienstgerichtes Süd vom 20.08.2021 wurden die Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung gemäß § 18 Abs. 3 der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) an das Verwaltungsgericht Bayreuth gehört. Mit Beschluss vom 28.09.2021 - S 7 BLa 6/20 hat das Truppendienstgericht Süd den Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidung Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 23.11.2021 beantragt der Klägerbevollmächtigte,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Urlaubstage des Jahresurlaubs 2017 nach Rechtauffassung des Gerichts zur Zahlung abzugelten und dem Kläger die Kosten für das außergerichtliche Verfahren zu erstatten.
12
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger seit seinem Dienstantritt im M. K. im Januar 2018 keinen Urlaub habe nehmen können, da er die ganze Zeit über dienstunfähig erkrankt gewesen sei. Diese Erkrankung habe zur Dienstunfähigkeit geführt. Daher seien dem Kläger die Urlaubsansprüche nach den Urlaubsvorschriften auszuzahlen. Mit Mitteilung vom 20.12.2019, eröffnet am 27.12.2019, sei dem Kläger eine Aufstellung über die Urlaubsansprüche der Jahre 2018 und 2019 zugegangen. Der entsprechenden Mitteilung sei keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt gewesen. In der Folge habe sich der Kläger an seinen Vorgesetzten gewandt und darauf hingewiesen, dass auch die Urlaubsansprüche für das Jahr 2017, die er krankheitsbedingt nicht hätte in Anspruch nehmen können, abzugelten seien. Der Kläger habe sich mit E-Mail vom 27.12.2019 gegen die Auflistung gewandt. Diese E-Mail sei als Rechtsmittel zu werten. In Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht vorgesehen. Dort sei auch geregelt, dass der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB unterliege, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Anspruch entstanden sei (§ 199 Abs. 1 BGB). Diese gesetzliche Regelung führe dazu, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 am 31.12.2020 verjährt wäre. Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 habe entgegen den Ausführungen in der Mitteilung vom 18.12.2019 zu diesem Zeitpunkt noch Bestand gehabt. Der Kläger habe auf diesen Umstand in seinem Schreiben vom 10.05.2020 hingewiesen. Der „Resturlaub“ des Klägers für das Jahr 2017 habe deutlich mehr als 20 Tage betragen. Mit der Klage werde jedoch die Abfindung von 20 Urlaubstagen, also im Umfang des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs, geltend gemacht.
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Mit Schriftsatz vom 07.12.2021 beantragt das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr,
14
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 28.01.2022 ausgeführt, dass die Klage bereits nicht zulässig sei, da der Kläger seine Beschwerde gegen die Mitteilung über die unionsrechtlich abzugeltenden Urlaubstage nicht fristgerecht eingelegt habe. Insofern werde auf die in der Beschwerdeakte enthaltenen Bescheide Bezug genommen.
15
Die Klage sei weiterhin unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Abgeltung von weiterem Urlaub habe. Die Beklagte habe den dem Kläger zustehenden Anspruch auf Abgeltung von Urlaub gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 des Soldatengesetzes (SG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Soldatinnen- und Soldaten Urlaubsverordnung i.V.m. § 10 Abs. 1 der Erholungsurlaubsverordnung (EUrlV) erfüllt. Darüber hinaus stehe dem Kläger kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub zu. Mit Ausnahme der nach dem Recht der Europäischen Union veranlassten Urlaubsabgeltung bestehe keine Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Geldentschädigung für nicht genommenen Urlaub. Ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung des Mindesturlaubsanspruchs für das Jahr 2017 aus § 10 Abs. 1 EUrlV bestehe nicht. Voraussetzung des Abgeltungsanspruchs sei, dass der Urlaubsanspruch bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch nicht verfallen sei. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem aktiven Dienst mit Ablauf des 31.12.2019 habe dessen Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 nicht mehr bestanden. Nach der Regelung des § 7 Abs. 3 EUrlV verfalle der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs, der wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen werde, spätestens mit Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres. Diese Regelung entspreche der Rechtsprechung des EuGH, wonach bezüglich des Urlaubsanspruchs aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG für den Fall der vorübergehenden Dienstunfähigkeit ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ausreichend sei. Mit dem Urlaubsanspruch solle dem Beschäftigten ermöglicht werden, sich von den ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Bei dem Überschreiten der vorgenannten zeitlichen Grenze könne der Zweck des Urlaubsanspruchs nicht mehr erreicht werden. Ein Beschäftigter solle nicht berechtigt sein, während Zeiten der Arbeits- oder Dienstunfähigkeit erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln. Für den Bereich des Arbeitsrechts habe der EuGH entschieden, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen müsse, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sei, den