Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 13.06.2022 – B 1 K 21.1006
Titel:

Widerruf eines Waffenscheins und Nichterteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen unsachgemäße Aufbewahrung von Waffen 

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 36 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
SprengG § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 1 Nr. 2 lit. b
1. SprengV § 34
Leitsätze:
Der Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsregeln rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird. (Rn. 27)
1. Der Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsregeln rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird. Zwingende Rechtsfolge ist der Widerruf einer bereits erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis gem. § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG. (Rn. 27 – 37 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verstoß gegen waffenrechtliche Aufbewahrungspflichten ist auch ein Versagungsgrund für die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung gem. § 34 1. SprengV (vgl. BeckRS 1994, 31222444). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schreckschusspistole im Nachttischschrank, Verstoß gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften, Prognose zukünftigen pflichtgemäßen Umgangs mit Waffen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25343

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger, geb. am … 1951, Inhaber des kleinen Waffenscheins (Nr. …) seit dem 12. Dezember 2019, begehrt die Aufhebung eines Bescheides, in dem ihm u.a. der kleine Waffenschein widerrufen wurde.
2
Aus dem polizeilichen Ermittlungsbericht des KHK … (Az. …) ergibt sich, dass das Bayerischen Landeskriminalamt am 29. September 2020 im Rahmen des Sprengstoffmonitorings vom Bundeskriminalamt eine Verdachtsmeldung zum Kläger erhalten habe. Dieser habe über die Versandhandelsplattform A. Grundstoffe zur Herstellung von Sprengstoffen erworben. Der Meldung zufolge seien dem Kläger folgende Stoffe geliefert worden: 500 Gramm Schwefel, 500 Gramm Salpeter/Kaliumnitrat und 500 Gramm Holzkohlepulver. Diese drei Stoffe seien die benötigten Bestandteile zur Herstellung von Schwarzpulver. Daraufhin sei am 7. Oktober 2020 ab 8:00 Uhr eine Durchsuchung der Wohnräume des Klägers durchgeführt worden. Im klägerischen Anwesen habe man zunächst niemanden antreffen können, weshalb mit dem Kläger telefonisch Kontakt aufgenommen worden sei. Dieser habe erklärt, im Rahmen eines Online-Einkaufs die chemischen Grundstoffe Kaliumnitrat, Schwefel und Holzkohlepulver mit der Absicht, Schwarzpulver selbst herzustellen, erworben, aber mit diesem Vorhaben noch nicht begonnen zu haben, da er noch nicht über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfüge. Er sei dem Schützenverein … beigetreten und habe kürzlich auch zwei Vorladerpistolen gekauft. Das Schwarzpulver habe er herstellen wollen, um diese Waffen zu laden. Wegen Corona ruhten der Vereinsbetrieb und deshalb auch die weiteren Schritte zur Beantragung der Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz. Da sich der Kläger weit entfernt von zuhause aufgehalten habe, weshalb eine Anwesenheit bei der Durchsuchung nicht möglich gewesen sei, habe der Kläger den Beamten die versteckte Ablage eines Ersatzschlüssels im Außenbereich des Wohnhauses beschrieben und sich mit einer Nachschau in seinem Haus ausdrücklich einverstanden gezeigt. Er habe außerdem den Aufbewahrungsort der gekauften Grundstoffe und seiner Vorladerpistolen genannt. Im Zuge der Wohnraumdurchsuchung habe man folgende neun von der Erlaubnispflicht befreite Waffen in nicht verschlossener Weise vorgefunden:
- Zwei Vorladerpistolen, ungeladen, mit Kugeln und Zubehör, ohne Treibladungspulver - in Holzbox mit Deckel, nicht verschlossen - oben auf einem Regalschrank im Esszimmer
- Luftgewehr, ungeladen - offenstehend bzw. angelehnt an selbigen Regalschrank im Esszimmer - passende Geschosse hierzu im Regal
- Schreckschusspistole, geladen, Magazin mit 6 Schuss befüllt - in der oberen, nicht verschließbaren Schublade des rechten Nachttischschrankes in einem Schlafzimmer im Obergeschoss
- Zwei Schreckschussrevolver, ungeladen - in der oberen, nicht verschließbaren Schublade des linken Nachttischschrankes im gleichen Schlafzimmer - passende Kartuschenmunition in mehreren Schachtelbehältnissen hierzu in gleicher Schublade
