Titel:
Einstweilige Anordnung auf vorläufige Wiedereinstellung in das Beamtenverhältnis bis zur Entscheidung im prüfungsrechtlichen Hauptsacheverfahren, endgültiges Nichtbestehen einer erforderlichen Zwischenprüfung
Normenketten:
VwGO § 123
BBG § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
MBPolVDVDV
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung auf vorläufige Wiedereinstellung in das Beamtenverhältnis bis zur Entscheidung im prüfungsrechtlichen Hauptsacheverfahren, endgültiges Nichtbestehen einer erforderlichen Zwischenprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25361
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.922,02 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige (Wieder-)Begründung eines Dienstverhältnisses zur Fortsetzung ihrer Laufbahnausbildung.
2
Die Antragstellerin war von 2020 bis 2022 als Polizeimeisteranwärterin Angehörige des Lehrgangs BA 20 II beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Bamberg (BPOLAFZ BA) und nahm an der Laufbahnausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei teil. Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 23.07.2021 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie die Zwischenprüfung zum Abschluss der Grundausbildung erstmalig nicht bestanden hatte, da sie nicht in zumindest zwei Klausuren jeweils mindestens fünf Rangpunkte erreicht hatte und somit die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 37 Abs. 2 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei (MBPolVDVDV) nicht erfüllt waren. Daraufhin erhielt die Antragstellerin Gelegenheit, die Prüfung noch einmal zu wiederholen. Im schriftlichen Prüfungsteil erzielte die Antragstellerin folgende Ergebnisse:
- Einsatzrecht/Verkehrsrecht: 4 Punkte
- Staats- und Verfassungsrecht/Politische Bildung: 3 Punkte
- Kriminalistik: 5 Punkte
3
Am 02.02.2022 absolvierte die Antragstellerin die mündliche sowie die praktische Prüfung und erreichte in den Fächern Einsatzrecht/Verkehrsrecht 3 Punkte und Einsatzlehre/Polizeidienstkunde/Verkehrslehre 4 Punkte. In der Folge wurde der Antragstellerin mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 02.02.2022 mitgeteilt, dass sie die Zwischenprüfung zum Abschluss der Grundausbildung abermals nicht bestanden hat, da sie nicht in jedem Prüfungsfach, das sowohl in der schriftlichen als auch in der mündlichen Prüfung Prüfungsgegenstand gewesen ist, die Durchschnittspunktzahl der schriftlichen und mündlichen Prüfung für dieses Prüfungsfach von mindestens 5,00 Rangpunkten erreicht hatte.
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Gegen diese neuerliche Prüfungsentscheidung legte die Antragstellerin bei der Bundespolizeiakademie, Stabstelle Prüfungsamt mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16.02.2022 Widerspruch ein. Zur Begründung trug ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 15.03.2022 vor, dass nach § 46 Abs. 1 Satz 2 MBPolVDVDV die Möglichkeit bestehe, die Zwischenprüfung mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern in begründeten Ausnahmefällen ein zweites Mal zu wiederholen. Hier liege ein begründeter Ausnahmefall vor. Zum einen sei die mündliche Prüfung nach § 41 Abs. 6 MBPolVDVDV nicht ausreichend protokolliert. Zwar seien Ergebnis und eine kurze Begründung der nicht bestandenen Zwischenprüfung vermerkt. Auch seien die der Antragstellerin gestellten Fragen protokolliert worden. Allerdings lasse sich dem Prüfungsprotokoll nicht entnehmen, welche Antworten die Antragstellerin in der mündlichen Zwischenprüfung gegeben habe. Aus diesem Grund sei nicht überprüfbar, ob die Antragstellerin auf die gestellten Fragen richtig, falsch oder überhaupt geantwortet habe. Es fehle mithin an einer ordnungsgemäßen Protokollierung des Prüfungsverlaufs. Zudem sei die Antragstellerin im Zeitraum vom 26.10.2020 bis 12.11.2021 aufgrund der Coronamaßnahmen im Umfang von insgesamt 108 Werktagen lediglich im Fernunterricht auf die Zwischenprüfung vorbereitet worden. Fernunterricht könne aufgrund der fehlenden Präsenz und möglicher technischer Schwierigkeiten einen tatsächlichen Unterricht nicht ersetzen. Die Antragstellerin habe sich zwar durch die Vorbereitung im Selbststudium subjektiv gut vorbereitet gefühlt, allerdings seien der Antragstellerin in der mündlichen Prüfung Fragen zu Themen gestellt worden, die im Fernunterricht teilweise nicht gründlich genug behandelt worden seien. Zum Ablauf der mündlichen Prüfung werde gerügt, dass die Antragstellerin aufgefordert worden sei, Teile der Beurteilung der Einsatzlage (BdE) mündlich vorzutragen, was die Antragstellerin im Unterricht nicht gelernt habe. Vielmehr sei lediglich eine schriftliche Abfassung erfolgt. Zur Vorbereitung auf den Sachverhalt habe der Antragstellerin nur ein Zeitfenster von etwa fünf Minuten zur Verfügung gestanden, was zum Durchlesen und Verstehen des Sachverhalts nicht ausreichend gewesen sei. Zudem habe sich die besondere Schwierigkeit ergeben, dass die Antragstellerin den Sachverhalt habe lesen müssen, während gleichzeitig die übrigen Prüfungsteilnehmer neben ihr befragt worden seien. Die Antragstellerin habe sich in dieser Situation nicht ausreichend konzentrieren können und sei durch die Prüfungssituation insgesamt bereits unter Druck gestanden. Dies habe das schlechte mündliche Prüfungsergebnis verursacht. Schon aus diesem Grund sei ein begründeter Ausnahmefall i.S.v. § 46 Abs. 1 Satz 2 MBPolVDVDV gegeben.
