Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 16.03.2022 – 2 KLs 803 Js 19708/21
Titel:

Urteil ohne Feststellungen zum Rücktrittshorizont

Normenkette:
StGB § 24 Abs. 1, § 223, § 224
Leitsatz:
Die Strafkammer hat den Angeklagten ua wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Sie ist - ohne nähere Begründung - von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen. Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten, insbesondere Ausführungen dazu, ob dieser keine Möglichkeit mehr sah, den Zeugen mittels weiterer verfügbarer Gegenstände noch zu verletzen, fehlen. Das führte insoweit zur Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht (s. BGH BeckRS 2022, 24996).  (Rn. 27 und 132) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücktrittshorizont, Fehlschlag, Körperverletzung, Feststellungen
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2022 – 6 StR 285/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24997

Tenor

I. Der Angeklagte …, geboren am ...1978, ist schuldig der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in jeweils drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
II. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt.
III. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Entscheidungsgründe

Vorspann
1
Gegenstand des Urteils sind zwei Taten vom 24.07.2019 und 31.07.2021. Der Angeklagte versuchte am 24.07.2019 einen Zollbeamten, der ihn zur Begleichung fälliger und offener Kraftfahrzeugsteuerschulden aufsuchte, mit einem Spaten zu schlagen und beschädigte mit diesem den PKW des Zollbeamten. Am 31.07.2021 sollte der Angeklagte aufgrund zweier Vollstreckungshaftbefehle zuhause festgenommen werden. Dabei stürmte der Angeklagte aus seinem Zimmer, verletzte einen der vier Polizeibeamten, der bereits seine Dienstwaffe gezogen hatte, mit einem Schlag mit einem Hammer und widersetzte sich gewaltsam der Festnahme, die den drei Polizeibeamten schließlich aber doch gelang.
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Der Angeklagte hat sich zu den Taten in der Hauptverhandlung nicht eingelassen. Insbesondere aufgrund der glaubhaften und überzeugenden Angaben des Geschädigten … sowie der geschädigten Polizeibeamten und der Inaugenscheinnahme von Videoaufzeichnungen einer polizeilichen BodyCam konnte der Angeklagte der Taten überführt werden.
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Der Angeklagte litt zum Zeitpunkt der ersten Tat vom 24.07.2019 an einer akuten polymorphen psychotischen Störung, die zu einer sicher feststehenden, erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB führte. Die Kammer konnte sachverständig beraten keine Feststellung dahin treffen, dass der Angeklagte an einer überdauernden psychischen Krankheit leidet, weshalb eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht angeordnet wurde.
A. Keine Verfehrensabsprache
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Dem Urteil ging keine Verfahrensabsprache gemäß § 257 c StPO voraus.
B. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten
I. Werdegang
5
Der Angeklagte ist am … in N. geboren und lebt in N. zusammen mit seiner Mutter und deren Lebensgefährten in dem seiner Mutter gehörenden Haus in der …. Seine Eltern trennten sich, als der Angeklagte vier oder fünf Jahre alt war Fortan wuchs er bei seiner Mutter auf. Kontakt zum Vater besteht sporadisch telefonisch und persönlich. Der Angeklagte hat keine Geschwister. Er ist ledig und hat keine Kinder.
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Der Angeklagte wurde regulär im Alter von sechs Jahren eingeschult und besuchte nach der Grundschule eine Realschule, die er nach der Wiederholung eines Schuljahres mit der mittleren Reife abschloss. Anschließend begann er eine Ausbildung zum Speditionskaufmann, die er im Alter von 20 Jahren abschloss. Er arbeitete noch etwa zwei Jahre als Speditionskaufmann. Sodann machte er über die Dauer von drei Jahren sein Abitur nach, das er erfolgreich im Alter von 25 oder 26 Jahren erreichte. Im folgenden studierte er über elf Semester Volkswirtschaftslehre und schloss dieses Studium im Jahr 2008 ab. Danach hatte er zwei kürzere Jobs, konnte aber keine längerfristige Beschäftigung finden und war daher für längere Zeiträume arbeitslos Zuletzt arbeitete er im Jahr 2016 bei einem Gehalt von ca. 1.500 EUR netto. Die anschließenden Versuche diverser Vermittler des Arbeitsamts ihn zu vermitteln blieben erfolglos. Der vorletzte für ihn zuständige Vermittler stufte den Angeklagten aus ihm nicht bekannten Gründen als „nicht vermittelbar“ ein. Er erhielt Arbeitslosengeld, lebte von seinem Ersparten und wohnte weiter bei seiner Mutter.
7
Der Angeklagte lebte auch zuletzt von staatlichen Leistungen (Arbeitslosengeld II) in Höhe von ca. 400 EUR netto und der Unterstützung seiner Mutter. Er hat kein Vermögen. Er hat abgesehen von den Verfahrenskosten keine größeren Schulden.
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In psychiatrischer Behandlung war der Angeklagte vor den Taten nicht Erst im Zusammenhang mit der ersten Tat vom 24.07.2019 wurde der Angeklagte stationär untergebracht.
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Der Angeklagte wurde wegen gesundheitlicher Probleme am Rücken behandelt. Im November 2015 wurde der Angeklagte wegen starker Schmerzen im Rücken stationär behandelt und im Jahr darauf wurde eine Bandscheibenvorwölbung bei ihm diagnostiziert. Im Jahr 2017 verlor der Angeklagte etwa 15 kg Gewicht und litt unter Schlafproblemen. Im Jahr 2018 nahmen die Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates zu, konkrete Diagnosen wurden aber nicht gestellt. Eine Rehabilitationsbehandlung im Jahr 2019 wurde abgebrochen, weil sich der Angeklagte auffällig verhielt, renitent und unfreundlich zum Personal war und nur von Frauen behandelt werden wollte, die allerdings Angst vor ihm hatten und deshalb seine Behandlung ablehnten. Auch zuletzt ging es dem Angeklagten hinsichtlich dieser Rückenprobleme mal schlechter und mal besser. Eigenen Angaben zufolge „springe ein Wirbel im Rücken leicht raus“. Die Schmerzen bei einem so ausgerenkten Wirbel seien so stark, dass Schmerzmittel nicht mehr helfen würden.
II. Strafrechtliche Vorahndungen
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Das Bundeszentralregister weist im Hinblick auf den Angeklagten folgende Einträge auf:
1. 18.08.2020 AG Nürnberg (D3310) - … -
Rechtskräftig seit 15.09.2020
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigen Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag
Datum der (letzten) Tat: 15.06.2020
Angewendete Vorschriften: StGB § 52, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, PflVG § 1, § 6 Abs. 1, § 6 Abs. 2
25 Tagessätze zu je 50,00 EUR Geldstrafe.
11
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde.
„Sie fuhren am 15.06.2020 gegen 16:20 Uhr mit dem Pkw VW Golf 5 GTI, amtliches Kennzeichen …, auf der …, obwohl Sie, wie Sie wussten, die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten.
Wie Sie hätten wissen können und müssen, bestand infolge Kundigung des abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrags für das Fahrzeug mit Wirkung zum 26.12.2019 kein gültiger Haftpflichtversicherungsvertrag mehr.“
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Gegen den Angeklagten wurde wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verhängt.
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Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit wurde nach der Liste der angewendeten Vorschriften nicht angenommen. Ein Hinweis hierauf findet sich auch sonst im Strafbefehl nicht.
2. 26.01.2021 AG Nürnberg (D3310) … -
Rechtskräftig seit 18.02.2021
Tatbezeichnung: Verbotenes Kraftfahrzeugrennen in Tateinheit mit vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag
Datum der (letzten) Tat: 05.10.2020
Angewendete Vorschriften: StGB § 315 d Abs. 1 Nr. 3, § 315 f, § 52, § 69 a, § 74, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 3 Nr. 3, PflVG § 1, § 6 Abs. 1
120 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 17.02.2023.
Einziehung (von Tatprodukten, -mitteln und -objekten).
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Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde.
„Sie fuhren am 05.10.2020 gegen 0.55 Uhr mit dem Pkw VW Golf, amtliches Kennzeichen … auf der … Straße auf Höhe der …straße in stadteinwärtiger Richtung, obwohl, wie Sie jeweils wussten, Sie die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten und für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag bestand. Zur vorgenannten Zeit wollten die Polizeibeamten PHM … und PK …. Sie einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterziehen. Zu diesem Zweck setzten sich die Polizeibeamten mit ihrem Streifenfahrzeug hinter Ihr Fahrzeug und gaben Ihnen mit dem roten „Stopp Polizei“ Blinklicht das Signal zum Anhalten.
Sie wollten Ihr Fahrzeug jedoch nicht anhalten und wollten sich der Verkehrskontrolle entziehen Sie beschleunigten deshalb Ihr Fahrzeug massiv in der Absicht, die Ihnen im konkreten Fall höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, um auf diese Weise vor dem Streifenwagen zu flüchten. Hierzu überquerten Sie ungebremst - grob verkehrswidrig und rücksichtslos - bei Rotlicht die Kreuzung … mit einer Geschwindigkeit von circa. 120 km/h, wobei die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei 50 km/h lag Sie ließen aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und um Ihres schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen Ihre Fahrweise aufkommen.
Sie setzten Ihre Fahrt weiter in stadteinwärtiger Richtung über die Einmündung … bei Rotlicht mit einer Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h fort.
Nach einer gesamten Fahrtstrecke von circa. 4 km konnte Ihnen das Streifenfahrzeug in der …straße nicht mehr folgen.
Durch die Tat haben Sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
Der sichergestellte Pkw VW Golf, amtliches Kennzeichen … unterliegt der Einziehung.“
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Gegen den Angeklagten wurde wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag eine Geldstrafe von 120 Tagessatzen zu je 15,00 EUR verhängt. Zudem wurde die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten für die Dauer von 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gemäß § 315f StGB, § 21 Abs. 3 StVG wurde die Einziehung des PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen … angeordnet.
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Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit wurde nach der Liste der angewendeten Vorschriften nicht angenommen. Ein Hinweis hierauf findet sich auch sonst im Strafbefehl nicht.
III. Haftsituation
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Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 31.07.2021 festgenommen und befand sich zunächst aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.07.2021, …, bis zum 08.08.2021 in Untersuchungshaft.
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Vom 09.08.2021 bis zum 02.09.2021 verbüßte der Angeklagte eine Ersatzfreiheitsstrafe aus der Verurteilung BZR Nr. 1 ….
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Vom 03.09.2021 bis zum 31.12.2021 verbüßte der Angeklagte eine Ersatzfreiheitsstrafe aus der Verurteilung BZR Nr. 2 ….
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Seit dem 01.01.2022 befindet sich der Angeklagte aufgrund des angepassten Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.11.2021, …, in Untersuchungshaft.
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Mit Beschluss der Kammer vom 16.03.2022 wurde der Haftbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.11.2021 nach Maßgabe der erfolgten Verurteilung aufrechterhalten.