- Zwei Luftgewehre, ungeladen, eines davon wegen fehlendem Repetierhebel nur eingeschränkt funktionsfähig - auf einem Wandhalter im Flur im Untergeschoss
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Der vom Kläger beschriebene Karton mit den bestellten, vollständig vorhandenen und originalverpackten Stoffmengen sei an besagter Stelle im Erdgeschoss aufgefunden und sichergestellt worden. Ein strafbares Handeln im Sinne des Tatvorwurfs (Verdacht des Verstoßes gegen § 40 SprengG) habe nicht festgestellt bzw. nachgewiesen werden können. Die Absicht, erst bei Vorliegen einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis einen explosionsgefährlichen Stoff zu mischen, habe nicht widerlegt werden können. Allerdings liege in der unsachgemäßen Aufbewahrung der Waffen eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 34 Satz 1 Nr. 13 AWaffV i.V. m. §§ 1, 36 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5, 53 Abs. 1 Nr. 23 WaffG i.V. m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1., 2.4., 2.6. und 2.9., sowie Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1., 1.2., 1.3. und 1.5. Gegen den Kläger lägen umfangreiche kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vor. Gegen ihn sei zwischen den Jahren 1991 und 2010 in 16 Fällen wegen Verstrickungsbruch/Siegelbruch, Verstoß gegen Pflichtversicherungsgesetz, Warenbetrug, Verletzung von Unterhaltspflichten, Urkundenfälschung, Leistungskreditbetrug, Erpressung und falscher uneidlicher Aussage ermittelt worden. Er habe sich zwischen den Jahren 1994 und 2011 mehrfach in Haft befunden.
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Mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 7. Dezember 2020 wurde das Ermittlungsverfahren wegen Erwerbs, Beförderung, Verkehrs oder Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren im Übrigen gemäß § 43 OWiG zur Verfolgung der festgestellten Ordnungswidrigkeit(en) an das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) übergeben.
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Am 25. Januar 2021 erging gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 36 Abs. 1 und Abs. 5 WaffG i.V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV infolge der unkorrekten Aufbewahrung der erlaubnisfreien Waffen in (teilweise) geladenem Zustand und in einem unverschlossenen Behältnis (zwei Vorladerpistolen, eine geladene Schreckschusspistole und zwei ungeladene Schreckschussrevolver) in Höhe von 528,50 EUR (500,00 EUR Geldbuße, 25,00 EUR Gebühr und 3,50 EUR Auslagen).
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Am 17. April 2021 stellte der Kläger beim Landratsamt einen Antrag auf Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 1. SprengV.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 11. Mai 2021 wurde der Kläger zu einem Widerruf des kleinen Waffenscheins sowie zur Ablehnung der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung angehört, wobei ihm eine Frist zur Äußerung bis zum 2. Juni 2021 gesetzt wurde. Das Landratsamt führt aus, im Rahmen einer Hausdurchsuchung und dem sich anschließenden Ordnungswidrigkeitenverfahren sei festgestellt worden, dass der Kläger bewusst mehrere erlaubnisfreie Schusswaffen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt habe. Eine der aufgefundenen Schreckschusspistolen habe geladen in der Schublade des Nachttischschrankes gelegen. Deshalb sei ein Bußgeld in Höhe von 500,00 EUR verhängt worden. Eine waffenrechtliche Erlaubnis sei zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt würden, die zu einer Versagung hätten führen müssen, § 45 Abs. 2 WaffG. Eine waffenrechtliche Erlaubnis setze unter anderem die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG voraus. In der Regel besäßen solche Personen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht, die gröblich gegen waffenrechtliche Vorschriften verstoßen hätten, § 5 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 1 Buchst. c WaffG. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne von § 34 1. SprengV könne nur dann erteilt werden, wenn die Person die nötige Zuverlässigkeit gemäß § 8a SprengG besitze. Eine solche fehle, wenn gröblich gegen waffenrechtliche Vorschriften verstoßen werde, § 34 Abs. 1 1. SprengV i.V. m. § 27 Abs. 3 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG.
