Titel:
Verschlissenheit der Anlage, aufgestauter Reparaturbedarf bei Ablauf der üblichen Nutzungsdauer unerheblich, Gesamtschuldnerische Haftung
Normenkette:
KAG Art. 5
Schlagworte:
Verschlissenheit der Anlage, aufgestauter Reparaturbedarf bei Ablauf der üblichen Nutzungsdauer unerheblich, Gesamtschuldnerische Haftung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25363
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages mit Bescheiden der Beklagten vom 24.04.2017.
2
Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Fl.-Nrn. … und …, beide Gemarkung …, Gemeinde … Bei dem Grundstück Fl.-Nr. … sind die Kläger Eigentümer zu je ½. Bei dem Grundstück Fl.-Nr. … sind sie Eigentümer zu je ¼; seit 2009 ist der Sohn der Kläger Eigentümer zu ½. Die Grundstücke liegen an der O. straße … zwischen der Einmündung … und … in … Die Straße hat lediglich einen Gehweg, dieser verläuft entlang der klägerischen G. Straße und Gehweg wurden 1983 - nachdem die beiden Einfamilienwohnhäuser der Kläger … (Fl.-Nr. ...) und … (Fl.-Nr. ...) bereits gebaut waren - neu hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt wurde auf der gegenüberliegenden Seite ein neues Baugebiet erschlossen.
3
Im Oktober 2016 wurde der Gehweg zwischen der Einmündung … und … erneuert. Die Schlussrechnung der F. … GmbH datiert vom 20.12.2016.
4
Mit Bescheid vom 24.04.2017, adressiert an die Kläger, erhob die Beklagte für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, einen Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.827,20 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 24.04.2017 und ebenfalls adressiert an die Kläger erhob die Beklagte für das Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, einen Straßenausbaubeitrag in Höhe von 3.169,25 EUR.
5
Mit Schriftsatz ihres Klägerbevollmächtigten vom 16.05.2017 erhoben die Kläger gegen die Bescheide Widerspruch. Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 02.08.2017 ausgeführt, es liege keine beitragsfähige Maßnahme vor. Die Beschädigung des Gehsteiges, der aufgrund des Fahrverkehrs erhebliche Spurrillen habe, resultiere aus anfänglichen Baumängeln und einer fehlerhaften Bauplanung. Der Gehweg sei praktisch als Straße und nicht als Gehweg genutzt worden. Da auf der gegenüberliegenden Seite der klägerischen Grundstücke die Anwohner entlang der Straße geparkt hätten, sei die Straße zu eng gewesen, um aneinander vorbeizufahren. Alle Fahrzeuge, insbesondere auch der Schwerlastverkehr, seien gezwungen gewesen, den Gehweg und nicht die für den Pkw-Verkehr vorgesehene Fahrbahn zu nutzen. Durch die ständige Verkehrsbelastung sei es bereits kurz nach 1983 zu der Bildung von Spurrillen gekommen, die von Jahr zu Jahr tiefer geworden seien. Durch das Unterlassen von Maßnahmen (Verbot für Kfz über 7,5 t, Halteverbot, Einbahnstraßenregelung) sei der Schaden immer weiter vergrößert worden. Die Spurrillen hätten sich jedoch vor allem deshalb ausgebildet, da der Oberbau des Gehweges mit nur 20 cm viel zu niedrig ausgelegt worden sei. Ein als befahrbar konzipierter Gehweg müsse mindestens einen Oberbau von 55 cm aufweisen. Es seien Kosten als Erschließungsbeitragsmaßnahmen umgelegt worden, um einen aufgestauten Reparaturbedarf zu beseitigen. Normalerweise sei der Gehsteig, wie an anderen Stellen auch, noch keineswegs erneuerungsbedürftig gewesen. Die Beseitigung eines sog. aufgestauten Reparaturbedarfs sei nicht beitragsfähig.
6
Bei den Anwesen Fl.-Nrn. … und … seien im Übrigen - entgegen der tatsächlichen Bebauung - bei der Berechnung zwei Vollgeschosse angesetzt worden.