C. Tatsachverhalte
I. Tat vom 24.07.2019
1. Tatgeschehen
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Am 24.07.2019 gegen 11:00 Uhr begab sich der später Geschädigte … mit seinem privaten PKW in seiner Funktion als … für das … zu dem Anwesen … das im Eigentum der Mutter des Angeklagten steht und in dem dieser wohnt. Der Geschädigte … wollte die freiwillige Bezahlung offener Kraftfahrzeugsteuerschulden des Angeklagten in Höhe von 183,93 EUR erreichen. Der Geschädigte … wäre als Vollzugsbeamter auch berechtigt und bereit gewesen, im Wege der Pfändung von Gegenständen oder anderen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eine Begleichung der Steuerschulden herbeizuführen.
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Grundlage für die Vollstreckung war zum einen eine Vollstreckungsankündigung vom 26.04.2019 des Hauptzollamts …. Darin wurde dem Angeklagten mitgeteilt, dass für den Zeitraum vom 12.03.2019 bis zum 11.03.2020 für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 140,00 EUR zuzüglich eines Säumniszuschlags von 2,00 EUR für den Zeitraum vom 13.03.2019 bis zum 12.05.2019 zu begleichen und dieser Betrag ggf. im Wege der Vollstreckung einzutreiben ist. Auf den zugrundeliegenden Bescheid des Hauptzollamts … vom 12.03.2010 mit dem Aktenzeichen … wurde hingewiesen.
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Zum anderen lag dem Vollstreckungsauftrag eine Vollstreckungsankündigung vom 07.06.2019 des Hauptzollamts … zugrunde. Darin wurde dem Angeklagten mitgeteilt, dass für den Zeitraum vom 01.04.2019 bis zum 31.10.2019 für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 41,93 EUR zu begleichen und dieser Betrag ggf im Wege der Vollstreckung einzutreiben ist Auf den zugrundeliegenden Bescheid des Hauptzollamts … vom 01.04.2001 mit dem Aktenzeichen … wurde hingewiesen.
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Der Geschädigte … stellte seinen PKW mit geöffneten Fenstern ab und ging zu dem Anwesen …. Da auf sein Klingeln nicht reagiert wurde, füllte der Geschädigte eine Zahlungsaufforderung mit Angaben zu der geschuldeten Steuerart, dem betroffenen Zeitraum und dem zu zahlenden Betrag aus, trug den Termin ein, an dem er den Angeklagten erneut aufsuchen werde, und warf die Zahlungsaufforderung in den Briefkasten. Anschließend begab er sich zurück zu seinem PKW.
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Als der Geschädigte bereits losfahren wollte, sah er einen Mann, der sein Fahrrad durch die Gartentür des Anwesens … schob. Der Geschädigte ging zu dem Anwesen und fragte den Mann, ob er Herr … sei. Der Angeklagte bestätigte, dass er Herr … sei, und fragte, warum der Geschädigte das wissen wolle. Der Geschädigte stellte sich namentlich unter Angabe seiner Funktion vor und teilte dem Angeklagten mit, dass er wohl vergessen habe, KFZ-Steuern zu zahlen. Man solle das lieber nicht mitten auf der Straße besprechen, sondern besser kurz in der Wohnung. Wenn der Angeklagte die Steuern nicht bezahlen könne, müsse der Geschädigte etwas pfänden. Daraufhin sagte der Angeklagte, dass der Geschädigte „in sein Haus nur mit dem SEK reinkomme“. Der Geschädigte sagte dann „Ok, in Ordnung“, drehte sich um und ging wieder in Richtung seines geparkten PKW. Zu keinem Zeitpunkt befand sich … auf dem Grundstück ….
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Der Angeklagte nahm sich sodann einen Spaten mit Holzstiel und Metallschaufel, schrie und rannte mit erhobenem Spaten auf den Geschädigten zu. Der Geschädigte rannte in Panik zu seinem PKW und schaffte es gerade noch, auf den Fahrersitz einzusteigen und die Tür zu schließen, bevor der Angeklagte mit dem aufgezogenen Spaten in Richtung des Geschädigten in einer Bewegung von oben nach unten einschlug. Dieser erste Schlag des Angeklagten, der die Augen weit aufgerissen hatte, verfehlte den Geschädigten entgegen seiner Vorstellung von der Tat nur knapp und schlug genau über dessen Kopf am Autodach ein. Der Angeklagte war sich dabei bewusst, dass der Spaten ein Gegenstand ist, der aufgrund seiner Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung als Schlagwerkzeug geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Danach schlug der Angeklagte mit dem Spaten noch mindestens zweimal wuchtig auf das Autodach ein Der Stiel des Spatens brach unter der Schlagwirkung und der Angeklagte warf das obere abgebrochene Stielende durch ein geöffnetes Seitenfenster auf die Rückbank des PKW des Geschädigten, was dieser erst später feststellte. Der Angeklagte war sich bei seinem Angriff bewusst, dass der Geschädigte in dienstlicher Funktion als Zollbeamter des Hauptzollamtes zur Vollstreckung der Steuerschulden berechtigt war und diese Funktion zum Zeitpunkt des Angriffs noch ausübte.
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Sodann schaffte es der Geschädigte, den PKW zu starten und loszufahren. Nach etwa 50 m sprach er einen Mann an, der sodann die Polizei verständigte. Die eingetroffene Polizeistreife verständigte das Unterstützungskommando, das schließlich bei dem Angeklagten klingelte, in die Wohnung gelassen wurde und den Angeklagten widerstandslos festnehmen konnte. Im Haus wurde der untere Teil des Spatens mit Schaufel sichergestellt.
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Der Angeklagte wurde aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamtes direkt nach der Tat in das Bezirkskrankenhaus … eingewiesen und befand sich dort bis zum … in stationärer Behandlung Während dieses Aufenthalts musste der Angeklagte zweimal fixiert werden.
30
Strafantrag wurde von dem Geschädigten am 24.07.2019 gestellt. Die Staatsanwaltschaft hält zudem wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
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Die offenen Steuerschulden und Vollstreckungskosten wurden von der Mutter des Angeklagten zu einem nicht mehr sicher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 20.08.2019 beglichen.
2. Folgen der Tat
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Der Geschädigte hatte während seiner Tätigkeit bei der Vollstreckung von Steuerschulden noch keinen vergleichbaren Angriff erlebt Zwar wurde er bereits beschimpft, allerdings noch nie mit Gegenständen angegriffen. Der Geschädigte zitterte unmittelbar nach dem Vorfall, bekam Schweißausbrüche und war unruhig. Er versuchte nach dem Vorfall noch zwei Tage zu arbeiten, was ihm jedoch nicht möglich war. Er war dann aufgrund seines psychischen Zustands zwei Wochen krankgeschrieben. Nach dem anschließenden vierwöchigen Urlaub setzte er seine Tätigkeit wieder fort. Im September 2019 führte der Geschädigte ein Gespräch mit einem Trauma-Spezialisten des Hauptzollamtes. Einschränkungen bei seiner beruflichen Tätigkeit hatte der Geschädigte seit der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nicht mehr.
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Durch die Schläge des Angeklagten auf den PKW entstanden wie von dem Angeklagten beabsichtigt, zumindest jedoch als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, ein ca. 5 cm langes Loch in dem Dach des PKW, eine Delle am Dach oberhalb der Fahrertür sowie Kratzer, die einen Sachschaden in Höhe von 6.011,52 EUR netto (7.153,71 EUR brutto) zur Folge hatten. Die Schäden ließ der Geschädigte reparieren Insbesondere wurde das Dach komplett erneuert. Die Vollkaskoversicherung des Geschädigten bezahlte die Kosten der Reparatur bis auf eine vom Geschädigten zu leistende Selbstbeteiligung in Höhe von mindestens 300 EUR.
3. Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB
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Der Angeklagte litt zum Tatzeitpunkt an einer akuten polymorphen psychotischen Störung, die eine krankhafte seelische Störung darstellt. Seine Steuerungsfähigkeit war mit Sicherheit aufgrund dieser Störung bei uneingeschränkt vorhandener Einsichtsfähigkeit am 24.07.2019 im Tatzeitpunkt erheblich vermindert, allerdings nicht aufgehoben.
II. Tat vom 31.07.2021
1. Tatgeschehen
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Am 31.07.2021 gegen 06.20 Uhr begaben sich die uniformierten Polizeibeamten der Polizeiinspektion … und … zu dem Anwesen …, um gegen den Angeklagten zwei Vollstreckungshaftbefehle vom 21.06.2021 zu vollstrecken.
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Grundlage war zum einen der Vollstreckungshaftbefehl vom 21.06.2021, …, wegen einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 26.01.2021, …. Der Angeklagte hatte sich der Ladung zum Strafantritt nicht gestellt.
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Zum anderen wurde gegen den Angeklagten ein weiterer Vollstreckungshaftbefehl vom 21.06.2021, …, erlassen wegen einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 18.08.2020, …. Der Angeklagte hatte sich auch dieser Ladung zum Strafantritt nicht gestellt.
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Auf Klingeln der Zeugen … und … öffnete die in demselben Anwesen wohnende Mutter des Angeklagten die Tür, ließ zunächst diese beiden Zeugen ein und zeigte ihnen das Zimmer des Angeklagten. Dort gab sich der Zeuge … mehrfach als Polizeibeamter zu erkennen und forderte den Angeklagten auf, die Tür zu öffnen und herauszukommen. Der Zeuge … erklärte dem Angeklagten, dass sie Haftbefehle gegen ihn dabei hätten. Nachdem der Angeklagte auf Klopfen und Rufen zunächst nicht reagierte, öffnete er kurz die Tur, nur um diese sofort wieder zu schließen. Sodann holten die beiden Zeugen die weiteren Beamten … und … hinzu, die zuvor für den Fall einer Flucht des Angeklagten hinter dem Haus gewartet hatten.
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Der Zeuge … befand sich auf der rechten Seite des Plateaus vor der Zimmertür, die Zeugin …, die ihr Pfefferspray gezogen hatte und eine BodyCam trug, ebenfalls auf der rechten Seite des Plateaus näher zu der Treppe, der Zeuge … auf der Treppe frontal zur Zimmertur und die Zeugin … dahinter ein paar Stufen weiter unten auf der Treppe.
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Der Zeuge … drückte den Türgriff herunter und öffnete die Tür kurz Die beiden Zeugen … und … versuchten, die Tür aufzudrücken. Der Angeklagte, der von innen dagegen drückte, griff sich von einem im Inneren des Zimmers in der Nähe befindlichen Schränkchen einen Gegenstand mit einem Holzstiel und zog die Tür wieder zu. Aufgrund des Gegenstands, den der Angeklagte in der Hand hielt und den der Zeuge … als Hammer erkannte, zog der Zeuge … seine Dienstwaffe. Der Zeuge … forderte über Funk Verstärkung an, um das Zimmer ggf. stürmen zu lassen.