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Gröblich sei ein Verstoß, der nach objektivem Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstelle, die dem Betroffenen bewusst sei und auf eine rechtsfeindliche Gesinnung schließen lasse. Die bei der Hausdurchsuchung vorgefundene Aufbewahrungssituation der Waffen und die klägerischen Einlassungen im Rahmen des Bußgeldverfahrens, es sei zulässig, eine geladene Schreckschusspistole im Nachttisch aufzubewahren, um sich verteidigen zu können, ließen darauf schließen, dass der Kläger die Waffe bewusst entgegen der rechtlichen Vorgaben aufbewahrt habe. Dieses bewusste Fehlverhalten stelle eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar. Weiterhin sei aufgrund der vorgefundenen Aufbewahrungssituation davon auszugehen, dass der Kläger Waffen und Munition nicht sorgfältig aufbewahre und dieses Verhalten auch künftig nicht ändern werde. Auch komme in diesem Fall keine Ausnahme von der Regelvermutung in Betracht, da die Gesamtumstände die Tat nicht in einem derart milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch ein solches Verhalten begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Klägers bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien. Die erforderliche Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen sprächen gegen eine Ausnahme von der Regelvermutung. Der Kläger habe vorhandene SRS-Waffen bewusst entgegen der gesetzlichen Bestimmungen aufbewahrt. Infolge der rechtswidrigen Aufbewahrung habe jederzeit die Möglichkeit bestanden, an eine geladene Waffe zu gelangen. Weiterhin sei die Gefahr billigend in Kauf genommen worden, dass ein Unberechtigter an die Waffe gelange.
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Mit Schreiben vom 29. Mai 2021 äußerte der Kläger gegenüber dem Landratsamt, bei der Vorhaltung einer nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung seiner Waffen handele es sich um eine haltlose Unterstellung, zumal nur eine einzige Gaspistole, die die nachts griffbereit in seinem Nachtkästchen liege, funktioniere. Die funktionsfähige Gaspistole trage er tagsüber bei sich. Der Rest sei Dekoration, die er aufbewahren dürfe, wo er wolle. Der Vorwurf einer rechtsfeindlichen Gesinnung werde zurückgewiesen. Des Weiteren habe er einen Waffentresor in einem versteckten Raum, in dem seine frei erwerblichen Waffen eingelagert seien. In seinem Haus gäbe es keine weitere Person neben ihm und seiner Frau. Der Vorwurf, es könnte sich eine andere Person der Gaspistole bedienen, sei deshalb aus der Luft gegriffen und nicht haltbar.
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Mit Bescheid vom 16. August 2021 widerrief das Landratsamt den kleinen Waffenschein (Nr. …*) des Klägers (Ziffer 1). Der Waffenschein sei innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Bei Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 2 des Bescheides werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200 EUR fällig (Ziffer 3). Die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Teilnahme an einem Fachkundelehrgang für den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen werde versagt (Ziffer 4). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die Ziffer 1 des Bescheides werde eine Gebühr in Höhe von 35,00 EUR (Ziffer 5a), für die Ziffer 4 des Bescheides eine Gebühr in Höhe von 40,00 EUR (Ziffer 5b) und es würden Auslagen in Höhe von 4,11 EUR erhoben (Ziffer 5c).
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Bezüglich des Widerrufs des kleinen Waffenscheins werden im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben vom 11. Mai 2021 wiederholt. Darüber hinaus wird ausgeführt, die Einlassung des Klägers, dass es niemanden außer ihm und seiner Frau im Haus gäbe, sei unbeachtlich, da jegliche Gefahr, die von Waffen ausginge, auf ein absolutes Minimum begrenzt werden müsse. Die Tatsache, dass die vorhandenen Waffen bewusst entgegen der gesetzlichen Bestimmungen aufbewahrt worden seien und die Pistole sogar geladen gewesen sei, stelle eine schwerwiegende Verfehlung gegen Grundsätze des Waffenrechts dar. Dies ergebe sich bereits aus § 1 Abs. 1 WaffG. Demnach dienten die waffenrechtlichen Vorschriften der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und somit dem Schutz bestimmter Rechtsgüter. Im vorliegenden Fall habe eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bestanden. Es sei nicht hinnehmbar, dass Waffen entgegen der geltenden Vorschriften im geladenen Zustand in einem nicht verschließbaren Nachtkästchen aufbewahrt würden. Weiterhin lasse die Einlassung des Klägers, seine Schreckschusspistole auch künftig im Nachtkästchen aufzubewahren, da diese Aufbewahrung zulässig sei, im Rahmen der notwendigen Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erwarten, dass er auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig aufbewahren werde.
