Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 23.08.2022 – B 3 K 21.701
Titel:

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, Festsetzungsbescheid, Nebenwohnung, volljährige Kinder

Normenkette:
RBStV § 4 Abs. 3 Nr. 3
Schlagworte:
Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, Festsetzungsbescheid, Nebenwohnung, volljährige Kinder
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25359

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, geboren am … wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem Rundfunkbeiträge festgesetzt wurden.
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Die Klägerin zeigte dem Beklagten am 18. Juli 2018 die Anmeldung der Wohnung unter der Anschrift … zum 1. Juli 2018 an. Am 1. August 2018 war dem Beklagten ein Meldedatensatz vom 9. Juli 2018 übermittelt worden, aus welchem hervorging, dass die Klägerin seit dem 6. Juli 2018 unter der o.g. Anschrift mit Hauptwohnsitz gemeldet ist und sich der Nebenwohnsitz unter der Anschrift: … befindet. Ausweislich der vorgelegten Behördenakten wird für die am Nebenwohnsitz der Klägerin befindliche Wohnung das Beitragskonto auf die Mutter der Klägerin, Frau … …, geführt (Beitragsnummer: ...), die dort mit ihrem Ehemann, dem Stiefvater der Klägerin, Herrn …, ihren Hauptwohnsitz hat. Der Beklagte meldete in der Folge die Klägerin ab Juli 2018 unter der Anschrift … an (Beitragsnummer: ...).
3
Die Mutter und der Stiefvater der Klägerin beantragten unter dem 27. August 2018 unter Angabe ihres Hauptwohnsitzes eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung unter der Anschrift … (Beitragsnummer: ...). Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2019 gegenüber der Mutter der Klägerin ab. Es seien nicht beide Wohnungen auf sie als Antragstellerin angemeldet. Unter dem 15. Januar 2019 zeigte der Stiefvater der Klägerin die Anmeldung der Wohnung … zum 1. Juli 2018 an.
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Er und die Mutter der Klägerin erhoben unter der Beitragsnummer … Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Januar 2019 und stellten einen erneuten Antrag auf Befreiung. Ihre Tochter sei in Ausbildung, Mieter der Wohnung sei der Stiefvater. Die Tochter habe den Antrag beim Beklagten in Übereifrigkeit ausgefüllt. Das Formblatt für den Antrag auf Befreiung füllte lediglich der Stiefvater unter Angabe der Beitragsnummer … für die Hauptwohnung aus, unterschrieben wurde er von beiden Eheleuten. Der Beklagte wies den Widerspruch gegenüber der Mutter der Klägerin mit Bescheid vom 24. Januar 2020 zurück. Es möge zutreffen, dass sie melderechtlich mit einer Nebenwohnung unter der Anschrift … gemeldet sei. Sie sei jedoch nur für die Hauptwohnung als Beitragsschuldnerin angemeldet. Die Nebenwohnung sei auf die Klägerin angemeldet, sodass sie nicht für mehr als eine Wohnung zahlen würde. Das BVerfG habe nicht entschieden, dass ein Haushalt in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen für eine Befreiung für die Nebenwohnung erfülle. Eine Befreiung für sonstige Mitbewohner sei auch in Zukunft nicht vorgesehen, sondern lediglich für Ehepartner und eingetragene Lebenspartner. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass von einer Anmeldung der Wohnung … auf den Namen des Stiefvaters abgesehen worden sei, da Beitragsschuldner jeder Wohnungsinhaber sei. Eine dem Ehepartner gewährte Befreiung für die Nebenwohnung würde sich nicht auf die Klägerin erstrecken, da sie die Voraussetzung in ihrer eigenen Person erfüllen müsse. Unter dem 11. Februar 2020 teilte die Mutter der Klägerin (unter Beifügung eines Nachweises) mit, dass ihr Ehemann unter der Anschrift … gemeldet sei. Dass sie als Ehefrau damals die Anmeldung vorgenommen habe, widerspreche nicht der Tatsache, dass ihr Ehemann auch Teilnehmer dieser Anmeldung sei.
