Titel:
Wiederholte Zuwiderhandlungen, Rinderhaltung, Haltungsverbot von Nutztieren, Sofortvollzugsanordnung, Fachliche Beurteilungskompetenz von Amtstierärzten
Normenketten:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3
TierSchG § 2 Nr. 1
TierSchNutzV §§ 3 ff.
Schlagworte:
Wiederholte Zuwiderhandlungen, Rinderhaltung, Haltungsverbot von Nutztieren, Sofortvollzugsanordnung, Fachliche Beurteilungskompetenz von Amtstierärzten
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25347
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen einen Bescheid des Beklagten, in dem ihm u.a. die Haltung und Betreuung von Nutztieren untersagt wurde.
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Der Antragsteller führt einen landwirtschaftlichen Rinderhaltungsbetrieb in …, … Er hält derzeit 27 Rinder.
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Am 10. Juli 2017 brannte der Jungrinderstall des Antragstellers, nachdem ein Blitz dort eingeschlagen hatte. Ausweislich des Lageberichts des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) seien in der Tierhaltung des Antragstellers an diesem Tag Mängel aufgefallen. Drei der verletzten Tiere hätten vor dem Fressbereich am Hauptstall gestanden und seien nicht eingezäunt gewesen. Außerdem hätten diese kein Wasser erhalten. Zwei verletzte Tiere hätten sich im Hauptstall auf dem Futtergang zwischen den Kälberboxen befunden und hätten ebenfalls kein Wasser erhalten. Bei der Besichtigung der Tiere und der Stallungen sei aufgefallen, dass der Hauptstall stark baufällig sei. Defekte Strom- und Wasserleitungen hätten herumgehangen, Kabel hätten frei gelegen. Aus einer defekten Wasserleitung sei Wasser auf den Futtertisch gelaufen. Vom Stalltor aus habe man sehen können, dass die Gülle im Stall - auch im Liegebereich der Tiere - zum Teil kniehoch gestanden habe.
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Bei einem Betriebsbesuch am 11. Juli 2017 (am Tag nach dem Brand) sei festgestellt worden, dass alle Tiere stark verschmutzt gewesen seien, da trockene und saubere Liegeflächen gänzlich fehlten. Den Kälbern im Hauptstall habe kein Wasser und kein Futter zur Verfügung gestanden. Die automatische Tränke in der ersten Box sei vollständig mit zum Teil getrocknetem Kot verstopft gewesen; Wasser habe keines fließen können. Auch das Wasser in der zweiten Kälberbox sei nicht geflossen, da die Wasserleitung defekt gewesen sei. Mit der Frau des Antragstellers sei über die Hinzuziehung eines Betriebshelfers gesprochen worden. Der Antragsteller habe die Beamten des Landratsamtes beleidigt und diesen gedroht.
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Auch bei einem weiteren Betriebsbesuch am 14. August 2019 seien ausweislich des Ergebnisprotokolls des Landratsamts Mängel in der Tierhaltung des Antragstellers aufgefallen. Sieben Kälber seien in einem mit Baustahlgitter eingezäunten Bereich ohne jeglichen Witterungsschutz gehalten worden. Allen Kälbern habe keine Flüssigkeit oder Futter zur Verfügung gestanden. Auch zwei Jungrinder seien auf diese Weise gehalten worden. Diese seien hochgradig bis zum Bauch verschmutzt gewesen und hätten in einem dicken, nassen Ausscheidungs-Gemisch gestanden. Vor einem umgestürzten Kälberiglu habe sich der Mist getürmt. Das Fell der Jungrinder sei struppig und die Tiere seien gemessen an ihrem Alter unterentwickelt gewesen. Zwei Bullen seien außerhalb des Kalbinnenstalles mit Stricken am Fressgitter angebunden gewesen, ohne dass ihnen Wasser zur Verfügung gestanden habe. Es sei festgestellt worden, dass das Stallgebäude völlig baufällig sei. Von der Decke hätten Platten gehangen, die herabzustürzen drohten. Die Fressgitter seien defekt gewesen. Überall im Stall seien Metallbügel, Rohrstangen und Bretter aufgefunden worden. Der gesamte Stall sei hochgradig mit Kot verschmutzt gewesen. Die Kalbinnen hätten auf einem massiv verschmutzten Spaltenboden gestanden.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. August 2019 wurde dem Antragsteller die Tierhaltung im Milchviehstall sowie die Haltung der Bullen, Jungrinder und Kälber im Außenbereich untersagt. Weiterhin wurde angeordnet, dass im ehemaligen Kalbinnenstall nur nichtträchtige Kalbinnen im Verhältnis 1:1 zu den vorhandenen Fressplätzen gehalten werden dürften. Der Antragsteller wurde verpflichtet, alle Bullen, Jungrinder, Kälber und trächtige Kalbinnen sowie alle nichtträchtigen Kalbinnen, für die kein ausreichender Platz zur Verfügung stehe, binnen einer Frist von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids zu veräußern und die Veräußerung gegenüber dem Landratsamt nachzuweisen. Bis ausreichende Haltungsbedingungen für die Aufzucht nachgewiesen worden seien, wurde die Aufzucht untersagt. Für den Fall, dass die Veräußerung der Tiere nicht fristgerecht erfolge, wurde unmittelbarer Zwang angedroht. Für den Fall eines Verstoßes gegen die übrigen Ziffern wurden Zwangsgelder angedroht.