7
Auch seien bei dem Anwesen Fl.-Nr. … die Eigentumsverhältnisse im Bescheid unrichtig angegeben.
8
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 17.08.2017, der Gehweg sei zum Zeitpunkt der Erneuerung 33*Jahre alt gewesen. Nach der Rechtsprechung werde bei normalen Straßen ein Ausbaubedarf nach 20-25 Jahren angenommen. Dies gelte auch für Gehwege. Dass der Gehweg tatsächlich erneuerungsbedürftig gewesen sei, belegten vorhandene Lichtbilder und werde auch von den Klägern bestätigt. Aufgrund der Hinweise der Anlieger zum häufigen, verbotswidrigen Überfahren des Gehweges durch ausweichende Fahrzeuge sei der Gehwegsaufbau bei der durchgeführten Ausbaumaßnahme von zunächst geplanten 32 cm auf 40 cm verstärkt worden. Damit liege neben der beitragspflichtigen Erneuerung auch eine beitragspflichtige Verbesserungsmaßnahme vor. Da die übliche Nutzungszeit des Gehweges abgelaufen und der Gehweg tatsächlich abgenutzt gewesen sei, sei unerheblich, ob die Beschädigungen aufgrund mangelhafter Herstellung, unsachgemäßer Benutzung des Gehweges und aufgrund eines aufgestauten Reparaturbedarfs entstanden seien. Die Erhöhung des Gehwegsaufbaus auf 40 cm sei laut Einschätzung des Tiefbauamtes bei einem gelegentlichen Überfahren des Gehweges ausreichend. Die Straße weise eine ausreichende Breite auf, dass trotz parkender Autos ein Durchfahren sowohl mit Pkw als auch mit kleinerem Lkw im Normalfall möglich sei. Bei normalem Anliegerverkehr müsse der Gehweg nicht überfahren werden. Es bestehe kein Erfordernis, den Gehweg so auszubauen, dass er dauerhaft überfahren werden könne. Dieser Ausbauaufwand würde auch erhöhte Kosten für die Anlieger bedeuten. Zur Anordnung eines Halteverbots werde auf eine Stellungnahme des Ordnungsamtes verwiesen.
9
Mit Schriftsatz der Kläger vom 18.09.2017 wurden die Widersprüche aufrechterhalten. Der vor der Erneuerung des Gehweges vorhandene Unterbau von unter 20 cm sei nicht geeignet gewesen, ständig von LKWs und dergleichen überfahren zu werden. Die Schäden an dem Pflasterbelag hätten sich bereits nach wenigen Jahren gezeigt. Es sei unverhältnismäßig, Jahrzehnte abzuwarten, dann den Gehweg zu erneuern und die Kosten auf die Anlieger zu übertragen mit dem Hinweis, dass generell nach ca. 20-25 Jahren ein Ausbaubedarf bestehe. Die Restfahrbahnbreite betrage nicht 3 m, sondern lediglich 2,70 m. Bei den Anwesen Fl.- Nrn. … und … könne im Übrigen nicht von einer zweigeschossigen Bauweise ausgegangen werden.
10
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 23.10.2017, bei der Berechnung der Vollgeschossflächen für das Wohnanwesen Fl.-Nr. … seien nicht die tatsächlich genehmigten, reduzierten Baupläne zugrunde gelegt worden. Der Straßenausbaubeitrag sei daher zu verringern. Bei der Beitragsberechnung für das Wohnanwesen Fl.-Nr. … komme es nicht darauf an, welche Anzahl an Vollgeschossen tatsächlich gebaut worden sei. Gemäß § 8 Abs. 6 der Straßenausbaubeitragssatzung (ABS) der Beklagten vom 01.07.2010 sei als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse maßgeblich. Der Bebauungsplan Nummer 4/1.1 setze für das Grundstück Fl.- Nr. …, „1W + D = 1 Vollgeschoss + ausgebautes Dachgeschoss“ fest. Damit seien der Beitragsberechnung zwei Vollgeschosse zugrunde zu legen. Durch die Berichtigung der Vollgeschosse für das Grundstück Fl.-Nr. … ergäben sich für alle anderen Anlieger Nacherhebungsbeiträge, für das Grundstück Fl.-Nr. … in Höhe von 74,11 EUR. Die Ursache der Verschlissenheit einer ausgebauten Anlage - etwa deren unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung - habe grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung, wenn die übliche Nutzungszeit abgelaufen sei. Die Anordnung eines Halteverbotes sei nicht zulässig gewesen. Dies belege die Stellungnahme des Straßenverkehrsamtes.