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Gegen den Widerspruchsbescheid wurde keine Klage erhoben. Mit Schreiben vom 31. März 2020 teilten die Eltern der Klägerin, auch in deren Namen, mit, dass sie nachgewiesen hätten, dass sie alle unter einem Dach (in der …...) leben würden. Davon auszugehen, dass die Anmeldung beider Wohnungen unter dem gleichen Namen erfolgen müsse, sei völliger Unsinn. Sie hätten den Nachweis erbracht, dass beide Wohnungen vom Stiefvater der Klägerin bewohnt bzw. gemietet seien. Die Klägerin sei immer noch in Ausbildung, verdiene somit kein eigenes Geld und deshalb hätten sie die Wohnung für sie gemietet, damit sie nicht jeden Tag fahren müsse.
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Mit Bescheid vom 2. Juni 2020 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Bescheid, mit dem für die Wohnung … für den Zeitraum 1. Juli 2018 bis 30. April 2020 ein Betrag i.H.v. 397,40 Euro einschließlich eines Säumniszuschlages i.H.v. 8 Euro sowie Rücklastschriftkosten i.H.v. 4,40 Euro festgesetzt wurde.
7
Die Bevollmächtigte der Klägerin erhob hiergegen unter dem 16. Juni 2020 unter Anzeige der anwaltschaftlichen Vertretung der Eltern der Klägerin Widerspruch. Es sei gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung unerheblich, wenn das Beitragskonto für die Hauptwohnung auf den Namen der Mutter der Klägerin laute und Mieter der Zweitwohnung der Ehemann sei.
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Es erging ein Zwischenbescheid des Beklagten vom 20. April 2021, in dem darauf hingewiesen wurde, dass das Beitragskonto … nicht auf den Namen der Eltern geführt werde und hinsichtlich der Klägerin keine Vollmacht vorliege.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2021 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Juni 2020 zurück. Es sei unerheblich, ob den Eltern der Klägerin für die Wohnung … eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gewährt werden könne. Diese würde sich nicht auf die Klägerin erstrecken, da die Befreiung lediglich derjenigen Person gewährt werde, die die Voraussetzungen in ihrer eigenen Person erfülle. Eine Befreiung für sonstige Mitbewohner sei auch nach der neuen gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen.
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Die Klägerin ließ mit am 12. Juni 2021 eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage erheben. Nachdem sie zunächst beantragte, den Widerspruchsbescheid des Bayerischen Rundfunks, Beitragsnummer …, für die Erdgeschosswohnung … vom 06.05.2021, eingegangen am 12.05.2021, aufzuheben, stellte sie mit Schriftsatz vom 1. Juli 2021 folgende Anträge:
1. Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 02.06.2020, betreffend Beitragsnummer …, wird aufgehoben; und
2. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 06.05.2021, Beitragsnummer …, wird aufgehoben.
3. Hilfsweise wird beantragt, der Klägerin rückwirkend ab 18. Juli 2018 mangels Einkünften Beitragsbefreiung für die von ihr mitbewohnte Wohnung im Anwesen …zu bewilligen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass Hauptmieter der Wohnung … laut Mietvertrag der Stiefvater der Klägerin sei, welcher diese als Zweitwohnung angemietet habe. Für seinen Hauptwohnsitz … entrichte er zusammen mit der Mutter der Klägerin bereits den Rundfunkbeitrag. Die Klägerin habe im Zeitraum ihrer Ausbildung von September 2018 bis Juli 2020 die Wohnung als Untermieterin bewohnt, auch aktuell noch zeitweise. Die Klägerin sei im August 2018 irrtümlicherweise der Ansicht gewesen, dass auch sie sich als Mitmieterin anmelden müsse, was von den Eltern mit Antrag vom 27. August 2018 korrigiert worden sei, indem sie einen Befreiungsantrag stellten. Die Klägerin sei noch in Ausbildung und ohne Einkünfte und falle deshalb auch als Volljährige, aber noch nicht 25-jährige Tochter unter die Befreiung des § 4 Abs. 3 RBStV. Die Klägerin sei im Zeitraum ab Juli 2018 und bis dato ohne eigene Einkünfte. Die Beklagtenseite wäre verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob der Klägerin mangels Einkünften Beitragsbefreiung zu gewähren sei. Die Klägerin sei allenfalls neben ihren Eltern als Gesamtschuldnerin Beitragsschuldnerin und ihr hätte insofern Beitragsbefreiung gewährt werden müssen. Die umfassende Ablehnung des Befreiungsantrags der Eltern sei nicht rechtmäßig und hier wegen der Befreiungsregelung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV mit abzuklären. Sie seien Mitmieter der Wohnung und Gesamtschuldner des Beitrags dafür, aber hiervon zu befreien. Es sei nicht entscheidend, welcher von den Eheleuten konkret die Anmeldung zum Rundfunkbeitrag, den Befreiungsantrag gestellt oder die Wohnung angemietet habe. Auch der Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2021 sei insofern fehlerhaft, als er die Gesamtschuldnerstellung der Eltern der Klägerin und ihren Anspruch auf Beitragsbefreiung nicht mit berücksichtige. Die Befreiungspflicht für beide Eltern greife gemäß § 4a RBStV, was unzutreffend beschieden worden sei. Der hilfsweise Antrag stütze sich auf die Tatsache, dass für die Klägerin seit Antragstellung vorgetragen gewesen sei, dass sie ohne eigenes Einkommen sei und ihr infolge eine Prüfung zugestanden hätte, ob ihr gegenüber eine Ausnahme von der Beitragspflicht vorliege. Es sei nicht zutreffend, dass kein Antrag auf Befreiung für die Klägerin gestellt worden sei. Die Eltern der Klägerin hätten am 27. August 2018 eine Klarstellung eingereicht, dass die Klägerin noch Schülerin und ohne Einkünfte sei. Dies sei nicht umfassend bearbeitet und berücksichtigt worden.
