Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Laufendes Nachprüfungsverfahren, Entscheidungen der Vergabekammer, Vergabeverfahren, Vollständige Leistungserbringung, Mitteilung der Beschwerdepunkte, Sofortige Beschwerde, Konzernverbundenes Unternehmen, Wettbewerbswidriges Verhalten, Verfahrensbevollmächtigter, Öffentlicher Auftraggeber, Verfahren vor der Vergabekammer, Leistungsbeschreibung, Verpflichtungserklärung, Vergabeunterlagen, Dienstleistungsauftrag, Kartellrechtlicher Verstoß, Sicherheitsbescheinigung, Selbsterbringungsquote, Wirtschaftliche Einheit
Normenketten:
VgV § 47 Abs. 1 S. 3
GWB § 124 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Nach Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV können sich Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die Kriterien für die einschlägige berufliche Erfahrung (dies sind nach Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der Regel Referenzen) nur dann auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen stützen, wenn das andere Unternehmen auch die Arbeiten ausführt bzw. die Dienstleistung erbringt, für die die Leistungsfähigkeit nachzuweisen ist. Das bedeutet hinsichtlich der durch eine Referenz nachzuweisenden beruflichen Erfahrung, dass alle Teile der ausgeschriebenen Leistung, für welche eine Referenz zu erbringen war und für die der Bieter nicht auf eine eigene Referenz zurückgreifen kann, von dem Unternehmen auszuführen sind, auf dessen Leistungsfähigkeit – nämlich die durch eine Referenz nachzuweisende berufliche Erfahrung – sich der Bieter stattdessen stützen will.
2. Ein allgemeines Berufen darauf, dass Mitarbeitende der eignungsverleihenden Unternehmen, die an den entsprechenden Referenzaufträgen beteiligt waren, dem neu gegründeten Tochterunternehmen über den gesamten Leistungszeitraum irgendwie zur Verfügung stehen, kann aufgrund des deutlichen Wortlauts des Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU und des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV angesichts der Intention des Richtliniengebers, die Eignungsleihe stärker zu reglementieren, nicht ausreichen.
3. Hat ein Unternehmen überhaupt keine eigenen, bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigenden Referenzen, muss das die Eignung „verleihende“ Unternehmen die gesamten von der Referenz umfassten Leistungen ausführen.
4. Hat der Auftraggeber zulässigerweise nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 ein Selbstausführungsgebot bzgl. eines bedeutenden Teils der öffentlichen Personenverkehrsdienste festgelegt, kann ein Unternehmen in diesem Umfang keine Eignungsleihe durch Berufen auf Referenzen anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn diese nach § 47 Abs. 1 S. 3 VgV die Leistung erbringen müssten.
5. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB setzt voraus, dass nur das Unternehmen vom Verfahren ausgeschlossen werden kann, das selbst eine wettbewerbsbeschränkende Absprache getroffen hat. Eine Zurechnung des Verhaltens anderer, auch konzernverbundener Unternehmen sieht weder § 124 GWB noch Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU vor.
6. Die bloße Durchführung von kartellbehördlichen Ermittlungsmaßnahmen reicht regelmäßig noch nicht aus, um einen Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu begründen.
Schlagwort:
Vergabeverfahren
Fundstellen:
VergabeR 2022, 786
BeckRS 2022, 25250
LSK 2022, 25250
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
2. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin je zur Hälfte.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Bekanntmachung vom … veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Vergabe zum Expressverkehr … in zwei Losen. Streitgegenständlich ist hier das Los 2. Unter Ziffer III.1.1) der Auftragsbekanntmachung forderte die Antragsgegnerin, dass die Bieter „mit ihrem Angebot eine zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gültige Zulassung als Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 6 AEG oder einen Beleg dafür, dass diese Zulassung nach § 6f AEG nicht erforderlich ist, sowie eine zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gültige Sicherheitsbescheinigung nach § 7a Abs. 1 oder Abs. 4 AEG [vorlegen]. Alternativ kann der Bieter im Angebot darstellen, wie die Zulassung als Eisenbahnverkehrsunternehmen samt erforderlicher Erlangung der Sicherheitsbescheinigung bis zur Betriebsaufnahme erlangt werden wird.“
2
Unter Ziffer III.1.3) machte die Antragsgegnerin Ausführungen zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit und forderte Referenzen: „Die technische und berufliche Leistungsfähigkeit ist als gewährleistet anzusehen, wenn der Bieter über die Erfahrungen verfügt, die zur Durchführung der hiesigen Leistungen im SPNV in angemessener Qualität erforderlich sind. Der Nachweis, dass der Bieter bereits mit Angebotsabgabe über die technischen bzw. personellen Mittel verfügt, die ihn bereits zu diesem Zeitpunkt in die Lage versetzen, den Auftrag ordnungsgemäß abzuwickeln, muss nicht erbracht werden. Personal und Ausrüstung können während der hierfür ausreichend lang bemessenen Ausführungsfrist beschafft werden.
3
Die Bieter haben zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Angebot Referenzen über früher ausgeführte Dienstleistungsaufträge im SPNV in Form einer Liste der in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erbrachten wesentlichen Dienstleistungen, mit Angabe des Zkm/a-Werts, des Erbringungszeitraums sowie des öffentlichen oder privaten Auftraggebers vorzulegen. Dienstleistungsaufträge im SPNV müssen nicht in allen eben genannten Jahren erbracht worden sein. Der Auftraggeber wird auch Referenzen über Dienstleistungsaufträge im SPNV berücksichtigen, die früher als 2018, nicht jedoch früher als 2013 erbracht wurden. Die Referenzen können entweder durch eine Erklärung des betreffenden Auftraggebers oder im Wege der Eigenerklärung benannt werden.“
4
Als Mindestanforderung an die Referenz verlangte die Antragsgegnerin, dass „mindestens eine Referenz über einen während der Jahre 2013 bis 2020 (nicht zwingend in allen Jahren) ausgeführten Dienstleistungsauftrag im SPNV vorzulegen“ sei.
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Ferner machte die Antragsgegnerin Angaben, wie mit der Eignungsleihe umgegangen werden müsse: „Beruft sich ein Bieter zum Beleg seiner technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit auf diejenige eines Dritten, so hat der Bieter die technische und berufliche Leistungsfähigkeit dieses Dritten durch Vorlage der soeben dargestellten Dokumente mit dem Angebot nachzuweisen. Darüber hinaus ist dem Angebot eine Verpflichtungserklärung des Dritten beizufügen, aus der hervorgeht, dass der Bieter tatsächlich über die Erfahrungen des Dritten verfügen kann. Die Verpflichtungserklärung darf für die Dauer des ausgeschriebenen Vertrages von dem Dritten nicht einseitig widerrufen werden können. Dies muss dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung zu entnehmen sein. Sodann muss Personal des Dritten, das über die mit den Referenzen erlangte Erfahrung verfügt, bei der hiesigen Leistung eingesetzt werden. Auch dies muss aus der vorzulegenden Verpflichtungserklärung hervorgehen.“
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Ferner führte die Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 3.10 (1) und in § 3a des Verkehrsdurchführungsvertrags aus, dass im Falle eines Betreiberwechsels das für den Betrieb notwendige Personal zu übernehmen sei.
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In § 3 A Abs. 7 des Verkehrsdurchführungsvertrags regelte die Antragsgegnerin, dass das Verkehrsunternehmen gemäß Art. 4 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 mindestens 70% der fahrplanmäßigen Verkehrsleistungen im Schienenverkehr und der Leistungen des Zugbegleitpersonals selbst erbringen müsse.
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Am … erließ die Europäische Kommission einen Beschluss in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Fall …). In diesem stellte die Kommission fest, dass die … AG, die Großmuttergesellschaft der Beigeladenen, sich im Zeitraum von … bis … wettbewerbswidrig verhalten habe. Betroffen war die Kundenzuteilung im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr hinsichtlich Gütertransporten in den herkömmlichen Branchen (mit Ausnahme der Automobilbranche), die im Rahmen des sog. Frachtverteilungsmodells in Ganzzügen durchgeführt wurden. Im benannten Zeitraum ist es zu kollusiven Kontakten zwischen der Großmuttergesellschaft der Beigeladenen und weiteren Wettbewerbsteilnehmern gekommen.
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Auf Nachfrage eines Bieters, ob auch die Leistungserbringung durch Mitarbeiter anderer mit dem Bieter in einem Konzern verbundenen Unternehmen unter die Selbsterbringungsquote von 70% gemäß § 3 A Abs. 7 des Verkehrsdurchführungsvertrags fallen würden, antwortete die Antragsgegnerin mit Bewerberinformation Nr. 7 am 28.05.2021 wie folgt: Ob die Leistungsausführung unter die Selbsterbringungsquote falle hänge davon ab, ob die Weisungs- und Organisationsbefugnis und damit die Auftragsausführung der Verkehrsleistungen weiterhin beim beauftragten Verkehrsunternehmen liegen.
10
Am … wurde die Beigeladene gegründet. Alle Gesellschaftsanteile der Beigeladenen wurden am … durch die [Muttergesellschaft] AG, einer Tochtergesellschaft der [Großmuttergesellschaft] AG erworben. Außerdem wurde die Beigeladene umbenannt und ihr Unternehmensgegenstand wurde zu „Erbringung von Eisenbahntransportleistungen, u.a. als Eisenbahnverkehrsunternehmen nach § 6 AEG und alle damit zusammenhängenden Transport- - und Logistikleistungen“ geändert.
11
Am 03.09.2021 endete die Angebotsfrist. Die Antragstellerin und die Beigeladene hatten rechtzeitig ihre Angebote eingereicht.