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Die unverzügliche Abgabeanordnung des Waffenscheins in Ziffer 2 beruhe auf § 46 Abs. 2 WaffG.
13
Die Androhung des Zwangsgeldes in Ziffer 4 stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes orientiere sich am wirtschaftlichen Interesse des Klägers am weiteren Besitz des kleinen Waffenscheins (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Die Frist von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides sei den Umständen nach angemessen.
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Die Ablehnung der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne von § 34 1. SprengV in Ziffer 5 erkläre sich anhand der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers. Diese besäßen solche Personen in der Regel nicht, welche einen gröblichen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften begangen hätten (§ 34 Abs. 1 1. SprengV i.V. m. § 27 Abs. 3 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 und § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG). Aufgrund eines solchen gröblichen Verstoßes sei der Kläger unzuverlässig.
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Die Kostenentscheidung des Bescheides stütze sich auf § 50 Abs. 1 WaffG, § 47b SprengG und Art. 1, 2 und 3 KostG. Die Höhe der Gebühr für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis bemesse sich nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. Art. 5 KG und nach Tarif-Nr. 2.II.7/39 des Kostenverzeichnisses. Die Gebühr für die Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung bemesse sich nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. Art. 5 KG und nach Tarif-Nr. 7.I.3/2.10 des Kostenverzeichnisses. Die Gebühr sei um die Hälfte der Gebühr für die Neuerteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung reduziert worden.
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Unter dem 12. September 2021 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 16. August 2021 mit dem Antrag,
den Bescheid unter No. II des Bescheides vom LA … zurückzuweisen und die beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen.
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Die im Bescheid vorgetragenen Gründe entsprächen nicht den Tatsachen und seien aus der Luft gegriffen. Er besitze zwei Stahltresore der höchsten Güte in einem separaten von außen niemandem zugänglichen Raum, in denen er seine schussfähigen Waffen lagere. Lediglich eine einzige Schreckschusspistole, die die nachts im Nachttisch liege, funktioniere. Tagsüber trage er diese Waffe bei sich. Die zwei Vorladerwaffen seien in einem desolaten und nicht schussfähigen Zustand. Diese stellten Dekowaffen dar, die keinem Aufbewahrungsgesetz unterfielen. Den Bußgeldbescheid zu bezahlen sei ein Fehler gewesen, der ihm erst im Nachhinein bewusst geworden sei. Er verstehe nicht, wie er für eine Gefahr für Leib und Leben gesorgt haben solle, da sich in seinem Haus nur noch seine Ehefrau aufhalte. Das Haus sei verschlossen, was allein schon genüge, um waffenrechtlich als geschlossenes Behältnis zu gelten.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 8. November 2021,
die Klage abzuweisen.
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Zur Klagebegründung des Klägers führt das Landratsamt aus, der Kläger schreibe selbst in der Klagebegründung, dass er weiterhin nachts eine Schreckschusspistole im Nachtkasten aufbewahre. Dies stelle einen klaren Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften für erlaubnisfreie Schusswaffen dar. Aufgrund des vorausgegangenen Bußgeldverfahrens müsse dem Kläger klar sein, wie erlaubnisfreie Schusswaffen aufzubewahren seien, soweit diese nicht geführt würden. Weiterhin müsse festgestellt werden, dass der Kläger in der Anhörung zum Bußgeldverfahren zwar bereits angegeben habe, dass beide Vorladerwaffen defekt seien. Jedoch habe er ausgesagt, dass sich die defekten Teile derzeit in Reparatur befänden, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass beide Waffen nicht dauerhaft unbrauchbar gemacht worden seien und es sich deshalb weiterhin um Schusswaffen im Sinne des Waffengesetzes handele. Die vom Kläger vertretene Ansicht, dass ein verschlossenes Haus allein schon als verschlossenes Behältnis im Sinne von § 36 Abs. 1 und 5 WaffG i.V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV gelte, müsse verneint werden, da der Kläger als Adressat der Aufbewahrungsvorschrift Gewähr dafür tragen müsse, dass die Waffen jederzeit so aufbewahrt würden, dass Personen bei rechtmäßigem Aufenthalt in der Wohnung nicht unkontrolliert an die Waffen gelangen könnten (BayVGH, B.v. 19.3.1996 - 21 SC 95.35505 - BayVBl 1996, 534). Unter diesem Gesichtspunkt sei es auch unerheblich, dass im Haus des Klägers nur er und seine Frau lebten.