11
Mit Abhilfebescheid der Beklagten vom 23.10.2017, adressiert an die Kläger, wurde für das Grundstück Fl.-Nr. … ein Straßenausbaubeitrag i.H.v. 1.437,91 EUR festgesetzt. Mit Änderungsbescheid der Beklagten vom 23.10.2017, adressiert an die Kläger, wurde für das Grundstück Fl.-Nr. … ein Straßenausbaubeitrag i.H.v. 3.243,36 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Überprüfung der im Ursprungsbescheid vom 24.04.2017 zugrunde gelegten Vollgeschosse des Grundstückes Fl.-Nr. … habe sich eine Verminderung auf ein Vollgeschoss ergeben. Diese Verminderung der beitragspflichtigen Fläche wirke sich auf die Berechnung des Beitragssatzes aus, da sich die Summe aller anliegenden Grundstücksflächen vermindere. Der Differenzbetrag werde erstattet (Abhilfebescheid). Bezüglich der anliegenden Grundstücke, auch Fl.-Nr. …, sei der Differenzbetrag aufgrund der Beitragserhebungspflicht der Gemeinde entsprechend nachzuerheben (Änderungsbescheid).
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Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15.11.2017 legten die Kläger gegen den Abhilfebescheid bezüglich des Grundstückes Fl.-Nr. … sowie gegen den Änderungsbescheid bezüglich des Grundstückes Fl.-Nr. … vorsorglich Widerspruch ein und nahmen Bezug auf die bisherigen Ausführungen. Der Widerspruch werde aufrechterhalten.
13
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2021 wies das Landratsamt … die Widersprüche der Kläger zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach 33 Jahren sei die übliche Nutzungsdauer des Gehweges abgelaufen, er sei auch tatsächlich erneuerungsbedürftig gewesen. Eine von vornherein mangelhafte Herstellung sei ziemlich sicher auszuschließen. Die Straße sei fachgerecht für normalen Verkehr ausgebaut gewesen, die Gehwege seien für Fußgängerverkehr entsprechend ausgebaut. Mit höheren Belastungen (zum Beispiel durch regelmäßiges Überfahren mit LKWs) sei bei den dort zu erwartenden Verkehrsverhältnissen nicht zu rechnen gewesen. Das Überfahren dürfte auch nicht zu solchen Beschädigungen führen. Sollte dies im Lauf der Jahrzehnte doch der Fall gewesen sein, gehörten diese zum sogenannten „Lebensschicksal“ einer Straße/eines Gehweges. Dies sei vergleichbar mit immer wieder vorgenommenen Aufgrabungen für das Verlegen von Leitungen o.Ä. Im vorliegenden Fall sei, um etwa doch wieder auftretende Belastungen/Beschädigungen entgegenzuwirken, der Gehwegsaufbau auf 40 cm verstärkt worden. Dies sei laut Einschätzung des Tiefbauamtes der Beklagten bei einem gelegentlichen Überfahren des Gehweges ausreichend.
14
Das Anwesen Fl.-Nr. … sei zu Recht mit zwei Vollgeschossen herangezogen worden. Gemäß § 8 Abs. 6 ABS gelte als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan Nr. 4/1.1. festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse „1W + D = 1 Vollgeschoss + ausgebautes Dachgeschoss“.
15
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 21.05.2021 erhoben die Kläger beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage. Sie beantragten zuletzt,
1. Die Straßenausbaubeitragsbescheide der Stadt … vom 24.10.2017 für die Grundstücke Fl.-Nrn. … und … der Gemarkung …, die diesbezüglichen Abhilfe- bzw. Änderungsbescheide der Stadt … vom 23.10.2017 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 26.04.2021 werden aufgehoben.
2. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, bezüglich des Grundstückes Fl.- Nr. … sei der Bescheid gegenüber den Klägern als Miteigentümer zu ½ erlassen worden. Die Kläger seien jedoch nur Miteigentümer zu je ¼ an diesem Anwesen. Seit 2009 sei der Sohn der Kläger Miteigentümer zu ½ …Der Bescheid sei insoweit formell fehlerhaft erlassen worden.
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Die Beschädigung des Gehweges resultiere aus anfänglichen Baumängeln und einer fehlerhaften Bau- und Verkehrsplanung. Dieser Gehweg sei vom Anliegerverkehr nicht als Gehweg, sondern als Straße genutzt worden. Die Straße sei wegen der auf der gegenüberliegenden Seite parkenden Anwohner zu eng gewesen, um aneinander vorbeizufahren. Alle Fahrzeuge, auch Schwerlastverkehr und die Müllabfuhr, hätten den Gehweg und nicht die eigentliche für den PKW-Verkehr vorgesehene Fahrbahn genutzt. Durch diese ständige Verkehrsbelastung und den Fehlplanungen hätten sich bereits kurz nach dem Bau des Gehweges Spurrillen gebildet, die von Jahr zu Jahr tiefer geworden seien. Die Anregung, auf der gegenüberliegenden Seite ein Halteverbot zu erlassen, damit der Gehweg nicht benutzt werden müsse, sei von der Beklagten nicht beachtet worden. Es habe von Anfang an ein Baumangel vorgelegen, der trotz unzähliger Reklamationen durch die Kläger und andere Anwohner nicht behoben worden sei. Der jetzt eingebrachte Unterbau von 40 cm sei nicht ausreichend. Die Argumentation der Beklagten und der Widerspruchsbehörde, eine beitragsfähige Maßnahme liege schon allein deshalb vor, weil der Gehweg seine Lebensdauer erfüllt habe, sei unbegründet.
18
Bezüglich des Anwesens Fl.-Nr. … sei noch auszuführen, dass hier zwei Vollgeschosse angesetzt worden seien, obwohl es sich um ein Einfamilienwohnhaus in einer Split-Level-Bauweise handele. Die bebaute Grundfläche betrage ohne Garage 138 m², das Dachgeschoss mit Galerie weise 64,3 m² auf. Nur 46,5% der Grundfläche lägen über einer Raumhöhe von 2,30 m.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 07.07.2021:
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, mehrere Beitragspflichtige seien Gesamtschuldner gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG, § 421 BGB. Die Beklagte habe gemäß § 421 BGB einen ihrer Ansicht nach besonders geeigneten Gesamtschuldner auf die volle Summe in Anspruch nehmen können. Die Erwähnung des anderen Gesamtschuldners gehöre nicht zu dem nach § 157 Abs. 1 AO notwendigen Inhalt des Abgabenbescheides. Die Beklagte habe unter dem Punkt „Fälligkeiten“ auf Seite 2 der Bescheide gezielt auf die Gesamtschuldnerschaft hingewiesen.
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Das Grundstück Fl.-Nr. … sei zu Recht mit zwei Vollgeschossen herangezogen worden. Gemäß § 8 Abs. 6 ABS gelte als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse.
22
Nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer von 20-25 Jahren liege eindeutig eine beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme vor. Beschädigungen aufgrund mangelhafter Herstellung, unsachgemäßer Benutzung des Gehweges oder aufgrund eines aufgestauten Reparaturbedarfs seien insoweit unerheblich. Die Hinweise der Anlieger zum häufigen, verbotswidrigen Überfahren des Gehweges durch ausweichende Fahrzeuge habe die Beklagte berücksichtigt und den Gehwegaufbau bei der durchgeführten Ausbaumaßnahme von zunächst geplanten 32 cm auf 40 cm verstärkt. Diese Verstärkung des Gehwegaufbaus erfülle auch den Tatbestand einer beitragspflichtigen Verbesserung. Die Erhöhung des Gehwegaufbaus auf 40 cm sei laut Einschätzung des Tiefbauamtes bei einem gelegentlichen Überfahren des Gehweges ausreichend. Bei normalen Anliegerverkehr müsse der Gehweg nicht überfahren werden.