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Plötzlich riss der Angeklagte die Tür auf und rannte mit einem Hammer in der rechten erhobenen Hand auf den Zeugen … zu, holte aus und schlug von oben nach unten auf Kopfhöhe einmal auf den Zeugen … ein. Dieser konnte den Schlag mit dem linken Unterarm abwehren, sodass er „nur“ mit dem Stiel am Unterarm getroffen wurde und nicht, wie von dem Angeklagten beabsichtigt oder zumindest als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, mit dem Hammerkopf am Kopf. Die Zeugin … versetzte dem Angeklagten einen Stoß mit dem Pfefferspray in Richtung seines Gesichts, als der Angeklagte aus dem Zimmer rannte. Der Zeuge … konnte nach der Abwehr des Schlages den Kopf des Angeklagten fixieren, während die beiden auf der Treppe waren, und konnte währenddessen auch seine Dienstwaffe wieder in das Holster stecken. Der Zeuge … versuchte währenddessen den Arm des Angeklagten zu fixieren. Dabei bewegten sich die beiden Zeugen und der Angeklagte die Treppenstufen hinunter.
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Nach dem Angriff mit dem Hammer widersetzte sich der Angeklagte der Fixierung und Fesselung während des Vorgangs auf der Treppe und danach am Fuß der Treppe, indem er schreiend mit großem Krafteinsatz versuchte, sich aus dem Griff der beiden Zeugen … und … zu winden und zu befreien. Bei der anschließenden Fesselung versuchte er mit großem Krafteinsatz am Boden liegend, sich der Fesselung durch die Zeugen … und … sowie die dazugekommene Zeugin … durch Sperren, Winden und um sich Schlagen zu widersetzen. Nachdem die Zeugin … die Fesselung durchführen konnte, gab der Angeklagte seinen Widerstand auf, sodass ihm auf seine Bitte hin die vom Einsatz des Pfefferspray betroffenen Augen gespült werden konnten.
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Während der Fesselung schrie der Angeklagte unter anderem, dass die Polizeibeamten „Arschlöcher“ seien, um diesen gegenüber seine Missachtung auszudrücken. Die drei Zeugen … und … nahmen diese Aussage auch wahr, der Zeuge … jedoch nicht. Weiter äußerte der Angeklagte, dass die Zeugen „keine echten Polizisten“ seien und dass sie „keine richtigen Patronen in den Waffen“ hätten, weshalb sie auch nicht geschossen hätten Später äußerte er nach der erfolgten Festnahme auf dem Weg zum herbeigerufenen Rettungswagen, dass er nach „Altbayern“ gebracht werden solle und der Freistaat Bayern nicht existiere, sowie am Rettungswagen angekommen, dass die „Justiz insolvent“ sei.
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Der Angeklagte war sich bei dem Schlag mit dem Hammer bewusst, dass der Hammer mit einem Gewicht von insgesamt 418 g ein Gegenstand ist, der aufgrund seiner Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung als Schlagwerkzeug geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen.
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Der Angeklagte erkannte die uniformierten Polizeibeamten als solche und war sich während des gesamten Vorgangs bis zur erfolgten Fesselung und Festnahme bewusst, dass diese eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung bzw. Diensthandlung vornahmen Durch sein Verhalten wollte er die Durchführung dieser Handlungen verhindern oder zumindest erschweren.
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Der Hammer wurde vom Zeugen … unter der Treppe gefunden und sichergestellt.
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Sämtliche vier Zeugen stellten am 31.07.2021 form- und fristgerecht Strafantrag.
2. Folgen der Tat
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Der Zeuge … erlitt - wie von dem Angeklagten beabsichtigt oder zumindest als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen - aufgrund des Treffers mit dem Stiel des Hammers am Unterarm eine Prellung des linken Unterarms und ein Hämatom sowie Schmerzen, die ungefähr eine Woche andauerten. Zudem erlitt er während des Gerangels eine Prellung des linken Schulterblattes. Der Zeuge wurde im Anschluss an den Einsatz im Klinikum … untersucht, musste jedoch nicht stationär behandelt werden. In psychischer Hinsicht musste der Zeuge den Einsatz „deutlich nachbereiten“, vor allem wegen des möglichen Schusswaffengebrauchs. Er führte polizeiintern mit den beteiligten Kollegen und der Dienstgruppenleitung Gespräche. Er verkraftete die Vorgange jedoch schnell und gut.
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Der Zeuge … erlitt keine körperlichen Verletzungen und auch keine psychischen Beeinträchtigungen. Er musste lediglich seine Augen wegen des Einsatzes des Pfeffersprays ausspülen.
50
Die Zeugin … erlitt keine körperlichen Verletzungen, nahm den Einsatz aber als einen außergewöhnlichen wahr, den man nicht so schnell vergisst.
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Die Zeugin … erlitt aufgrund des Gerangels Schmerzen an der Schulter und sprach mit den Kollegen über den Einsatz. Ansonsten erlitt sie keine Beeinträchtigungen.
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Sämtliche Zeugen blieben dienstfähig.
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Der Angeklagte erlitt durch den Einsatz des Pfeffersprays Rötungen im Gesicht und in den Augen. Die Augen wurden zwar gespült, eine gründliche Augenspülung verweigerte der Angeklagte jedoch. Die Atemwege waren frei und der Angeklagte konnte ohne Beeinträchtigung atmen. Weitere Untersuchungen und Maßnahmen verweigerte der Angeklagte.
3. Uneingeschränkte Schuldfähigkeit
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Sowohl die Einsichtsfähigkeit als auch die Steuerungsfähigkeit waren zum Tatzeitpunkt uneingeschränkt vorhanden.
D. Beweiswürdigung
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
1. Zum Werdegang
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Die Feststellungen zum Werdegang (unter B.I.) des Angeklagten beruhen zur Überzeugung der Kammer auf den jeweiligen Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen …, welcher diesen am 09.09.2021 und 20.09.2021 exploriert hat. Der Sachverständige gab die Äußerungen des Angeklagten in öffentlicher Hauptverhandlung wieder. Der Angeklagte bestätigte diese jeweils als zutreffend und äußerte sich in glaubhafter Art und Weise ergänzend im Rahmen der Vernehmung zu seinen persönlichen Verhältnissen.
2. Zu den strafrechtlichen Vorahndungen und Ermittlungsverfahren
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Die Angaben zum strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten (unter B.II.) beruhen hinsichtlich der strafrechtlichen Vorahndungen auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 09.03.2022, der von dem Angeklagten als zutreffend bestätigt wurde, sowie auf den jeweils in Sachverhalt, rechtlicher Würdigung und Rechtsfolgen verlesenen Strafbefehlen
- des AG Nürnberg vom 18.08.2020, … und
- des AG Nürnberg vom 26.01.2021, …s
3. Zur Haftsituation
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Die Feststellungen zur Untersuchungshaft des Angeklagten (unter B.III.) beruhen auf den diesbezüglichen Feststellungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung, die von dem Angeklagten jeweils als zutreffend bestätigt wurden.
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Die Feststellung zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe vom 09.08.2021 bis zum 02.09.2021 aus der Verurteilung BZR Nr. 1 … beruht auf der verlesenen Vollstreckungsübersicht vom 10.03.2022 (Bl. 200 f.), nach der die Untersuchungshaft in dem genannten Zeitraum zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 18.08.2020, …, für 25 Tage unterbrochen wurde (laufende Nr. 2).
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Die Feststellung zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe vom 03.09.2021 bis zum 31.12.2021 aus der Verurteilung BZR Nr. 2 … beruht auf der verlesenen Vollstreckungsübersicht vom 10.03.2022 (Bl. 200 f.), nach der die Untersuchungshaft in dem genannten Zeitraum zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 26.01.2021, …, für 120 Tage unterbrochen wurde (laufende Nr. 3).
II. Keine Einlassung des Angeklagten
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Der Angeklagte hat sich weder zu der Tat vom 24.07.2019 noch zu der vom 31.07.2021 eingelassen.
III. Beweiswürdigung im engeren Sinne zu der Tat vom 24.07.2019
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Die Kammer stützt die zum Tatsachverhalt im engeren Sinne getroffenen Feststellungen zu ihrer Überzeugung im Wesentlichen auf die glaubhafte und überzeugende Aussage des Geschädigten …. In der Zusammenschau dieser Aussage, des als Zeugen vernommenen polizeilichen Sachbearbeiters … und der in Augenschein genommenen Lichtbilder sowie weiteren Beweismitteln hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass das Tatgeschehen wie festgestellt stattgefunden hat und der zur Tat schweigende Angeklagte der Tat überführt ist.
1. Tatgeschehen und Folgen der Tat
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Auf Grund der durchgeführten umfassenden Beweiserhebung und -würdigung ist die Kammer vom Hergang und von den Folgen der Tat vom 24.07.2019 - wie festgestellt - zweifelsfrei überzeugt. Diese Überzeugung beruht auf einer Gesamtwürdigung sämtlicher Beweismittel, insbesondere der für glaubhaft befundenen Aussage der Zeugen … und … und den in Augenschein genommenen Lichtbildern und der verlesenen Urkunden Diese Beweismittel überführten den Angeklagten der Tat und belegten ergänzend die Folgen der Tat.
a) Tatgeschehen
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Die Grundlagen für den Vollstreckungsversuch des Geschädigten … ergeben sich aus den jeweils verlesenen Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamtes … vom 26.04.2019 (Bl. 36 FA) und 07.06.2019 (Bl. 41 FA). In diesen werden die jeweils unter C.I.1. dargestellten Inhalte mitgeteilt, nämlich die Kennzeichen der Fahrzeuge, Zeitraum und Höhe der Kraftfahrzeugsteuer sowie die Höhe des Säumniszuschlags und die jeweils zugrunde liegenden Bescheide des Hauptzollamts … mit Datum und Aktenzeichen. Der Geschädigte … bestätigte glaubhaft, dass ihm diese beiden Vollstreckungsankündigungen als Grundlage für die Vollstreckung vorlagen. Vollstreckungstitel im eigentlichen Sinne gebe es nicht. Das Hauptzollamt stelle einen Antrag auf Vollstreckung und wenn der Auftrag bei ihm vorliege, sei die Steuer sofort vollstreckbar. Steuerbescheide habe er bei der Vollstreckung nie dabei, sondern nur die Vollstreckungsankündigungen. Diese Angaben waren glaubhaft, da sie nachvollziehbar und schlüssig im Hinblick auf die verlesenen Urkunden und deren Inhalt waren.
