Inhalt

OLG München, Beschluss v. 14.09.2022 – 27 U 2945/22
Titel:

Keine Haftung von Audi für den entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motor (hier: Audi Q7 3.0 TDI)

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2
ZPO § 148, § 522 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
RL 2007/46/EG Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1, Art. 46
AEUV Art. 267
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; OLG Koblenz BeckRS 2020, 34715; BeckRS 2022, 25169; BeckRS 2022, 25068; BeckRS 2022, 25069; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 5590; LG Memmingen BeckRS 2022, 26799; BeckRS 2022, 27802; LG Augsburg BeckRS 2022, 26492 sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Stellungnahme des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshof vom 2.06.2022 gibt zu einer Aussetzung des Verfahrens keine Veranlassung. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gint keinen Anlass anzunehmen, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Presseerklärung vom 1.07.2022 eine Wartepflicht der Instanzgerichte statuieren wollte. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, EA 897, CRTC, Schadensersatz, unzulässige Abschalteinrichtung, (keine) missbräuchliche Prüfstands- oder Prüfzykluserkennung, NEFZ, Realbetrieb
Vorinstanz:
LG Augsburg, Endurteil vom 12.04.2022 – 021 O 3107/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25037

Tenor

1. Der - erneute - Antrag des Klägers, bis zur Entscheidung des Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof im Verfahren VIa ZR 335/21 das Verfahren gemäß § 148 ZPO auszusetzen bzw. eine Entscheidung des Senats zurückzustellen, wird zurückgewiesen.
Soweit der Schriftsatz des Klägers vom 07.09.2022 als Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 05.07.2022 zu verstehen ist, wird diese zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12.04.2022, Aktenzeichen 021 O 3107/21, wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 45.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
1. Der Senat hat die Argumentation in den Schriftsätzen des Klägers vom 29.06.2022 und vom 07.09.2022 geprüft, hält aber an seiner im Hinweisbeschluss vom 29.06.2022 dargelegten Rechtsauffassung fest. Auch die Stellungnahme des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshof vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420, gibt zu einer Aussetzung des Verfahrens keine Veranlassung. In Anwendung seines richterlichen Ermessens hält der Senat weiterhin eine Aussetzung des Verfahrens nicht für sachgerecht.
2
Der Senat hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, insbesondere die Urteile des EuGH vom 17.12.2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216 und vom 14.07.2022 (C-128/20, BeckRS 2022, 16622, C-134/20, BeckRS 2022, 16621, C-145/20, BeckRS 2022, 16620) ausgewertet und seine Entscheidung hieran orientiert. Auf dieser Grundlage hat der Senat unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die Überzeugung gebildet, dass vorliegend die richtige Anwendung des Unionsrechts, insbesondere die Frage des Drittschutzes des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 und der RL 2007/46/EG angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks des geltenden Unionsrechts derartig offenkundig zu beantworten ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2021 - VII ZR 280/20, BeckRS 2021, 28852 Rn. 1; BGH, NJW 2020, 2798, 2799 f.) und der Senat hierdurch auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht. Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Der Senat ist nicht bereits deshalb zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, weil einzelstaatliche Gerichte in Rechtssachen, die der beim Senat anhängigen ähneln und die gleiche Problematik betreffen, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 1 - 3 AEUV vorgelegt haben (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-72/14, C-197/14, BeckRS 2015, 8..1095 BGH, NVwZ-RR 2020, 436 Rn. 51). Ebenso wenig ist der Senat verpflichtet, die Antwort auf diese Frage abzuwarten und das bei ihm rechtshängige Verfahren analog § 148 ZPO auszusetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-72/14, C-197/14, BeckRS 2015, 81095; BGH, NVwZ-RR 2020, 436 Rn. 51). Der Bundesgerichtshof hat dies jüngst mit Beschluss vom 14.06.2022 - VIII ZR 409/21, BeckRS 2022, 15514 für eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (wiederum durch das Landgericht Ravensburg) zum Verhältnis zwischen Verbraucherkreditlinie und Kilometerleasingverträgen nochmals ausdrücklich bestätigt.