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Nach der Stellungnahme des Straßenverkehrsamtes vom 01.06.2017 dürften Verkehrszeichen nur dort angeordnet werden, wo dies aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten sei. Die StVO verbiete von vornherein das Parken, wenn nicht eine Restfahrbahnbreite von mindestens 3 m verbleibe. Damit lägen keine besonderen Umstände vor, die eine Beschilderung zwingend erfordern. Nach der Stellungnahme des Straßenverkehrsamtes vom 16.10.2017 müsse und dürfe weder ein Park- noch ein Halteverbot ausgesprochen werden. § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO verbiete an engen Straßenstellen bereits das Halten. Eine zusätzliche Beschilderung bereits bestehender Verbote sei aufgrund des Übermaßverbotes des § 45 Abs. 9 StVO nicht zulässig.
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Die Berichterstatterin nahm als beauftragte Richterin am 24.02.2022 die örtlichen Verhältnisse im Bereich der Grundstücke Fl.-Nrn. … und …, Gemarkung …, und der Umgebung in Augenschein.
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Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 25.02.2022 u.a. das beim Ortstermin korrigierte Aufmaß, eine Kopie des Bebauungsplans von 1965 sowie 4 Fotos der Straße … vor.
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Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 03.03.2022 trugen die Kläger im Wesentlichen vor, der Augenscheinstermin habe klargestellt, dass lediglich das Pflaster erneuert worden sei, die jeweiligen Randleisten unverändert blieben. Auch der nunmehrige Unterbau von 40 cm Schottertragschicht sei unzureichend, da sich an der übrigen baulichen Situation der Straße … nichts geändert habe. Auf die beiliegenden Lichtbilder, die der Kläger zu 2) erstellt habe, werde verwiesen. Alle anderen Gehwege in den anderen Straßen rings um das Abrechnungsgebiet seien nicht erneuert worden und teilweise viel älter als die Gehsteige an der Straße am … Maßgeblich für die Schäden sei auch der Umstand, dass die Verkehrsbeschilderung dazu geführt habe, dass größere PKWs und LKWs auf den Gehweg ausweichen mussten. Die Beklagte trage selber vor, dass der damalige Gehwegsaufbau lediglich für einen reinen Fußgängerverkehr ausgelegt gewesen und diese Bauweise für ständiges Überfahren nicht geeignet sei. Aus Sicht der Beklagten bestehe keine Notwendigkeit, ein komplettes Halteverbot auszusprechen. Jedoch werde weder ein Verstoß gegen die StVO von der Beklagten kontrolliert, noch sei die Verkehrsbeschilderung auf der gegenüberliegenden Seite, die suggeriere, dass außerhalb der Kehrzeiten geparkt werden dürfe, geändert worden. Aufgrund der parkenden Autos sei maximal eine Breite von 2,50 m vorhanden, so dass eine Engstelle im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 1 StVZO vorliege. Die von der Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung, wonach nach 30 Jahren ohnehin die Straße verschlissen sei, könne nicht auf einen Gehweg übertragen werden. Die Beanspruchung bei normaler Verkehrsführung sei sicherlich nicht so hoch wie bei einer Fahrbahn. Weitere Fotos wurden vorgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 08.03.2022 trug die Beklagte im Wesentlichen vor, bei dem Dachgeschoss des Grundstückes Fl.-Nr. … handele es sich um ein Vollgeschoss. Auf Blatt 4 der Behördenakte werde verwiesen. Das Dachgeschoss weise auf einer Fläche von 67% bezogen auf die Fläche des Erdgeschosses eine Höhe von 2,30 m oder mehr auf. Eine Skizze, wie anhand eines Schnittes aus den Bauakten des konkreten Gebäudes die relevante Länge berechnet worden sei, werde beigefügt. Es sei zulässig, im Dachgeschoss Gauben einzubauen. Diese würden üblicherweise auf ½ bis ⅔ der Breite des Daches auf beiden Seiten des Daches genehmigt. Dadurch könne die Fläche im Dachgeschoss vergrößert werden, die eine Höhe von 2,30 m oder mehr aufweise.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.03.2022 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Die Klage ist abzuweisen. Die Straßenausbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 24.04.2017 für die Grundstücke Fl.-Nrn. … und … in der Fassung der diesbezüglichen Abhilfe- bzw. Änderungsbescheide der Beklagten sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 25.03.2021 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
31
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz in der Fassung vom 19.02.2021 (im Folgenden KAG n.F.) können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
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Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (im Folgenden KAG) sollen für die Verbesserung und Erneuerung von (u.a.) Ortsstraßen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge zu erheben sind.