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Der Tatablauf selbst steht fest aufgrund der glaubhaften und überzeugenden Aussage des Geschädigten …. Dieser gab an, dass er am Tattag sein Fahrzeug ein Stück weg vom Haus, in dem der Angeklagten gewohnt habe, geparkt habe. Er habe geklingelt, jedoch habe niemand aufgemacht. Dann habe er eine erneute Zahlungsaufforderung mit Daten zur Steuer, zum Zeitraum und einer neuen Zahlungsfrist ausgefüllt und in den Briefkasten geworfen, der sich direkt an der Straße und nicht auf dem Grundstück selbst befunden habe. Als er wieder habe losfahren wollen, sei jemand durch die Gartentür hineingegangen, der ein Fahrrad geschoben habe. Der Geschädigte sei wieder zu dem Anwesen gelaufen und habe den Mann gefragt, ob er Herr … sei, woraufhin der Angeklagte mit „ja“ geantwortet habe und gefragt habe, warum und wer das wissen wolle. Der Geschädigte habe sich vorgestellt und gesagt, dass der Angeklagte wohl vergessen habe, KFZ-Steuern zu zahlen. Am besten solle man das nicht mitten auf der Straße klären, weshalb der Geschädigte gefragt habe, ob man kurz in die Wohnung gehen könne. Der Geschädigte habe auch gesagt, dass er etwas pfänden müsse, wenn der Angeklagte die Steuern nicht zahlen könne. Der Angeklagte habe dann geäußert, dass der Geschädigte „nur mit dem SEK in sein Haus komme“. Der Geschädigte schilderte, dass es nach so einer Aussage nichts mehr zu diskutieren gebe und er dann gehe. Im Anschluss werde nach einem Bericht, dass die Vollstreckung nicht möglich sei, ein Durchsuchungsbeschluss beantragt, der mit Schlüsseldienst und Polizei vollzogen werde Die Sache sei nach diesem Satz für ihn beendet gewesen, er hätte nichts mehr versucht. Daher habe er zum Angeklagten „Ok, in Ordnung“ gesagt und sei gegangen, als der Angeklagte noch in der Gartentür gestanden habe. Aus dem Augenwinkel habe er dann gesehen, dass der Angeklagte einen Spaten in der Hand gehalten habe, den der Geschädigte vorher nicht wahrgenommen habe. Der Angeklagte habe einen Schrei ausgestoßen, ausgeholt und sei auf den Geschädigten zu gerannt Der Geschädigte sei in Panik zu seinem Auto gerannt, habe sich hineingesetzt und gerade, noch keine Sekunde zuvor die Autotür zugezogen, als der Spaten genau über seinem Kopf im Dach mit einem von oben nach unten ausgeführten Schlag eingeschlagen habe. Er sei fassungslos gewesen und habe den Angeklagten mit weit aufgerissenen Augen und einem stieren Blick gesehen, was für den Geschädigten erschreckend gewesen sei. Er könne nicht mehr sagen, ob der Angeklagte insgesamt drei- oder viermal auf das Dach eingeschlagen habe. Die Schläge seien enorm laut gewesen. Der Motor sei dann endlich angesprungen und der Geschädigte sei einfach losgefahren. Nach ca. 50 m habe er einen jungen Mann über die Straße laufen sehen, den er gebeten habe, die Polizei zu holen. Der Geschädigte habe diesem dann auch das Geschehen beschrieben. Der Mann habe dann geäußert, dass ihn das jetzt nicht wundere, weil es schon öfter mit dem Angeklagten Ärger gegeben habe. Der Geschädigte habe dann mit einem Polizisten gesprochen, der ihm gesagt habe, dass er sich in Sicherheit bringen solle, weshalb der Geschädigte bis zum Ende der … gefahren sei. Eine Streife sei schnell gekommen, die dann das Unterstützungskommando angefordert hätten. Es seien zwei VW-Busse gekommen, der Geschädigte habe das Geschehen kurz beschrieben und nach einer Einsatzbesprechung seien die Beamten nach Klingeln in das Haus gegangen und hätten den Angeklagten gefesselt rausgeführt und weggebracht. In seinem Auto habe er erst danach das abgebrochene obere Ende des Spatens auf der Rückbank gefunden. Das Gegenstück habe die Polizei im Haus gefunden. Zu dem psychischen Zustand des Angeklagten habe er sich keine Gedanken gemacht, einen Einfluss von Drogen könne er nicht beurteilen.
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Die Aussage des Geschädigten … zum Tatablauf ist glaubhaft und überzeugend. Er hat ruhig und sachlich den Ablauf des für ihn einmaligen Geschehens detailliert und lebensnah geschildert. Er räumte aber auch Wahrnehmungslücken ein etwa dahin, woher der Angeklagte den Spaten genommen hatte, und machte kenntlich, wenn er etwas nicht mehr genau in Erinnerung hatte, etwa die Zahl der Schläge. Auch konnte er seine Gedanken und Emotionen nachvollziehbar und detailliert schildern.
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Dass der Angeklagte den Geschädigten … als Vollstreckungsbeamten des Hauptzollamtes in Ausübung einer Diensthandlung erkannt hatte, ergibt sich aus der auch insoweit glaubhaften Aussage des Geschädigten …, dass er sich bei dem Angeklagten als Beamter des Hauptzollamtes vorgestellt habe, ihm auch den Anlass seines Besuches geschildert habe, nämlich die Einforderung von offenen KFZ-Steuerschulden, und aus der Aussage des Geschädigten, dass er, wenn der Angeklagte die offenen Schulden nicht bezahlen könne, etwas pfänden müsse.
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Dass der Angeklagte nach seiner Vorstellung von der Tat es jedenfalls als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hatte, den Geschädigten mit dem Spaten zu treffen, ergibt sich aus dem vom Geschädigten … glaubhaft geschilderten Ausholen mit dem Spaten bereits beim Ergreifen des Spatens, der Verfolgung des Geschädigten auf dem Weg zu seinem PKW und dem sehr kurzen zeitlichen Abstand zwischen dem Einsteigen des Geschädigten, dem Zuziehen der Tür und dem Treffer mit dem ersten Schlag am Autodach.
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Dass es sich bei dem Spaten für den Angeklagten erkennbar um einen Gegenstand handelte, der aufgrund seiner Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung als Schlagwerkzeug geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen, ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern des Spatens sowie der Inaugenscheinnahme des Spatens (Asservat ÜL-Nr. 20075/2019) selbst. Die nicht unerhebliche Wucht der Schläge lässt sich anhand der Tatsache belegen, dass der Spaten nach den drei Schlägen zerbrach. Dass der Spaten zerbrach, bestätigte die Inaugenscheinnahme des zerbrochenen Spatens sowie der entsprechenden Lichtbilder.
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Das Lichtbild auf Bl. 33 FA unten, das nachfolgend abgebildet ist, zeigt die Rückbank des PKW des Geschädigten …. Auf dem mittleren und rechten Sitz ist das Griffstück eines Spatens zu sehen, dessen Schaufel nicht zu sehen ist. Am unteren Ende des Stiels ist eine Verjüngung zu erkennen.
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Diese Verjüngung ist auch auf dem Lichtbild auf Bl. 34 FA zu erkennen. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf Bl. 33 und 34 FA Bezug genommen.
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Der asservierte Spaten … wurde in Augenschein genommen. Der Stiel des Spatens war zerbrochen, wies aber keine klar waagrechte Bruchstelle auf, sondern eine diagonal verlaufende, die sich bei beiden Teilen jeweils verjüngte wie auf den bereits dargestellten Lichtbildern erkennbar. Die beiden Teile wurden aneinandergehalten und passten nach dem äußeren Eindruck zusammen. Die Schaufel des Spatens ist aus silberfarbenem Metall. Die untere Kante läuft von beiden Seiten zur Mitte hin spitz zu Die obere Kante am Stielansatz ist im rechten Winkel nach hinten gebogen und dadurch etwa 1 cm breit Der asservierte Spaten wurde auch mit dem Geschädigten … in Augenschein genommen Dieser bestätigte, dass der asservierte Spaten auch derjenige sein könne, der bei der Tat eingesetzt worden sei. Das Griffstück habe im Auto gelegen. Der Geschädigte sei nicht im Haus gewesen, wo das Gegenstück gefunden worden sein solle. Das ihm gezeigte Gegenstück des asservierten Spatens (Schaufel mit unterem Teil des Stiels) könne das gewesen sein, das zu dem bei der Tat eingesetzten Spaten gehöre. Der Zeuge … bestätigte, dass der Teil mit der Schaufel im Zimmer des Angeklagten gelegen haben soll, was der Polizeibeamte … vermerkt habe.
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Dass der Angeklagte direkt nach der Tat in das Bezirkskrankenhaus in … eingewiesen wurde, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des polizeilichen Sachbearbeiters …. Dieser schilderte, dass der Angeklagte festgenommen worden sei und auf Initiative des Gesundheitsamts in das Bezirkskrankenhaus in … eingewiesen worden sei.
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Dass der Geschädigte Strafantrag gestellt hat, bestätigte er auf Vorhalt seines schriftlich auf Bl 10 Rs. FA gestellten Strafantrags.
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Zudem hat die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklageschrift angegeben, dass sie wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
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Dass die offenen Steuerschulden und Vollstreckungskosten von der Mutter des Angeklagten beglichen wurden, bestätigte der Zeuge … glaubhaft auf Vorhalt einer an ihn gerichteten E-Mail von Frau …, Hauptzollamt …, vom 20.08.2019 (Bl. 35 FA), in der mitgeteilt wird, dass die Forderungen zwischenzeitlich durch die Mutter des Vollstreckungsschuldners komplett beglichen worden seien.
b) Folgen der Tat
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Die Feststellungen zu den Folgen der Tat beruhen auf der glaubhaften Aussage des Geschädigten … zu seinem Befinden nach der Tat und zu dem entstandenen Sachschaden unter Vorhalt des Ergebnisses eines Kostenvoranschlags. Die konkreten Beschädigungen konnten anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern festgestellt werden.
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Der Geschädigte hat zu den Folgen des Angriffs angegeben, dass ihm noch nie etwas ähnliches wie an diesem Tag passiert sei. Er sei in Panik losgerannt, als der Angeklagte mit dem erhobenen Spaten auf ihn zu gerannt sei. Auch im PKW sitzend habe er panische Angst gehabt und sei fassungslos gewesen. Ihm sei es psychisch schlecht gegangen, als die Tat vorbei gewesen sei Er sei tropfnass geschwitzt gewesen und habe gezittert. Er habe seine Frau angerufen und habe geschaut, dass er heimkomme. Er sei sehr unruhig gewesen und auch jetzt noch falle ihm die Zeugenaussage schwer. Es sei eine ganz eigenartige Situation gewesen und er habe sich gefragt, was passiert wäre, wenn er gestürzt wäre oder der Angeklagte ihn „erwischt“ hätte. Er habe an den beiden folgenden Tagen versucht, weiterzuarbeiten, was ihm aber nicht möglich gewesen sei. Er habe einen Arzt aufgesucht und sei dann zwei Wochen arbeitsunfähig gewesen Anschließend habe er vier Wochen Urlaub gehabt. Danach sei er wieder in die Arbeit gegangen und habe versucht, das Geschehen zu verdrangen und sich klarzumachen, dass der Angeklagte nicht ihn sondern den Staat „gemeint“ habe und er ja keinen Grund gehabt habe, den Geschädigten persönlich zu attackieren. Er habe dann wieder arbeiten können und habe auch heute keine Probleme mehr. Im September 2019 habe er einmal einen Trauma-Spezialisten beim Hauptzollamt aufgesucht und mit ihm gesprochen. Er sei nach wie vor als Vollstreckungsbeamter tätig.