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Mit Schreiben vom 23.03.2022 wies die Bundespolizeiakademie den Bevollmächtigten der Antragstellerin darauf hin, dass es sich bei dem Antrag auf eine zweite Wiederholung der Prüfung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 MBPolVDVDV um ein gesondertes Verfahren handele, das unabhängig vom Widerspruchsverfahren zu bearbeiten sei. Dem Antrag auf zweite Wiederholungsprüfung werde in der Regel nur dann stattgegeben, wenn sich der Prüfling während der Prüfungsphase in einer besonderen Härtefallsituation befunden habe, der die anderen Prüfungsteilnehmer nicht ausgesetzt gewesen seien. Sollten derartige Gründe in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Zwischenprüfung BA 20 II (W) vorgelegen haben, werde um ausführliche Benennung dieser Gründe und um Übersendung entsprechender Nachweise gebeten.
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Mit Bescheid vom 19.04.2022 hat die Bundespolizeiakademie den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin die mündliche Zwischenprüfung gemäß § 44 MBPolVDVDV bestanden habe und diese auch als bestanden gewertet worden sei. Die Zwischenprüfung habe die Antragstellerin vielmehr gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 MBPolVDVDV deswegen nicht bestanden, weil im Fach Einsatzrecht/Verkehrsrecht die Durchschnittsrangpunktzahl der schriftlichen und mündlichen Prüfung nur 4 statt der erforderlichen 5 Rangpunkte betragen habe. Auch im Fach Einsatzlehre/Polizeidienstkunde/Verkehrslehre habe die Antragstellerin nur 4 statt der erforderlichen 5 Durchschnittsrangpunkte erreichen können. Zur Widerspruchsbegründung der Antragstellerin seien beim zuständigen Sachgebiet Prüfungswesen des BPOLAFZ BA, beim Prüfungsvorsitzenden, Polizeihauptkommissar (PHK) …, sowie beim Fachprüfer EL, Polizeioberkommissar (POK) …, detaillierte Stellungnahmen angefordert worden. Alle drei Stellungnahmen seien vollinhaltlich in die Entscheidung über den Widerspruch eingeflossen. Prüfungsrelevant sei lediglich der Zeitraum bis 01.09.2021, da danach das zweite Ausbildungs- bzw. Dienstjahr begonnen habe. Die Corona-Pandemie habe zu Einschränkungen in der Präsenzausbildung geführt. Eine Benachteiligung der davon betroffenen Polizeimeisteranwärterinnen und Polizeimeisteranwärter sei dadurch vermieden worden, dass die Inhalte der schriftlichen Prüfungen nachweislich bei allen Anwärterinnen und Anwärtern in Präsenzausbildung vermittelt worden seien. Die BdE stelle einen zentralen und damit auch prüfungsrelevanten Inhalt der Grundausbildung dar. Dass die Abfrage mündlich und nicht schriftlich erfolgt sei, liege in der Natur einer mündlichen Prüfung. Die Antragstellerin rüge zudem, dass zum Durchlesen und Verstehen des Sachverhalts nur ein Zeitfenster von etwa fünf Minuten zur Verfügung gestanden habe. Zudem seien zeitgleich andere Prüflinge befragt worden. Diese Form der inhaltlichen Gestaltung des Prüfungsgespräches durch den Prüfenden sei praktikabel und zielführend. Die Tatsache einer begrenzten Zeit zur Bewältigung der Prüfungsaufgabe sei prüfungsimmanent und rechtlich nicht zu beanstanden.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 05.04.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, beantragt die Antragstellerin,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf die Fortsetzung der Laufbahnausbildung zur Polizeimeisteranwärterin mittlerer Dienst und die Wiederholung der mündlichen Zwischenprüfung zu gestatten bzw. diese als bestanden zu werten.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass das vorliegende Verfahren erforderlich sei, um der Antragstellerin die Möglichkeit zu geben, ihre Ausbildung fortzusetzen und zu beenden. Mit dem endgültigen Nichtbestehen der Zwischenprüfung scheide die Antragstellerin per Gesetz aus dem Beamtenverhältnis aus. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Zwischenprüfung der Antragstellerin zu Recht als nicht bestanden gewertet worden sei. Um erhebliche Nachteile im beruflichen Fortkommen zu vermeiden, sei der Antragstellerin einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Würde sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, würde wertvolle Prüfungszeit verloren gehen, da ein Hauptsacheverfahren langwierig sein könne. Überdies sei auch eine Wiedereinstellung in den Polizeidienst erforderlich, um die Laufbahnprüfung entsprechend zu beenden. Diese sei wenigstens im Rahmen einer vorläufigen Wiedereinstellung zu gewährleisten. Das Verwaltungsgericht Bayreuth sei vorliegend zuständig, da sich der Gerichtsstand bei einem früheren Beamtenverhältnis aus dem letzten Dienstort ergebe. Mängel in der Prüfungsdokumentation würden auch auf das Prüfungsergebnis durchschlagen. Bei fehlender Dokumentation der Antworten der Prüflinge könne nicht nachvollzogen werden, ob die Antworten richtig oder falsch und von der Prüfungskommission korrekt bewertet worden seien. Der erhebliche Anteil von Fern- statt Präsenzunterricht habe zu erheblichen und auch zwischenzeitlich nachgewiesenen Leistungsmängeln bei Schülern und Auszubildenden geführt. Dies würden mehrere im Zuge der Corona-Maßnahmen durchgeführte Studien ergeben. Zurückzuführen sei dies auf die unterschiedliche technische Ausstattung der Lernenden sowie auf das geringe Feedback der Lehrkräfte, die - anders als im Präsenzunterricht - oft nicht beurteilen könnten, ob die Lernenden Fortschritte machten, im Stoff zurückhingen oder diesen richtig verstanden hätten. Weiter fehle es den Auszubildenden häufig an der erforderlichen Motivation, dem Unterricht zu folgen. Ferner mangele es an Interaktionen oder Fragemöglichkeiten. Die Auszubildenden würden nicht mitgenommen. Ein gruppendynamisches Lernen finde nicht statt. Zwar sei zutreffend, dass die Bedingungen für alle Auszubildenden gleich (schlecht) gewesen seien. Das Problem sei aber, dass die Auszubildenden in unterschiedlicher Weise mit der Situation klar gekommen seien bzw. einen Mangel an Wissen teilweise nicht bemerkt hätten. Eine hinreichende Vorbereitung auf mündliche Prüfungssituationen, insbesondere, wenn sie praktische Leistungen wie die Abgabe eines Berichts und nicht nur die Wiedergabe von Wissen voraussetzten, habe nicht stattgefunden. Die Methodik sei nicht vermittelt und in der Gruppe einstudiert worden. Der Polizeivollzugsdienst sei in erster Linie ein Beruf mit praktischen Anwendungen, in dem es nicht darauf ankomme, dass Wissen lediglich abstrakt vermittelt werde. Die Mängel in der Wissensvermittlung schlügen auch unmittelbar auf die Leistungen durch.