12
Am 01.12.2021 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 134 GWB darüber, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werde und dass der Zuschlag auf die Beigeladene erfolgen solle. Zur Begründung der Zuschlagsentscheidung führte die Antragsgegnerin an, dass das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei im Wertungskriterium Pa hinter dem der Beigeladenen zurückgeblieben und habe auch einen höheren fiktiven Wertungspreis Pf erzielt. Diesen Rückstand habe die Antragstellerin auch durch das Wertungskriterium Q nicht ausgleichen können. Im Übrigen sei der Vorsprung der Beigeladenen im Kriterium Pa so erheblich gewesen, dass das Angebot der Antragstellerin diesen selbst bei Höchstbewertung im Wertungskriterium Q nicht hätte einholen können.
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Die Antragstellerin rügte die geplante Zuschlagserteilung mit Schreiben vom 08.12.2021. Die Antragstellerin machte geltend, dass die Beigeladene ungeeignet sei. Insbesondere fehle ihr die berufliche Leistungsfähigkeit, da sie erst zum … gegründet worden sei. Sie könne daher die geforderte Referenz nicht vorlegen. Eine Eignungsleihe bezüglich der Referenz sei nicht möglich, da dann das Unternehmen, auf dessen Kapazitäten man sich beruft, die Leistung auch erbringen müsste. Ein etwaiger „Leistungsverleiher“ müsste sämtliche SPNV-Leistungen, die den Gegenstand des in Rede stehenden Vergabeverfahrens bilden, vollumfänglich als Unterauftragnehmer erbringen, dies würde jedoch mit der Vorgabe zur überwiegenden Selbstausführung aus Art. 4 Abs. 7 der Verordnung 1370/2007 kollidieren. Auch bezweifle die Antragstellerin, dass die Beigeladene eine Sicherheitsbescheinigung nach § 7 a AEG vorlegen könne. Die Beigeladene habe zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe erst wenige Wochen existiert und eine Eignungsleihe sei für die Sicherheitsbescheinigung ausgeschlossen.
14
Ferner sei die Beigeladene gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen, da die 100%ige Großmuttergesellschaft der Beigeladenen in gravierender Weise gegen kartellrechtliche Vorgaben verstoßen habe (Entscheidung der Europäischen Kommission vom …). und eine umfassende Kontrolle über die Beigeladene ausübe.
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Auch erfülle das Angebot der Beigeladenen diverse Mindestanforderungen der Vergabeunterlagen hinsichtlich Fahrzeitberechnung, fehlender Abstimmung mit der … und DB Netz AG sowie zu den Dienstbeschreibungen nicht.
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Mit Schreiben vom 09.12.2021 wies die Antragsgegnerin die Rüge der Antragstellerin vollumfänglich zurück. Die Beigeladene sei geeignet und erfülle auch die Anforderungen an die Vorlage einer Sicherheitsbescheinigung. Ferner lägen gegen die Beigeladene keine Ausschlussgründe vor und sie erfülle alle Mindestanforderungen.
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Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.12.2021 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
18
Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Sie habe den Rechtsverstoß bezüglich der Eignungsleihe erst nach Ablauf der Angebotsfrist erkennen können, da sie überhaupt erst durch das Informationsschreiben gemäß § 134 GWB von der Existenz der kurz zuvor gegründeten Beigeladenen erfahren habe. Diese müsse wegen ihrer Neuheit zwingend weitestgehend auf das Instrument der Eignungsleihe zurückgreifen. Auch sei aus der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen nicht erkennbar gewesen, dass der Eignungsverleiher die Leistung nicht selbst erbringen müsse, sondern lediglich in die Leistung eingebunden werden müsse. Die Antragstellerin habe grundsätzlich keine Bedenken gegen die Eignungsleihe, erst wenn die vorgesehene Selbsterbringungsquote unterschritten werde, würden Probleme entstehen. Sie durfte die Vorgaben so interpretieren, dass das eignungsverleihende Unternehmen die Leistungen selbst als Unterauftragnehmer erbringen müsse, wie dies in § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV auch vorgesehen sei.
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Die Antragstellerin erklärt, die Beigeladene habe ein gravierendes Eignungsdefizit, da sie die geforderten Referenzen unmöglich selbst beibringen kann, da sie noch überhaupt keine Leistungen im SPNV erbracht habe. Dieses Defizit könne sie auch nicht durch die Eignungsleihe ausgleichen, da diese Leistungen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV vom Eignungsverleiher selbst erbracht werden müssten. Dies würde wiederum gegen das Selbstausführungsgebot aus Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 und die vom Antragsgegner geforderte Selbsterbringungsquote von 70% verstoßen. Die Markteintrittschancen für Newcomer seien kein hinreichender Grund, um von gesetzlichen Vorgaben abzuweichen und es seien auch keine Hinweise ersichtlich, dass der Richtliniengeber die strengen Anforderungen für die Eignungsleihe im Normtext nicht so erlassen wollte. Bei der Erbringung von Leistungen im SPNV komme es nicht, wie bei freiberuflichen Leistungen, auf das Knowhow einzelner Personen an, sondern die Unternehmensorganisation, die betrieblichen Abläufe und die technische Ausstattung seien zentrale Elemente der Leistung. Die bloße Einbindung von Mitarbeitenden, die an den benannten Referenzprojekten beteiligt waren, genüge daher nicht und sei auch im Wege der Arbeitnehmerüberlassung nur für maximal 18 Monate zulässig. Dies decke bei weitem nicht den Leistungszeitraum ab. Überhaupt sei bei den benannten Mitarbeitenden nicht ersichtlich, über welche konkreten Erfahrungen sie im Einzelnen verfügen und wie sie in die Leistungserbringung eingebunden werden sollen.
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Ferner verfüge die Beigeladene auch nicht über die geforderte Sicherheitsbescheinigung gemäß § 7 a AEG, da sie erst kurz vor der Angebotsabgabe gegründet worden sei und diese nicht im Wege der Eignungsleihe ersetzt werden könne.
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Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass die Beigeladene gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgeschlossen werden müsse, da ihre Großmuttergesellschaft gegen kartellrechtliche Vorgaben verstoßen habe (Entscheidung der Europäischen Kommission am …). Das wettbewerbswidrige Verhalten der [Großmuttergesellschaft] AG sei der Beigeladenen unmittelbar zuzurechnen, da sie innerhalb der Konzernstrukturen eine umfassende Kontrolle über die Beigeladene ausübe. Eine Umgehung der Restriktionen durch die Gründung neuer Untergesellschaften dürfe nicht möglich sein. Ferner sei die Beigeladene auch gemäß Art. 101 AEUV als konzernverbundenes Unternehmen Teil der wirtschaftlichen Einheit der [Großmuttergesellschaft] AG. Der Gründungszeitpunkt der Beigeladenen und der Zeitpunkt des kartellrechtlichen Verstoßes seien dabei unerheblich. Das Ermessen sei dabei auf null reduziert, da es sich bei dem Verstoß um einen bewussten, langjährigen und sorgfältig organisierten Kartellverstoß in Form einer Kundenaufteilung gehandelt habe. Auch führe der Verstoß zur fehlenden Eignung des Eignungsverleihers, als 100% Tochtergesellschaft der [Großmuttergesellschaft] AG. Mit Datum vom … seien der Muttergesellschaft zudem neue Beschwerdepunkte wegen des Verstoßes gegen Kartellvorschriften auf Grund von Absprachen auf dem Markt für gebrauchte Schienenpersonenwagen mit dem Ziel den Markteintritt bzw. die Etablierung von Mitbewerbern zu erschweren mitgeteilt worden. Mit dieser Mitteilung lägen nun gegen die Muttergesellschaft hinreichend plausible Anhaltspunkte vor, insbesondere da diese Mitteilung die unmittelbare Vorstufe zu der finalen Entscheidung der Kommission sei. Diese Vorwürfe seien der Beigeladenen zurechenbar, weshalb die Beigeladene spätestens jetzt auszuschließen sei. Das Ermessen der Antragsgegnerin reduziere sich hier auf Null. Selbst wenn die Antragsgegnerin einen Ermessenspielraum gehabt hätte, so hätte sie nicht die Beschränkung des Wettbewerbs und ihren wirtschaftlichen Vorteil berücksichtigen dürfen. Der Wettbewerb sei mit Angebotsabgabe beendet gewesen, der Ausschluss würde sich also in keiner Weise auf diesen auswirken. Die wirtschaftliche Attraktivität könne und dürfe bei einem Ausschluss gemäß § 124 GWB keine Rolle spielen, da sie dessen Wirksamkeit sonst einfach aushebeln könnte.
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Ferner könne die Beigeladene nach Ansicht der Antragstellerin auch die Mindestanforderung an die vorgegebene Fahrzeit nicht einhalten. Nach Marktkenntnis der Antragstellerin habe die Beigeladene wohl mit einem Fahrzeittyp angeboten, der wegen seines Gesamtgewichtes die Fahrzeitvorgaben aus dem Leistungsverzeichnis übersteige. Es erscheine wahrscheinlich, dass die Bestätigung der … mit leeren Fahrzeugkonfigurationen ermittelt wurde, was gegen die Vorgaben des LV verstoße. Auch die Vorgaben zum Abstellkonzept erfülle die Beigeladene nicht. Es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene eine Abstellung der Züge in der Betriebsstelle S… plant, diese verfügt jedoch nicht über die notwendige Infrastruktur, insbesondere sei hier keine notwendige Zugvorheizanlage vorhanden. Der Antragsgegner habe das Abstellkonzept nicht in der gebotenen Tiefe geprüft, bei der Prüfung hätte er auch die für die Nachtabstellung erforderliche Infrastruktur mit einbeziehen müssen.
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Weiter habe die Beigeladene es auch unterlassen sich mit der … abzustimmen. Dies sei zwar nicht in den Vergabeunterlagen gefordert gewesen, jedoch dennoch zwingend notwendig gewesen, um eine Reihe von Mindestanforderungen erfüllen zu können. Wenn die Antragsgegnerin keine Abstimmung mit der … gewollt hätte, hätte sie die erforderlichen Informationen im Vorfeld selbst ermitteln und in den Vergabeunterlagen darstellen müssen. Neben der Abstimmung bestimmter individueller technischer Anforderungen hätte auch eine Abstimmung hinsichtlich des in den Vergabeunterlagen geforderten Dienstplanes stattfinden müssen, um die geforderte Zugbegleiterquote sicherstellen zu können und um den Personaleinsatz in den grenzüberschreitenden Streckenabschnitten zu regeln.