Mindesturlaub zu nehmen. Er müsse ihn dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfalle, wenn er ihn nicht nehme. Der Arbeitgeber dürfe weder Anreize schaffen noch den Arbeitnehmer dazu anhalten, seinen Urlaub nicht zu nehmen und dadurch faktisch auf ihn zu verzichten. Es sei der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitsgebers davon abgehalten werden könne, seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Die vom EuGH für das Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze könnten auf das Dienstverhältnis des Soldaten nicht übertragen werden. Anders als im Arbeitsrecht bestehe für das Dienstrecht des Soldaten mit der Vorschrift des § 7 Abs. 3 EUrlV eine Regelung über den Verfall des Mindesturlaubs bei vorübergehender Dienstunfähigkeit, so dass eine Informationspflicht hier überflüssig wäre. Weiterhin könne eine Zwangssituation, wie sie oben für das Arbeitsverhältnis beschrieben sei, im Dienstverhältnis eines Soldaten nicht geschaffen werden. Die Übertragung der Rechtsprechung bezüglich der Informationspflicht des Arbeitsgebers auf das Soldatenverhältnis erscheine daher nicht geboten. Eine Informationspflicht des Dienstherrn wäre im vorliegenden Fall auch sinnlos gewesen, da der Soldat aufgrund von Dienstunfähigkeit tatsächlich keinen Urlaub hätte nehmen können.
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Mit Schriftsatz vom 15.03.2022 erklärte der Klägerbevollmächtigte, dass mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren Einverständnis besteht. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr verzichtete mit Schreiben vom 21.03.2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
17
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der vorgelegten Behördenakte, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Entscheidungsgründe
18
Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
19
Nach § 88 VwGO darf das Gericht zwar über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzziel zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1992 - 8 C 72/90 - juris Rn. 19 m.w.N.). Vorliegend begehrt der Kläger die finanzielle Abgeltung von Urlaubstagen aus dem Jahr 2017, die er aufgrund krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte. Dieses Begehren, das der anwaltlich vertretene Kläger fälschlicherweise im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage geltend macht, ist infolge der strengen Subsidiarität dieser Klageart sowie aufgrund des Umstandes, dass der Erlass eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) begehrt wird, mittels Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO durchzusetzen. Der gestellte Leistungsantrag ist daher entsprechend umzudeuten.
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I. Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
21
1. Die Klage ist zulässig. Die Erhebung der nach § 82 Abs. 1 SG an sich statthaften Klage setzt zwar gemäß § 68 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 1 WBO die vorherige Durchführung eines Beschwerdeverfahrens nach der Wehrbeschwerdeordnung voraus. Auch muss die Beschwerde nach § 6 Abs. 1 WBO innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erlangt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erhebung der Beschwerde unter dem 27.03.2020 problematisch, da der Kläger jedenfalls im Dezember 2019 von der Nichtabgeltung des Erholungsurlaubs aus dem Jahr 2017 Kenntnis hatte. Allerdings läuft die Beschwerdefrist aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 2 WBO erst mit der Erteilung der für eine Verwaltungsbeschwerde nach § 23a Abs. 1 WBO i.V.m. § 6 der Wehrdisziplinarordnung (WBO) erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung. Eine solche Rechtsbehelfsbelehrungwar der Mitteilung der Beklagten vom 19.12.2019 unstreitig nicht beigefügt.
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2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere finanzielle Abgeltung von 20 nicht genommenen Urlaubstagen. Die insoweit ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30.04.2020 und vom 07.07.2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23
Gemäß § 28 Abs. 1 und 4 SG i.V.m. § 10 Abs. 1 EUrlV wird Erholungsurlaub, soweit er in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist, abgegolten.
24
Der über den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub hinausgehende national zu gewährende Erholungsurlaub (vgl. § 5 Abs. 1 EUrlV: 30 Tage) wird von der vorgenannten Abgeltungsvorschrift nicht erfasst. Vielmehr begrenzt § 10 Abs. 1 EUrlV den Abgeltungsanspruch ausdrücklich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr. Deshalb sind Urlaubstage, die über den in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG statuierten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch umfasst (vgl. zum Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs: BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10.12 - juris Rn. 18; EuGH, U.v. 3.5.2012 - C-337/10 - juris Rn. 33).
25
Darüber hinaus sind Mindesturlaubsansprüche aus vergangenen Jahren nur abzugelten, wenn sie bei Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht verfallen sind. Ist ein Urlaubsanspruch bereits verfallen, ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.