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Mit Schriftsatz vom 14.04.2022 beantragt die Bundespolizeiakademie für die Antragsgegnerin,
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Zunächst werde die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt, weil für das Verfahren das für den allgemeinen Wohnsitz der Antragstellerin zuständige Gericht anzurufen gewesen wäre. Einen dienstlichen Wohnsitz habe die Antragstellerin seit ihrer Entlassung nicht mehr, denn mit dem Nichtbestehen der Zwischenprüfung am 02.02.2022 sei sie gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) kraft Gesetzes entlassen. Der Antrag zur Wiederholung der Zwischenprüfung, um die Ausbildung der Antragstellerin fortzusetzen und zu beenden, sei gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 MBPolVDVDV nur dann statthaft, wenn sich der Prüfling während der Prüfungsphase in einer besonderen Härtefallsituation befunden habe, der die anderen Prüfungsteilnehmer nicht ausgesetzt gewesen seien. Stichhaltige Gründe dafür habe die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags auf Fortsetzung der Ausbildung, denn eine vorläufige (Wieder-)Einstellung in den Vorbereitungsdienst sei rechtlich unmöglich - eine vorläufige Ernennung zum Beamten auf Probe kenne das Gesetz nicht. Die begehrte Anordnung würde eine Vorwegnahme in der Hauptsache darstellen. Zudem habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren Erfolg haben würde. Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Für das erfolgreiche Bestehen der Zwischenprüfung sei es erforderlich, einen schriftlichen, mündlichen sowie fachübergreifenden praktischen Prüfungsteil zu bestehen. Anwärter/innen würden nur dann zur mündlichen und praktischen Prüfung zugelassen, wenn zwei oder mehr schriftliche Prüfungsarbeiten mit fünf Rangpunkten bewertet worden seien. Den schriftlichen Prüfungsteil habe die Antragstellerin bestanden, so dass sie zur mündlichen Prüfung zugelassen worden sei. Im Rahmen der mündlichen Prüfung müssten Anwärter/innen in jedem Prüfungsfach geprüft werden, in dem der Unterschied zwischen Lehrgangsleistung und schriftlicher Prüfungsleistung mehr als eine Note betrage und in dem die schriftlichen Leistungen nicht mindestens fünf Punkte betragen hätten. Vor diesem Hintergrund sei die Antragstellerin in den Prüfungsfächern Einsatzrecht/Verkehrsrecht, Einsatzlehre/Polizeidienstkunde/Verkehrslehre sowie Staats- und Verfassungsrecht/Politische Bildung mündlich zu prüfen gewesen. Die Antragstellerin habe die Zwischenprüfung aufgrund ihrer schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fächern Einsatzrecht/Verkehrsrecht und Einsatzlehre/Polizeidienstkunde/Verkehrslehre nicht bestanden, weil ihr Notendurchschnitt dort aus schriftlicher und mündlicher Prüfung jeweils nur vier Rangpunkte betragen habe. Die Einwendungen der Antragstellerin rechtfertigten keine andere Beurteilung. Dass ein Prüfungsprotokoll zu führen sei, ergebe sich aus der Prüfungsordnung und - soweit spezielle Regelungen fehlten - aus allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen. Die Bewertung der Prüfungsleistungen erfolge auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolls. Die Aufzeichnungen der Prüfer erfüllten die Formalien der Protokollierung, denn geschuldet werde lediglich ein Ereignisprotokoll und nicht etwa ein Gesprächs- oder Wortprotokoll. § 41 Abs. 6 MBPolVDVDV sehe vor, dass Dauer, Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der mündlichen Prüfung aufzunehmen seien. Die Angaben im Protokoll könnten stichwortartig erfolgen, sie könnten nachträglich in Reinschrift ergänzt werden. Im Übrigen stehe es im Ermessen der Prüfer und Protokollführer, welche Aufzeichnungen sie tätigten. Darlegungen dazu, welche Fragen im Einzelnen falsch beantwortet worden seien und welche Kriterien letztendlich für die Endnote ausschlaggebend gewesen seien, seien nicht zwingend Bestandteil des Protokolls. Für Fehler bei der Prüfung selbst gebe es keinerlei Anhaltspunkte und darüber hinaus wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, das Vorliegen von Verfahrensfehlern vorzutragen und glaubhaft zu machen. Die Begründung der Antragstellerin, sie sei nur ungenügend auf die Zwischenprüfung vorbereitet gewesen, weil sie 108 Tage in Fernlehre unterrichtet worden und im Rahmen dessen der Prüfungsstoff nur ungenügend behandelt worden sei, verfange nicht. Die Antragstellerin habe selbst vorgetragen, dass sie sich subjektiv gut vorbereitet gefühlt habe. Die schulischen und technischen Möglichkeiten seien für alle Prüflinge des Anwärter/innenlehrgangs 20/II gleich gewesen - mit der Möglichkeit von Rückfragen an die Fachlehrer/innen und Vorlesungsskripten. Die Antragstellerin habe sogar sechs Monate länger Zeit gehabt, den Lehrstoff zu vertiefen. Maßgeblich wären ohnehin nur 93 Ausbildungstage in der Fernlehre, aber darauf komme es nicht an, denn die Antragsgegnerin habe den Prüfungsstoff bei allen Angehörigen des Anwärter/innenjahrgangs 20/II ausschließlich in Präsenz unterrichtet. Von April 2021 bis August 2021 sei die Ausbildung in Präsenz erfolgt und die in der Zeit nach dem 01.09.2021 in Fernlehre unterrichteten Ausbildungsinhalte seien nicht mehr Bestandteil der Zwischenprüfung gewesen.