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Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da sie ihr eigentliches Ziel durch die Aufhebung des Widerspruchsbescheids nicht erreiche. Der Festsetzungsbescheid vom 2. Juni 2020 würde hierdurch nicht berührt werden. Die Klägerin habe einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für ihre Nebenwohnung nicht gestellt, was Voraussetzung einer Befreiung sei. Sie habe aber auch keinen Anspruch nach § 4a RBStV. Für die Hauptwohnung der Klägerin werde die Mutter herangezogen. Es werde auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts Az. B 3 K 20.165, B 3 K 20.400, des BayVGH Az. 7 ZB 21.218, 7 ZB 20.2880, des VG Chemnitz Az. 3 K 1533.17, und des VG Halle Az. 6 A 102_19 HAL verwiesen.
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Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (B 3 S 21.700) wurde mit Beschluss vom 17. Juni 2021 eingestellt, nachdem der Beklagte das Beitragskonto mahnausgesetzt hat und erklärte, dass bis zum erstinstanzlichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine Festsetzungsbescheide, Mahnungen und Vollstreckungsersuchen ergehen werden.
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Die Beteiligten stimmten der Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Beteiligten haben jeweils ihr Einverständnis erklärt.
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2. Die Klage ist zulässig, soweit mit ihr die Aufhebung des Bescheids vom 2. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2021 begehrt wird. Sie ist jedoch unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies gilt auch für den Fall, dass man in dem Widerspruchsbescheid gleichzeitig eine Ablehnung eines möglicherweise gestellten Antrags auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht sehen will (dazu unten). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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2.1 Die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge ist rechtmäßig. Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 RBStV. Die Anmeldung durch die Klägerin im Juli 2018 war danach erforderlich. Hierauf hat der Beklagte bereits im Schreiben vom 8. Mai 2020 hingewiesen. Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV). Rückständige Beiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt; die Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV). Im hier maßgebenden Zeitraum betrug der Rundfunkbeitrag monatlich 17,50 Euro (§ 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages - RFinStV). Die festgesetzten Beiträge waren rückständig, denn die Klägerin war nicht aufgrund eines von dem Beklagten vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens erlassenen Bescheides von der Beitragspflicht befreit. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung ist die Sach- und Rechtslage im jeweiligen Beitragszeitraum, wobei Befreiungen von der Beitragspflicht zu berücksichtigen sind, wenn sie bis zum Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung ausgesprochen werden. Dies gilt insbesondere für Befreiungen von der Rundfunkbeitragspflicht, die auf Antrag des Beitragsschuldners nach Erlass des Festsetzungsbescheides und vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens erteilt werden (BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 - BeckRS 2019, 31822 Rn. 9 ff.). Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung ist, ob der Klägerin nach der letzten Verwaltungsentscheidung über die Festsetzung ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuerkannt wird. Erstreckt sich in diesem Fall die Befreiung rückwirkend ganz oder teilweise auf den Zeitraum des Beitragsfestsetzungsbescheides, wird die ursprünglich rechtmäßige Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge unrichtig, weil eine Befreiung die Beitragspflicht für den von ihr erfassten Zeitraum entfallen lässt. Der Festsetzungsbescheid wird in diesem Fall im Umfang der zeitlichen Übereinstimmung von Festsetzung und Befreiung rechtswidrig, so dass er insoweit von der Rundfunkanstalt aufzuheben ist (BVerwG, U.v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 - BeckRS 2019, 31822 Rn. 12 f.). Ob objektiv-rechtlich in dem streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Befreiung vorlagen, ist danach hier unerheblich. Denn die Rechtmäßigkeit einer Festsetzung rückständiger Beitragsforderungen ist von der Frage zu unterscheiden, ob (materiell) ein Befreiungsanspruch vorliegt (OVG NW, B.v. 22.2.2021 - 2 A 513/20 - BeckRS 2021, 2736 Rn. 15).