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Bei einer Nachkontrolle der Tierhaltung am 20. September 2019 wurden keine Verstöße festgestellt.
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Ein Betriebsbesuch zur Kontrolle der Tierhaltung am 2. Juli 2020 habe jedoch ausweislich des Kontrollberichts Verstöße gegen die Auflagen des Bescheides vom 21. August 2019 ergeben. Im Milchviehstall seien vier Rinder auf dem Futtertisch sowie weitere neun Rinder und sechs Kälber in einem abgetrennten Bereich gehalten worden. Insofern sei gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 21. August 2019 verstoßen worden. Weiterhin seien im Kalbinnenstall 16 Rinder und Kühe gehalten worden, weshalb auch gegen Ziffer 2 des Bescheides verstoßen worden sei. Die Tiere seien über den ganzen Körper verschmutzt gewesen und es habe keine saubere Liegefläche zur Verfügung gestanden. Außerdem habe der Antragsteller weiterhin Aufzucht (6 Kälber) betrieben, ohne die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nachgewiesen zu haben, sodass auch ein Verstoß gegen Ziffer 4 des Bescheides vorgelegen habe.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 5. August 2020 wurden Zwangsgelder in Höhe von 1.000,00 EUR gegenüber dem Antragsteller fällig gestellt. Darüber hinaus wurden die Zwangsgeldandrohungen verschärft.
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Bei einer veterinärrechtlichen Kontrolle der Tierhaltung des Antragstellers am 31. Januar 2022 seien wiederholt erheblich verschmutzte Rinder angetroffen worden. Die Liegeflächen seien zudem nicht sauber gewesen. Es sei festgestellt worden, dass ein Rind abgemagert gewesen sei; zudem sei ein Horn in den Gesichtsbereich gewachsen. Die Haltungseinrichtung sei weiterhin erheblich zu beanstanden. Aufgrund des verbal-aggressiven Verhaltens des Antragstellers habe die Kontrolle abgebrochen werden müssen.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 11. Februar 2022, zugestellt am 16. Februar 2022, wurde der Antragsteller zu einer Haltungsuntersagung und weiteren tierschutzrechtlichen Anordnungen angehört.
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Ein mit Schreiben des Landratsamts vom 25. März 2022 übersandter Entwurf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Auflösung des Rinderbestandes innerhalb von drei Monaten führte nicht zu einer Einigung mit dem Antragsteller.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 11. Juli 2022, zugestellt am 13. Juli 2022, wurde dem Antragsteller das Halten und Betreuen von Nutztieren untersagt (Ziffer 1). Er wurde verpflichtet, den von ihm in seinem Betrieb gehaltenen Rinderbestand innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheides aufzulösen. Weibliche Tiere dürften erst nach erfolgter Trächtigkeitsuntersuchung zur Schlachtung abgegeben werden (Ziffer 2). Der Antragsteller werde verpflichtet, dem Landratsamt innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der in Ziffer 2 genannten Frist einen schriftlichen Nachweis über den Verbleib der Tiere und die bei den weiblichen Tieren durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchungen vorzulegen (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Antragsteller nach Bestandsauflösung entgegen Ziffer 1 erneut Nutztiere halte oder betreue, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.200 EUR je gehaltenem oder betreutem Tier zur Zahlung fällig (Ziffer 4). Für den Fall, dass der Antragsteller den von ihm in seinem Betrieb gehaltenen Rinderbestand entgegen Ziffer 2 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht auflöse, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 5). Für den Fall, dass der Antragsteller dem Landratsamt den schriftlichen Nachweis über den Verbleib der Tiere entgegen Ziffer 3 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht vorlege, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 6). Für den Fall, dass der Antragsteller dem Landratsamt den schriftlichen Nachweis über die bei den weiblichen Tieren durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchungen entgegen Ziffer 3 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht vorlege, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 7). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1-3 werde angeordnet (Ziffer 8). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer 9). Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 500 EUR festgesetzt (Ziffer 10).