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Die Antragsgegnerin übermittelte Stellungnahmen des Sachgebiets Prüfungswesen vom 05.04.2022 sowie des Vorsitzenden der Prüfungskommission und eines Fachprüfers, jeweils vom 28.03.2022.
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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1. Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth ist für die Entscheidung über den Antrag örtlich zuständig. Denn die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich auch im vorliegenden Fall nach dem dienstlichen Wohnsitz. Zwar trifft es zu, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit dem Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung endet, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Entscheidung auf Grund der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung Bestand hat. Denn der Zweck des Beamtenverhältnisses auf Widerruf besteht in erster Linie darin, dass der Beamte für den Beruf, zu dem ihm die Prüfung den Zugang eröffnet, ausgebildet wird, und dass deshalb der Vorbereitungsdienst effektiv abgeleistet wird (§ 37 Abs. 2 BBG). Es endet kraft Gesetzes mit dem endgültigen Nichtbestehen einer vorgeschriebenen Zwischenprüfung (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BBG). Insofern trifft es zwar zu, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragserhebung keinen dienstlichen Wohnsitz mehr hatte. Für die Bestimmung der örtlichen Verwaltungsgerichtszuständigkeit nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist gleichwohl wie auch sonst in den Fällen der Versetzung, Abordnung, Umsetzung und Ruhestandsversetzung durch Verwaltungsakt an den bis zur streitigen Maßnahme maßgeblichen dienstlichen Wohnsitz anzuknüpfen (vgl. VG Hannover, U.v. 7.12.2006 - 2 A 3466/05; VG Düsseldorf, B.v. 17.7.2006 - 13 L 764/06; VG Stuttgart, B.v. 5.5.2004 - 18 K 1400/04; VG Oldenburg, B.v. 7.4.2003 - 6 A 229/03; VG Hamburg, GB v. 15.10.1996 - 12 VG 621/96; VG Göttingen, B.v. 4.7.1996 - 3 B 3196/96; BayVGH, B.v. 20.11.1984 - 3 CS 84 A.2389; a.A. VG Schleswig, B.v. 26.9.2000 - 16 B 66/01). Schon systematisch stellt § 52 Nr. 4 VwGO bei allen Klagen aus einem Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, für die örtliche Zuständigkeit vorrangig auf den dienstlichen Wohnsitz ab. Nur ersatzweise, wenn der Rechtsschutzsuchende in solchen Streitigkeiten keinen dienstlichen Wohnsitz hat, bestimmt sich die örtliche Verwaltungsgerichtszuständigkeit nach seinem bürgerlichen Wohnsitz. Die Anknüpfung an den bürgerlichen Wohnsitz ist gegenüber der an den dienstlichen Wohnsitz mithin subsidiär. Der Beurteilung ist zudem die Behauptung des Rechtsschutzsuchenden zugrunde zu legen. Hier trägt die Antragstellerin vor, es sei zu Unrecht das endgültige Nichtbestehen der erforderlichen Zwischenprüfung festgestellt worden. Dann aber ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit auch von dem insoweit gegebenen dienstlichen Wohnsitz auszugehen.
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2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gilt nach § 123 Abs. 3 VwGO u.a. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, d.h. die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und insbesondere nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO als Regelungsanordnung statthaft. Die Antragstellerin kann die vorläufige Neubegründung eines Beamtenverhältnisses im Wege einer einstweiligen Anordnung verfolgen (BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 - juris Rn. 34).
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Jedenfalls einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin vorliegend aber nicht glaubhaft gemacht. Sie kann nicht verlangen, ihre Laufbahnausbildung vorläufig bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf fortzusetzen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Frage einer vorläufigen Wiederbegründung eines Beamten- oder sonstigen Dienstverhältnisses nicht völlig losgelöst vom rechtlichen Bestand der Prüfungsentscheidung betrachtet werden darf und effektiver Rechtsschutz dadurch gewährt werden müsse, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht generell und von vornherein ausgeschlossen werde (BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 - juris Rn. 24). Damit ist auch die bisherige verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis überholt, wonach eine vorläufige Fortsetzung oder Neubegründung eines Beamtenverhältnisses nicht in Betracht komme (so etwa noch SächsOVG, B.v. 11.2.2016 - 2 A 428/14). Das Bundesverfassungsgericht hat aber gleichwohl keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen geäußert, dass der Beamte zunächst kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis entlassen ist und es gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 BBG für den Eintritt der Beendigungswirkung lediglich auf den Realakt der „Bekanntgabe des endgültigen Nichtbestehens“ ankomme. Denn insoweit sei die Frage der Beendigungswirkung kraft Gesetzes von der Frage der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu trennen (BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 - juris Rn. 32ff.).