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Die Aussage des Geschädigten ist auch insoweit glaubhaft und überzeugend. Er hat ohne übertriebenen Belastungseifer die Folgen ruhig und sachlich geschildert. Die unmittelbaren Folgen kurz nach der Tat schilderte er detailliert und plastisch („gezittert“, „tropfnass“) und auch seine Gedanken im Nachgang dahin, dass er sich gefragt habe, was passiert wäre, wenn er gestürzt wäre oder wenn der Angeklagte ihn „erwischt“ hätte Insbesondere schilderte er auch, dass er seine Tätigkeit an den Tagen nach der Tat eigentlich fortsetzen wollte, ihm dies jedoch nachvollziehbarer Weise doch nicht möglich war Auch die zweiwöchige Arbeitsunfähigkeit, die dann vor seinem Urlaub nicht verlängert wurde, erscheint angesichts der Geschehnisse nachvollziehbar und keinesfalls übertrieben. Dass der Geschädigte keinen übertriebenen Belastungseifer zeigte, belegt der Umstand, dass der Geschädigte die psychischen Folgen nach seinem Urlaub als abgeklungen bezeichnete und fortan seine Tätigkeit wie früher ausüben konnte Verständlich schilderte er auch, dass ihm die Vernehmung in der Hauptverhandlung noch schwer falle.
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Zu den entstandenen Schäden am PKW des Geschädigten … wurden zahlreiche Lichtbilder in Augenschein genommen, die im Folgenden beschrieben bzw. abgebildet werden. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die bezeichneten Lichtbilder Bezug genommen.
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Die beiden mittleren Lichtbilder auf Bl. 20 FA und die Lichtbilder links oben, rechts in der Mitte und unten links auf Bl. 21 FA zeigen jeweils aus unterschiedlichen Distanzen und Perspektiven aufgenommen ein Loch im Dach des PKW, das sich zwischen der Seite des Fahrzeugs und der Mitte des Daches befindet und deutlich erkennbar nicht nur eine Delle darstellt. Die beiden unteren Lichtbilder auf Bl. 20 FA und die Lichtbilder rechts oben, links in der Mitte und rechts unten auf Bl. 21 FA zeigen aus verschiedenen Distanzen und Perspektiven einen Kratzer, der sich näher zur Seite des Fahrzeugs an einer länglichen Vertiefung im Dach befindet. Die Lichtbilder auf Bl. 22 FA zeigen bis auf das Bild rechts unten aus verschiedenen Perspektiven einen Kratzer an der B-Säule des Fahrzeugs. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die bezeichneten Lichtbilder Bezug genommen.
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Das nachfolgend abgebildete Lichtbild auf Bl. 30 FA unten zeigt zum einen das bereits beschriebene Loch im Dach des PKW (grüner Kreis). Ergänzend zeigt das Lichtbild auch den bereits beschriebenen Kratzer näher zur Seite des Fahrzeugs. Es ist allerdings anhand der Perspektive und den Lichtverhältnissen zusätzlich zu erkennen, dass sich nicht nur an der länglichen Vertiefung selbst ein Kratzer befindet, sondern auch etwas flachigere Kratzer in dem Bereich um den bereits beschriebenen Kratzer (gelber Kreis) Weiter ist ein Kratzer im Bereich des Fenstergummis zu erkennen (roter Kreis).
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Das nachfolgend abgebildete Lichtbild auf Bl. 31 FA oben zeigt nochmals das Loch im Dach (grüner Kreis), das sich im Bereich des hinteren linken Fensters befindet Unter dem Loch ist der Schaden zu erkennen, der bei dem Lichtbild auf Bl. 30 FA unten mit dem gelben Kreis markiert wurde. Über der B-Säule ist ein Holzsplitter zu sehen (roter Kreis) Zudem ist ein weiterer Schaden kurz über der B-Säule zu erkennen (gelber Kreis).
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Das nachfolgend abgebildete Lichtbild auf Bl. 32 FA oben zeigt aus einer anderen Perspektive das Holzstück (roter Kreis), den Schaden oberhalb der B-Säule (gelber Kreis) und einen Kratzer an der B-Säule selbst (grüner Kreis).
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Die Kratzer an der B-Säule, die bei dem Lichtbild auf Bl. 32 FA oben mit einem grünen Kreis markiert wurden, lassen sich auch aus anderer Perspektive auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild auf Bl. 33 FA oben erkennen, das nachfolgend abgebildet ist.
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Zuletzt zeigt das in Augenschein genommene und nachfolgend abgebildete Lichtbild auf Bl. 32 FA unten einen Kratzer unterhalb des Fensters der Fahrertür.
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Zu dem Sachschaden und der Höhe der Reparaturkosten hat der Geschädigte … angegeben, dass zumindest ein Schlag mit einem „Eck“ des Spatens ein längliches Loch im Dach seines PKW verursacht habe. An der Fahrerseite seien Schrammen erkennbar gewesen Aufgrund der mindestens drei Schläge mit dem Spaten seien Reparaturkosten in Höhe von ca. 6.000,00 EUR entstanden. Auf Vorhalt der auf Bl. 17 FA genannten Gesamtsumme in einem Kostenvoranschlag der Autohaus … vom 29.07.2019 in Höhe von 6.011,52 EUR netto bzw. 7.153,71 EUR brutto bestätigte der Geschädigte die genannten Summen als richtig Die Versicherung des Geschädigten habe einen eigenen Gutachter beauftragt, der dieselben Kosten festgestellt habe. Die spätere Reparatur sei mit diesem Kostenaufwand durchgeführt worden Insbesondere sei das Dach komplett erneuert und es sei auch eine neue Scheibe eingebaut worden. Die Vollkaskoversicherung habe den Schaden reguliert. Der Geschädigte habe jedoch eine Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 EUR oder 500,00 EUR, was er nicht mehr genau wisse, zahlen müssen.
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Die Aussage des Geschädigten ist auch insoweit glaubhaft und überzeugend Insbesondere deckte sich schon seine erste Angabe zur Schadenshöhe mit dem ihm danach vorgehaltenen Ergebnis des Kostenvoranschlags vom 29.07.2019 Zudem war sich der Geschädigte bei der Höhe der Selbstbeteiligung nicht mehr sicher, wodurch er auch Erinnerungslücken einräumte Auch die Schäden konnte er in Übereinstimmung mit den in Augenschein genommenen Lichtbildern nachvollziehbar schildern.
2. Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB
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Die Feststellungen der Kammer zur verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung beruhen im Wesentlichen auf den von der Kammer kritisch gewürdigten Ausführungen des Sachverständigen … in der öffentlichen Hauptverhandlung.
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Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 02.11.2021, 1 StR 291/21; Urteile vom 30.03.2017, 4 StR 463/16, Rn. 10, und vom 21.12.2016, 1 StR 399/16, Rn. 11, Beschluss vom 28.01.2016, 3 StR 521/15, Rn. 5). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 08.09.2020, 6 StR 247/20, Rn. 11 bei juris unter Verweis auf BGH, Beschlüsse vom 12.10.2016, 4 StR 78/16, Rn 11, vom 17.02.2016, 2 StR 545/15, BeckRS 2016, 7672, Rn 7; vom 17.06.2014, 4 StR 171/14, NStZ-RR 214, 205, 306, vom 23.08.2012, 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98) Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass der Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (BGH NStZ-RR 2021, 69, 70, unter Verweis auf BGH NJW 1991, 2975, und BGH StV 2019, 235).
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Der Sachverständige … kam in seinem in öffentlicher Hauptverhandlung wiedergegebenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt hinsichtlich der Tat vom 24.07.2019 sicher vorgelegen hat.
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Der Sachverständige habe zunächst ein schriftliches Gutachten vom 24.11.2020 nach Aktenlage erstellt, da zu dem damals noch nicht in Haft befindlichen Angeklagten kein Kontakt herzustellen gewesen sei und daher keine persönliche Exploration stattgefunden habe. Nach seiner Inhaftierung habe der Sachverständige den Angeklagten zweimal in der JVA aufgesucht, am 09.09.2021 und am 20.09.2021. Die Ärzte der JVA habe er von der Schweigepflicht entbunden, weshalb dem Sachverständigen die Krankenakte vorgelegen habe. Der Angeklagte habe sich beim ersten Gespräch nicht zu einer Mitwirkung entschließen können, weil er „sonst nicht zum Essen“ komme. Beim zweiten Termin habe der Angeklagte mitgeteilt, dass er nicht begutachtet werden wolle. Beim ersten Termin überreichte Unterlagen habe er nicht ausgefüllt.
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Die JVA habe den Hausarzt angeschrieben, der verschiedene Arztberichte geschickt habe. Bis 2015 sei der Angeklagte medizinisch und psychisch unauffällig gewesen. Er habe seit November 2015 verschiedene Behandlungen, auch stationär, wegen starker Schmerzen im Rücken wahrgenommen und letztlich auch eine Rehabilitationsbehandlung im Oktober 2018 begonnen. Diese sei abgebrochen worden, weil der Angeklagte sich auffällig verhalten habe. Er sei renitent und unfreundlich zum Personal gewesen. Er habe nur von Frauen behandelt werden wollen. Die Mitarbeiterinnen hätten jedoch Angst vor ihm gehabt und deshalb seine Behandlung abgelehnt. Die erste psychiatrische Behandlung sei die stationäre Unterbringung im Bezirkskrankenhaus Ansbach im Anschluss an die Tat vom 24.07.2019 gewesen. Es sei eine akute Belastungsstörung und eine Persönlichkeitsproblematik festgestellt worden. Er habe Schwierigkeiten im formalen Denken gehabt, habe beschleunigt gedacht und schnell geredet, sei in einem Erregungszustand gewesen, ebenso misstrauisch. Er habe die Realität situativ nicht mehr richtig erkannt und sei desorientiert gewesen. Es sei Fremdgefährdung angenommen worden, der Angeklagte habe bedrohlich auf das Personal gewirkt. Es sei dann auch beantragt worden, zu genehmigen, den Angeklagten zu fixieren. Nach entsprechendem Beschluss des Gerichts sei er auf dem Bett fixiert worden. Im Verlauf der Unterbringung seien dem Angeklagten Lockerungen gewährt worden, allerdings sei er nach einem Ausgang nicht wie abgesprochen zurückgekommen, weshalb eine Fahndung eingeleitet worden sei. Letztlich sei er zuhause angetroffen und in die Unterbringung zurückgebracht worden. Der Zustand des Angeklagten habe sich mal gebessert, mal verschlechtert Gegen Ende der Unterbringung seien nochmal Zwangsmaßnahmen beantragt und bewilligt worden, weshalb der Angeklagte nochmals fixiert worden sei. Am 04.09.2019 sei der Angeklagte entlassen worden. Im Bezirkskrankenhaus … sei im September die Diagnose einer akuten polymorphen psychotischen Störung gestellt worden. Eine kombinierte und andere Persönlichkeitsstörung sei nur als Verdachtsdiagnose gestellt worden.