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Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 weist der Kläger nochmals den Vorwurf der Rechtsfeindlichkeit zurück. Es nutze ihm wenig, wenn er sich und sein Anwesen nachts verteidigen müsse und die Schreckschusspistole im Tresor eingesperrt sei. Mehr als Schrecken könne die Schreckschusspistole außerdem nicht. Er verstehe nicht, wo stünde, dass es verboten sei, eine Schreckschusspistole im Nachtkasten aufzubewahren. Er habe bereits darauf hingewiesen, dass die anderen Waffen defekt seien; diese seien schon vor Monaten zerstört und entsorgt worden.
21
Mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Mai 2022 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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1. Der Klageantrag ist im wohlverstandenen Sinne des nicht anwaltlich vertretenen Klägers dahingehend auszulegen, dass dieser die Anfechtung des gesamten behördlichen Bescheides vom 16. August 2021 begehrt, denn eine Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides (Abgabeverpflichtung) kann der Kläger nur zusammen mit der Aufhebung des Widerrufs des Kleinen Waffenscheins in Ziffer 1 erreichen. Weiterhin begehrt der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.
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2. Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche behördliche Bescheid vom 16. August 2021 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung zu.
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a. Ziffer 1 des Bescheides begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken.
27
aa. Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinn von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG umschreibt insoweit im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich im hohen Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sogenannte absolute Unzuverlässigkeit; vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758 S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr vgl. z.B. BVerwG, B.v. 31.1.2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 2.11.1994 - 1 B 215.93 - juris Rn. 10). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition besteht (BayVGH, Beschluss vom 16.9.2008 - 21 ZB 08.655 - juris Rn. 7). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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bb. Der Kläger hat seine Waffen nicht sorgfältig aufbewahrt. Vorsichtig und sachgemäß im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten sämtlich ausgenutzt werden, die Waffe so zu verwahren, dass ein Zugriff Unberechtigter nach Möglichkeit verhindert wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 - 24 ZB 20.3095- juris Rn. 15). Die Anforderungen, die für die sorgfältige Verwahrung von Waffen zu erfüllen sind, folgen aus § 36 WaffG. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2013 - 21 CS 13.1969 - juris Rn. 15). Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV müssen Waffen und Munition, deren Erwerb von der Erlaubnispflicht freigestellt ist, ungeladen und mindestens in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt werden. Wer Waffen durchgeladen und in einem nicht verschlossenen Behältnis aufbewahrt, verstößt damit gegen grundlegende Vorsichts- und Sorgfaltsmaßnahmen bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition und ist daher unzuverlässig i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG.
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Bei der am 7. Oktober 2020 ab 8:00 Uhr durchgeführten polizeilichen Durchsuchung der Wohnräume des Klägers wurde eine geladene Schreckschusspistole (Magazin mit 6 Schuss befüllt) in einer nicht verschließbaren Schublade des Nachttischschrankes im Schlafzimmer, zwei (ungeladene) Vorladerpistolen mit Kugeln und Zubehör in einer nicht verschlossenen Holzbox im Esszimmer, ein offenstehendes (ungeladenes) Luftgewehr im Esszimmer, zwei (ungeladene) Luftgewehre auf einem Wandhalter im Flur sowie zwei (ungeladene) Schreckschussrevolver in einer nicht verschließbaren Schublade des Nachttischschrankes aufgefunden. Bei der durch Lichtbilder in der Verwaltungsakte dokumentierten, den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zugrunde gelegten Aufbewahrungssituation der Waffen liegt es auf der Hand, dass die waffenrechtlich festgelegten Mindestanforderungen an Aufbewahrungsbehältnisse bzw. Schutzvorrichtungen nicht erfüllt wurden. Alle aufgefundenen Waffen waren entweder geladen (vgl. Schreckschusspistole im Nachttischschrank), standen offen im Haus herum (vgl. Luftgewehr im Esszimmer und zwei Luftgewehre im Flur) oder befanden sich in einem unverschlossenen Behältnis (vgl. zwei Vorladerpistolen im Esszimmer und zwei Schreckschussrevolver im Nachttischschrank). Hierin liegen mehrere Verletzungen von waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften gemäß § 36 Abs. 1 WaffG i.V. m. § 13 Abs. 2 AWaffV. So ist auch bezüglich nicht erlaubnispflichtiger Waffen ausdrücklich und eindeutig in § 13 Abs. 2 AWaffV geregelt, dass die Aufbewahrung (auch) dieser Waffen nur ungeladen erfolgen darf (vgl. auch BayVGH, B.v. 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 - juris Rn. 19). Weiterhin sind die Waffen in einem verschlossenen Behältnis aufzubewahren.