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Das Beamtenverhältnis der Antragstellerin endete mit Ablauf des 02.02.2022 durch Entlassung kraft Gesetzes gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BBG, weil sie die vorgeschriebene Zwischenprüfung endgültig nicht bestanden hatte, was ihr mit Bescheid vom 02.02.2022 am selben Tag seitens der Bundespolizeiakademie mitgeteilt wurde. Hat ein Prüfling die Zwischenprüfung nicht bestanden, so kann sie gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 MPBolVDVDV einmalig wiederholt werden. Soweit kein Ausnahmefall des § 46 Abs. 1 Satz 2 MPBolVDVDV festzustellen ist, ist die Zwischenprüfung mit dem wiederholtem Nichtbestehen als endgültig nicht bestanden anzusehen, vgl. § 46 Abs. 6 MBPolVDVDV. So liegt der Fall hier.
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Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf (vorläufige) Wiedereinstellung bis zur der Entscheidung über ein etwaiges prüfungsrechtliches Hauptsacheverfahren. Eine Regelungsanordnung dieses Inhalts ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vorliegend nicht geboten, weil sich die Prüfungsentscheidung der Antragsgegnerin nach einer hier erforderlichen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 - juris Rn. 30) voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
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Denn die Bundespolizeiakademie ging nach summarischer Prüfung zutreffend vom endgültigen Nichtbestehen der erforderlichen Zwischenprüfung aus. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 MBPolVDVDV ist die Zwischenprüfung bestanden, wenn in jedem Prüfungsfach, das sowohl in der schriftlichen als auch in der mündlichen Prüfung Prüfungsgegenstand gewesen ist, die Durchschnittsrangpunktzahl der schriftlichen und der mündlichen Prüfung für dieses Prüfungsfach mindestens 5,00 beträgt und die Rangpunktzahl der Zwischenprüfung mindestens 5,00 beträgt. Im Fall der Antragstellerin betrug die Durchschnittsrangpunktzahl der schriftlichen und mündlichen Prüfung nur 4 statt der erforderlichen 5 Rangpunkte.
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Bei der Bewertung von Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen besteht ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum der Prüfer (BVerwG, U.v. 4.5.1999 - 6 C 13.98 - juris Rn. 55; BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/91 - juris Rn. 49). Dies ergibt sich aus dem das Prüfungsrecht beherrschenden Gebot der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) (VG Hamburg, U.v. 6.9.2016 - 1 K 334/16 - juris Rn. 20). Im gerichtlichen Verfahren beschränkt sich die Prüfung daher darauf, ob angesichts der vom Prüfling konkret und substantiiert geltend gemachten Einwendungen Verfahrensfehler vorliegen oder die Prüfer den ihnen eröffneten Bewertungsspielraum überschritten haben, indem sie anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (VG Hamburg, U.v. 6.9.2016 - 1 K 334/16 - juris Rn. 21 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen besteht kein Anordnungsanspruch der Antragstellerin. Sie hat mit ihren Einwendungen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass entsprechende Verfahrens- oder Beurteilungsfehler gegeben sind. Weder die Rügen betreffend das Prüfungsprotokoll (dazu unter a) noch die geltend gemachte Corona bedingt unzureichende Vorbereitung (dazu unter b) oder die behauptete Unzulänglichkeit des Unterrichts (dazu unter c) begründen nach summarischer Prüfung eine Fehlerhaftigkeit der Prüfungsentscheidung. Weiterhin sind keine Fehler im Prüfungsablauf glaubhaft gemacht (dazu unter d). Schließlich bestehen keine (verfassungs-)rechtlichen Bedenken gegen die nur einmalige Wiederholungsmöglichkeit der Zwischenprüfung (dazu unter e). Ein Anspruch auf eine zweite Wiederholungsprüfung kommt der Antragstellerin nicht zu (dazu unter f).
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a) Die Rügen der Antragstellerin betreffend das Prüfungsprotokoll greifen in der Sache nicht durch. Prüfungsprotokolle sollen den Gang des Prüfungsverfahrens darstellen, um im Bedarfsfall Beweiszwecken dienen zu können. Mängel des Prüfungsprotokolls haben keinen selbstständigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis, weil die Bewertung der Prüfungsleistungen auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolls erfolgt. Ein fehlerhaftes und/oder unvollständiges Protokoll kann den Beweis des Prüfungshergangs beeinträchtigen (NdsOVG, U.v. 8.6.2011 - 8 LB 199/09 - juris).
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§ 41 Abs. 6 Satz 1 MBPolVDVDV bestimmt, dass über die mündliche Prüfung ein Protokoll anzufertigen ist. Nach § 41 Abs. 6 Satz 2 MBPolVDVDV sind in dem Protokoll Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der mündlichen Prüfung anzugeben. Ausweislich der Vorgaben des § 41 Abs. 6 Sätze 3 und 4 MBPolVDVDV erfolgt die Anfertigung durch die Protokollführerin oder den Protokollführer, die oder der vom Prüfungsamt bestimmt worden ist; das Protokoll ist sodann von den Mitgliedern der Prüfungskommission zu unterschreiben.