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Der Sachverständige hat auf dieser Grundlage ausgeführt, dass zum Tatzeitpunkt am 24.07.2019 eine akute polymorphe psychotische Störung (ICD-10 F23.0) sicher anzunehmen sei, die eine krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB darstelle. Da es weder vor der Tat noch nach dem Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus Ansbach Hinweise auf psychotisches Erleben gegeben habe, sei diese Diagnose zu stellen. Diese Erkrankung sei dadurch gekennzeichnet, dass sie in relativ kurzer Zeit innerhalb von Tagen, Wochen oder allenfalls zwei bis drei Monaten vollständig abklinge. Die Diagnose könne er anhand der Feststellungen des Bezirkskrankenhauses Ansbach zum Zustand des Angeklagten stellen. Die dort festgestellten Symptome passten zu dem Krankheitsbild.
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Eine kombinierte und andere Personlichkeitsstörung könne nur als Verdachtsdiagnose gestellt werden, da der Angeklagte keine Tests gemacht habe und sich nicht begutachten lasse. Selbst bei einer bloßen Beobachtung des Angeklagten könne ohne seine Mitwirkung die Diagnose nicht gesichert werden, weil der Angeklagte in der Lage sei, sich angepasst und damit unauffällig zu verhalten. Es sprächen zwar durchaus Umstände für eine Persönlichkeitsstörung wie etwa der Umstand, dass der Angeklagte beruflich nicht dauerhaft habe Fuß fassen können und auch keine privaten Bindungen bestünden. Ebenso spreche dafür, dass seine Mutter ihn als Einzelgänger beschreibe und die Bundeswehr ihn aufgrund psychischer Auffälligkeiten nicht aufnehmen habe wollen. Allerdings spreche die weitgehend unauffällige Entwicklung bis zu einem Alter von 38 Jahren bzw. auch bis zum Abschluss des Studiums gegen eine Persönlichkeitsstörung, die sich früher entwickeln würde. Eine negative Einstellung gegen den Staat belege nicht unbedingt eine Persönlichkeitsstörung; diese sei beim Angeklagten im Ergebnis nicht als krankhaft anzusehen. Letztlich sei der Sachverständige auch der Ansicht, dass Zweifel an einer solchen Schwere der Persönlichkeitsstörung bestünden, die einen solchen Einfluss nehme, dass die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB vorlägen.
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Anhaltspunkte für eine Intoxikation bei der Tat habe es nicht gegeben.
96
Die Steuerungsfähigkeit sei erheblich beeinträchtigt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. Der Sachverständige kam aus medizinischer Sicht zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt hat. Aufgrund der die Affektivität betreffenden Erkrankung des Angeklagten sei in dem Erregungszustand aufgrund des Anlasses des Besuchs des Zollbeamten die Impulsivität erhöht gewesen. In dieser spontanen und nur wenige Sekunden dauernden Situation habe der Angeklagte der erhöhten Impulsivität aufgrund reduzierter Hemmung und Kritikfähigkeit nicht ausreichend entgegensteuern können. Jedoch sei die Steuerungsfähigkeit nicht aufgehoben gewesen, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass insbesondere die Hemmung und Kritikfähigkeit vollständig aufgehoben gewesen wären.
97
Eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit schloss der Sachverständige aus, da eine akute polymorphe psychotische Störung zwar auch die Einsichtsfähigkeit beeinträchtigen könnte, im konkreten Fall der Angeklagte jedoch trotz seiner Störung gewusst und verstanden habe, worum es bei dem Besuch des Zollbeamten gegangen sei. Auch die Nachfrage an den Zollbeamten, „warum er das wissen möchte“, belege, dass der Angeklagte die Situation verstanden habe. Das Handeln des Angeklagten sei zielgerichtet gewesen. Bei seiner Aufnahme in der Klinik sei auch keine komplette Trennung von der Realität festgestellt worden.
98
Der Sachverständige … ist dem Gericht als langjähriger und kompetenter Fachmann auf dem Gebiet der psychiatrischen Begutachtung bekannt. Er hat widerspruchsfrei und für die seine Ausführungen kritisch würdigende Kammer unter Einbeziehung der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen nachvollziehbar dargelegt, warum er eine verminderte Steuerungsfähigkeit sicher feststellen konnte, deren Aufhebung aber ebenso ausschließen konnte wie eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit. Er hat hinsichtlich der akuten polymorphen psychotischen Störung die Anhaltspunkte für deren Vorliegen sowie deren Auswirkungen nachvollziehbar geschildert. Er hat ebenso nachvollziehbar erläutert, dass die Krankheit nur eine vorübergehende ist und unter Würdigung des konkreten zeitlichen Krankheitsverlaufs beim Angeklagten während der Unterbringung im Bezirkskrankenhaus Ansbach belegt, dass auch beim Angeklagten nur eine vorübergehende Störung vorgelegen hat.
99
Eine Gesamtwürdigung der Umstände ergibt zur Überzeugung der Kammer auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit.
100
Bereits bei der Beurteilung des Anlasses für die Tat wird für die Kammer erkennbar, dass die geringe Höhe der offenen Steuerschulden keinen Anlass gegeben hat, in derart heftiger Art und Weise zu reagieren. Die Reaktion des Angeklagten stellt sich für die Kammer als spontane „Kurzschlussreaktion“ dar, die mit der vom Sachverständigen angeführten Reduzierung des Hemmungsvermögens und der Kritikfähigkeit erklärt werden kann, nicht jedoch mit rationalen Gedanken. Der völlig unverhältnismäßige Gewalteinsatz bei geringfügigem Anlass lässt für die Kammer die sichere Feststellung einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu. Genauso schließt die Kammer sich nach kritischer Würdigung den Ausführungen des Sachverständigen an, dass eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht vorgelegen hat und die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bei dem Vorfall nicht beeinträchtigt war.
101
IV. Beweiswürdigung im engeren Sinne zu der Tat vom 31.07.2021
102
Die Kammer stützt die zum Tatsachverhalt im engeren Sinne getroffenen Feststellungen zu ihrer Überzeugung im Wesentlichen auf die glaubhafte und überzeugende Aussage der geschädigten Polizeibeamtinnen und -beamten. In der Zusammenschau dieser Aussagen, des als Zeugen vernommenen weiteren polizeilichen Sachbearbeiters … und der in Augenschein genommenen Lichtbilder sowie weiteren Beweismitteln hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass das Tatgeschehen wie festgestellt stattgefunden hat und der zur Tat schweigende Angeklagte der Tat überführt ist.
1. Tatgeschehen und Folgen der Tat
103
Auf Grund der durchgeführten umfassenden Beweiserhebung und -würdigung ist die Kammer vom Hergang und von den Folgen der Tat vom 31.07.2021 - wie festgestellt - überzeugt. Diese Überzeugung beruht auf einer Gesamtwürdigung sämtlicher Beweismittel, insbesondere der für glaubhaft befundenen Aussagen der an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten und den in Augenschein genommenen Lichtbildern und der verlesenen Urkunden sowie der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnung der von der Zeugin Wagner getragenen BodyCam. Diese Beweismittel überführten den Angeklagten der Tat und belegten ergänzend die Folgen der Tat.
a) Tatgeschehen
104
Die der beabsichtigten Vollstreckung zugrundeliegenden Vollstreckungshaftbefehle vom 21.06.2021, Az 704 VRs 108455/20 (Bl 69, 69 Rs Hauptakte) und 704 VRs 112142/20 (Bl. 68, 68 Rs. Hauptakte), wurden mit dem unter C.II.1. festgestellten Inhalt verlesen.
105
Der Zeuge … gab an, dass ein vorheriger Vollstreckungsversuch hinsichtlich der beiden Vollstreckungshaftbefehle etwa drei bis vier Wochen vorher erfolglos geblieben sei, weil der Angeklagte im Garten gewesen und von dort aus Richtung Wald geflohen sei. Dessen Mutter habe er dann mitgeteilt, dass er sich gern stellen könne. Am 31.07.2021 sei er zunächst mit der Zeugin … von der Mutter des Angeklagten auf Klingeln hereingelassen worden. Die Mutter habe ihnen das Zimmer des Angeklagten gezeigt. Der Zeuge … habe an der Tür geklopft und gesagt, dass er von der Polizei sei und er rauskommen solle, worauf der Angeklagte zunächst nicht reagiert habe. Der Angeklagte habe kurz die Tür geöffnet aber wieder zugezogen. Der Zeuge … und die Zeugin … hätten dann die zweite Streife, den Zeugen … und die Zeugin … dazu geholt. Der Zeuge … erklärte dem Angeklagten nochmals durch die Tür, dass er einen Haftbefehl gegen ihn habe. Im weiteren Verlauf sei die Tür dann kurz einen Spalt aufgerissen worden und der Angeklagte habe einen Gegenstand mit einem Holzstiel gegriffen. Die Zeugin … und er seien nebeneinander gestanden, die beiden anderen frontal zur Tür. Der Zeuge … habe Verstärkung über Funk holen wollen, um eventuell das Zimmer stürmen zu lassen. Der Angeklagte habe dann die Tür aufgerissen, sei mit einem Hammer in der erhobenen Hand auf den Zeugen … zu gerannt und ihn einmal mit dem Hammer geschlagen, Der Zeuge … hatte zuvor schon seine Dienstwaffe zuvor gezogen. Es sei eine dynamische Situation gewesen, die Zeugin … habe Pfefferspray eingesetzt. Der Zeuge … sei zu dem Angeklagten und dem Zeugen … gegangen und habe versucht, den Arm des Angeklagten zu fixieren. Der Zeuge … und er hätten den Angeklagten dann vor der Treppe zu Boden gebracht, fixiert und gefesselt, was nur unter großem Krafteinsatz möglich gewesen sei, weil der Angeklagte versucht habe, sich aus dem Griff zu reißen. An der Fesselung seien jedenfalls der Zeuge … und der Zeuge … beteiligt gewesen. Den körperlichen Widerstand habe der Angeklagte kurz darauf aufgegeben und nur noch geschimpft. Der Angeklagte habe den Zeugen als „Arschloch“ bezeichnet. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte gesagt, dass die Zeugen „keine echten Polizisten“ seien und die „Justiz insolvent“ sei. Der Zeuge … habe dann unter der Treppe den Hammer gefunden, den er sichergestellt habe. Wann der Angeklagte diesen verloren habe, könne er nicht sagen Dass er schriftlich am 31.07.2021 Strafantrag gestellt hatte (Bl. 35) bestätigte er.
106
Die Aussage des Zeugen … ist glaubhaft. Er schilderte ruhig und sachlich sowie detailliert das schnell ablaufende Geschehen. Er räumte ein, wenn er Einzelheiten nicht sicher angeben könne, etwa zum Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte den Hammer fallen gelassen hatte. Er entlastete den Angeklagten auch dahin, dass er seinen körperlichen Widerstand recht schnell aufgegeben habe.