33
Gemäß Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG n.F. gilt für die Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, sofern die Beiträge jeweils spätestens am 31.12.2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind. Die Beitragsbescheide der Beklagten vom 24.04.2017 beruhen auf Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG i.V.m. der Straßenausbeitragssatzung der Beklagten vom 01.07.2010 in der Fassung vom 21.07.2016 (ABS).
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Gemäß § 1 ABS erhebt die Beklagte entsprechende Beiträge. Nach § 2 ABS wird der Beitrag für bebaute, bebaubare, gewerblich genutzte, gewerblich nutzbare oder sonstig*nutzbare Grundstücke erhoben, die aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen einen besonderen Vorteil ziehen können (beitragspflichtige Grundstücke).
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1. Die abgerechnete Maßnahme ist eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme in Form der Erneuerung und Verbesserung des Gehweges an der O. straße … gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG, § 1 ABS.
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a) Unter einer beitragsfähigen Erneuerung ist die - über eine bloße Instandsetzung hinausgehende - Ersetzung einer infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Teileinrichtung durch eine gleichsam „neue“ Teileinrichtung von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, also eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung beträgt die übliche Nutzungsdauer von Gehwegen wie auch bei Straßen 20-25 Jahre (BayVGH, U.v. 24.06.2020 - 6 ZB 20.166 - juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, U.v. 06.02.2020 - 6 B 19.1258 - juris Rn. 22).
37
Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei der streitigen Straßenbaumaßnahme ohne Zweifel um eine beitragsfähige Erneuerung. Die Pflastersteine wurden ausgetauscht und der Gehwegsaufbau mit 40 cm hergestellt, die jeweiligen Randsteine blieben unverändert. Die übliche Nutzungsdauer war für den Gehweg als der maßgeblichen Teileinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG bei Durchführung der Baumaßnahmen im Jahr 2016 überschritten. Der Gehweg war nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten im Jahr 1983 fertiggestellt worden. Der Gehweg war auch tatsächlich abgenutzt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Kläger waren bereits kurz nach der Herstellung Spurrillen im Gehweg. Da alle Fahrzeuge, insbesondere der Schwerlastverkehr, den Gehweg und nicht die Straße genutzt hätten, habe sich der Schaden immer weiter vergrößert.
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Die Einwände der Kläger, die Beschädigung des Gehweges resultiere aus anfänglichen Baumängeln und einer fehlerhaften Bau- und Verkehrsplanung, es habe ein aufgestauter Reparaturbedarf am Gehweg bestanden, verfangen nicht. Ist die übliche Nutzungsdauer eines Gehweges - wie hier - abgelaufen, hat die Ursache der Verschlissenheit einer ausgebauten Anlage grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung (OVG NRW, U.v. 23.11.2016 - 15 A 2582/15 - juris Rn. 21). Die vollständige Erneuerung des Gehweges ist ohne Rücksicht darauf sachgerecht, ob die Beklagte den Gehweg ordnungsgemäß unterhalten hat oder nicht. Selbst wenn die Beklagte, wie die Kläger vortragen, die durch das Überfahren des Gehweges erforderlichen Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit nicht durchgeführt haben sollte, ist dies im Rahmen der Feststellung des objektiven Erneuerungsbedarfs grundsätzlich irrelevant (BayVGH, U.v. 29.07.2009 - 6 ZB 07.2861 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 14.07.2010 - 6 B 08.2254 - juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 24.06.2020 - 6 ZB 20.168 - juris Rn. 15; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage, § 32 Rn. 43f.). Die Beitragsfähigkeit der Erneuerungsmaßnahme ist dadurch nicht ausgeschlossen.