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Die Voraussetzungen für ein Haltungs- und Betreuungsverbot gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 TierSchG seien im vorliegenden Fall erfüllt, da beim Antragsteller wiederholt Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG festgestellt worden seien. So habe er gegen diverse Gebote der TierSchNutztV verstoßen, die § 2 TierSchG konkretisiere. Diese Verstöße seien von der Amtstierärztin in den Jahren 2019, 2020 und 2022 bei Vor-Ort-Kontrollen im Betrieb des Antragstellers festgestellt worden. Insofern werde auf die im Rahmen der Kontrolle gefertigten Lichtbilder verwiesen. Außerdem habe der Antragsteller auch wiederholt den durch bestandskräftigen Bescheid des Landratsamts vom 21. August 2019 nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG angeordneten Maßnahmen zuwidergehandelt. Aus amtstierärztlicher Sicht sei davon auszugehen, dass unterlassenes Ausmisten und Einstreuen eine Beeinträchtigung im Wohlbefinden der betroffenen Rinder darstelle und Leiden verursache. Rindern müsse als Wiederkäuer eine bequeme Liegefläche zur Verfügung stehen, da diese den Großteil des Tages im Liegen verbrächten. Andernfalls würden die Wiederkäuaktivität sowie die Nahrungsaufnahme der Rinder gestört. Das Liegen auf einem von Urin und Kot befeuchteten Untergrund schädige Fell und Haut der Tiere, wodurch das Risiko für lokale Entzündungsprozesse und eingeschleppte Krankheiten steige. Diese Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Rinder übersteige auch die Geringfügigkeitsgrenze.
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Es bestehe hinreichender Anlass zur Annahme, dass der Antragsteller bei fortgesetzter Haltung und Betreuung von Nutztieren weitere tierschutzrechtliche Verstöße begehen werde. Dies zeigten die oben genannten Verstöße gegen das TierSchG, sowie gegen amtstierärztliche Anordnungen in der Vergangenheit. Das Landratsamt sei deshalb verpflichtet, einzuschreiten. Es seien keine milderen, weniger schwer in die Berufsfreiheit eingreifenden Mittel gegeben, um die tierschutzwidrigen Zustände im Betrieb des Antragstellers zu beseitigen sowie weitere Zuwiderhandlungen zu verhindern. Erneute Anordnungen seien nicht erfolgsversprechend. Auch eine Fortnahme und zeitlich befristete anderweitige pflegliche Unterbringung der Rinder nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG scheide aus, da dies voraussetze, dass Hoffnung bestünde, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit eine tierschutzkonforme Haltung der Tiere gewährleisten könne. Dies sei aber im Hinblick auf die bisher fehlende Mitwirkung des Antragstellers ausgeschlossen. Auch der Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung komme als Handlungsinstrument nicht länger in Betracht, da keine Einigkeit bezüglich des Inhalts habe erzielt werden können. Der Eingriff in die Berufsfreiheit stehe nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck. Auch der Umstand, dass der Antragsteller sozialhilfebedürftig werden könnte, ändere nichts hieran.
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Die für die Bestandsauflösung gesetzte Frist in Ziffer 2 sei angemessen.
17
Die unter Ziffer 3 des Bescheides angeordnete Auskunftspflicht konkretisiere die sich aus § 16 Abs. 2 TierSchG ergebende allgemeine Auskunftspflicht.