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2.2 Im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2021 (und auch darüber hinaus) wurde der Klägerin (wie auch ihren Eltern) keine Befreiung gewährt. Dort prüft der Beklagte jedoch, ob Gründe bestehen, die Klägerin von der Beitragspflicht auszunehmen. Dass ein Antrag auf Befreiung für die seit Beginn des Beitragszeitraums volljährige Klägerin aber überhaupt gestellt wurde, begegnet durchgreifenden Zweifeln. Einen solchen hätte sie selbst stellen müssen, nachdem sie sich auch selbst im Juli 2018 bei dem Beklagten anmeldete, ohne sich je wieder abzumelden (der Widerruf der Lastschrift ist hierfür nicht ausreichend und in dem Schreiben ihrer Eltern vom 15. Januar 2019 ist kein „Widerruf“ der Anmeldung zu erkennen, wie die Bevollmächtigte meint). Sie war also weiterhin beim Beklagten unter der Beitragsnummer … erfasst. Die Beitragskonten werden personen- und nicht wohnungsbezogen geführt. Der Befreiungsantrag ihrer Eltern, wobei ohnehin lediglich die Mutter der Klägerin bei dem Beklagten angemeldet ist, wirkt nicht automatisch für die volljährige Klägerin. Aus dem Antrag vom 27. August 2018 geht jedenfalls insoweit nichts hervor. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Stiefvater der Klägerin sich unter dem 15. Januar 2019 unter der Anschrift … anmeldete und mitteilte, dass die Klägerin in Ausbildung sei, er Mieter der Wohnung sei und die Klägerin den Antrag im Anflug von Übereifrigkeit ausgefüllt habe. Das Schreiben stammt von den Eltern der Klägerin und spricht von „unserem Antrag“ auf Befreiung. Dagegen, dass man im Schreiben vom 15. Januar 2019, 31. März 2020 oder im Widerspruchsschreiben vom 16. Juni 2020 (trotz anwaltlicher Vertretung) einen Antrag der bzw. für die Klägerin sehen kann, spricht, dass die Bevollmächtigte der Klägerin bis zum Schreiben vom 30. April 2021 davon ausgeht, dass der Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid vom 2. Juni 2020 im Namen der Eltern der Klägerin geführt wird und die Klägerin eigentlich nicht Beteiligte des Verfahrens sei, sowie weiter gerügt wird, dass das Beitragskonto … immer noch nicht auf den Namen der Eltern geführt werde. Dass eine Befreiung für die Klägerin selbst beantragt wird, ist daher offensichtlich nicht der Wille der Bevollmächtigten. Die Antragstellung wäre der Klägerin zuzumuten gewesen, zumal ihre Eltern bereits mehrere derartige Anträge gestellt haben. Nach dem Wortlaut des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden Befreiungen lediglich auf Antrag gewährt.
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2.3 Unter Außerachtlassung dieser Gesichtspunkte, könnte in dem Schriftverkehr allenfalls ein Anspruch auf Befreiung wegen Bestehens einer Haupt- und Nebenwohnung „innerhalb der Familie“ geltend gemacht worden sein.
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Ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung der Klägerin in … ergibt sich für den Zeitraum ab der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - (BVerfGE 149, 222) nicht (unmittelbar) aus diesem Urteil. Gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG - hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Urteil Gesetzeskraft und gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG für die Gerichte bindende Wirkung.
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Der Tenor der Urteilsentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes lautet:
„1. Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 <Gesetzblatt für Baden-Württemberg Seiten 477, 478>) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist.
3. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.“
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Die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht liegen nicht vor, da in der Person der Klägerin keine dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergleichbare Fallgestaltung gegeben ist. Die Klägerin wird nicht zu mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag herangezogen, denn bezogen auf ihre Nebenwohnung (die Hauptwohnung der Eltern) kam nicht sie, sondern ausschließlich ihre Mutter der Rundfunkbeitragspflicht nach. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung nicht lediglich, dass der Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung überhaupt geleistet wird, sondern dass die Klägerin als Beitragspflichtige für beide Wohnung herangezogen wird (BayVGH, U.v. 22.4.2021 - 7 BV 20.206 - BeckRS 2021, 11000 Rn. 18 ff.).
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Ein Anspruch auf Befreiung ergibt sich weiter nicht aus § 4a RBStV. Dieser trat erst zum 1. Juni 2020 und damit nach dem maßgeblichen Beitragszeitraum in Kraft. Dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift ohnehin nicht vorliegen, muss daher nicht vertieft werden.
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Ein Anspruch auf Befreiung ergibt sich weiter nicht aus einer dem Stiefvater der Klägerin zustehenden Befreiung für die Nebenwohnung. Es wurde keinem der Elternteile, insbesondere nicht dem Stiefvater, bis zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung eine Befreiung durch den Beklagten erteilt. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2020 erhob die Mutter der Klägerin keine Klage, ebenso wenig wie der Stiefvater gegen eine etwaige Nichtbescheidung seines Antrags auf Anmeldung und Befreiung. Insoweit wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Wohnungsinhaber durch die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV festlegen, wer von mehreren Wohnungsinhabern von der Rundfunkanstalt in Anspruch genommen wird und den Rundfunkbeitrag ihr gegenüber zu entrichten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - (BVerfGE 149, 222 Rn. 111) ausgeführt, dass die Landesgesetzgeber bei einer Neuregelung für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen können, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen.
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Es kommt im Übrigen nicht darauf an, ob der Stiefvater oder die Mutter der Klägerin eine Befreiung beanspruchen hätte können. Nach der Gesamtkonzeption des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, wie auch bereits der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. Satz 2 RGStV, wirken die Befreiung oder Ermäßigung von der Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkbeiträgen grundsätzlich nur personenbezogen, sodass ausschließlich derjenige befreit wird, der einerseits die Voraussetzungen für die Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 RBStV beziehungsweise für die Ermäßigung gemäß Absatz 2 erfüllt und der andererseits kraft Gesetzes selbst Beitragsschuldner ist. § 4 Abs. 3 RBStV definiert abschließend den Personenkreis, auf den sich eine gewährte Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 oder eine Ermäßigung nach Absatz 2 über den Antragsteller hinaus erstreckt (Beck RundfunkR/Gall/Siekmann, RBeitrStV 4. Aufl. 2018, § 4 Rn. 54 ff.). Die Befreiung eines Beitragsschuldners wirkt sich nur in den in § 4 Abs. 3 RBStV geregelten Fällen auf die übrigen Bewohner aus. Sonstige Tatsachen gelten grundsätzlich nur für den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten (LT-Drs. SH 17/1336, S.43). Es wäre systemfremd, würde man den durch das Bundesverfassungsgericht geschaffenen Übergangstatbestand dahingehend auslegen, dass eine Befreiung desjenigen für die Nebenwohnung, der den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung entrichtet, sich gewissermaßen im Wege eines Automatismus auf sämtliche weitere Wohnungsinhaber erstreckt, ohne dass es eines mit § 4 Abs. 3 RBStV vergleichbaren Erstreckungstatbestandes bedürfte. In dem Moment, in dem Beitragspflichtige eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, bleiben sie unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweitwohnungsinhabern gemäß § 2 RBStV zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, U.v. 26.2.2020 - 4 A 271/19 - juris Rn. 44 ff.; OVG Greifswald, U.v. 21.9.2021 - 1 LB 345/20 OVG - BeckRS 2021, 49843 Rn. 23 ff.). Es ist danach nicht zu beanstanden, dass in § 4 Abs. 3 RBStV der Personenkreis begrenzt ist, auf den sich eine gewährte Rundfunkbeitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 oder eine Rundfunkbeitragsermäßigung nach Absatz 2 über die Person des Befreiten hinaus erstreckt. Der Gesetzgeber hat auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einen weiten Einschätzungsspielraum, welchen weiteren Mitbewohnern eines Mehrpersonenhaushalts er die einem oder mehreren Mitbewohnern mit der Rundfunkbeitragsbefreiung bzw. der Rundfunkbeitragsermäßigung verbundene Vergünstigung zukommen lässt. Dass er dabei in § 4 Abs. 3 RBStV zuletzt die Erstreckung auf Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Personen, die im Rahmen einer Einsatzgemeinschaft i.S.d. § 19 SGB XII berücksichtigt werden, beschränkt und nicht weitere volljährige Familienmitglieder einbezogen hat, kann auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG hingenommen werden, weil die Leistung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots auch dann der Beitragshöhe gegenüber äquivalent ist, wenn derjenige, auf den sich die Befreiung nicht erstreckt, zu einem vollen Beitrag herangezogen wird (BayVGH, B.v. 14.2.2022 - 7 ZB 20.2845 - BeckRS 2022, 3157 Rn. 11).