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Schlussendlich hätte die Beigeladene auch wegen ungewöhnlich niedriger Preise ausgeschlossen werden müssen, da es der Beigeladenen nicht gelungen sei, die von ihr angebotenen Preise zufriedenstellend zu erklären. Die Antragsgegnerin sei nach der Aufklärung zu dem Ergebnis gekommen, dass zumindest ein nicht unerhebliches Risiko einer Kostenunterdeckung bestehe. Die weiteren Aufklärungsversuche der Antragsgegnerin seien vergaberechtlich nicht zulässig gewesen, insbesondere die Videokonferenzen seien nicht in der gebotenen Weise dokumentiert worden. Auch sei das Ergebnis, dass trotz des beschriebenen Einnahmerisikos eine vertragsgemäße Leistung zu erwarten sei, nicht geeignet gewesen sämtliche Zweifel der Antragsgegnerin auszuräumen.
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Die Antragstellerinbeantragt
1. Gegen die Antragsgegnerin ein Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB einzuleiten und durchzuführen.
2. Der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag nicht auf das Angebot der Beizuladenden zu erteilen;
3. Der Antragstellerin gemäß § 165 GWB in dem zu einer effektiven Rechtswahrnehmung gebotenem Maß Einsicht in die Akten bei der Vergabekammer zu gewähren;
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
5. Der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
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Die Antragsgegnerinbeantragt
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1. Den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
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Die Akteneinsicht der Antragstellerin auf die Kapitel 13.1 und 13.2 des Vergabevermerks sowie die Anlagen 9.1, 9.7 und 9.8.2 des Vergabevermerks zu beschränken, wobei diese Anlagen zu schwärzen sind, soweit darin Inhalte der Angebote der Bieter wiedergegeben werden, und der Antragstellerin darüber hinaus Akteneinsicht zu verweigern,
- 3.
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Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären und
- 4.
-
Der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners nach § 182 Abs. 4 GWB aufzuerlegen.
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Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass die Antragstellerin bis zum Ablauf der Angebotsfrist die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Eignungsleihe hätte rügen müssen, da dies bereits aus den Vergabeunterlagen ersichtlich gewesen sei. Insoweit bestehe eine Rügepräklusion. Die Antragstellerin habe den vermeintlichen Verstoß als fachkundige Bieterin auch erkennen müssen, da bei SPNV-Leistungen die Frage der Eignungsleihe zum essentiellen Grundwissen eines durchschnittlichen Bieters in diesem Leistungsfeld gehöre. Die Vorgaben der Antragsgegnerin zum erforderlichen Einsatz von Eignungsgebern seien klar und eindeutig gewesen und der Verzicht auf einen umfassenden Einsatz der Eignungsgeber als Unterauftragnehmer sei bei Ausschreibungen für SPNV-Leistungen gängige Praxis. Den Einsatz des Eignungsgebers als Unterauftragnehmer habe die Antragstellerin auch nicht gefordert, dies ergebe sich auch nicht aus den Formulierungen in den Vergabeunterlagen. Die Antragstellerin habe ein unzutreffendes Verständnis des § 47 VgV.
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Die Beigeladene habe sich zudem in zulässiger Weise zum Nachweis ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit im Wege der Eignungsleihe auf die Leistungsfähigkeit eines Dritten berufen. Sie habe insbesondere die erforderlichen Dokumente vorgelegt, dass sie tatsächlich über die Erfahrung des Dritten verfügen könne. Sinn und Zweck von § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV sei es, dass der Auftrag in der geforderten Qualität erbracht werde und nicht eine bloße formale Bezugnahme auf die Kapazitäten Dritter sei. Dabei müsse der Eignungsverleiher nicht zwingend als Unterauftragnehmer beauftragt werden, es sei lediglich die tatsächliche Einbindung des verleihenden Unternehmens notwendig. Dies werde durch die Verpflichtungserklärung viel mehr gewährleistet als durch die Beauftragung des Eignungsgebers als Unterauftragnehmers. Auf Grund der Regelungen des § 131 Abs. 3 GWB, der vorschreibe, dass beim Betreiberwechsel Beschäftigte übernommen werden müssten, sei es ausreichend, dass die „Know-How-Träger“ des Eignungsgebers in die Leistungserbringung einbezogen werden. Dies betreffe hier hauptsächlich das Leitungs- und Planungspersonal. Angesichts der Vorschrift des § 131 Abs. 3 GWB sei es widersinnig, wenn der Auftragnehmer nach der Übernahme der Beschäftigten die vollständige Ausführung durch einen Eignungsgeber fordere. Dem stehe auch das Selbsterbringungsgebot aus Art. 4 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 entgegen. Dieses schreibe gerade nicht vor, dass eine Eignungsleihe nicht mehr möglich sein solle. Ferner müsse auch Newcomern der Marktzugang durch die Eignungsleihe möglich sein. Hier könnten auf Grund der Identität des Eignungsgebers keinerlei Zweifel an der Eignung der Beigeladenen bestehen. Zudem führe die Unternehmensgründung der Beigeladenen nahezu zum selben Ergebnis wie die ausdrücklich erlaubte Übertragung auf eine Projektgesellschaft.
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Die Beigeladene habe in ihrem Angebot von der von der Antragstellerin zugelassenen Möglichkeit Gebrauch gemacht darzustellen wie sie im Falle der Zuschlagserteilung bis zur Betriebsaufnahme eine Sicherheitsbescheinigung gemäß § 7a AEG erlangen werde. Diese Darstellung sei plausibel gewesen.
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Die Beigeladene sei auch nicht auf Grund des Beschlusses der Europäischen Kommission vom … gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen gewesen. Sie habe selbst keine wettbewerbsbeschränkenden Abreden getroffen und sei auch keine wirtschaftliche Einheit mit der [Großmuttergesellschaft] AG, sondern ein eigenständiges Unternehmen, bei welchem weder die Geschäftsführung personenidentisch sei noch die [Großmuttergesellschaft] AG direkte Weisungsbefugnisse gegenüber der Beigeladenen habe. Es sei der vergaberechtliche Unternehmensbegriff maßgeblich, welcher juristische Personen getrennt voneinander behandle, selbst wenn diese gesellschaftlich verbunden sind. Würde man den kartellrechtlich weiten Unternehmerbegriff zu Grunde legen, so müsse die Beigeladene sich schon keine Eignung leihen. Im Vergaberecht sei auch abschließend geregelt welches Verhalten einem Unternehmen zugerechnet werde, das Verhalten anderer gehöre nicht dazu. Ferner beziehe sich der festgestellte kartellrechtliche Verstoß auf einen gänzlich anderen Geschäftsbereich und läge bereits einige Zeit zurück. Zudem habe die [Großmuttergesellschaft] AG in dem Verfahren als Kronzeugin zur Aufklärung des Falles beigetragen. Diesen Umständen dürfe die Antragsgegnerin in einer Ermessensentscheidung auch Rechnung tragen. Es bestehe auch kein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beigeladenen und der kartellrechtlichen Zuwiderhandlungen, dies ist allein deshalb schon nicht möglich, da die Beigeladene erst nach den kartellrechtlichen Verstößen gegründet wurde. Auch sei die Beigeladene nicht mit Umgehungsabsichten gegründet worden, sondern ausschließlich für den Markteintritt in Deutschland.
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Die Beigeladene sei auch nicht auf Grund der Mitteilung der Europäischen Kommission vom … auszuschließen. Die Beigeladene selbst habe die Antragsgegnerin umgehend von dieser Mitteilung informiert. Ferner handle es sich lediglich um eine vorläufige Mitteilung, es sei also nicht auszuschließen, dass die Kommission nicht an ihrer Auffassung festhalten werde. So bestünde bei der Antragsgegnerin nicht nahezu Gewissheit, dass ein Kartellrechtsverstoß vorliege und ein Ausschluss gerechtfertigt sei. Dennoch habe die Antragsgegnerin geprüft, ob bei tatsächlichem Vorliegen des Kartellrechtsverstoßes der Muttergesellschaft und Eignungsleiherin der Beigeladenen ein Ausschluss der Beigeladenen geboten sei und sei zu dem Schluss gekommen, dass selbst dann kein Ausschluss geboten sei. Zum einen betreffe der Kartellrechtsverstoß Leistungen des Fernverkehrs, hier handle es sich jedoch um Nahverkehr zum anderen würden sich für die Antragsgegnerin nachteilige wirtschaftliche Folgen durch den Ausschluss ergeben und es wäre kein Wettbewerb mehr vorhanden. Auch läge der Verstoß bereits einige Zeit zurück und die Muttergesellschaft habe zwischenzeitlich ihr Verhalten geändert.
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Es seien auch keine Anzeichen ersichtlich, dass die Beigeladene die geforderten Fahrzeiten nicht einhalten könne. Es liege eine von der DB Netz AG bestätigte Fahrzeitrechnung für die von der Beigeladenen zum Einsatz vorgehsehnen Fahrzeuge vor. Aus den vorgelegten Massenangaben lasse sich auch erkennen, dass bei den Berechnungen keine Leergewichte zugrunde gelegt worden seien. Die Antragstellerin gehe offensichtlich von falschen Fahrzeugtypen aus. Das Angebot der Beigeladenen enthalte auch ein Abstellkonzept, das den formellen und materiellen Anforderungen der Leistungsbeschreibung entspreche, insbesondere enthalte es eine Vorabstimmung mit der DB Netz AG hinsichtlich der konkret in Frage kommenden Abstellgleise. Weitere Angaben, insbesondere Abstimmungen über die Nutzung weiterer Einrichtungen wie Zugvorheizanlagen seien nicht vorgegeben gewesen. Auch könne die Beigeladene die Leistung ohne eine Zugvorheizung in S… ordnungsgemäß erbringen.