26
Vorliegend ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, wie viele Tage Erholungsurlaub der Kläger im Jahr 2017 in Anspruch genommen hat. Sollte der Kläger in 2017 jedenfalls 20 Tage Erholungsurlaub genommen haben, wäre ein Abgeltungsanspruch nach § 10 Abs. 1 EUrlV bereits ausgeschlossen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG nach dem Zweck der Norm nur darauf an, ob und wieviel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2021 - 2 A 1/10 - juris). Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - NVwZ 2013, 1295 Rn. 24). Von der Regel, dass es nicht auf den Rechtsgrund für die genommenen Urlaubstage ankommt, gibt es nur insoweit eine Ausnahme, als Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind.
27
Unabhängig von dieser Frage ist der klägerische Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 zum Zeitpunkt der Entlassung des Klägers mit Ablauf des 31.12.2019 jedenfalls verfallen. Nach § 7 Abs. 3 EUrlV verfällt der Erholungsurlaub, soweit er in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen wird, spätestens mit Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres. Da der Kläger bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zum 31.12.2019 jedenfalls seit Beginn des Jahres 2018 durchgehend dienstunfähig erkrankt war, ist sein Urlaub aus 2017 gemäß § 7 Abs. 3 EUrlV am 31.03.2019 verfallen.
28
Rechtliche Bedenken gegen die in § 7 Abs. 3 EUrlV vorgesehene Verfallsfrist bestehen nicht. Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 22.11.2011 - C-214/10 - juris) ist ein vorgesehener Übertragungszeitraum von 15 Monaten hinreichend lang, so dass nach dessen Ablauf auch kein unionsrechtlicher Urlaubsabgeltungsanspruch besteht. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ist nach der vorgenannten Rechtsprechung dahingehend auszulegen, dass er einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt.
29
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts hin ergangenen Entscheidung des EuGH vom 06.11.2018 (C-684/16 - juris), die sich mit den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes bzw. des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst befasst und in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15 - juris) umgesetzt wird. Nach dieser Entscheidung soll Art. 7 RL 2003/88/EG dahingehend ausgelegt werden, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Umstand, dass ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines gemäß diesen Bestimmungen erworbenen Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub gestellt hat, automatisch, ohne dass zuvor geprüft würde, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, dazu führt, dass er diesen Anspruch und entsprechend den Anspruch auf finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verliert (EuGH, U.v. 6.11.2018 - C-684/16 - juris Rn. 55).
30
Obwohl wegen der Gleichstellung von Arbeitnehmern und Beamten in der Rechtsprechung vieles dafür spricht, dass die Grundsätze des EuGH über die Belehrungspflicht des Arbeitgebers über die Verfallfristen von Urlaubsansprüchen auf den beamtenrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch Anwendung finden, führt dies jedenfalls vorliegend nicht dazu, dass der Verfall der Urlaubsansprüche mangels Belehrung des Klägers über den Verfall seiner Urlaubsansprüche nicht eingetreten wäre. Denn es ist hinsichtlich der Belehrungspflicht des Dienstherrn zwischen den Beamten zu unterscheiden, die längerfristig arbeitsunfähig erkrankt sind und solchen, die arbeitsfähig sind. In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall ging es um eine Weigerung des Arbeitgebers, eine Vergütung für bezahlten Jahresurlaub zu zahlen, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien aufgrund fehlender Beantragung nicht genommen worden war (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2018 - C-684/16 - juris Rn. 21). Eine krankheitsbedingte Verhinderung an der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs war nach dem dortigen Sachverhalt nicht gegeben.
31
Hiervon zu unterscheiden ist der vorliegende Fall, in dem der Kläger seit Januar 2018 bis zur Entlassung aus der Bundeswehr zum 31.12.2019 durchgehend dienstunfähig erkrankt war. Es war dem Dienstherrn daher gar nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der Kläger tatsächlich in der Lage war, den bezahlten Jahresurlaub auch zu nehmen, da der dienstunfähige Beamte diesen auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, wegen der Dienstunfähigkeit nicht hätte antreten können. Eine Belehrung als Obliegenheit des Dienstherrn ergibt nur dann Sinn, wenn der Beamte auch in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies ist im Falle einer durchgehenden Dienstunfähigkeit nicht der Fall. Selbst wenn der Dienstherr zu Beginn des Jahres 2018 noch nicht wusste, wie lange die Dienstunfähigkeit des Klägers andauern würde, bestand solange keine Belehrungspflicht, solange die Dienstunfähigkeit anhielt, da während der Dienstunfähigkeit eine Beantragung oder Erteilung des Urlaubs objektiv nicht möglich war (vgl. LAG Hamm, U.v. 24.7.2019 - 5 Sa 676/19 - juris Rn. 33ff; VG Sigmaringen, U.v. 26.1.2021 - 2 K 5279/19); hinzu kommt, dass der Dienstherr jedenfalls seit 08.02.2018 um die dauerhafte Dienst- und Verwendungsunfähigkeit des Klägers wusste und daher nicht von einer baldigen Besserung seines Gesundheitszustandes ausgehen konnte. Mithin war der Kläger nicht durch eine mangelhafte Aufklärung bzw. fehlende Aufforderung seines Dienstherrn an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert, sondern allein wegen seiner fortdauernden krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit (vgl. zum Ganzen VG Köln, U.v. 31.8.2020 - 15 K 8349/18; VG Sigmaringen, U.v. 26.1.2021 - 2 K 5279/19).