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Der Vortrag der Antragstellerseite, das Protokoll enthalte lediglich die Fragegegenstände nicht hingegen die Ergebnisse der mündlichen Prüfung bzw. die konkreten Antworten der Antragstellerin, bedingt keinen Verfahrensfehler. Zum einen verlangt § 41 Abs. 6 Satz 1 MBPolVDVDV seinem eindeutigen Wortlaut nach lediglich die Angabe des Gegenstandes, des Ergebnisses sowie des Verlaufs der mündlichen Prüfung und keine Dokumentation der einzelnen Antworten des Prüflings. Zum anderen hat die Antragstellerin keinerlei inhaltliche Angriffe gegen die mündliche Prüfung vorgebracht, für die eine unterlassene Protokollierung Relevanz erlangen könnte. Ferner wäre ein etwaiger Protokollmangel auch durch die ausführlichen Stellungnahmen der Prüfer vom 28.03.2022 geheilt, die sich zum Verlauf der Prüfung nochmals im Einzelnen äußerten.
26
b) Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass sie aufgrund Corona bedingter Ausbildungsanpassungen (Fern- statt Präsenzunterricht) nicht hinreichend auf die Zwischenprüfung vorbereitet worden sei, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führen etwaige Ausbildungsmängel nicht zur Rechtswidrigkeit der sie nicht beachtenden Prüfungsentscheidung. Nur wenn in besonderen Fällen die Ausbildung oder Unterrichtung nach der Konzeption des betreffenden Bildungs- oder Studiengangs integrierter Bestandteil des Prüfungsvorgangs, insbesondere der Leistungsbewertung, sind, dürfte dies nach Lage der Dinge anders zu beurteilen sein (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1985 - 7 B 82 A.2336 - DÖV 1986, 478; B.v. 18.5.1982 - 1 WB 148.78 - BVerwGE 73, 376, B.v. 12.11.1992 - 6 B 36/92 = juris Rn. 2). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich.
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Ausbildungsmängel sind gegenüber dem Prüfungsamt oder dem Vorsitzenden des jeweiligen Prüfungsausschusses vor Prüfungsbeginn und bezogen auf die konkrete Prüfung vorzubringen, wobei deutlich werden muss, dass sich der Prüfling aufgrund der unzureichenden Ausbildung der Prüfung nicht gewachsen fühlt und sie deshalb noch nicht ablegen oder jedenfalls das Prüfungsergebnis nicht gegen sich gelten lassen will (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1992 - 6 B 36.92 - juris Rn. 6ff.). Es ist somit Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist. Dabei wird es meist als ein besonders starkes Indiz für einen Missbrauch des Rücktrittsrechts zu werten sein, wenn der Prüfling mit der Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit gewartet hat, bis ihm das Scheitern in der Prüfung bekanntgegeben worden war (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 - Buchholz 421.00 Prüfungswesen Nr. 259 m.w.N.). Zur Not muss der Prüfling auch ausdrücklich mitteilen, dass er die Prüfung nur unter einem Vorbehalt ablegen wolle. Darauf, ob der Prüfling vorher, d.h. während der Ausbildung, etwaige Mängel der Ausbildung gegenüber seinen Vorgesetzten oder Ausbildern geltend macht, kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein, ob er die Ausbildungsmängel in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prüfung gerügt hat (vgl. VGH BW, B.v. 3.7.2012 - 9 S 2189/11 - juris Rn. 19 m.w.N.). Die Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass der Prüfling andernfalls unter Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) durch Wiederholung der Prüfung eine weitere, den Mitprüflingen nicht zustehende Prüfungschance gewinnen würde. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur für die Geltendmachung krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit, sondern für alle die Prüfungsfähigkeit mindernden Umstände (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.1992 - 6 B 36/92 - juris Rn. 5; U.v. 3.5.1963 - 7 C 46.62 - Buchholz 421.00 Prüfungswesen Nr. 19; BayVGH, U.v. 25.9.1985 - 7 B 82. A.2336 - DÖV 1986, 478).
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Da sich die Antragstellerin vorliegend - soweit ersichtlich - vorbehaltlos auf die Zwischenprüfung eingelassen hat, kann sie etwaige Ausbildungsmängel nach den vorgenannten Grundsätzen schon nicht mehr geltend machen. Im Übrigen ist den vorliegenden Stellungnahmen des Sachgebiets Prüfungswesens, des Vorsitzenden der Prüfungskommission sowie des Fachprüfers vom 05.04.2022 bzw. 28.03.2022 zu entnehmen, dass die prüfungsrelevanten Themen vollumfänglich in Präsenz unterrichtet wurden. Dem setzt die Antragstellerseite nichts entgegen.
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c) Die seitens der Antragstellerin geltend gemachte Unzulänglichkeit des Unterrichts führt ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der Prüfungsentscheidung. Zwar kann unter Umständen ein unzulänglicher Unterricht im Prüfungsstoff die Prüfung und damit auch deren Ergebnis rechtswidrig machen. Dies ist dann der Fall, wenn nach der Prüfungsordnung nur das geprüft werden darf, was gelehrt oder was rechtzeitig vor der Prüfung als Forderung bekanntgegeben wurde (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1982 - 1 WB 148/78 - BVerwGE 73, 376 = juris Rn. 46ff.). Doch darf die gerichtliche Nachprüfung nicht in den Bereich der didaktischen Ausgestaltung des Unterrichts hineinwirken. Der Grundsatz, dass die wissenschaftlich-pädagogische Bewertung von Prüfungsleistungen der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, gilt hier entsprechend. Die jeweilige Ausbildungs- und Lehrmethode kann nämlich nicht von vornherein bis in alle Einzelheiten verbindlich festgelegt werden, da sie von mehreren einander beeinflussenden Faktoren wie Lernziel, Lerngruppe, Lerninhalt und Ausbildungszeit abhängt. Ein Recht auf eine bestimmte Qualität des Unterrichts gibt es nicht. Prüfungsrechtlich relevant wäre es allenfalls, wenn der Fachlehrer durchschnittliche pädagogische Anforderungen so weit unterschritten hat, dass sein Unterricht einem Nichtunterricht gleicht - oder doch jedenfalls nahekommt (vgl. VGH BW, U.v. 27.3.1990 - 9 S 2059/89 - juris Rn. 24). Letzteres wurde hier bereits nicht geltend gemacht. Soweit die Antragstellerin moniert, dass sie die Beurteilung der Einsatzlage im Rahmen der Zwischenprüfung mündlich vorzutragen hatte, während dies bislang nur schriftlich geübt worden sei, mag dies den Vorwurf eines unzulänglichen Unterrichts bereits nicht zu begründen. Vielmehr ist insoweit von einer geringfügigen Transferleistung auszugehen, die von jedem Prüfling zu erwarten ist.