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Eine bereits mit Angebotsabgabe erfolgte Abstimmung mit der … sei nicht gefordert gewesen. Hätte die Antragsgegnerin diese bereits im Stadium vor Angebotserstellung vorgeben wollen, so hätte sie dies ausdrücklich bestimmen müssen. Ein solche Forderung sei jedoch nicht möglich gewesen, da die … im Verfahren als Bieterin hätte auftreten können und so Kenntnisse von Angeboten von Mitbewerbern hätte erhalten können. Die Zulassung für das Netz der … müsse erst drei Monate vor Betriebsaufnahme vorliegen, nicht bereits bei Angebotsabgabe. Überhaupt sei die individuelle Abstimmung mit der … in Bezug auf die eingesetzten Fahrzeuge nicht nötig, da die eingesetzten Fahrzeuge die in der Leistungsbeschreibung genannten technischen Anforderungen erfüllen müssten. Auch für das Personalkonzept sei eine Abstimmung mit der … nicht notwendig, da der Personalbedarf unabhängig von der … bestehe.
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Das Angebot der Beigeladenen sei ferner auch auskömmlich gewesen, die anfänglichen Zweifel hinsichtlich des Preises habe die Beigeladene im Rahmen der Angebotsaufklärung vollständig beseitigen können. Die Antragsgegnerin habe auch so ausführlich und umfassend aufklären können und müssen, da sie nicht auf einer unvollständigen Informationsgrundlage entscheiden dürfe.
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Mit Beiladungsbeschluss vom 04.01.2022 wurde die Beigeladene beigeladen.
37
Die Beigeladenebeantragt
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1. Den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
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Der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen und
- 3.
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Festzustellern, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene notwendig war.
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Die Beigeladene trägt vor, dass die Antragstellerin mit ihrem Vortrag zur Eignungsleihe präkludiert sei, da die hier geltend gemachte Problematik bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen sei. Dies hätte sie als fachkundige Bieterin auch erkennen müssen, da in diesem Bieterkreis Fragen der Eignungskriterien und die damit verbundenen Eignungsnachweise zum Grundwissen eines durchschnittlichen Bieters gehören würden. Auch müsse ein durchschnittlicher Bieter wissen, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstausführungsgebot und der Eignungsleihe gebe. Aus der Angebotsaufforderung ergebe sich auch, dass der Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit auch durch eine Verpflichtungserklärung Dritter erbracht werden könne. Eine Einschränkung auf einen Einsatz als Nachunternehmer sei nicht erfolgt.
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Eine Beschränkung der Eignungsleihe auf einen Unterauftragnehmer würde den Wettbewerb zudem erheblich verkürzen und sei nach Ansicht der Beigeladenen nicht mit geltendem Vergaberecht vereinbar. Ferner wahre das Angebot der Beigeladenen den Sinn und Zweck der Eignungsleihe, nämlich, dass die fachliche Kompetenz des Eignungsgebers in die Leistungserbringung mit einbezogen werde. Als Tochtergesellschaft eines der größten europäischen Eisenbahnverkehrsunternehmen bestehe keine Gefahr, dass das Know-How des Eignungsgebers nicht bei der Beigeladenen zum Einsatz komme, die Beigeladene habe sich auch gegenüber der Antragsgegnerin dazu verpflichtet. Ferner wäre es widersinnig zu fordern, dass der Eignungsgeber als Nachunternehmer die vollständige Leistung erbringen müsse, da das bisherige Personal auf dessen Wunsch übernommen werden müsse. Der Know-How-Transfer sei durch den Einsatz erfahrenen Personals der Muttergesellschaft auf der Leitungs- und Planungsebene gewährleistet. Insbesondere habe die Beigeladene alle von der Antragsgegnerin geforderten Nachweise ordnungsgemäß vorgelegt, eine namentliche Nennung welche Personen bei der Erbringung der Leistung eingesetzt werden sollen sei nicht verlangt gewesen.
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Auch sei es nach den Vergabeunterlagen ausreichend gewesen, dass der Bieter angibt, wie er eine Sicherheitsbescheinigung im Falle der Zuschlagserteilung bis zur Betriebsaufnahme erlangen werde. Diese Forderung habe die Beigeladene ordnungsgemäß erfüllt, indem sie ihr geplantes Vorgehen zur Erlangung der Sicherheitsbescheinigung dargestellt habe.
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Die Beigeladene trägt weiter vor, dass sie nicht auf Grund des Kommissionsbeschlusses vom … gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen gewesen sei. Sie habe selbst keinen kartellrechtlichen Verstoß begangen, auch die Muttergesellschaft sei nicht involviert gewesen. Ferner habe die [Großmuttergesellschaft] AG auch nach einschlägigem … Gesellschaftsrecht keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber der Tochtergesellschaft und schon gar nicht gegenüber der Beigeladenen. Eine Zurechnung des kartellrechtlichen Verstoßes lasse § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auch nicht zu. Bezugspunkt des Ausschlusstatbestandes sei stets das Unternehmen als Wirtschaftsunternehmen und nicht die Unternehmensgruppe, in die es eingebunden ist. Der Unternehmerbegriff des Kartellrechts lasse sich nicht auf das Vergaberecht übertragen. Zudem sei § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ein fakultativer Ausschlussgrund und es liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Bei einer Ermessensentscheidung hätte die Antragsgegnerin den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und die Entfernung der Beigeladenen von der [Großmuttergesellschaft] AG, die unterschiedlichen betroffenen Branchen, den erheblichen Zeitablauf seit den Verstößen sowie die aktive Mithilfe der Großmuttergesellschaft bei der Aufklärung des Kartellverstoßes berücksichtigen müssen.
43
Auch ein Ausschluss auf Grund des am … von der Europäischen Kommission mitgeteilten mutmaßlichen Verstoßes der Muttergesellschaft und Eignungsgeberin der Beigeladenen rechtfertige keinen Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB, da es sich lediglich um vorläufige Auffassungen in einem laufenden Ermittlungsverfahren handle.
44
Die Beigeladene könne auch die Fahrzeiten einhalten. Für die Fahrzeitberechnung sei nicht nur die Behängung mit Wagen und deren Zuggewichte relevant, sondern auch die fahrdynamischen Eigenschaften der Lokomotiven. Außerdem habe die … die Berechnungen bestätigt. Die Beigeladene habe die Fahrzeitentestate ordnungsgemäß im Angebot vorgelegt. Ferner erfülle das von der Beigeladenen vorgelegte Abstellkonzept alle Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis und sei mit der DB Netz AG vorabgestimmt gewesen. Die in S… vorgesehenen Abstellflächen würden alle über Elektranten und teilweise über Vorheizanlagen verfügen, dies könne auch öffentlich im Internet so abgerufen werden. Auch würde die DB Netz AG die Abstellgleise erst im Rahmen des jährlichen Anmeldeverfahrens zuteilen, was, wie in der Leistungsbeschreibung auch berücksichtigt, zu notwendigen Änderungen des Abstellkonzeptes führen könne. Auch sei eine Zugvorheizanlage zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung nicht nötig, da die abgestellten Garnituren auch durch das Triebfahrzeug selbst vorgeheizt werden könnten.
45
Die eingesetzten Fahrzeuge seien für den grenzüberschreitenden Einsatz geeignet und zugelassen. Eine Abstimmung mit der … im Vorfeld sei nicht geschuldet gewesen und die Dienstplanung habe ohne die betroffenen Streckenabschnitte erfolgen dürfen. Das Angebot der Beigeladenen enthalte keine Aussagen, die im Widerspruch zu den von der Antragstellerin genannten Anforderungen an die Erbringung der grenzüberschreitenden Verkehre stehen.
46
Weiter trägt die Beigeladene vor, dass die Aufklärung des Angebots nicht gescheitert sei. Sie sei ihren Obliegenheiten nachgekommen und habe ordnungsgemäß an der Aufklärung mitgewirkt. Aus dem ersten Antwortschreiben der Beigeladenen hätte sich ein weiterer Aufklärungsbedarf ergeben, dem die Antragsgegnerin hätte nachgehen müssen. Bei komplexen Vergaben sei es nicht ungewöhnlich, dass die Aufklärung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten in mehreren Schritten erfolge, da sich die konkreten Fragen des öffentlichen Auftraggebers oft erst sukzessive ergeben würden. Die Antragsgegnerin habe nach der Aufklärung zutreffend die Prognose getroffen, dass die vertragsgemäße Leistungserbringung durch die Beigeladene außer Frage stehe.
47
In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2022 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme.
48
Während die Antragstellerin angibt, die Referenzanforderung als eine umfassende Referenz verstanden zu haben, bei der es auf die Kompetenz in allen Ebenen ankomme, gibt die Antragsgegnerin an, dass es ihr lediglich auf die Erfahrung und Kompetenz in der Organisations- und Leistungsebene angekommen sei. Diese habe sie allerdings nur über eine umfassende Referenz abfragen können. Die Zugkilometer pro Jahr habe sie sich angeben lassen, da sich der Organisationsaufwand auch aus der Größe und Komplexität des Netzes ablesen lasse. Die Beigeladene erklärt die Referenzanforderung so verstanden zu haben, dass der Eignungsgeber im Zweifel alles zu leisten habe. Weiter erklärt sie, dass auf Grund der hinter der Beigeladenen stehenden Mutter- und Großmutterfirmen keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen bestehen könnten. Die Vergabekammer weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass sie die Verpflichtungserklärung für zu weit gefasst halte, ein Bieter könne daraus nicht erkennen was er zu leisten habe.
49
Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Beigeladenen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB sehe die Vergabekammer derzeit nicht, allerdings müsse die Antragsgegnerin sich mit den gegen die Muttergesellschaft erhobenen Vorwürfe der EU-Kommission auseinandersetzten, erklärt die Vergabekammer weiter. Die Antragsgegnerin erklärt darauf, dass sie sich bereits damit auseinandergesetzt habe. Den Parteien wird hierfür eine Frist zur Stellungnahme nach der mündlichen Verhandlung gewährt.