32
Soweit der Kläger behauptet, dass sich sein gesundheitlicher Zustand im Falle einer Aufforderung seines Dienstherrn, Urlaub zu nehmen, bis zur Dienstfähigkeit stabilisiert hätte, handelt es sich um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein. Dafür, dass allein die nicht mit einer finanziellen Besserstellung verbundene Aussicht, zwischendurch nicht als dienstunfähig erkrankt, sondern als im Urlaub befindlich zuhause sein zu können, den Gesundheitszustand des dauerhaft nicht verwendungsfähigen Klägers bis zur Dienstfähigkeit verbessert hätte - nur dann wäre es möglich gewesen, ihn „dienstfähig zu schreiben“, so dass er Erholungsurlaub hätte beantragen können -, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger offenbar nicht bereits wieder beinahe genesen war und nur einer „Motivationsspritze“ bedurft hätte, um seine Dienstfähigkeit wiederzuerlangen; vielmehr war sein Gesundheitszustand anhaltend so schlecht, dass er mit Ablauf des 31.12.2019 wegen Dienstunfähigkeit entlassen wurde (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 3.8.2021 - 4 S 695/21).
33
Unabhängig davon dürfte der seitens des Klägers geltend gemachte Anspruch für das Jahr 2017 selbst bei Unterstellung einer erforderlichen Belehrung durch die Beklagte wegen den obigen Ausführungen zum Verfall von Urlaubstagen bei einer über einen längeren Zeitraum andauernden Dienstunfähigkeit inzwischen verfallen sein. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass mit dem Urlaubsanspruch ein doppelter Zweck verfolgt werde, der darin bestehe, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Diesen Zweckbestimmungen könne eine Urlaubsübertragung nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreite. Über eine solche Grenze hinaus fehle dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibe ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Aus diesem Grunde sei ein Arbeitnehmer nicht berechtigt, unbegrenzt Urlaubsansprüche anzusammeln, vielmehr sei eine Begrenzung des Übertragungszeitraums zulässig (vgl. EuGH, U.v. 22.11.2011 - C-214/00 - juris). Damit hat der EuGH selbst herausgestellt, dass der Zeitpunkt der Urlaubsinanspruchnahme noch in einem Zeitraum geschehen soll, der einen zeitlichen Bezug zum Kalenderjahr des Entstehens aufweist. Eine solche Inanspruchnahme von Urlaub war dem Kläger aufgrund seiner langfristigen und durchgehenden Dienstunfähigkeit jedoch nicht möglich.
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Im Falle einer fortdauernden Erkrankung, die - wie hier - einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs entgegensteht, hat der EuGH im Jahr 2017 nochmals bekräftigt, dass eine längere Abwesenheit wegen Krankschreibung eine Ausnahme von dem in Art. 7 RL 2003/88/EG aufgestellten Grundsatz rechtfertigen kann, wonach ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen (EuGH, U.v. 29.11.2017 - C-214/16 - juris). Es würde nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen, wenn ein Arbeitnehmer, der während mehrerer Bezügezeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, berechtigt wäre, unbegrenzt alle während dieses Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Erholungsurlaub anzusammeln (EuGH, U.v. 29.11.2017 - C-214/16 - juris Rn. 54). Von dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, die sich hieraus ergebenden Folgen zu tragen hat, kann im Fall des Ansammelns von Urlaubsansprüchen aus Krankheitsgründen abgewichen werden (EuGH, U.v. 29.11.2017 - C-214/15 - juris Rn. 56).
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Da nach alledem der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2017 verfallen ist, kommt es auf die Frage einer Verjährung des Anspruchs auf Abgeltung von Urlaubstagen (vgl. § 10 Abs. 4 EUrlV) nicht mehr an.
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II. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung - ZPO -. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.