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In der Folge ist es auch unerheblich, dass nach § 2 Abs. 3 RBStV mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung - AO - haften. Indem ihre Mutter für die Wohnung im A.weg 8 ihrer Rundfunkbeitragspflicht „nachkommt“, wird die Klägerin nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO davon „befreit“, als Inhaberin dieser Wohnung ebenfalls vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 RBStV zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags „herangezogen“ zu werden. Denn die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO auch für die übrigen Schuldner (die Klägerin). Anders als es die Klägerin im Ergebnis meint, führt § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV in Bezug auf die von ihr genutzte Wohnung in der H. Straße jedoch zu keiner Entlastung, weil es mangels doppelter „Heranziehung“ der Klägerin für zwei Wohnungen nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit kommt (BayVGH, U.v. 22.4.2021 - 7 BV 20.206 - BeckRS 2021, 11000 Rn. 24 f.).
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Ein Anspruch auf Befreiung ergibt sich zuletzt nicht aus § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV. Danach erstreckt sich die dem Antragsteller gewährte Befreiung oder Ermäßigung innerhalb der Wohnung auf Kinder des Antragstellers und der Ehegatten bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Die Klägerin war zwar unstreitig keine 25 Jahre alt im Beitragszeitraum, aber eine Befreiung oder Ermäßigung nach § 4 Abs. 1 oder 2 RBStV wurde hier eben gerade nicht gewährt.
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2.4 Auch die vom Beklagten festgesetzten Säumniszuschläge (§ 11 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung) und Rücklastschriftkosten begegnen keinen Bedenken. Auf die Fälligkeit des Rundfunkbeitrags ist die Klägerin ordnungsgemäß hingewiesen worden.
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3. Über den hilfsweise gestellten Klageantrag in Ziffer 3 ist zu entscheiden, nachdem die Klageanträge in Ziffern 1 und 2 keinen Erfolg haben. Die Klage auf Beitragsbefreiung ist insoweit jedoch unzulässig. Die Klägerin hat erstmals am 1. Juli 2021 bei Gericht einen „Befreiungsantrag mangels Einkünften“ gestellt und darauf verwiesen, dass seit Antragstellung vorgetragen gewesen sei, dass sie ohne eigenes Einkommen sei und ihr deshalb eine Prüfung zugestanden hätte, ob ihr gegenüber eine Ausnahme von der Beitragspflicht vorliege. Erst wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig. Der Beklagte hat über diesen Antrag der Klägerin nicht entscheiden können. Dem Einwand ihrer Bevollmächtigten, wonach dem Beklagten die Mittellosigkeit der Klägerin wohl auffallen hätte müssen, kann nicht gefolgt werden.
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Im Übrigen rechtfertigt dieses Vorbringen eine Befreiung weder nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV (analog) noch ergeben sich aus dem Vorbringen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte i.S.d. § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV. Eine Befreiung scheidet mangels Vorlage eines behördlichen Nachweises aus (§ 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV). Auch hinsichtlich § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV müssen die Beitragsschuldner, die eine Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls begehren, die hierfür erforderlichen Nachweise vorlegen, damit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Prüfung der vergleichbaren Bedürftigkeit zu Beitragsschuldnern, die Leistungen im Sinne von § 4 Abs. 1 RBStV erhalten, durchführen können. Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat im Verfahren weder ihre Bedürftigkeit nachgewiesen, noch hat sie behördliche Belege vorgelegt, dass sie vom Bezug von Ausbildungsförderung mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen ist.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung richtet sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.