50
Der ehrenamtliche Beisitzerhat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
51
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
52
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
53
1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
54
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
55
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 2 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen.
56
1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
57
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die umfassende Berufung der Beigeladenen auf die Referenzen Dritter im Rahmen der Eignungsleihe sowie durch den nicht erfolgten Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB geltend gemacht.
58
1.3. Die Rüge der Antragstellerin, dass eine umfassende Berufung der Beigeladenen auf Referenzen ihrer Muttergesellschaft, der [Muttergesellschaft] AG, im Rahmen der Eignungsleihe, wegen Verstoßes gegen das Gebot der Selbstausführung aus Art. 4 Abs. 7 der Verordnung 1370/2007 unzulässig sei, ist nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB präkludiert.
59
Nach § 160 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind. Die Erkennbarkeit ist dabei auf die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen und deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß zu beziehen. Maßgeblich ist, ob der Verstoß gegen Vergabevorschriften aufgrund der Bekanntmachung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dem durchschnittlich fachkundigen Bieter bei üblicher Sorgfalt erkennbar war und die Nichtfeststellung dieses Verstoßes insoweit vorwerfbar ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2015 - C-538/13).
60
Hiernach sind als vergaberechtswidrig Verstöße gegen Vergabevorschriften erkennbar, die sich auf eine allgemeine Überzeugung der Vergabepraxis gründen und gewissermaßen laienhaft und ohne Anwendung juristischen Sachverstands ins Auge fallen. Bei einem Durchschnittsbieter ist eine umfassende Kenntnis der vergaberechtlichen Literatur und Rechtsprechung nicht vorauszusetzen, insbesondere auch nicht im Einzelnen die Rechtsprechung zur Auslegung dieser Bestimmungen. Von Unternehmen, die sich an (europaweiten) Ausschreibungsverfahren beteiligen, ist jedoch zu erwarten, dass sie zumindest über einen aktuellen Text der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung verfügen und auch wissen, welchen Mindestanforderungen die Bekanntmachung eines Auftrags im offenen Verfahren genügen müssen. Ein Vergaberechtsverstoß, der sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einem Vergleich mit dem Text der Bekanntmachung und Vergabeunterlagen ohne Weiteres feststellen lässt, ist für jeden erkennbar, der über die intellektuellen Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein Angebot zu erstellen oder ein Unternehmen zu leiten (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.10.2021 - 54 Verg 5/21).
61
Nach diesen Grundsätzen kann dem Vortrag der Antragsgegnerin, dass es für die Antragstellerin möglich gewesen wäre, einen vermeintlichen Rechtsverstoß zu erkennen, nicht gefolgt werden. Insbesondere stellt die tatsächliche konkrete Inanspruchnahme der Eignungsleihe durch die Beigeladene keinen „Folgefehler“ eines aus den Vergabeunterlagen erkennbaren „Grundfehlers“ dar.
62
In den Vergabeunterlagen bzw. der Bekanntmachung ist auch kein „Grundfehler“ enthalten, den die Antragstellerin hätte erkennen können und müssen. Es wurde lediglich das Gebot der Selbstausführung gemäß Art. 4 Abs. 7 der VO 1370/2007 mit einer Selbstausführungsquote von mindestens 70% in § 3 A Abs. 7 des Verkehrsdurchführungsvertrags festgeschrieben, während gleichzeitig auch die Möglichkeit einer Eignungsleihe zum Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in den Vergabeunterlagen bzw. der Bekanntmachung eröffnet wurde. Allein die Möglichkeit einer Eignungsleihe neben einer festgeschriebenen Selbstausführungsquote von 70% führt jedoch noch zu keinem erkennbaren Vergabeverstoß, da es grundsätzlich möglich ist, dass eine Eignungsleihe hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vergaberechtskonform neben einem prozentualen Selbstausführungsgebot stehen kann. Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV muss lediglich die Leistung von dem eignungsgebenden Unternehmen erbracht werden, für welche die Eignungsleihe in Anspruch genommen wird. Es ist damit durchaus vorstellbar, dass ein Bieter hinsichtlich der Zugkilometer keine gleich umfassende Referenz, sondern nur 80% der ausgeschriebenen Leistung vorweisen kann und sich daher diesbezüglich auf die Kapazität eines anderen Unternehmens berufen will. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber wie im streitgegenständlichen Fall explizit keine identische oder vergleichbare Referenz gefordert hat, weil ein Bieter dennoch sichergehen will, dass seine technische und berufliche Leistungsfähigkeit vom öffentlichen Auftraggeber als ausreichend bewertet wird.
63
Erst die tatsächliche und umfassende Inanspruchnahme der Eignungsleihe durch die Beigeladene, die gar keine eigenen Referenzen zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit angegeben hat und diesbezüglich vollständig die Kapazität ihrer Muttergesellschaft in Anspruch nehmen will, hat im vorliegenden Fall bei der Antragstellerin zur Annahme eines Verstoßes gegen das Vergaberecht geführt. Von dieser Tatsache hat die Antragstellerin aber erst mit der Mitteilung nach § 134 GWB, in welcher ihr die Beigeladene als geplante Zuschlagsempfängerin eröffnet wurde, überhaupt Kenntnis erlangen können.
64
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
65
2.1. Das Angebot der Beigeladenen ist auszuschließen, da diese sich nicht im Rahmen der Eignungsleihe auf die Referenzen ihrer Muttergesellschaft stützen kann.
66
Nach § 47 VgV kann sich ein Bewerber oder Bieter zur Erfüllung bestimmter Eignungskriterien, nämlich im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit, auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen, sog. Eignungsleihe. Für Ausbildungsnachweise und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung i.S.v § 46 Abs. 3 Nr. 6 VgV oder für Nachweise hinsichtlich der einschlägigen beruflichen Erfahrung sieht § 47 Abs. 1 S. 3 VgV in Übereinstimmung mit Art. 63 Abs. 1 RL 2014/24/EU die Einschränkung vor, dass eine Eignungsleihe nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass das betreffende Unternehmen die betreffenden Leistungen auch tatsächlich erbringt. Das gilt hinsichtlich „einschlägiger beruflicher Erfahrung“ insbesondere auch für die Berufung auf Referenzen anderer Unternehmen.
67
Da die Antragsgegnerin eine umfassende Referenz über Leistungen im SPNV gefordert hat (siehe Punkt 2.1.1.), müsste bei einer Eignungsleihe die Muttergesellschaft der Beigeladenen als Eignungsgeberin auch die gesamten von der Referenz umfassten Leistungen ausführen (siehe Punkt 2.1.2.). Dies würde unweigerlich in Konflikt mit der Vorgabe des Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 führen, wonach ein bedeutender Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen ist. Die Antragsgegnerin hat den Selbsterbringungsanteil der fahrplanmäßigen Verkehrsleistungen im Schienenverkehr sowie der Leistungen des Zugbegleitpersonals in § 3 A Absatz 7 des Verkehrsdurchführungsvertrags auf 70% festgelegt. Eine Eignungsleihe, in dem von der Beigeladenen in ihrem Angebot vorgesehenen Umfang, ist damit nicht zulässig.
68
2.1.1. In der Auftragsbekanntmachung findet sich in Abschnitt III.1.3) als Mindestanforderungen an die Referenzen zum Kriterium der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit die Festlegung, dass eine Referenz über einen während der Jahre 2013 bis 2020 (nicht zwingend in allen Jahren) ausgeführten Dienstleistungsauftrag im SPNV vorzulegen sei. Weitere Mindestanforderungen hinsichtlich Art und Umfang der mit der Referenz zu belegenden (Teil-) Leistungen des Auftrags sind von der Antragsgegnerin nicht getroffen worden. Damit ist eine Referenz über eine vollständige Leistungserbringung im SPNV gefordert.
69
Die Vorgabe, dass die Referenzliste die „wesentlichen Dienstleistungen“ sowie die Angabe der Zugkilometer pro Jahr und den genauen Erbringungszeitraum aufführen muss, enthält ebenfalls keine Einschränkung hinsichtlich der mit der Referenz nachzuweisenden konkreten Tätigkeiten im Rahmen eines SPNV Dienstleistungsauftrags. Insbesondere ist dem keine Beschränkung darauf zur entnehmen, dass lediglich auf Leitungs- oder Organisationsfunktionen abgestellt werden würde. Aus dieser Formulierung und den abgefragten Details lässt sich vielmehr entnehmen, dass es der Antragsgegnerin gerade nicht um die Erfahrung bei der Leitung und Organisation der Erbringung von Verkehrsleistungen geht, weil sie zu diesbezüglichen Punkten überhaupt keine weiteren Details abgefragt hat. Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass aus der Angabe der Zugkilometer pro Jahr auf die Komplexität der Leistung geschlossen werden kann, ist dem zwar zuzustimmen, allerdings wird auch dabei die Gesamtleistung betrachtet und nicht nur bestimmte, nicht näher definierte Leitungs- oder Organisationsleistungen. Angesichts der in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigten Wichtigkeit der Disponenten, welche die Disposition und Koordination des Betriebsablaufs oder die kurzfristige Einsatzplanung der Triebfahrzeugführer oder des Zugbegleitpersonals bei Personalausfällen bzw. Arbeitsschwerpunkten übernehmen, kann zudem eine Einschränkung auf bestimmte Leitungspositionen mit dem entsprechenden Wissenstransfer, wie sie später von der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 08.02.2022 aufgeführt wurden, aus der ausgeschriebenen Referenzanforderung nicht herausgelesen werden.
70
Die Referenzanforderung der Antragsgegnerin kann demnach nur so ausgelegt werden, dass sie eine umfassende Referenz über alle relevanten und üblicherweise im Zusammenhang mit Dienstleistungsaufträgen im SPNV erbrachten Leistungen gefordert hat.