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d) Auch soweit die Antragstellerin Einwendungen gegen den Prüfungsablauf erhebt, bleiben diese nach summarischer Prüfung ohne Erfolg.
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Im Grundsatz anerkannt ist, dass Prüfungsergebnisse keinen Bestand haben können, sofern sie verfahrensfehlerhaft erhoben wurden (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 127). Allerdings begründet das Prüfungsrechtsverhältnis nicht nur Pflichten der Prüfungsbehörde, sondern auch solche bzw. Obliegenheiten des Prüflings. Diese folgen aus dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Insbesondere obliegt es dem Prüfling bereits im eigenen Interesse, auf ein fehlerfreies Verfahren hinzuwirken. Zwar hat die Prüfungsbehörde bereits von Amts wegen offensichtliche Mängel des Prüfungsverfahrens zu vermeiden, jedenfalls aber sogleich zu beheben. Anders liegt der Fall aber bei nicht ohne weiteres erkennbarer persönlicher Betroffenheit des Prüflings etwa wegen Krankheit oder im Fall von Prüfungsstörungen etwa durch Lärm. In solchen Fällen obliegt dem Prüfling eine entsprechende Rüge, um die Prüfungsbehörde erst in die Lage zu versetzen, so schnell wie möglich Abhilfe schaffen zu können. Da den Prüfling insoweit lediglich Obliegenheiten und keine Verpflichtungen treffen, steht es ihm frei, Prüfungsbeeinträchtigungen hinzunehmen, etwa um eine (vermeintlich) leichte Aufgabenstellung erfolgreich bearbeiten zu können. In diesem Fall ist es dem Prüfling jedoch nach Treu und Glauben verwehrt, die fragliche Beeinträchtigung später geltend zu machen. Denn es entspräche grundsätzlich widersprüchlichen Verhaltens, zunächst Mängel des Prüfungsverfahrens bewusst in Kauf zu nehmen, um sich die Chance einer vorteilhaften Bewertung etwa aufgrund (vermeintlich) leichter Aufgabenstellung zu erhalten, im Fall des Misserfolgs diese Entscheidung aber wieder revidieren zu wollen, um nunmehr doch etwaige Verfahrensmängel geltend zu machen. Entscheidet sich der Prüfling zur Rüge, hat er diese unverzüglich - also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) - zu erheben, wobei insoweit regelmäßig ein strenger Maßstab angelegt wird (vgl. VG Ansbach, U.v. 3.6.2020 - AN 2 K 19.01566 - juris Rn. 51).
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Die Amtsermittlungspflicht des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 45). Dies gilt besonders für die Mitwirkungspflichten eines klagenden Prüflings. Denn die dargelegten prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflichten bzw. -obliegenheiten strahlen auf das Gerichtsverfahren aus. Dies gilt umso mehr, als die Mitwirkungspflicht des Prüflings im Prüfungsrecht besonders wesentlich ist, weil das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt oftmals nicht mit hinreichender Gewissheit aus den Akten oder sonst ersehen kann. Vielmehr ist das Gericht regelmäßig darauf angewiesen, dass der Prüfling dem Gericht den Prüfungsablauf und seine sich daraus ergebenden Einwendungen hinreichend genau mitteilt (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 853).
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Der das Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit gebietet die nachträgliche Wiederherstellung gleicher Bedingungen, wenn das Prüfungsverfahren durch äußere Einwirkungen, wie z. B. Lärm, erheblich gestört wird (vgl. BVerwG, B.v. 15.1.1993 - 6 B 11.92, 6 B. 45,92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 310). Die Erheblichkeit einer Störung durch Geräusche ist von deren Art, Intensität und Dauer abhängig. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass Prüfungen nicht isoliert von ihrer Umgebung gleichsam in sterilen Räumen, sondern unter „normalen“ Bedingungen stattfinden. „Betriebsbedingte Vorgänge“, etwa das Sprechen von Mitprüflingen während einer Gruppenprüfung, gehören zu diesen „normalen“ Bedingungen, unter denen eine Prüfung erbracht werden soll und die der Prüfling deshalb verkraften muss (vgl. VG Frankfurt, B.v. 19.1.2000 - 12 E 1804/99 - juris). Nach § 41 Abs. 4 Satz 1 MBPolVDVDV wird die mündliche Zwischenprüfung in der Regel als Gruppenprüfung durchgeführt. Auch liegt es bereits in der Natur von Prüfungen, insbesondere von mündlichen Prüfungen, dass Prüflingen ggf. auch in noch kürzeren Zeiträumen prüfungsentscheidende Fehler unterlaufen können, selbst wenn diese lediglich auf Flüchtigkeit oder vorrübergehender Unkonzentriertheit beruhen mögen. Mithin führt der Umstand, dass sich die Antragstellerin nach eigenem Vortrag nicht hinreichend auf die Erfassung des Sachverhalts bei gleichzeitiger Befragung der Mitprüflinge habe konzentrieren können, nicht zur Verfahrensfehlerhaftigkeit der Prüfung. Ausweislich der nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Stellungnahmen des Prüfungsvorsitzenden sowie des Fachprüfers vom 28.03.2022 konnte von den Prüflingen zudem erwartet werden, dass sie am Ende der Grundausbildung einen einfachen Sachverhalt in fünf Minuten erfassen und diesen jedenfalls stichpunktartig wiedergeben können.