107
Die Zeugin … gab an, dass die Mutter des Angeklagten der Zeugin und dem Zeugen … die Tür geöffnet habe und auch der Lebensgefährte der Mutter anwesend gewesen sei. Die beiden weiteren Zeugen … und … seien dazu gekommen. Der Zeuge … sei vorne rechts neben der Tür auf dem Plateau gestanden, sie daneben, der Zeuge … frontal zur Tür und die Zeugin … weiter unten. Die Tür sei kurz aufgegangen und die Zeugen … und … seien dann an der Tür gewesen. Der Angeklagte habe sich einen Gegenstand gegriffen, weshalb die Zeugen … und … zurückgegangen seien. Der Zeuge … habe dann über Funk das USK angefordert. Kurz darauf sei der Angeklagte mit einem Hammer über dem Kopf aus dem Zimmer gerannt. Die Zeugin habe ihn mit einem Stoß Pfefferspray im Gesicht getroffen. Der Angeklagte sei an ihr vorbeigelaufen und habe den Zeugen … mit einer Schlagbewegung von oben nach unten angegriffen, einen eventuellen Treffer habe sie jedoch nicht gesehen, weil sie sich darauf konzentriert habe, den Angeklagten mit dem Pfefferspray zu treffen. Der Zeuge … habe den Angeklagten in den Schwitzkasten genommen und es geschafft, die vorher gezogene Dienstwaffe wegzustecken, der Angeklagte sei zu Boden gebracht und gefesselt worden. Bei der Fesselung sei sie nicht beteiligt gewesen. Der Angeklagte habe „Arschlöcher“ gesagt. Ihm seien die Verhaftung erklärt und die Augen ausgespült worden und er sei nach draußen verbracht worden, wobei er dabei geäußert habe, dass die Zeugen keine echten Polizisten seien. Dass sie schriftlich am 31.07.2021 Strafantrag gestellt hatte (Bl. 62) bestätigte die Zeugin ebenfalls.
108
Die Aussage der Zeugin … ist glaubhaft. Sie schilderte ruhig und sachlich die Umstände, die sie selbst wahrgenommen hatte. Sie räumte auch Tatsachen ein, die sie nicht sicher wahrgenommen hatte, etwa dahin, dass sie zwar die Schlagbewegung des Angeklagten gesehen habe, nicht aber den konkreten Treffer Warum sie diese Tatsache nicht gesehen hatte, erklärte sie nachvollziehbar.
109
Der Zeuge … gab an, dass Anlass für den Einsatz zwei offene Haftbefehle gewesen seien, die der Zeuge … vollstrecken habe wollen. Die Mutter des Angeklagten habe die Tür geöffnet. Der Zeuge … sei mit der Zeugin … zu den beiden bereits oben vor dem Zimmer befindlichen Zeugen … und … gegangen. Der Zeuge … habe sich mehrfach als Polizeibeamter zu erkennen gegeben und den Angeklagten aufgefordert, die Tür zu öffnen. Der Zeuge … sei rechts an der Tür gestanden, die Zeugin … rechts von dem Zeugen … und der Zeuge … frontal zur Tür. Der Angeklagte habe kurz die Tür geöffnet und hatte sich gegen die Tür gestemmt. Die Zeugen … und … hätten versucht, die Tür aufzudrücken. Neben der Tür habe auf einer Kommode ein Hammer gelegen, den der Angeklagte gegriffen habe. Der Angeklagte habe die Tür wieder geschlossen. Der Zeuge … habe dann über Funk nach dem USK gefragt.
110
Plötzlich habe der Angeklagte die Tür aufgerissen, sei mit dem Hammer in der rechten Hand auf den Zeugen … zu gestürmt und habe einmal mit dem Hammer in Richtung des Kopfes des Zeugen geschlagen. Der Zeuge habe seine Dienstwaffe in der Hand gehabt, habe diese aber nach unten gerichtet und den Finger nicht am Abzug gehabt, weil der Zeuge … im Schussfeld gestanden habe. Er habe den Schlag mit dem Hammer gegen den linken Unterarm bekommen, wobei er nur mit dem Stiel, nicht mit dem Hammerkopf getroffen worden sei. Der Angeklagte und er seien die Treppe hinuntergestolpert aber nicht gefallen. Der Zeuge habe Schläge gegen die linke Schulter bekommen, wisse aber nicht, ob diese mit dem Hammer erfolgt seien. Sie seien dann weiter in Richtung der unten stehenden Zeugin … gefallen Der Zeuge habe seine Pistole etwa in der Mitte der Treppe holstern und den Angeklagten mit beiden Armen unter Mithilfe des Zeugen … festhalten können. Am Treppenfuß habe er unter Mithilfe der Zeugen … und … den Angeklagten am Boden fesseln können, was nur schwer möglich gewesen sei, weil der Angeklagte sich permanent gesperrt habe, versucht habe, sich zu winden, und um sich geschlagen habe. Der Angeklagte habe permanent geschrien und habe sinngemäß die Polizei nicht als die Institution gesehen, die sie darstelle. An eine konkrete Beleidigung konnte er sich auch auf Vorhalt des Wortes „Arschloch“ nicht festlegen. Nachdem er am Boden fixiert worden sei, habe er gesagt, dass sie keine echten Polizisten seien und dass sie nur Platzpatronen in den Waffen hätten. Am Rettungswagen habe er später gesagt, dass die Justiz insolvent sei Dass der Zeuge … schriftlich am 31.07.2021 Strafantrag gestellt hatte (Bl. 40), bestätigte er.
111
Die Aussage des Zeugen … ist glaubhaft. Er äußerte sich ruhig und sachlich als derjenige Zeuge, der direkt von dem Angeklagten angegriffen wurde. Er zeigte jedoch keinerlei Belastungseifer, da er den Auftreffpunkt des Hammers nur am Unterarm angab und auch sofort angab, nur mit dem Stiel des Hammers getroffen worden zu sein. Auch räumte er Erinnerungslücken dahin ein, mit welchen Worten der Angeklagte die Polizeibeamten beleidigt haben sollte. Auch auf Vorhalt räumte er ein, sich an die Beleidigung als „Arschloch“ nicht erinnern zu können. Diejenigen Umstände, an die er sich erinnern konnte, schilderte er detailliert und schlüssig.
112
Die Zeugin … gab an, dass Einsatzanlass ein Haftbefehl gegen den Angeklagten gewesen sei. Der Angeklagte sei bei einem vorherigen Versuch, ihn festzunehmen, abgehauen. Der Zeuge … und die Zeugin … seien zunächst hinter dem Haus gewesen. Der Zeuge … habe die beiden über Funk nach innen gebeten. Die Mutter des Angeklagten habe den beiden die Tür geöffnet. Der Angeklagte habe nicht herauskommen wollen. Die Tür sei einmal kurz geöffnet, aber gleich wieder zugeschmissen worden. Die beiden Zeugen … und …, hätten versucht, die Tür durch Dagegenstemmen wieder zu öffnen. Es sei jedoch eine „Waffe“ im Spiel gewesen, weshalb der Zeuge … das USK habe holen wollen. Der Zeuge … sei mit gezogener Dienstwaffe oben an der Treppe gestanden, die beiden Zeugen … und …, die das Pfefferspray gehalten habe, auch, sie selbst sei hinter dem Zeugen … gestanden Plötzlich habe der Angeklagte die Tür recht flott aufgerissen und sei mit einem Hammer in der Hand auf den Kollegen … zugelaufen. Die Zeugin … habe ihn gepfeffert und getroffen. Der Angeklagte habe die Hand oben gehabt und habe mit dem Hammer in der Hand eine Schlagbewegung über Kopf gezielt gemacht. Die Zeugin … sei rückwärts einige Stufen hinuntergelaufen und habe den konkreten Treffer nicht gesehen. Der Zeuge … habe es geschafft, den Kopf des Angeklagten zu greifen und in einer Art Schwitzkasten zu fixieren, der Zeuge … sei zur Unterstützung dazu gekommen. Der Hammer sei dem Angeklagten dabei aus der Hand gefallen. Irgendwann habe es der Zeuge … geschafft, seine Dienstwaffe wegzustecken. Oben auf der Treppe hätten sie ihn jedoch nicht zu Boden bringen können Unten vor der Treppe hätten es die Zeugen … und … geschafft, den Angeklagten zu Boden zu bringen. Die Zeugen … und … seien vorne an den Armen gewesen, an den Beinen sei die Zeugin … gewesen und habe dem Angeklagten Handfesseln angelegt. Bei der Fesselung sei der Angeklagte nicht kooperativ gewesen, er habe sich nicht fesseln lassen wollen Dieser habe die Zeugen als „Arschlöcher“ beleidigt. Auf dem Weg zum Auto bzw. zum Rettungswagen habe er gesagt, dass „in den Waffen sowieso keine Munition“ sei, die Zeugen ihn nach „Altbayern“ bringen sollten und dass der Freistaat Bayern nicht existiere. Auf Vorhalt bestätigte sie, dass der Angeklagte auch geäußert habe, dass die Justiz insolvent sei und dass die Beamten keine echten Polizisten seien. Er habe sich auch nicht behandeln lassen wollen, nur einmal seien ihm die Augen gespült worden. Dass die Zeugin … am 31.07.2021 schriftlich Strafantrag stellte (Bl. 38), bestätigte sie.
113
Die Aussage der Zeugin … ist glaubhaft. Sie äußerte detailliert und sachlich die Umstände, die sie noch in Erinnerung hatte, und räumte Wahrnehmungslücken ein etwa dahin, dass sie den konkreten Treffer mit dem Hammer nicht gesehen habe, weil sie beim Hinunterlaufen auch nach hinten sehen musste.
114
Die Aussagen der Zeugen … und … zum Ablauf der Tat sind auch deshalb glaubhaft, weil diese mit den in Augenschein genommenen Aufzeichnungen der BodyCam (Asservat ÜL-Nr. 13516/2021) zum Tathergang übereinstimmen, soweit diese den Hergang zeigen.