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b) Die Ausbaumaßnahme ist auch eine Verbesserung.
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Eine beitragsfähige Verbesserung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Zustand der Teileinrichtung nach dem Ausbau in irgendeiner Weise (insbesondere räumliche Ausdehnung, funktionale Aufteilung der Gesamtfläche, Art der Befestigung) von ihrem ursprünglichen Zustand im Herstellungszeitpunkt in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat (BayVGH, U.v. 11.12.2015 - 6 BV 14.584 - juris Rn. 17).
41
Nach diesen Kriterien handelt es sich bei der Straßenausbaumaßnahme auch um eine beitragsfähige Verbesserung. Dabei ist unschädlich, dass die Beklagte im Bescheid vom 24.04.2017 die Straßenausbaumaßnahme nur als Erneuerung bezeichnet hat. Der Aufbau des Gehweges wurde von ursprünglich 20 cm auf 40 cm verstärkt. Diese Verstärkung der Befestigung des Gehweges hat positiven Einfluss auf seine Benutzbarkeit (vgl. OVG NRW, U.v. 14.08.2015 - 15 730/15 - juris Rn. 13f.).
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c) Die Erneuerung und Verbesserung des Gehweges an der Anliegerstraße … sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1. 3, Abs. 3 Nr. 3.3 ABS beitragsfähig.
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2. Der Aufwand für die Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahme ist auch erforderlich.
44
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 HS 2 KAG) ist der Beklagten ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Dies gilt bezüglich der Art und Weise sowie des Umfangs des Ausbaus (OVG NRW, U.v. 20.12.2019 - 15 B 1627/19 - juris Rn. 14 m.w.N.). Durch das Merkmal der Erforderlichkeit wird lediglich eine äußerste Grenze markiert, die erst überschritten ist, wenn die von der Beklagten gewählte Lösung „sachlich schlechthin unvertretbar ist“ (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, U.v. 01.12.2016 - 6 BV 16.856 - juris Rn. 30 m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass die Beklagte in der Vergangenheit Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten am Gehweg … unterlassen hat (BayVGH, U.v. 24.06.2020 - 6 ZB 20.166 - juris Rn. 20) und andere, teilweise ältere Gehwege in der Umgebung nicht erneuert wurden, erfüllt die konkret vorgenommene Ausbaumaßnahme im Ergebnis das gesetzliche Beitragsmerkmal und bewegt sich im Rahmen des sachlich Vertretbaren. Es ist im Übrigen nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beitragserhebung zu prüfen, ob die Beklagte die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbaumaßnahme gewählt hat (OVG NRW, U.v. 20.12.2019, a.a.O).
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3. Der beitragsfähige Aufwand wurde zutreffend auf die Grundstückseigentümer umgelegt.
46
Gemäß § 8 Abs. 2 ABS wird - soweit wie vorliegend in dem Abrechnungsgebiet eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist - der nach § 6 ermittelte Aufwand nach Abzug des Anteils der Beklagten auf die Grundstücke des Abrechnungsgebiets (§ 6 Abs. 3) nach den Grundstücksflächen, vervielfacht mit einem Nutzungsfaktor, verteilt. Der Nutzungsfaktor beträgt bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,0 (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 ABS), bei mehrgeschossiger Bebaubarkeit zuzüglich je weiteres Vollgeschoss 0,3 (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 ABS). Gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 ABS gilt als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse.
47
Für das klägerische Grundstück Fl.-Nr. … hat die Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 ABS bei der Berechnung des Straßenausbaubeitrages zu Recht den Nutzungsfaktor 1 zugrunde gelegt. Maßgeblich ist vorliegend der Bebauungsplan aus dem Jahr 1975, da bei der Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2021, abzustellen ist. Nach den Festsetzungen des zu diesem Zeitpunkt geltenden Bebauungsplanes ist für das Grundstück Fl.-Nr. … ein Vollgeschoss (1 W) zulässig, der Nutzungsfaktor damit 1,0.