71
Dass die Antragsgegnerin angesichts der individuellen Umstände der ausgeschriebenen Leistung, wie der Festlegung einer hohen Selbstausführungsquote von 70% oder des nach § 131 Abs. 3 GWB vom Bestandsbetreiber zu übernehmenden Personals, auch lediglich eine Referenz über die Erfahrung des Leitungs- und Planungspersonals hätte fordern können oder wollen, bleibt bei der Auslegung, was die Antragsgegnerin tatsächlich gefordert hat, außer Betracht.
72
2.1.2. Voraussetzung für eine Eignungsleihe bei der beruflichen Leistungsfähigkeit zum Nachweis der einschlägigen beruflichen Erfahrung ist unter anderem, dass der Eignungsgeber die Leistungen auch erbringt, für die der Nachweis der einschlägigen beruflichen Erfahrung (hier der Referenz) gefordert war.
73
Kann ein Bieter eine vom öffentlichen Auftraggeber geforderte Referenz nicht selbst beibringen, steht ihm nach § 47 Abs. 1 VgV die Eignungsleihe offen. Allerdings kann ein Bieter nach § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV im Hinblick auf Nachweise für die einschlägige berufliche Erfahrung die Kapazitäten anderer Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen, wenn diese die Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Soweit die Antragsgegnerin und die Beigeladene vortragen, dass nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV und des Art. 63 Abs. 1 der RL 2014/24/EU ausreichend sei, dass der Eignungsgeber lediglich die Leistungen erbringt, über die die erforderlichen Erfahrungen vermittelt würden und die damit eine hinreichende Gewähr für eine Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen in angemessener Qualität böten, ist einer derartigen Einschränkung nicht zu folgen. Vielmehr muss der Eignungsgeber die gesamte Leistung erbringen, welche von der Anforderung oder dem diesbezüglich geforderten Nachweis umfasst ist, die der Bieter nicht selbst leisten oder beibringen kann.
74
Der Wortlaut in der deutschen Fassung der Richtlinie spricht zwar davon, dass der Eignungsgeber diejenigen Arbeiten ausführen beziehungsweise die Dienstleistungen erbringen müsse, für welche „diese Kapazitäten benötigt“ würden, jedoch wird erst im Vergleich mit der englischen und der französischen Fassung des Art. 63 Abs. 1 klar, dass der Begriff der „Kapazität“ hier die in Art. 58 Abs. 1 und 4 genannten Anforderungen hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit inklusive der Referenzen meint.
75
Der englische Wortlaut der Richtlinie besagt: „With regard to criteria relating […] to the relevant professional experience, economic operators may however only rely on the capacities of other entities where the latter will perform the works or services for which these capacities are required.“
76
Der französische Wortlaut für Art. 63 Abs. 1 lautet: „En ce qui concerne les critères relatifs […] à l’expérience professionnelle pertinente, les opérateurs économiques ne peuvent toutefois avoir recours aux capacités d’autres entités que lorsque ces dernières exécuteront les travaux ou fourniront les services pour lesquels ces capacités sont requises.“
77
Die Bedeutung des Begriffs „Kapazität“ bzw. „capacity“ oder „capacité“ ist zentral für das Verständnis, wie genau eine Eignungsleihe ausgestaltet werden muss. In der französischen Fassung wird als „capacité“ beispielsweise in der Vorbemerkung 15 der Richtlinie die wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit bezeichnet. In der englischen Fassung dagegen wird in der Vorbemerkung 15 das Wort „capacity“ gar nicht verwendet, sondern die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit als „economic and financial standing“ und die technische und berufliche Leistungsfähigkeit als „technical and professional ability“ bezeichnet. Diese Unterscheidung findet sich in der englischen Fassung auch in Art. 58 Abs. 1.
78
In der Vorbemerkung 83 der Richtlinie spricht die deutsche Fassung wieder von „wirtschaftlicher und finanzieller Leistungsfähigkeit“, die französische von „capacité économique et financière“ und die englische Fassung von „economic and financial capacity“.
79
In der Vorbemerkung 101 spricht die deutsche Fassung von „technischer und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“, die englische von „technical and economical capacity“ und die französische von „capacités techniques et économique“.
80
Es ist damit der französischen Fassung der RL 2014/24/EU zu entnehmen, dass diese den Begriff „capacité“ konsequent für die wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit verwendet. Die deutsche Fassung der Richtlinie verwendet das Wort „Leistungsfähigkeit“ ebenfalls konsequent auf diese Weise, lediglich in Art. 63 wird das Wort „Kapazität“ in der Richtlinie verwendet. Die englische Fassung der Richtlinie hat für die wirtschaftliche und berufliche Leistungsfähigkeit in Art. 58 Abs. 1 das Wort „standing“ und für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit das Wort „ability“ benutzt für alle Arten der Leistungsfähigkeit jedoch auch das Wort „capacity“.
81
Im Vergleich mit der englischen und der französischen Fassung der RL 2014/24/EU ist damit unter dem Wort „Kapazität“ im Art. 63 Abs. 1 die Leistungsfähigkeit im Sinne des Art. 58 Abs. 1 und 4 genannten Anforderungen zu verstehen. Der Art. 63 Abs. 1 der RL 2014/24/EU und damit auch der § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV ist damit so zu lesen, dass in Bezug auf die Kriterien für die einschlägige berufliche Erfahrung (dies sind nach Art. 58 Abs. 4 der RL 2014/24/EU in der Regel Referenzen), sich Wirtschaftsteilnehmer nur dann auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen stützen können, wenn das andere Unternehmen auch die Arbeiten ausführt bzw. die Dienstleistung erbringt, für die die Leistungsfähigkeit nachzuweisen ist. Das bedeutet hinsichtlich der durch eine Referenz nachzuweisenden beruflichen Erfahrung, dass alle Teile der ausgeschriebenen Leistung, für welche eine Referenz zu erbringen war und für die der Bieter nicht auf eine eigene Referenz zurückgreifen kann, von dem Unternehmen auszuführen sind, auf dessen Leistungsfähigkeit - nämlich die durch eine Referenz nachweisliche berufliche Erfahrung - sich der Bieter stattdessen stützen will.
82
2.1.3. Selbst wenn man eine einschränkende Auslegung der mit der Referenz nachzuweisenden Leistung annähme, die nicht mit der geforderten Selbstausführungsquote in Konflikt käme, so wäre die von der Beigeladenen abgegebene Verpflichtungserklärung nicht ausreichend, da damit nicht festgelegt ist, wie das Personal, das über die mit den Referenzen erlangte Erfahrung verfügt, im Auftragsfall bei der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung eingesetzt wird.
83
Die Regelungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 und insbesondere Abs. 5 VgV (Art. 63 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 der RL 2014/24/EU) sind vom Richtliniengeber gewollte einschränkende Voraussetzungen für eine Eignungsleihe gegenüber dem Rechtszustand unter Geltung der RL 2004/18/EG. Anders als nach der vor 2016 geltenden Rechtslage soll eine Eignungsleihe in Bezug auf die Kriterien für Ausbildungsnachweise und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung oder für die einschlägige berufliche Erfahrung gerade nicht immer dann möglich sein, wenn ein Unternehmen nachweist, dass ihm die Kapazitäten des eignungsverleihenden Unternehmens irgendwie zur Verfügung stehen (VK Südbayern, Beschluss vom 25.02.2021 - 3194.Z3-3_01-20-47).
84
Im vorliegenden Fall ist nach der Auffassung der Vergabekammer Südbayern das von der Antragsgegnerin vorgefertigte Formular für die Verpflichtungserklärung unzureichend, wenn lediglich auf die Verpflichtung von Führungs- und Organisationsfunktionen abgestellt werden soll. Ein allgemeines Berufen darauf, dass Mitarbeitende der eignungsverleihenden Unternehmen, die an den entsprechenden Referenzaufträgen beteiligt waren, dem neu gegründeten Tochterunternehmen über den gesamten Leistungszeitraum irgendwie zur Verfügung stehen, kann aufgrund des deutlichen Wortlauts des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV / Art. 63 Abs. 1 der RL 2014/24/EU und der Intention des Richtliniengebers, die Eignungsleihe stärker zu reglementieren, nicht ausreichen (VK Südbayern, Beschluss vom 25.02.2021 - 3194.Z3-3_01-20-47).
85
Weder aus dem Angebot noch aus der Verpflichtungserklärung der Beigeladenen lässt sich erkennen, inwieweit die eignungsverleihende Muttergesellschaft der Beigeladenen tatsächlich an der Auftragsausführung beteiligt werden soll. Erst mit Schriftsatz vom 08.02.2022 hat die Beigeladene vier Personen in Leitungsfunktionen benannt, die von der … AG zur Beigeladenen wechseln sollen und so den mit den Referenzen erworbenen Know-How-Transfer gewährleisten und bei der Auftragsausführung beteiligt werden sollen. Ob weitere Mitarbeitende oder sonstige Ressourcen (z.B. Werkstätten, Einkaufskonditionen, Fuhr- und Gerätepark) der Eignungsgeberin der Beigeladenen ebenfalls und in welchem Umfang zur Verfügung stehen, ist auch den im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Schriftsätzen nicht zu entnehmen. Die Beigeladene hat zudem in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass weder ihr noch der Eignungsgeberin genau klar ist, was genau von der Verpflichtungserklärung umfasst sei, so dass sie „im Zweifel alles“ leisten würden.
86
2.2. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen.
87
Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen von einer Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen Vereinbarungen mit anderen Unternehmen getroffen hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.
88
2.2.1. Ein Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf Grund der Kommissionsentscheidung … vom … kommt nicht in Betracht, da die Beigeladenen selbst keinen kartellrechtlichen Verstoß begangen hat und der Verstoß der [Großmuttergesellschaft] AG ihr nicht zugerechnet werden kann.