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Die Anordnung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG. Das öffentliche Interesse an einer konsequenten Durchsetzung eines für sofort vollziehbar erklärten, dem Schutz eines absolut hochrangigen, auch verfassungsrechtlich verankerten Rechtsgutes (Tierschutz) dienenden Verwaltungsaktes überwiege das rein persönliche Interesse des Antragstellers, von einer Zwangsmittelandrohung verschont zu bleiben. Die Zwangsmittelandrohung sei geeignet, den Antragsteller mit Nachdruck dazu anzuhalten, seiner Verpflichtung nachzukommen. Die Verpflichtungen seien zumutbar und könnten innerhalb der Frist umgesetzt werden. Die Androhung sei auch erforderlich. Das Zwangsgeld stelle unter allen Zwangsmitteln des VwZVG das Mildeste dar. Die Höhe des Zwangsgeldes bewege sich mit 300 EUR, 500 EUR, 1.200 EUR/Tier und 5.000 EUR im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und orientiere sich an dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse, das der Antragsteller am Unterlassen bzw. an der Vornahme der ihm obliegenden Pflicht habe sowie der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der angeordneten Maßnahmen.
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Die sofortige Vollziehbarkeit sei im öffentlichen Interesse anzuordnen. Aufgrund der den Rindern des Betriebes des Antragstellers bei fortgesetzter tierschutzwidriger Haltung in absehbarer Zeit mit Wahrscheinlichkeit drohenden erheblichen Leiden sei deren umgehender Schutz notwendig. Ein Zuwarten bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfristen oder gar dem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens hätte zur Folge, dass der Antragsteller weiterhin eine mitunter immer größer werdende Rinderherde tierschutzwidrig unter Missachtung der gesetzlich normierten Tierhalterpflichten halten würde und dieser hierdurch Leiden zugefügt würde. Dies sei im Hinblick auf Art. 20a GG nicht hinnehmbar und stünde im Übrigen dem Bedarfsdeckungs- und Schadensvermeidungsprinzip entgegen.
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Es folgt die Begründung der Kostenentscheidung.
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Mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 18. Juli 2022 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid Widerspruch einlegen und beantragte, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.
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Das Landratsamt lehnte den Antrag mangels Begründetheit des Widerspruches ab.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bayreuth,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 18. Juli 2022 gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 11. Juli 2022 wiederherzustellen bzw. die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners vom 11. Juli 2022 anzuordnen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge bereits nicht dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO niedergelegten formellen Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Die Anordnung sei formularmäßig und völlig allgemein gehalten. Es werde lediglich erklärt, dass ein Zuwarten bis zum Ende der Rechtsbehelfsfrist nicht möglich sei und den Tieren Leiden drohten. Dabei werde die Prognose zugrunde gelegt, dass es sich um ein typisches Wiederholungsdelikt handele und es werde angenommen, dass der Antragsteller auch in Zukunft tierschutzrechtliche Verstöße begehe. Die Anordnung sei aber auch materiell rechtswidrig, da das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines eventuellen Klageverfahrens von der angeordneten Maßnahme verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege. Das Anhörungsschreiben sei auf den 11. Februar 2022 datiert. Die Behörde habe folglich fünf Monate zugewartet, bevor sie tätig geworden sei. Dies zeige, dass kein sofortiges Handeln notwendig gewesen sei. Nach Aktenlage sei ein hinreichender Verdacht für einen weiteren Verstoß gegen das TierSchG nicht zu begründen. Die dem Antragsteller vorgeworfenen Taten erschienen nicht als derartig schwerwiegend, dass allein wegen des Gewichts der Vorwürfe und der hieraus abgeleiteten Gefahrprognose eine Auflösung des Rinderbestandes innerhalb von 30 Tagen notwendig sei. Ein besonderes öffentliches Interesse sei nicht erkennbar. Es werde ungeprüft in den Raum gestellt, dass die Rinder auf nassem und matschigen Boden liegen. Auch bewegten sich die Tiere im Freien. Es würden weiterhin die Begründungen aus den Stellungnahmen vom 24. Februar 2022 und vom 4. März 2022 in Bezug genommen.
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Das Landratsamt beantragte schriftsätzlich am 3. August 2022,
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
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Es werden im Wesentlichen die Gründe des Bescheides vom 11. Juli 2022 wiederholt. Weiterhin wird ausgeführt, dass der Versuch einer Einigung mit dem Antragsteller über die freiwillige Rinderbestandsauflösung, der letztlich gescheitert sei, den längeren Zeitraum zwischen der Anhörung und dem Bescheidserlass erkläre.