3
Eine Verpflichtung der Instanzgerichte, Verfahren aus dem Bereich der sogenannten Abgasthematik bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-100/21 auszusetzen, ist auch der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 01.07.2022, Nr. 104/2022, zur Sache VIa ZR 335/21 nicht zu entnehmen. Eine solche Verpflichtung besteht nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs im Falle von Vorabentscheidungsersuchen anderer nationaler Gerichte gerade nicht (s. o.). Demzufolge hat der Senat auch keinen Anlass anzunehmen, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Presseerklärung vom 01.07.2022 im Verfahren Via ZR 335/21 hiervon abweichen und eine Wartepflicht der Instanzgerichte statuieren wollte. Der Senat versteht diese Pressemitteilung vielmehr dahin, dass der Bundesgerichtshof gelegentlich der Verhandlung am 21.11.2022 denjenigen Gerichten, die in Ausübung ihres richterlichen Ermessens ein Abwarten der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für tunlich erachtet haben, die sich aus einer bis dahin erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für die bundesdeutsche Ziviljustiz ergebenden Konsequenzen nahebringen will (vgl. Senat, Beschluss vom 08.07.2022 - 27 U 4021/21).
4
2. Ein Grund zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO (analog) liegt nicht vor. Die ausstehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 zu der Frage, ob Bestimmungen der RL 2007/46/EG Drittschutz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB vermitteln, ist für den anhängigen Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Daran ändern auch die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 nichts (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 - 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 27), zumal nach Art. 252 Abs. 2 AEUV der Generalanwalt öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Europäischen Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist, stellt und der Europäische Gerichtshof weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden ist (vgl. EuGH, NJW 2020, 667 Rn. 49).
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a) Zwar haben ausweislich der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 19.12.2019, Rn. 75ff., in der aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Gera inzwischen aus dem Register des Europäischen Gerichtshofs gestrichenen Rechtssache C-663/19 die RL 2007/46/EG und die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 insofern drittschützende Wirkung zugunsten der Fahrzeugerwerber, als deren Interesse betroffen ist, „dass ein erworbenes Fahrzeug zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen wird und dass diese Nutzung nicht aufgrund mangelnder Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ bzw. den für diesen Typ geltenden Rechtsvorschriften untersagt wird“. Der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die unmittelbar anwendbar ist, misst aber selbst der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 keine Wirkung zum Schutz der Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, zu (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.07.2022 - 2 U 3838/21, BeckRS 2022, 16603 Rn. 17 unter Hinweis auf Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420, Rn. 41). Selbst wenn man der Auffassung des Generalanwalts folgen sollte, dass die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46/EG dahingehend auszulegen seien, dass sie die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet ist (vgl. Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420, Rn. 50), ändert dies nichts daran, dass die Richtlinie 2007/46/EG selbst mangels unmittelbarer Geltung (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV) als Schutzgesetz ausscheidet (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.07.2022 - 2 U 3838/21, BeckRS 2022, 16603 Rn. 18 ff.; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Auflage 2022, § 823 Rn. 57 m. w. N.).
6
b) Unabhängig von der Frage, ob die Vorschriften der RL 2007/46/EG bzw. die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen §§ 6 und 27 EG-FGV auch drittschützend sind, ist die Rückabwicklung eines angeblich ungewollten Vertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht vom Schutzzweck des Typgenehmigungsrechts erfasst. Neben weiteren Voraussetzungen kommt es für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB nämlich darauf an, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 73; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 - 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29). Das - auch hier - geltend gemachte wirtschaftliche Selbstbestimmungsinteresse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im sachlichen Aufgabenbereich der Vorschriften des Typgenehmigungsrechts bzw. des deutschen Umsetzungsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 - III ZR 270/20, BeckRS 2022, 10055 Rn. 28; BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 75 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 - 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29). Daran haben auch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 nichts geändert. Die Schlussanträge haben nur solche Schäden im Blick, die dadurch entstehen, dass ein Fahrzeug nicht zugelassen oder nicht weiterveräußert werden kann (vgl. Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420, Rn. 48). Schäden, die aus einer etwaig ungültigen und auch den Käufer schützenden Übereinstimmungsbescheinigung resultieren - z. B. Schäden aus einer verzögerten Fahrzeugzulassung oder einer konkret drohenden Betriebsuntersagung -, machen Kläger aber regelmäßig nicht geltend, wenn sie behaupten, einen vermeintlich ungewollten Vertrag rückgängig machen zu wollen (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 74 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 - 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29).