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Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob eine tatsächliche Gefährdung Dritter unter Umständen ausgeschlossen gewesen wäre. Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung sollen nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von geladenen und damit unmittelbar schussbereiten Waffen ermöglicht wird. Sie schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2014 - 6 B 36/13 - juris Rn. 5; VG Hamburg, U.v. 9.2.2016 - 4 K 2176/15 - juris Rn. 23).
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Der Vortrag des Klägers, er wohne mit seiner Frau alleine in dem Haus und kein anderer habe Zutritt bzw. eine Zugangsmöglichkeit, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Zwar erlaubt § 13 Abs. 8 AWaffV unter bestimmten Voraussetzungen die gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen oder Munition durch berechtigte Personen, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben und waffenrechtlich ein gleiches Erlaubnisniveau aufweisen (vgl. so auch Gade, Waffengesetz, 3. Aufl. 2022, § 36 Rn. 61 ff.), diese Vorschrift betrifft jedoch die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Waffen im Sinne der Aufbewahrungsvorschriften nach dem WaffG. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann selbst eine allein bewohnte, stets abgeschlossene Wohnung als solche nicht als geeigneter Aufbewahrungsort von Waffen angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2011 - 21 CS 11.514 - juris Rn. 5; so auch OVG RhPf, B.v. 23.10.2013 - 7 A 10715/13 - juris Rn. 7). Denn die Gefahr, dass Unbefugte in den Besitz der unsachgemäß gelagerten Waffen kommen, ist in solchen Fällen nicht gänzlich ausgeschlossen. Dies zeigt auch die Einlassung des Klägers sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren, er benötige die Schreckschusspistole, um sich notfalls verteidigen zu können. Die Äußerungen des Klägers geben zu erkennen, dass er es durchaus für möglich hält, dass sich Dritte unerlaubt Zutritt zu seinen Räumen verschaffen könnten.
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Die Einlassung des Klägers, er besitze zwei Stahltresore höchster Güte in einem separaten und von außen niemandem zugänglichen Raum, steht den festgestellten Verletzungen von Aufbewahrungsvorschriften nicht entgegen. Im Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung waren die Waffen des Klägers nämlich nicht in den genannten Stahltresoren verwahrt.
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Der klägerische Vortrag, nur eine der aufgefundenen Waffen funktioniere, die anderen seien hingegen in einem desolaten und nichtschussfähigen Zustand und dienten ausschließlich der Dekoration, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Auch bei einer defekten Waffe handelt es sich um eine Waffe, die den Aufbewahrungsvorschriften des WaffG unterliegt, sofern diese nicht gänzlich unbrauchbar gemacht wurde. Im Übrigen wird diesbezüglich auf die Vorschrift des § 13 Abs. 5 AWaffV verwiesen, wonach die zuständige Behörde auf Antrag bei einer Waffensammlung unter Berücksichtigung der Art und der Anzahl der Waffen und ihrer Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von den Vorgaben des § 13 Abs. 1, 2 und 4 AWaffV insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Sichtbarkeit zu Ausstellungszwecken abweichen und dabei geringere, aber auch höhere Anforderungen an die Aufbewahrung stellen kann. Ein solcher Antrag wurde vom Kläger nicht gestellt. Es kann außerdem dahinstehen, ob die neben der geladenen Schreckschusspistole aufgefundenen Waffen funktionsfähig sind oder bereits unbrauchbar gemacht wurden, da jedenfalls die Aufbewahrung der funktionsfähigen und geladenen Schreckschusspistole in einem nicht verschließbaren Nachttischschrank einen gravierenden Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG i.V. m. § 13 Abs. 2 AWaffV darstellt, der als solcher für die Begründung einer Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG genügt.