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Mit Schreiben vom 22. August 2022 weist das Landratsamt darauf hin, dass sich das Haltungsverbot auf alle Nutztiere im Sinne von § 2 Nr. 1 TierSchNutztV erstrecke. Dies liege in den wiederholten und massiven Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorgaben durch den Antragsteller begründet. Es bestehe hinreichender Anlass zu der Annahme, dass der Antragsteller bei fortgesetzter Haltung von jeglichen Nutztieren weitere tierschutzrechtliche Verstöße begehen werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Sinne des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen, dass dieser die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheides (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und hinsichtlich der Ziffern 4 bis 7 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Art. 21 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Zustellungsgesetz - VwZVG) begehrt. Der Widerspruch gegen Ziffer 9 und 10 des Bescheides hat aufschiebende Wirkung, so dass sich der Antrag im Eilrechtsschutz nicht hierauf bezieht.
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2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung der genannten Maßstäbe hat der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Prüfung keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Ergänzend zu den Gründen des angegriffenen Bescheids vom 11. Juli 2022 - auf den zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen und insoweit von einer gesonderten Darstellung abgesehen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO analog) - ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen noch das Folgende auszuführen:
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a. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist - obwohl es sich beim Tierhaltungsverbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt - der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn der maßgebliche Zeitpunkt ergibt sich aus dem materiellen Recht (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1990 - 1 B 155.90 - juris Rn. 3; U.v. 29.3.1996 - 1 C 28.94 - juris Rn. 15). Ist ein Widerspruchsbescheid jedoch - wie hier - noch nicht ergangen, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes auf die aktuelle Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (Sächs. OVG, B.v. 11.6.2020 - 3 B 124/20 - juris Rn. 4).
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b. Das in Ziffer 1 des Bescheids verfügte Verbot der Haltung und Betreuung von Rindern erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG kann demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagt werden.
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aa. Zutreffend ist das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid davon ausgegangen, dass seitens des Antragstellers wiederholte Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG vorlagen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Die Pflege eines Tieres umfasst allgemein die Fütterung, Reinhaltung, Reinigung, Gesundheitsfürsorge, Heilbehandlung, den Schutz vor Witterungseinflüssen und die Schaffung günstiger Luft- und Lichtverhältnisse (vgl. VG Bayreuth, GB v. 24.10.2012 - B 1 K 10.534 - juris Rn. 16).
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(1) Im Betrieb des Klägers fanden am 11. Juli 2017, am 14. August 2019, am 20. September 2019, am 2. Juli 2020 sowie am 31. Januar 2022 veterinärrechtliche Kontrollen statt, bei denen - mit Ausnahme der Kontrolle am 20. September 2019 - diverse Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchG festgestellt wurden. So wurden die Tiere des Klägers zum Teil im Außenbereich ohne jeglichen Witterungsschutz und ohne dass ihnen Flüssigkeit oder Futter vorgelegt war, gehalten. Zudem waren die Rinder hochgradig am Bauch verschmutzt. Die Jungrinder waren gemessen an ihrem Alter unterentwickelt. Der gesamte Stall war hochgradig mit Kot und Mist verschmutzt. Es wurde außerdem festgestellt, dass das Stallgebäude stark baufällig war (vgl. Kontrollbericht vom 14. August 2019). Auch bei der Kontrolle am 4. Juli 2020 konnten erhebliche Verschmutzungen der Tiere über den ganzen Körper festgestellt werden. Den Tieren stand keine saubere Liegefläche zur Verfügung, da der Boden in erheblichem Umfang mit einer Urin-, Kot- und Mistschicht verschmutzt war. Bei einem Rind wurde ein lose herabhängendes Horn festgestellt. Die veterinärrechtliche Kontrolle am 31. Januar 2022 führte zu der Feststellung weiterhin massiv verschmutzter Rinder und wiederholter erheblicher Mängel in der klägerischen Haltungseinrichtung. Insofern ergaben sich wiederholt Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchG i. V. m. §§ 3 ff. Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierscher Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierverordnung - TierSchNutztV).