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e) Gegen die Regelung des § 46 Abs. 1 MBPolVDVDV, welcher grundsätzlich nur ein einmaliges Wiederholen der Zwischenprüfung erlaubt, bestehen auch keine (verfassungs-)rechtlichen Bedenken.
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Zwar stellt die in § 46 Abs. 1 Satz 1 MBPolVDVDV normierte Möglichkeit der regelmäßig nur einmaligen Wiederholung der schriftlichen Prüfung eine Beschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG dar, die insoweit verhältnismäßig sein muss. Jedoch gebietet Art. 12 Abs. 1 GG nach ständiger Rechtsprechung nicht, die Wiederholung einer nicht bestandenen berufsbezogenen Prüfung mehr als einmal zu gewähren (BVerwG, B.v. 7.3.1991 - 7 B 178.90 - juris Rn. 14 m.w.N.; VGH BW, B.v. 12.9.2001 - 9 S 1549/01 - juris Rn. 3). Die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten auf nur eine trifft den Prüfling im Allgemeinen nicht unverhältnismäßig und ist mithin prinzipiell zulässig (BVerwG, B.v. 7.3.1991 - 7 B 178.90 - juris Rn. 14 m.w.N.). Die nur einmal mögliche Wiederholung bringt im Regelfall keine unzumutbare Beschränkung des Berufszuganges der Bewerber mit sich, sofern solche Wiederholer sich - wie hier - zielgerichtet auf ein Prüfungsfach vorbereiten können (BVerfG, B.v. 6.12.1994 - 1 BvR 1123/91 - juris Rn. 2).
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Die einmalige Wiederholungsmöglichkeit stellt sich auch nicht als unverhältnismäßig dar. Der legitime Zweck der einmaligen Wiederholungsmöglichkeit besteht darin, Berufsbewerber, die die erforderlichen Qualifikationsmerkmale nicht erfüllen, zu erfassen und von dem angestrebten Beruf fernzuhalten. Dem Individualinteresse des Prüflings an einer weiteren Wiederholungsmöglichkeit steht der grundsätzlich höher zu wertende Gemeinwohlzweck gegenüber, die beschränkten Ausbildungskapazitäten für diejenigen vorzuhalten, die ihre Berufseignung spätestens bei der Wiederholungsprüfung nachweisen können. Des Weiteren besteht ein Interesse an der zeitlich straffen Durchführung der Ausbildung und eine Begrenzung der Dauer des Vorbereitungsdienstes im Polizeivollzugsdienst. Hinzu kommt, dass die Anzahl von Prüfungsmisserfolgen es erlaubt, Rückschlüsse auf die Qualifikation des Prüflings zu ziehen (vgl. OVG NW, B.v. 6.9.2013 - 6 B 808/13 - juris Rn. 8; B.v. 19.4.2012 - 1 M 32/12 - juris Rn. 6, 10).
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f) Auch kommt der Antragstellerin kein Anspruch auf eine zweite Wiederholung der Zwischenprüfung zu. Zwar kann das Bundespolizeipräsidium mit Einverständnis des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 MBPolVDVDV eine zweite Wiederholung der Zwischenprüfung in begründeten Ausnahmefällen zulassen. Die Feststellung des Tatbestandmerkmals des „begründeten Ausnahmefalles“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung (vgl. SächsOVG, U.v. 28.4.2011 - 2 A 612/08 - juris). Bereits ausgehend vom Wortlaut der Regelung liegt kein Ausnahmefall vor, wenn von dem geltend gemachten prüfungsrelevanten Sacherhalt die Prüflinge in ihrer Gesamtheit bzw. ein überwiegender oder nicht unwesentlicher Teil der Auszubildenden üblicherweise betroffen ist. Es müssen daher atypische und nicht unerheblich leistungsmindernde prüfungsrechtlich relevante Umstände geltend gemacht werden und vorliegen, die vom Prüfling nicht zu beeinflussen oder sonst zu vertreten waren und sein Leistungsvermögen so erheblich beeinflusst haben, dass sein Prüfungsversagen darauf beruht (vgl. SächsOVG, U.v. 28.4.2011 - 2 A 612/08 - juris; OVG SA, B.v. 19.4.2012 - 1 M 32/12 - juris Rn. 23). Derartige Umstände wurden vorliegend weder geltend gemacht noch sind sie nach Aktenlage ersichtlich. Die seitens der Antragstellerin vorgebrachten Einwendungen, die das Prüfungsprotokoll, eine vorgeblich unzureichende Vorbereitung sowie den Prüfungsablauf zum Gegenstand hatten, betrafen vielmehr alle Polizeimeisteranwärter/-innen ihres Ausbildungsjahrganges in gleicher Weise.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Anzusetzen war insoweit die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Anwärterbezüge nach §§ 59 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. Anlage VIII des BBesG (Anwärtergrundbetrag für Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 7 - Polizeimeister - von 1.307,34 €); dieser Betrag war für das Verfahren des Eilrechtsschutzes nochmals zu halbieren.