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cc. Der Kläger hat mit der Verwahrung einer geladenen Waffe in einem nicht verschließbaren Schrank einen Verstoß gegen eine grundlegende Aufbewahrungsregel begangen. Da keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich sind, dass es sich lediglich um einen situationsbedingten einmaligen bzw. kurzfristigen Verstoß gehandelt haben könnte, ist auch davon auszugehen, dass der Verstoß schwerwiegend ist.
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dd. Die Gesamtumstände lassen vorliegend nicht erwarten, dass der Kläger in Zukunft seiner Pflicht im Umgang mit Waffen und Munition mit äußerster Sorgfalt nachkommen wird.
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Ob aufgrund der am 7. Oktober 2021 festgestellten Verletzung der waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass der Kläger mit Waffen und Munition auch zukünftig nicht ordnungsgemäß umgehen wird, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen und zu würdigen. Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Gefahrenabwehr für strenge Aufbewahrungsvorschriften entschieden, da in der Regel bei einer anderweitigen Aufbewahrung die Gefahr der Nutzung durch unbefugte Dritte besteht. Der wiederholte Hinweis des Klägers auf eine mögliche nächtliche Notwehrsituation, die eine Aufbewahrung der geladenen Schreckschusspistole im Nachttisch notwendig mache, weshalb eine solche Aufbewahrung auch rechtlich zulässig sein müsse, zeigt dessen Uneinsichtigkeit in Bezug auf die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung auch erlaubnisfreier Waffen nach dem WaffG. Aus dem klägerischen Vortrag lässt sich schließen, dass er auch weiterhin beabsichtigt, die Waffe in geladenem Zustand in seinem nicht verschließbaren Nachttischschrank zu verwahren. Weiterhin ist festzuhalten, dass auch bereits der Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird (vgl. zur negativen Prognose bei Verstoß gegen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften, VG München, U.v. 6.2.2019 - M 7 K 18.2266 - juris Rn. 31 ff). Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (BayVGH, B.v. 20.5.2015 - 21 ZB 14.2236 - juris Rn. 11; B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12).
37
Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers folgt deshalb bereits aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Auf die Frage, ob sich eine Unzuverlässigkeit des Klägers auch auf Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ergeben kann, kommt es deshalb nicht entscheidungserheblich an.
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b. Die Abgabeverpflichtung des Waffenscheins unter Ziffer 2 des Bescheides beruht auf § 46 Abs. 1 WaffG und ist als die den Widerruf begleitende Verfügung ebenfalls rechtmäßig.
39
c. Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Die Rechtsgrundlagen für die Androhung des Zwangsgeldes ergeben sich aus Art. 19, 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungsu. Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Das Zwangsgeld ist das mildeste Zwangsmittel und als solches geeignet und erforderlich, das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds bewegt sich im unteren Bereich des Rahmens, den Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgibt und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse, das der Antragsteller an einem weiteren Besitz und künftigem Erwerb von Waffen oder Munition hat, Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG.
40
d. Die Ablehnung der Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 34 Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) in Ziffer 4 des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig. Eine solche darf nur dann erteilt werden, wenn beim Antragsteller Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchst. b und c Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG) oder nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SprengG nicht vorliegen. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG liegt ein Versagungsgrund vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Gemäß § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SprengG besitzen solche Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden. Aus der auf Grundlage der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, die aufgrund der bei der polizeilichen Durchsuchung dokumentierten waffenrechtlichen Aufbewahrungsverstöße festgestellt wurde, kann auch auf die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden. Denn die festgestellten Verstöße gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften begründen solche Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger auch explosionsgefährliche Stoffe nicht sorgfältig aufbewahren wird (vgl. so auch BVerwG, B.v. 17.8.1994 - 1 B 134/94 - juris Rn. 5; VG Köln, U.v. 29.4.2010 - 20 K 567/09 - juris Rn. 24).
41
e. Auch die Anordnung der Kostentragung in Ziffer 5 des Bescheides ist rechtmäßig. Die Kostenentscheidung des Bescheides stützt sich auf Art. 1, 2 und 3 Kostengesetz (KG). Die Höhe der Gebühr für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis bemisst sich nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. Art. 5 KG und nach Tarif-Nr. 2.II.7/39 des Kostenverzeichnisses. Die Gebühr für die Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung bemisst sich nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. Art. 5 KG und nach Tarif-Nr. 7.I.3/2.10 des Kostenverzeichnisses. Die Anordnung der Erstattung der Auslagen beruht auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
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3. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
43
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).