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(2) Mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts vom 21. August 2019 wurde dem Kläger aufgrund der bei der Kontrolle am 14. August 2019 vorgefundenen Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchG die Tierhaltung im Milchviehstall sowie die Haltung von Bullen, Jungrindern und Kälbern im Außenbereich untersagt und aufgegeben, im ehemaligen Kalbinnenstall nur nichtträchtige Kalbinnen im Verhältnis 1:1 zu den vorhandenen Fressplätzen zu halten und alle Tiere, denen kein ausreichender Platz zur Verfügung steht, zu veräußern. Außerdem wurde dem Kläger die Aufzucht untersagt, solange keine ausreichenden Haltungsbedingungen nachgewiesen wurden. Die Kontrolle des klägerischen Betriebes am 2. Juli 2020 hat gezeigt, dass der Kläger entgegen der Anordnungen im Bescheid weiterhin Tiere im Milchviehstall gehalten und in seinem Betrieb weiterhin Aufzucht betrieben hat. Außerdem wurden im Kalbinnenstall auch andere als nichtträchtige Kalbinnen angetroffen. Aufgrund der Verstöße wurden die angedrohten Zwangsgelder zur Zahlung fällig gestellt. Auch bei der Kontrolle am 31. Januar 2021 wurden geschlechtsreife Bullen, die aus der durch bestandskräftigen Bescheid untersagten eigenen Aufzucht von Kälbern erwachsen sind, zusammen mit weiblichen Rindern vorgefunden. Insofern ist auch von einer wiederholten Zuwiderhandlung gegen veterinärrechtliche Anordnungen auszugehen.
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(3) Dass sich - wie vom Antragsteller eingewandt - bei der Kontrolle am 20. September 2020 keine Verstöße ergaben, steht der Annahme wiederholter Zuwiderhandlungen gegen § 2 Nr. 1 TierSchG nicht entgegen. Eine Kette von Verfehlungen gegen § 2 rechtfertigt die Annahme weiterer Verstöße auch dann, wenn es in der Zwischenzeit einzelne, kurzfristige Verbesserungen in der Tierhaltung gegeben hat (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 48; VG Würzburg, B.v. 19.4.2011 - W 5 S 11.242 - juris Rn. 49; VGH BW, B.v.17.3.2005 - 1 S 381/05 - juris Rn. 4). Insbesondere zeigt der Umstand, dass bei den folgenden Kontrollen wieder erhebliche Verstöße aufgefallen sind, dass das vom Antragsteller gezeigte Wohlverhalten nicht von Dauer war.
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bb. Hierdurch wurden den Rindern länger anhaltende Leiden zugefügt. Notwendig, aber auch ausreichend für die Annahme von Leiden ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass das Wohlbefinden des Tieres über schlichtes Unbehagen, schlichte Unlustgefühle oder einen bloßen vorübergehenden Zustand der Belastung hinaus für eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne beeinträchtigt ist (vgl**BGH, U.v. 18.2.1987 - 2 StR 159/86 - NJW 1987, 1833, 1834; VGH BW, B.v. 3.11.2004 - 1 S 2279/04 - RdL 2005, 55; VGH BW, B.v. 15.12.1992 - 10 S 3230/91 - juris Rn. 23 m.w.N.). Der tierschutzrechtliche Leidensbegriff setzt weiterhin nicht voraus, dass die Beeinträchtigung nachhaltig ist (BGH, U.v. 18.12.1987, a.a.O.; VGH BW, U.v. 15.12.1992 - 10 S 3230/91 - juris Rn. 23). Der Bescheid des Landratsamts erläutert ausführlich, dass aus amtstierärztlicher Sicht davon auszugehen ist, dass unterlassenes Ausmisten und Einstreuen eine Beeinträchtigung der Rinder darstellt und ihnen Leiden verursacht. Da Wiederkäuer den Großteil des Tages im Liegen verbrächten, müsse ihnen eine trockene und bequeme Liegefläche zur Verfügung stehen. Andernfalls würde auch das Ruhebedürfnis der Rinder zurückgedrängt. Zudem schädige ein nasser und verschmutzter Boden dem Fell und der Haut der Tiere, wodurch das Risiko für lokale Entzündungsprozesse und Krankheiten steige.
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cc. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt beamteten Tierärzten sowohl hinsichtlich der Frage, ob grobe oder wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, als auch hinsichtlich der Frage, ob so Tieren erhebliche und länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt wurden, eine vorrangige fachliche Beurteilungskompetenz zu (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2020 - 23 ZB 20.1254 - juris Rn. 37; B.v. 14.7.2020 - 23 CS 20.1087 - juris Rn. 7; B.v. 9.11.2018 - 9 CS 18.1002 - juris Rn. 7; B.v. 31.1.2017 - 9 CS 16.2021 - juris Rn. 15; Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 15 Rn. 19 u. § 16a Rn. 41). Ein solches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 - 3 B 62.13 - juris Rn. 10). Es ist zwar möglich, die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten in Frage zu stellen (vgl. NdsOVG, U.v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 39). Schlichtes Bestreiten des Halters vermag die Aussagekraft der amtstierärztlichen Beurteilung jedoch nicht zu entkräften (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 28.6.2010 - OVG 5 S 10.10 - juris Rn. 9). Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2014 - 9 ZB 11.1525 -, juris Rn. 9; B.v. 3.3.2016 - 9 C 16.96 - juris Rn. 7).