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB setzt voraus, dass das Unternehmen eine wettbewerbsbeschränkende Absprache getroffen hat, welches vom Verfahren ausgeschlossen werden soll. Eine Zurechnung des Verhaltens anderer, auch konzernverbundener Unternehmen sieht weder § 124 GWB noch Art. 57 der RL 2014/24/EU vor.
89
Die Kommission hat am … einen Beschluss bezüglich des wettbewerbswidrigen Verhaltens bei der Kundenzuteilung im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr durch …, … und … erlassen. Der Beschluss war auf Seiten der … an die [Großmuttergesellschaft] Aktiengesellschaft und die [Tochter der Großmuttergesellschaft] Aktiengesellschaft gerichtet. Eine Einbeziehung der Beigeladenen oder auch nur ihrer Muttergesellschaft der [Muttergesellschaft] AG in den Beschluss der Kommission ist nicht erfolgt, so dass ein wettbewerbswidriges Verhalten dieser beiden Unternehmen mit diesem Beschluss nicht festgestellt wurde.
90
Da § 124 GWB den Art. 57 der RL 2014/24/EU umsetzt, ist zur Auslegung des vergaberechtlichen Begriffs des Unternehmens auf diese zurückzugreifen. Die Richtlinie verwendet statt des Begriffs des Unternehmens den Begriff des Wirtschaftsteilnehmers. Dieser ist definiert in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 der RL 2014/24/EU. Danach ist ein Wirtschaftsteilnehmer eine natürliche oder juristische Person oder öffentliche Einrichtung oder eine Gruppe solcher Personen und/oder Einrichtungen, einschließlich jedes vorübergehenden Zusammenschlusses von Unternehmen, die beziehungsweise der auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen anbietet. Dabei ist zudem zu unterscheiden, dass eine Gruppe von Personen oder Einrichtungen, die als ein Wirtschaftsteilnehmer zählen können von einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern wie in Vorbemerkung 15 zu unterscheiden ist.
91
Die Beigeladene ist als juristische Person eigenständiger Wirtschaftsteilnehmer, da sie auf dem Markt die Erbringung von Dienstleistungen anbietet. Sie bildet weder mit ihrer Muttergesellschaft noch mit ihrer Großmuttergesellschaft eine Gruppe an juristischen Personen, die als ein einzelner Wirtschaftsteilnehmer zählen würden, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese drei juristischen Personen sich so zusammengeschlossen haben, dass sie als ein einzelner Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt agieren würden.
92
Der Begriff des Wirtschaftsteilnehmers (in der englischen Sprachfassung „economic operator“) in der RL 2014/24/EU ist bereits sprachlich nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des Unternehmens (in der englischen Sprachfassung „undertaking“) aus dem Wettbewerbsrecht der Union, insbesondere aus Art. 101 AEUV. Das Wettbewerbsrecht der Union legt für die Tätigkeit von Unternehmen als entscheidendes Kriterium das Vorhandensein eines einheitlichen Verhaltens auf dem Markt fest, ohne dass die formale Trennung zwischen verschiedenen Unternehmen, die sich aus der Verschiedenheit ihrer Rechtspersönlichkeiten ergibt, eine solche Einheit für die Anwendung der Wettbewerbsregeln ausschließen kann (vgl. EuGH Urteil vom 06.10.2021, Sumal, S.L./Mercedes Benz Trucks España, S.L. - C-882/19; Rn. 41).
93
Aber auch wenn man den Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit verschiedener natürlicher oder juristischen Personen zugrunde legt, wäre die Beigeladene hinsichtlich der von der Kommission mit Beschluss vom … festgestellten Wettbewerbsverletzung nicht als wirtschaftliche Einheit mit der [Großmuttergesellschaft] AG anzusehen. In einem Konzern können die verschiedenen Gesellschaften je nach wirtschaftlichem Bereich, in dem sie tätig sind, zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Einheiten gehören. Ein und dieselbe Muttergesellschaft kann Teil mehrerer wirtschaftlicher Einheiten sein, die nach Maßgabe der fraglichen wirtschaftlichen Tätigkeit aus ihr selbst und aus verschiedenen Kombinationen ihrer Tochtergesellschaften bestehen, die alle zur selben Unternehmensgruppe gehören. Eine Tochtergesellschaft eines Konzerns kann demnach nicht für wettbewerbswidrige Zuwiderhandlungen haftbar gemacht werden, die im Rahmen von wirtschaftlichen Tätigkeiten begangen wurden, die in keinem Zusammenhang mit ihrer eigenen Tätigkeit stehen und an denen sie in keiner Weise, auch nicht mittelbar, beteiligt war (EuGH Urteil vom 06.10.2021, Sumal, S.L./Mercedes Benz Trucks España, S.L. - C-882/19; Rn. 47).
94
Entsprechend diesen Voraussetzungen kann der Beigeladenen der kartellrechtliche Verstoß der [Großmuttergesellschaft] AG und der [Tochter der Großmuttergesellschaft] AG nicht zugerechnet werden, auch wenn diese demselben Konzern angehören. Der Beschluss der Kommission vom … ist ausdrücklich an die [Großmuttergesellschaft] AG und deren Tochter, die … AG, gerichtet und betrifft Gütertransporte in den herkömmlichen Branchen (mit Ausnahme der Automobilbranche), die im Rahmen des sog. Frachtverteilungsmodells in Ganzzügen durchgeführt wurden. Die Beigeladene und ihre Muttergesellschaft, die [Muttergesellschaft] AG, dagegen haben mit dem fraglichen Gütertransportgeschäft, auf das sich der Beschluss der Kommission vom … bezieht, nichts zu tun. Insbesondere legt das … Bundesbahngesetz die Aufgaben der einzelnen Gesellschaften explizit fest, so dass die Geschäftsbereiche organisatorisch scharf getrennt sind und auch einem Quersubventionsverbot unterliegen.
95
2.2.2. Ein Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf Grund der Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen die [Konzern der Beigeladenen] wegen eines kollektiven Boykotts im Schienenpersonenfernverkehr kommt ebenfalls nicht in Betracht, da eine Mitteilung der Beschwerdepunkte („Statement of Objection“) noch nicht ausreicht, um hinreichende Anhaltspunkte zu begründen.
96
Am … hat die Europäische Kommission eine Pressemitteilung herausgegeben, wonach die Europäische Kommission die … und … Schienenverkehrsbetreiber, … und [Konzern der Beigeladenen] von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt habe, dass beide gegen EU-Kartellvorschriften verstoßen hätten. Ermittlungen der Kommission hätten ergeben, dass die … und die [Konzern der Beigeladenen] zwischen 2012 und 2016 einen kollektiven Boykott betrieben haben, um ihre Marktposition zu erhalten und die Expansion von … zu behindern, indem sie dieser den Zugang zu den gebrauchten Wagen der [Konzern der Beigeladenen] für den Schienenpersonenfernverkehr erschwert hätten.
97
Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Verfahrensschritt bei Untersuchungen, die die Kommission wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften einleitet. In einer solchen Mitteilung setzt die Kommission die Parteien schriftlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe in Kenntnis. Die Beteiligten können daraufhin die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, schriftlich Stellung nehmen und eine mündliche Anhörung beantragen, um Vertretern der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden ihren Standpunkt darzulegen.
98
Die Antragsgegnerin hat sich nach Veröffentlichung der Pressemitteilung im laufenden Nachprüfungsverfahren mit den Vorwürfen auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem mit der Pressemitteilung vom … bekannt gewordenen Sachverhalt keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu entnehmen seien. Der Gesetzesbegründung zu § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB lasse sich entnehmen, dass die bloße Durchführung von kartellbehördlichen Ermittlungsmaßnahmen regelmäßig noch nicht ausreichen soll, um einen Ausschlussgrund nach Nr. 4 zu begründen (BT-Drs. 18/6281, S. 106). Aus der Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom … lasse sich nach Auffassung des Auftraggebers nicht entnehmen, dass über die Verwirklichung eines Kartellverstoßes „nahezu Gewissheit“ besteht. Vielmehr weist die Kommission ausdrücklich auf die Vorläufigkeit ihrer Auffassung und auf die erst nunmehr eröffnete Möglichkeit der Stellungnahme der betroffenen Unternehmen hin. Das Stadium der Untersuchung entspräche daher nach Einschätzung des Auftraggebers daher eher den „kartellbehördlichen Ermittlungsmaßnahmen“.
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Die Vergabekammer folgt dieser Einschätzung der Antragsgegnerin. Das „Statement of Objections“ ist noch Teil der kartellrechtlichen Ermittlungen und die betroffenen Unternehmen erhalten danach erstmals die Gelegenheit die Akten der Ermittlungen einzusehen und sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern. Erst mit dem Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten sind die kartellrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen.
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2.3. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht nach § 60 Abs. 3 VgV auszuschließen, da die Antragsgegnerin den Preis des Angebots zufriedenstellend aufklären konnte.
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Eine Aufklärung ist dann nicht zufriedenstellend, wenn sie trotz pflichtgemäßer Anstrengung des öffentlichen Auftraggebers keine gesicherte Tatsachengrundlage für die Feststellung bietet, das Angebot sei angemessen und der Bieter sei in der Lage, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen. Dadurch soll im Interesse des öffentlichen Auftraggebers vermieden werden, dass Bieter den Zuschlag erhalten, die wegen des niedrig kalkulierten Preises nicht in der Lage sind, den Vertrag zu Ende zu führen. Die Notwendigkeit der Begründung eines ungewöhnlich niedrigen Preises zielt im Kern darauf ab, Zweifel an der vertragskonformen Zuverlässigkeit des Bieters auszuräumen (vgl (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020, Verg 26/19).