7
c) So liegt der Fall auch hier. Das Fahrzeug des Klägers ist zugelassen und die Betriebserlaubnis nicht wieder entzogen worden. Als verletztes Schutzgut macht der Kläger sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend (vgl. Gegenerklärung S. 15). Der Bundesgerichtshof war berechtigt, die Frage, ob ein bestimmtes Interesse dem sachlichen Schutzbereich einer Norm unterfällt, selbst zu entscheiden. Denn die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs eines Schutzgesetzes obliegt den nationalen Gerichten (vgl. EuGH, NVwZ 2013, 565 Rn. 45 ff.; BGH, NVwZ 2022, 896 Rn. 11; Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 02.06.2022 - C-100/21, ECLI:ECLI:EU:C:2022:420, Rn. 55, 61). Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass bei Verfahren, in denen lediglich eine Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts geltend gemacht wird, sämtliche für den Fall relevanten europarechtlichen Fragestellungen geklärt sind (sog. „acte clair“, vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 74 ff.). Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, im Hinblick auf das Votum des Generalanwalts in der Rechtssache C-100/21 im vorliegenden Berufungsverfahren ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der vorgenannten Rechtssache abzuwarten (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 - 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 39 m. w. N.). Der Senat schließt sich den überzeugenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs an (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 - III ZR 270/20, BeckRS 2022, 10055 Rn. 29 m. w. N.). Die Berufungsbegründung und die Ausführungen in den Schriftsätzen des Klägers vom 29.06.2022 und vom 07.09.2022 geben keinen Anlass, davon abzuweichen.
II.
8
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Diesel-Pkws.
9
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 31.07.2019 bei der Firma GmbH in ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Audi Q7 3,0 TDI quattro mit Erstzulassung vom 18.05.2016 bei einem Kilometerstand von 90.321 km zum Preis von 45.900,00 € brutto, ausgestattet mit einem Dieselmotor vom Typ EA 897, Baumusterbezeichnung: CRTC, mit einer Nennleistung von 200 kW und der Abgasnorm Euro 6. Der Pkw ist mit einem Abgasrückführungssystem ausgestattet, bei dem zur Reduzierung umweltschädlicher Stickoxid-(NOx-)Emissionen ein Teil der beim Verbrennungsvorgang entstehende Gase zur erneuten Verbrennung in das Ansaugsystem des Motors zurückgeleitet wird.
10
Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Motors.
11
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12.04.2022 Bezug genommen.
12
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
13
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es auf Basis des klägerischen Vortrags mangels greifbarer Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht darauf zu schließen vermocht habe, dass die Beklagte vorsätzlich sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt habe.
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Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz unter Abänderung des am 12.04.2022 verkündeten Urteils beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 42.656,47 nebst Zinsen aus Euro 42.656,47 hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.03.2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgäbe des PKW Typs Audi Q7, FIN:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 2.992,93 Deliktszinsen zu bezahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs Audi Q7, FIN:
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag I genannten Fahrzeugs seit dem 16.03.2021 in Verzug befindet.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 2.162,23 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
15
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB zu Unrecht verneint.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 20.06.2022 Bezug genommen.
III.
17
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12.04.2022, Aktenzeichen 021 O 3107/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
18
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 29.06.2022 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird.
19
Die Anträge des Klägers haben keinen Erfolg. Die fristgerechten Schriftsätze des Klägers vom 29.06.2022 und vom 07.09.2022 enthalten keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Der Senat hat das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, NJW 2021, 3525 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 16.02.2022 - 101 Sch 60/21, BeckRS 2022, 2046 Rn. 50). Er hat die Angriffe der Berufung in vollem Umfang geprüft, aber die Beanstandungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet den Senat dazu, den gesamten Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013 - 2 BvR 2660/06, 2 BvR 487/07, BeckRS 2013, 55213 Rn. 67; BGH, Beschluss vom 20.01.2021 - III ZR 160/19, BeckRS 2021, 1265 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 12.01.2017 - III ZR 140/15, BeckRS 2017, 100836 Rn. 2). Soweit der Kläger der rechtlichen Einschätzung des Senats im Hinweisbeschluss mit rechtlichen Ausführungen entgegentreten ist (vgl. BGH, ZfBR 2022, 356 Rn. 7 ff.; BGH, NJW-RR 2021, 1507 Rn. 12 ff.; BGH, NJW 2020, 1740 Rn. 16), ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass es nicht erforderlich ist, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen einer Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2310, 2312; BGH, Beschluss vom 20.09.2021 - IX ZR 46/19, BeckRS 2021, 31643 Rn. 1), deshalb lediglich ergänzend auszuführen wie folgt:
„Ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten kommt in Betracht, wenn deren verfassungsmäßig berufene Vertreter zumindest wussten, dass die Motoren des streitgegenständlichen Typs mit einer auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2021 - VI ZR 875/20, BeckRS 2021, 44363 Rn. 11). Zwar kann bei Vorliegen weiterer Umstände auch die Funktionsweise einer Abschalteinrichtung, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist, Rückschlüsse auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 19). Umstände, die auf eine sittenwidrige Bewusstseinslage der Beklagten schließen ließen, werden vorliegend aber von der Klagepartei weder dargelegt noch sind diese ersichtlich.“
20
1. Der Hinweis des Klägers auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die nach damaliger Rechtslage (Euro-6-Norm) zur Erlangung der EG-Typgenehmigung allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße genügt als greifbarer Anhaltspunkt für die Verwendung einer unzulässigen Steuerungsstrategie seitens der Beklagten nicht (vgl. BGH, NZV 2021, 525 Rn. 23). Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2021, Az. III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003 beruft, dringt er damit nicht durch. Denn der dortige Kläger hatte - anders als vorliegend die Klagepartei - greifbare Anhaltspunkte vorgetragen, die den Verdacht begründeten, das Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Nach den bindenden tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht in Abrede gestellt, dass die Motorsteuerungssoftware erkennen könne, ob nur die Antriebsachse rotiert, der Lenkradeinschlag nicht mehr als 15 Grad beträgt und Radio sowie Multimedia-Einheit ausgeschaltet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 - III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003 Rn. 17).