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An die Dokumentation von Verstößen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Zwar ist es zweifellos vorzugswürdig, wenn sich das Gutachten in einem Dokument unter der Überschrift „Gutachten des beamteten Tierarztes“ bei den Behördenakten befindet und der Bescheid dies aufgreift. Es besteht jedoch kein derartiges Formerfordernis. Es reichen dokumentierte Aussagen des beamteten Tierarztes zu dem Zustand des Tieres beziehungsweise zu den Bedingungen vor Ort, wo das Tier gehalten wird, die einzelfallbezogen den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung zulassen. Diese können beispielsweise die Form eines Vermerks, eines Protokolls oder auch von Fotoaufnahmen annehmen (BayVGH, B.v. 12.3.2020 - 23 CS 19.2486 - juris Rn. 23 ff.). Ausgehend davon finden sich in der vorgelegten Behördenakte zahlreiche Stellungnahmen und Aktenvermerke sowie Lichtbilder, die die Feststellungen der beamteten Tierärzte und auch deren Schlussfolgerungen dokumentieren und die in den streitgegenständlichen Bescheid eingeflossen sind. Dabei handelt es sich nicht um punktuelle Momentaufnahmen. Vielmehr reichen die zahlreichen auf Vor-Ort-Kontrollen basierenden Feststellungen ab dem Jahr 2017 und insbesondere dann ab Juli 2020 bis zum Bescheidserlass. Die amtsärztlichen Stellungnahmen sind auch ausführlich im streitgegenständlichen Bescheid wiedergegeben.
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Dass Amtstierärzte Grundstücke des auskunftspflichtigen Nutztierhalters während der Geschäfts- und Betriebszeiten betreten und dort zur Dokumentation auch Bildaufzeichnungen anfertigen dürfen, ergibt sich aus § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 TierSchG.
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dd. Die Maßnahmen dienen dazu, die bestehenden tierschutzwidrigen Zustände zu beseitigen und künftige Verstöße zu vermeiden. Denn haben sich im Verantwortungsbereich des Antragstellers bereits gravierende Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben ereignet, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Das Verbot der Tierhaltung und -betreuung setzt im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen die (bloße) Gefahr voraus, dass die Tiere andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen erleiden (BayVGH, B.v. 14.9.2017 - 9 CS 17.456, BeckRS 2017, 124750). Die Tierschutzbehörde muss nicht sehenden Auges warten, bis den Tieren, nachdem weniger belastende Einzelanordnungen keine nachhaltige Besserung der Tierhaltung erbracht haben, weiter erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden (VG Würzburg, B.v. 29.01.2020 - W 8 S 20.160 - juris Rn. 27). Die wiederholten tierschutzrechtlichen Verstöße durch den Antragsteller begründen die Gefahr, dass im Falle einer Haltung von Nutztieren diesen Leiden zugefügt würden. Diese Gefahr erstreckt sich dabei nicht nur auf Rinder, sondern auf Nutztiere generell.
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ee. Bei der Entscheidung des Landratsamts liegen Ermessensfehler nicht vor. Im angefochtenen Bescheid wurde ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Behörde die konkret getroffenen Maßnahmen für geboten erachtet. Die Haltungsuntersagung ist weiterhin verhältnismäßig. Insbesondere hat das Landratsamt ausführlich dargelegt, weshalb andere mildere Mittel, wie etwa die Durchführung weiterer Kontrollen in der Zukunft oder eine zeitlich befristete anderweitige pflegliche Unterbringung, vorliegend nicht in Betracht kommen. Es ist - auch mit Blick auf die geschützten Rechtspositionen des Klägers, insbesondere auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG - nicht ersichtlich, dass das Landratsamt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Die Ermessenserwägungen hinsichtlich der Frage des Umfangs des Haltungsverbots, insbesondere in Bezug auf die Erstreckung des Haltungsverbotes auf Nutztiere generell, wurden vom Landratsamt gemäß § 114 Satz 2 VwGO mit Schriftsatz vom 22. August 2022 in zulässiger Weise nachgeschoben. Insofern ergeben sich diesbezüglich vor dem Hintergrund der zahlreichen und wiederholten Verstöße keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.