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Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Aufklärung als zufriedenstellend im Sinne des § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV zu qualifizieren ist, wenn nach der Prognose des Auftraggebers trotz des niedrigen Preises mit einer vertragsgerechten Leistungserbringung zu rechnen ist. Dazu ist es indes nicht erforderlich, dass der betroffene Bieter im Rahmen der Preisaufklärung die Auskömmlichkeit seines Angebots nachweist. Denn auch auf Unterkostenangebote kann der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag erteilen, wenn der Bieter mit ihm wettbewerbskonforme Ziele verfolgt und er nachweisen kann, trotz Unauskömmlichkeit den Auftrag zu erfüllen. Die Entscheidung darüber prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse, wobei ihm ein dem Beurteilungsspielraum rechtsähnlicher Wertungsspielraum zukommt, der von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur dahin überprüfbar ist, ob der Auftraggeber seiner Entscheidung einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat und aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Bieter zuverlässig wird leisten können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020, Verg 26/19).
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Der Auftraggeber darf einen Zuschlag folglich dann auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Anbieter auch zu diesem Preis zuverlässig und vertragsgerecht leisten kann. Die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten ist in diesem Fall zufriedenstellend aufgeklärt (Steck, in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage, § 60 Rn. 16).
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Die Antragsgegnerin hat das von ihr als ungewöhnlich niedrig identifizierte Angebot der Beigeladenen über die hier streitgegenständlichen Leistungen in Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 60 Abs. 2 VgV aufgeklärt. Dass im Zuge dieser Aufklärung nach Auswertung der Antworten der Beigeladenen aus deren Schreiben vom 07.10.2021 weiterer Aufklärungsbedarf für die Antragsgegnerin bestand, führt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht dazu, dass die Aufklärung als „gescheitert“ zu qualifizieren wäre. Letztlich hat die Antragsgegnerin durch die Aufklärung die Informationen erhalten, dass sie zu dem von ihr erkannten Risiko einer Kostenunterdeckung eine Prognose erstellen konnte, ob die vertragsgemäße Leistungserbringung durch die Beigeladene zu erwarten ist.
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Die Vergabekammer kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die von der Antragsgegnerin getroffene Prognoseentscheidung fehlerhaft wäre. Insbesondere hat die Antragsgegnerin den Sachverhalt zutreffend ermittelt und die Risiken umfassend gegeneinander abgewogen.
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2.4. Die Beigeladene hat zwar mit Angebotsabgabe keine Sicherheitsbescheinigung gemäß § 7a AEG vorgelegt hat, jedoch zulässigerweise ein umfangreiches Konzept zur Erlangung der Sicherheitsbescheinigung bis zur Betriebsaufnahme eingereicht hat.
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In der Auftragsbekanntmachung war unter Ziffer III.1.1) vorgesehen, dass der Bieter entweder eine zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gültige Sicherheitsbescheinigung nach § 7a Abs. 1 oder Abs. 4 AEG vorlegen muss oder alternativ in seinem Angebot darstellen kann, wie er die Zulassung als Eisenbahnverkehrsunternehmen samt erforderlicher Erlangung der Sicherheitsbescheinigung bis zur Betriebsaufnahme erlangen werden wird. Die Antragsgegnerin hat diese Darstellung geprüft und auf Seite 21 des Vergabevermerks dokumentiert, dass diese im Ergebnis inhaltlich plausibel und nachvollziehbar erscheint, so dass angenommen werden kann, dass mit einer Erlangung der Unternehmensgenehmigung und der Sicherheitsbescheinigung bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme zu rechnen ist.
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Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Prognose der Antragsgegnerin unzutreffend sein könnte.
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2.5. Die Beigeladene hat mit ihrem Angebot eine von der DB Netz AG bestätigte Fahrzeitrechnung für die von ihr zum Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge bzw. Fahrzeugkombinationen eingereicht.
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Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Beigeladene könne mit den schweren Reisezugwagen des Typs Bmpz/Ampz, welche diese nach Marktkenntnis der Antragstellerin einsetze, die Fahrzeitenvorgaben nicht einhalten, ist dies kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die von der DB Netz AG bestätigten Fahrzeiten nicht zutreffen. Die Beigeladene hat die detaillierte Fahrzeitenberechnung der DB Netz AG mit ihrem Angebot eingereicht, aus welcher sich auch die zu Grunde gelegten Gewichte der Reisezugwägen ergeben. Die Antragsgegnerin hat diese Fahrzeitenberechnung überprüft und konnte keine Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten feststellen. Die Beigeladene bietet zudem eine Vielzahl an unterschiedlichen Typen von Reisezugwagen an und führt selbst aus, dass für die Fahrzeitenberechnung nicht nur die Behängung mit Wagen und deren relevante Zuggewichte und Bremseigenschaften relevant seien, sondern auch die fahrdynamischen Eigenschaften der Lokomotiven. Zudem habe sie in den Fällen, in denen eine Einfachtraktion für die Einhaltung der Fahrzeiten nicht ausgereicht hätte, eine Doppeltraktion geplant und dies der DB Netz AG auch so vorgelegt. Die Vergabekammer sieht nach dem substantiierten Vortrag der Beigeladenen zu den Fahrzeiten und der Bestätigung durch die DB Netz AG keine konkreten Hinweise darauf, dass die Beigeladene diese bestätigten Fahrzeiten nicht einhalten könne.
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2.6. Das Abstellkonzept der Beigeladenen wird den Anforderungen der Leistungsbeschreibung gerecht, da es mögliche konkrete Gleise für die Abstellung der Züge benennt. Da die DB Netz AG die Abstellgleise im Rahmen der jährlichen Anmeldeverfahren zuweist, kann von keinem Bieter ein Konzept eingereicht werden, dass die Nutzung bestimmter Gleise zum Abstellen verbindlich zusagt. Die Leistungsbeschreibung trägt dem auch Rechnung, da erst nach Zuschlagserteilung das Konzept in Abstimmung mit der DB Netz AG zu prüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln ist.
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Der Beigeladenen kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie wissentlich in ihrem Abstellkonzept falsche Angaben gemacht hat. Im Abstellkonzept der Beigeladenen ist vorgesehen, dass sie in S… Gleise mit Elektrant und teilweise mit Zugvorheizanlage erhalten kann. Die angegebenen (vorläufigen) Abstellgleise enthalten zwar nach der Tabelle der DB Netz AG ([Link]) alle einen Elektranten, jedoch ist für keines der in S… prinzipiell verfügbaren Abstellgleise eine Zugvorheizanlage als Zusatzausstattung angegeben. Allerding ist unter [Link] auch aktuell noch ein Datensatz abrufbar, in welchem für das Gleis 32 in S… eine Zugvorheizanlage in der Skizze eingezeichnet ist. Diese widersprüchlichen Angaben der DB Netz AG können der Beigeladenen nicht zugerechnet werden, zumal weder eine Zugvorheizanlage für die Abstellung gefordert war noch die Gleise vor Angebotsabgabe verbindlich zugeteilt werden können.
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Weitere Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Abstellkonzept der Beigeladenen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2.7. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass es ihr nicht bekannt ist, dass die Beigeladene sich vor der Angebotsabgabe mit der … abgestimmt hat, ist dem entgegenzuhalten, dass eine explizite Abstimmung mit der … durch die Bieter im Vergabeverfahren weder gefordert war noch für eine Angebotsabgabe zwingend erforderlich war.
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Bezüglich der unter 4.2.1. in der Leistungsbeschreibung geforderten Zulassung für das Netz der … war diese explizit erst drei Monate vor Betriebsaufnahme gefordert und nicht bereits mit Angebotsabgabe. Da die Beigeladene vorträgt, dass die von ihr für den grenzüberschreitenden Verkehr vorgesehenen Reisezugwagen die internationalen Standards erfüllen und entsprechend im RIC-Raster registriert sind und die vorgesehen Lokomotiven bereits für den Einsatz in … zugelassen sind und in anderen Kooperationen mit der … bereits eingesetzt sind, ergeben sich aus dem pauschalen Vortrag der Antragstellerin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die geforderte Zulassung nicht rechtzeitig würde vorlegen können.
116
Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die … besondere technische Anforderungen an die von ihr oder in Kooperation mit ihr eingesetzten Fahrzeuge hat, bei denen es sich nicht um einheitliche und öffentlich bekannte Anforderungen handelt, sondern die in Bezug auf den jeweiligen Streckenabschnitt festgelegt werden, hat die Antragstellerin keine Details zu diesen Anforderungen vorgelegt. Die fahrdrahtabhängige Traktion und die Anforderungen an die Notbremsüberbrückung waren bereits in der Leistungsbeschreibung aufgeführt. Darüber hinaus hat die Antragstellerin keine konkreten Anforderungen genannt, welche zwingend mit der … hätten abgesprochen werden müssen.
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Auch dem Vortrag der Antragstellerin, dass eine Absprache für ein plausibles Personalkonzept notwendig gewesen wäre, kann nicht gefolgt werden, da für das einzureichende Personalkonzept für eine Musterwoche nach der Beantwortung der Bieterfrage 2 in der Bieterinformation 18 lediglich eine Dienstplanung ab F… erfolgen sollte und der Abschnitt bis zur Grenze bei der Erstellung des Konzepts außer Betracht bleiben durfte. Die von der Antragstellerin aufgeführten Szenarien zum Personalwechsel und der Einbeziehung des Personals der … sind damit jedoch dann lediglich in der tatsächlichen Vertragsdurchführung relevant, nicht jedoch für das einzureichende Personalkonzept. Im Personalkonzept ist entsprechend der Beantwortung der Bieterfrage von einem Personalwechsel in F… auszugehen.
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3. Kosten des Verfahrens
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegend die Antragsgegnerin und die Beigeladene.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Im vorliegenden Fall war die wirtschaftliche Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens außergewöhnlich hoch, so dass eine Gebühr von … € angesetzt wird. Gründe für eine Reduzierung der Gebühr sind nicht ersichtlich.
122
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von … Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
123
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
124
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich der Eignungsleihe und des möglichen Ausschlusses der Beigeladenen auf Grund wettbewerbswidrigen Verhaltens komplex und selbst von einem Bieter, der in europaweiten Ausschreibungen mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung bewandert ist, nicht ohne anwaltliche Beratung zu bewältigen.