21
Im Übrigen sprechen höhere Abgaswerte im Realbetrieb im Vergleich zu den Werten im Rahmen des NEFZ nicht per se für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 30). Eine Vergleichbarkeit der Messungen ist erst dann gegeben, wenn die Messung der Emissionen im Realbetrieb zumindest denselben Hersteller, dieselbe Abgasnorm und denselben Motortyp betrifft. Eine herstellerübergreifende Vergleichbarkeit scheidet von vorneherein aus. Ebenso gilt dies für den Vergleich bei verschiedenen Abgasnormen, weil diesen deutlich verschiedene NOx-Grenzwerte zugrunde liegen (Euro 5: 180mg/km; Euro 6: 80mg/km). Dies gilt auch dann, wenn derselbe Motortyp des Herstellers betroffen ist, weil der Einordnung desselben Motortyps in verschiedene Abgasnormen eine unterschiedliche Abgasnachbehandlung (SCR-Katalysator und/oder NOx-Speicherkatalysator) zugrunde liegt. Schließlich scheidet auch eine Vergleichbarkeit verschiedener Motortypen desselben Herstellers aus. Denn aus der - hier einmal unterstellten - Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp kann nicht der Schluss gezogen werden, dass eine solche Abschalteinrichtung ebenso in dem anderen Motortyp eingebaut wurde (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 08.06.2022 - 4 U 148/21, BeckRS 2022, 13740 Rn. 33).
22
2. Darüber hinaus hat der Senat in seinem Hinweis vom 29.06.2022 (Seite 3 f.) zur Frage von unzulässigen Abschalteinrichtungen im Fahrzeug des Klägers explizit die von der Beklagten vorgelegten Auskünfte des Kraftfahrtbundesamts vom 31.03.2021 und 15.09.2021, betreffend das auch hier streitgegenständliche Fahrzeug Audi Q7 mit der Motorisierung der Baureihe „CRTC“, in den Blick genommen. Daraus ergibt sich in Klarheit, dass Gegenstand des behördlichen Rückrufs die Funktionsstörung an einem erforderlichen Warn- und Aufforderungssystem hinsichtlich der AdBlue-Befüllung war. Darüber hinaus ergibt sich aus diesen Auskünften, dass bei den betroffenen Fahrzeugen unzulässige Abschalteinrichtungen wie zum Beispiel eine missbräuchliche Prüfstands- oder Prüfzykluserkennung behördlich nicht festgestellt wurden. Schließlich heißt es wörtlich:
„Für das betroffene Fahrzeug wurde mit Bezug auf die temperaturbezogene AGR-Regelung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.“
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Hiermit setzt sich allerdings die Gegenerklärung des Klägers nicht auseinander, sondern belässt es bei allgemeinen Erwägungen zum Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, die keinen hinreichenden Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug und seiner Motorisierung herstellen.
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Daher kann das Verhalten der Beklagten nach wie vor - unabhängig von der Frage der Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung - bei der gebotenen Gesamtbetrachtung mangels eines objektiv sittenwidrigen Handelns mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung nicht einer arglistigen Täuschung der Typgenehmigungsbehörde bzw. des Klägers als Fahrzeugerwerbers gleichgesetzt werden. Es ist weder ein objektiv sittenwidriges noch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten dargetan.
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3. Der Senat hat auf Seite 4/5 seines Hinweisbeschlusses vom 29.06.2022 dem Kläger dargelegt, dass und weshalb nicht ersichtlich ist, inwiefern er durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten haben soll.
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Die Gegenerklärungen des Klägers zum Senatshinweis halten dem nichts Substanzielles entgegen.
27
Da mithin ein Schaden weiterhin nicht ersichtlich ist, verfällt die Berufung auch aus diesem Grunde der Aussichtslosigkeit.
IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
29
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
30
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.