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c. Die Anordnungen in Nr. 2 und 3 begegnen bei summarischer Prüfung keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Insbesondere haben sich diese Anordnungen nicht im Sinne von Art. 43 Abs. 2 Var. 4 BayVwVfG durch Zeitablauf erledigt, soweit im Bescheid eine Frist von 30 Tagen zur Auflösung des Rinderbestandes sowie eine Frist von 14 Tagen zur Vorlage eines Nachweises über den Verbleib der Tiere gesetzt wurde, da die dem Antragsteller auferlegten Verpflichtungen hierdurch nicht befristet wurden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 43 Rn. 40c m.w.N.). Im Übrigen waren die ursprünglich gesetzten Fristen zur Erfüllung der angeordneten Verpflichtungen angemessen. Beim Vollzug der Anordnungen wird das Landratsamt dem Antragsteller nunmehr erneute, angemessene Fristen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen setzen.
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d. Die Sofortvollzugsanordnung in Bezug auf die Ziffern 1 bis 3 entspricht - wie das Landratsamt zu Recht ausgeführt hat - dem öffentlichen Interesse an der Herstellung tierschutzgerechter Zustände. Die - wenn auch gewichtigen - persönlichen Interessen des Antragstellers müssen dahinter zurückstehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 entspricht auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Tierschutzrecht ist die zu befürchtende Gefahr weiterer Verstöße gegen Anforderungen des Tierschutzrechts, insbesondere von § 2 TierSchG, und die damit verbundenen Gefahren von Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere als Begründung des Sofortvollzugs in der Regel ausreichend (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 30, 51; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Auflage 2019, § 16a Rn. 23 m.w.N.). Das besondere Vollzugsinteresse ergibt sich im Tierschutzrecht im Falle konkreter Gefährdung der Tiere regelmäßig bereits aus der Grundverfügung (vgl. BayVGH, B.v.31.1.2017 - 9 CS 16.2021 - juris Rn. 12; B.v. 5.10.2016 - 9 CS 16.1257 - juris Rn. 16). Der Antragsgegner hat vorliegend hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Sofortvollzugsanordnung notwendig war, um eine fortgesetzte tierschutzwidrige Rinderhaltung des Antragstellers zu unterbinden. Ohne Anordnung des Sofortvollzuges wäre zu befürchten, dass die Rinderherde des Antragstellers immer größer werde und weiterhin tierschutzwidrig unter Missachtung der gesetzlich normierten Tierhalterpflichten gehalten werde, wodurch den Tieren Leiden zugefügt würden. Dies sei im Hinblick auf Art. 20a GG nicht hinnehmbar. Damit ist der Forderung, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, auch mit Blick darauf, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsakts angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, Rechnung getragen. Dass zwischen der Anhörung des Antragstellers und dem Bescheidserlass fünf Monate liegen, steht der Eilbedürftigkeit der Anordnung nicht entgegen. Der lange Zeitraum erklärt sich durch den Versuch des Landratsamts, eine Einigung hinsichtlich der sukzessiven Auflösung des Rinderbestandes mit dem Antragsteller zu erzielen.
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e. Gegen die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 4, 5, 6 und 7 des streitgegenständlichen Bescheids, die auf der Grundlage der Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 30, 31, 36 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) ergingen, bestehen nach summarischer Prüfung keine grundlegenden rechtlichen Bedenken. Die Zwangsgelder wurden insbesondere unter pflichtgemäßer Ermessensausübung festgesetzt. Dem öffentlichen Interesse an einer konsequenten Durchsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Tierschutzes in Art. 20a GG wurde gegenüber dem Interesse des Klägers, von einer Zwangsmittelandrohung verschont zu bleiben, Vorrang eingeräumt. Der Höhe nach bewegen sich alle Androhungen im Bereich des Rahmens, den Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgibt (15 bis höchstens 50.000 EUR). Die Festsetzung der Höhe des Zwangsgeldes richtet sich nach dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an der Nichtbefolgung der ihm auferlegten Verpflichtungen (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG), wobei sich das Landratsamt an Preisen orientiert hat, die auf Verkaufsplattformen im Internet aktuell für Rinder angegeben werden.
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3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller als unterliegende Partei, § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 1.5, 35.2 und 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).