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Für das klägerische Grundstück Fl.-Nr. … wurde gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 ABS bei der Berechnung des Straßenausbaubeitrages zutreffend der Nutzungsfaktor 1,3 zugrunde gelegt. Nach den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplanes aus dem Jahr 1975 lautet die zulässige Zahl der Geschosse für das Grundstück Fl.-Nr. … 1 W + D. Nach Auffassung der Kammer ist bei dem klägerischen Grundstück der Ausbau des Dachgeschosses als Vollgeschoss und damit eine zweigeschossige Bebauung zulässig. Gemäß Art. 83 Abs. 8 Bayerische Bauordnung (BayBO), der auf Art. 2 Abs. 5 BayBO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung verweist, sind Vollgeschosse Geschosse, die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche liegen und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,3 m haben. Der maßgebliche Bebauungsplan enthält nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten keine weiteren textlichen Festsetzungen. Das Dachgeschoss kann folglich - wie die Beklagte vorträgt - zumindest mit dem zulässigen Einbau von Gauben, die üblicherweise auf ½ bis ⅔ der Breite des Daches auf beiden Seiten des Daches genehmigt werden, so ausgebaut werden, dass mindestens zwei Drittel seiner Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,3 m haben. Damit liegen zwei Vollgeschosse vor, der Nutzungsfaktor ist somit 1,3.
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4. Die Kläger wurden zu Recht als Beitragsschuldner in Anspruch genommen. Die Eheleute haften als Gesamtschuldner.
50
Entgegen dem Vorbringen der Kläger musste die Beklagte neben den Klägern nicht auch den Sohn der Kläger, der zu ½ Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … ist, als Beitragsschuldner heranziehen bzw. den Beitrag der Kläger entsprechend reduzieren.
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Die Beklagte hat gemäß § 157 Abs. 1 AO, der gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG anwendbar ist, die Eheleute als Schuldner bezeichnet.
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Die Beklagte kann nicht nur bestimmen, welchen der Grundstückseigentümer sie als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, sondern auch, ob und wie sie die Gesamtschuld auf die einzelnen Gesamtschuldner verteilt (Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 168. Lieferung 11.2021, § 44 AO Rn. 2). § 44 AO, der gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b) KAG entsprechend anwendbar ist, übernimmt den zivilrechtlichen Begriff der Gesamtschuld ins Steuerrecht. Der Rückgriff auf § 421 BGB ist erforderlich, da § 44 Abs. 1 Satz 2 AO nur bestimmt, dass jeder die ganze Leistung schuldet, aber nicht sagt, dass der Gläubiger die geschuldete Leistung nur einmal fordern kann und nach seinem Belieben von jedem der Gesamtschuldner ganz oder zum Teil fordern kann. Die Definition der Gesamtschuld und die Rechtsfolgen des § 44 gelten im Falle eines Verweises auch im kommunalen Abgabenrecht (Tipke/Kruse a.a.O. Rn. 3a m.w.N). Die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bezweckt die Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzugs, nicht aber einen Schuldnerschutz. Daraus folgt zwingend, dass das der Beklagten als Beitragsgläubigerin eingeräumte Ermessen sehr weit ist. Die Erwägungen, weshalb die Beklagte einen bestimmten Gesamtschuldner heranzieht, braucht sie im Bescheid nicht schriftlich darzulegen oder zu begründen (Driehaus, a.a.O., § 24 Rn. 15 m.w.N.).
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Nachdem die Kläger keinerlei Gründe vortragen, wieso es gerade für sie unzumutbar sein soll, als Gesamtschuldner allein herangezogen zu werden und gegebenenfalls von ihrem Sohn im Innenverhältnis einen Ausgleich zu fordern, liegt kein Anhaltspunkt für eine Rechtsverletzung der Kläger durch ihre Heranziehung vor (vgl. VG Bayreuth, U.v. 27.2.2019 - B 4 K 17.995 - juris Rn. 39).
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Da die Kläger kostenpflichtig sind, erübrigt sich die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung (ZPO).