115
Die Aufzeichnung zeigt zu Beginn die obersten Stufen einer Holztreppe, die zu einem Plateau vor einer Holztür führt. Rechts neben der Tür ist der Zeuge … zu sehen, vor der die Kamera tragenden Zeugin … steht der Zeuge … auf der letzten Treppenstufe. Diese drei Zeugen sind in Uniform zu sehen. Der Zeuge … drückt auf Vorschlag der Zeugin … den Türgriff nach unten und versucht die Tür zu öffnen, die jedoch von dem Angeklagten im Zimmer wieder zugedrückt wird. Der Zeuge … bittet den Angeklagten im ruhigen Ton, die Tür zu öffnen Sodann versuchen die Zeugen … und … gemeinsam die Tür aufzudrücken, was ihnen jedoch nicht gelingt. Der Zeuge … sagt „Ok, der wehrt sich“. Der Zeuge … befindet sich weiterhin rechts von der Tür, die Zeugin … steht links neben ihn und richtet ihr Pfefferspray auf die Tür. Frontal zur Tür steht der Zeuge … mit gezogener, aber nach unten gerichteter Dienstwaffe Hinter ihm steht die Zeugin …. Während der Zeuge … über Funk mit Kollegen spricht und fragt, ob „USK im Dienst“ sei, reißt der Angeklagte die Tür nach innen auf und rennt mit einem dunklen T-Shirt und Unterhose bekleidet aus dem Zimmer. In der rechten Hand hält er einen Gegenstand, mit dem er ausholt und - soweit auf der Aufzeichnung erkennbar - eine Schlagbewegung ausführt. Da die Kamera weiter auf die Tür gerichtet ist, ist nicht zu erkennen, ob bzw. wo der Schlag welchen Polizeibeamten trifft. Der Zeuge … bewegt sich zunächst zur Treppe, wendet sich dann aber kurz ab. Der Angeklagte und der Zeuge … befinden sich mittlerweile etwa in der Mitte der Treppe an der Stelle, an der die Treppe eine Wendung um 180° macht. Der Zeuge … und der Angeklagte rangeln miteinander und prallen an die von oben gesehen linke Wand. Der Zeuge … nimmt den Angeklagten mit dem linken Arm in eine Art „Schwitzkasten“ und der Zeuge … kommt hinzu und hält einen Arm des Angeklagten fest. Der Angeklagte schreit „scheiß“ und ein unverständliches Wort. Einer der Zeugen … oder … schreit zweimal: „Hören’s auf Herr …!“ und „beruhigen Sie sich!“ Auch die Zeugin … bewegt sich zu den drei Personen. Dem Zeugen … gelingt es, den Angeklagten kontrolliert die weiteren Treppenstufen hinunterzuführen und dort abzulegen Währenddessen schreit der Angeklagte „Scheiß Arschlöcher!“ und etwas später „Au!“. Die Zeugin … befindet sich vor dem Beginn der Treppe, im Hintergrund ist in der Tür eine Frau zu sehen. Bevor die Zeugin … mit der Kamera die Treppe wieder in das Zimmer des Angeklagten hochläuft, ist zu sehen, wie die Zeugen … und … den Angeklagten am Boden fixieren. Der Zeuge … oder der Zeuge … sagt: „Herr …, sie sind verhaftet.“ Die Zeugin … betritt das Zimmer des Angeklagten, meldet über Funk, dass die Person mit dem Hammer auf die Kollegen losgegangen sei, Pfeffer eingesetzt worden sei und die Kollegen den Angeklagten am Boden hätten, und geht anschließend wieder die Treppe hinunter. Dort liegt der Angeklagte am Boden und wird von den Zeugen … und … fixiert, der Zeuge … steht daneben. Der Angeklagte fragt „Muss das sein?“ und sagt: „Ihr seid doch keine echten Polizisten“ und „Ich brauch’ Wasser“ und ruft weiter nach Wasser. Dann äußert er: „Mein Gott, das ist doch das Letzte hier“ Die Frau in der Tür sagt zum Angeklagten. „…, hör auf!“ Zum auf ihm befindlichen Zeugen … sagt er: „Du blödes Arschloch, geh runter“. Nach unverständlichen Worten fordert einer der Zeugen … oder … den Angeklagten auf, sich zu beruhigen, woraufhin der Angeklagte antwortet: „Ich soll mich beruhigen, ihr seid doch das Letzte!“ Der Zeuge … bringt Wasser für den Angeklagten, was der Zeuge … dem Angeklagten mitteilt Die Zeugin … begibt sich in den Raum neben dem Flur und funkt mit der Dienststelle. Der Angeklagte liegt weiter gefesselt am Boden und leistet keinen Widerstand mehr. Die weiteren Gespräche zwischen dem Angeklagten und den Zeugen sind unverständlich.
116
In der Gesamtwürdigung der Aussagen der Zeugen … und …, die bis auf wenige unbedeutendere Umstände übereinstimmten, und dem Abgleich der Aussagen mit den Erkenntnissen aus der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat wie unter C.II.1. festgestellt. Die geringen Abweichungen lassen sich durch das dynamische Geschehen erklären sowie die verschiedenen Blickwinkel der beteiligten Polizeibeamten.
117
Die örtlichen Verhältnisse ergeben sich ergänzend aus in Augenschein genommenen Lichtbildern. Das Bild auf Bl. 98 Hauptakte zeigt den Treppenaufgang, vor dem der Angeklagte letztlich abgelegt und fixiert werden konnte. Es sind dunkle Holzstufen zu sehen, die dann eine Wendung nach rechts machen. Das Bild auf Bl. 99 zeigt die letzten Stufen der Treppe zu einem Plateau und frontal zur Treppe die geöffnete Zimmertür. Das Bild auf Bl. 100 zeigt das Plateau vor dem Zimmer und den Blick durch die geöffnete Zimmertür in das Zimmer des Angeklagten. Das Bild auf Bl. 103 zeigt einen kleinen Holzschrank von innen gesehen rechts neben der Tür, auf dem nach Angabe der Zeugen der Hammer gelegen habe. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 98-100, 103 Hauptakte Bezug genommen.
118
Der Zeuge … gab zu dem Hammer glaubhaft an, dass er diesen unter der Treppe gefunden und sichergestellt habe. Der Zeuge … gab glaubhaft an, dass sein Dienstgruppenleiter den Hammer später verwogen habe und dabei ein Gewicht von 418 g ermittelt worden sei. Das in Augenschein genommene Lichtbild auf Bl. 105 Hauptakte zeigt den sichergestellten Hammer, der einen typischen schwarzen Metallkopf mit einer spitz zulaufenden Seite und einer rechteckigen flachen Seite hat und einen Holzstiel. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild Bl. 105 Hauptakte Bezug genommen. In der Hauptverhandlung wurde der sichergestellte und zur Akte asservierte Hammer (ÜL-Nr. 13517/21) in Augenschein genommen, der optisch mit dem auf Bl. 105 abgebildeten Hammer übereinstimmte.
b) Folgen der Tat
119
Die körperlichen Verletzungen des Zeugen … ergeben sich aus seinen auch insoweit glaubhaften, weil ruhig und sachlich geäußerten, Angaben, die mit den Feststellungen des Klinikums … gemäß dem verlesenen Arztbericht vom 31.07.2021 (Bl 91 f Hauptakte) übereinstimmten. In dem Bericht wurden folgende Diagnosen gestellt: Prellung Schulterblatt links, Prellung Unterarm links, Hautirritation Unterarm und Oberarm links durch Pfefferspray. Der Zeuge selbst gab an, dass er einen Schlag mit dem Stiel des Hammers gegen den linken Unterarm bekommen habe, als er den Schlag Richtung Kopf abgewehrt habe. Er habe auch Schläge gegen die linke Schulter bekommen. Er habe ein Hämatom am linken Unterarm erlitten und ca. eine Woche Schmerzen gehabt. Er sei aber dienstfähig gewesen und habe die folgende Nachtschicht auch angetreten. Er habe zwar den Einsatz deutlich nachbereiten müssen, auch wegen des möglichen Schusswaffengebrauchs, und habe das polizeiintern durch Gespräche mit Kollegen und der Dienstgruppenleitung getan. Er habe das Geschehen jedoch recht gut und schnell verkraftet.
120
Ergänzend lassen die in Augenschein genommenen Lichtbilder auf Bl. 106-110 Hauptakte eine Rötung am linken Unterarm des Zeugen … erkennen. Zu den weiteren Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 106-110 Hauptakte Bezug genommen.
121
Der Zeuge … schilderte glaubhaft, weil ruhig, sachlich und ohne erkennbaren Belastungseifer, dass er keine Verletzungen im eigentlichen Sinne erlitten habe, sondern nur Folgen, die er als „Berufsrisiko“ bezeichnen würde. Nur in den Augen habe er das eingesetzte Pfefferspray gespürt und diese ausgespült.
122
Die Zeugin … gab ohne Belastungseifer, sachlich und damit glaubhaft an, dass sie keine Verletzungen erlitten habe. Zwar habe sie schon mit Kollegen über den Einsatz, den man nicht so schnell vergesse, reden müssen, was aber auch gereicht habe.
123
Die Zeugin … schilderte glaubhaft, weil ruhig, sachlich und ohne erkennbaren Belastungseifer, zu den Folgen, dass sie nach dem Gerangel Schmerzen in der Schulter verspürt habe, die konkrete Ursache ihr aber unklar gewesen sei. Sie habe mit den Kollegen nochmal über den Einsatz gesprochen aber es sei soweit alles ok gewesen.
124
Die Folgen für den Angeklagten ergeben sich aus dem verlesenen Fließtext des Einsatzprotokolls des Rettungsdienstes vom 31.07.2021 (Bl. 94 Hauptakte). Darin wurde festgehalten, dass nach einem Pfeffersprayeinsatz im Gesichtsbereich unter Augenbeteiligung die Augen und die Haut gerötet gewesen seien. Die Augen und das Gesicht seien mit einer Ringeracetatlösung gespült worden. Der Angeklagte habe jedoch eine gründliche Augenspülung verweigert Die Atemwege seien frei gewesen und das „Breathing“ ohne pathologischen Befund. Der unkooperative Angeklagte habe weitere Untersuchungen und Maßnahmen verweigert.
2. Keine Aufhebung oder erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit
125
Die Feststellungen der Kammer zu einer möglichen Einschränkung der Schuldfahigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung beruhen im Wesentlichen auf den von der Kammer kritisch gewürdigten Ausführungen des Sachverstandigen … in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu denen zunächst auf die Darstellung unter D.III.2. verwiesen wird.
126
Der Sachverständige hat darüber hinaus konkret zum Zustand des Angeklagten bei der Tat vom 31.07.2021 ausgeführt, dass er die Diagnose einer erneuten akuten polymorphen psychotischen Störung für diese Tatzeit ebenso ausschließen könne wie eine andere Erkrankung. Den Krankenunterlagen der JVA sei zu entnehmen, dass der Angeklagte sowohl bei der Aufnahme am 31.07.2021 als auch bei Folgeuntersuchungen am 02.08.2021 und 09.08.2021 explizit als „psychisch unauffällig“ eingeschätzt worden sei. Angesichts des Tatablaufs und des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat gebe es keine Anhaltspunkte für eine Psychose. Der Angeklagte habe gewusst, worum es gehe. Wenn etwa eine wahnhafte Symptomatik vorgelegen hätte, dann wäre dieser Zustand in der JVA nicht zu übersehen gewesen. Er habe jedoch keinerlei wahnhafte Gedanken geäußert und ein bloßer Erregungszustand belege keine wahnhafte Symptomatik. Auf Nachfrage der Kammer, dass das Tatbild bei beiden Taten doch gewisse Parallelen aufweise, äußerte der Sachverständige, dass ein großer und entscheidender Unterschied in dem Zustand des Angeklagten nach der zweiten Tat liege. Beide Male sei er danach ärztlich untersucht worden. Nach der zweiten Tat seien jedoch keinerlei Anhaltspunkte etwa für eine Desorientierung oder auffälliges Verhalten oder gar Wahrhaftigkeit erkannt worden. Nach der ersten Tat habe der Zustand etwa 6 Wochen angehalten, nach der zweiten Tat sei er schon in der JVA unauffällig gewesen. Eine erhebliche Störung hätte schon bei der ersten Untersuchung in der JVA auffallen müssen, selbst wenn die Untersuchung nur durch Allgemeinärzte erfolge. Insbesondere gelte das für eine wahnhafte Symptomatik, weil dabei unbeeinflussbare Gedanken vorliegen, an denen unbeirrbar festgehalten werde und die sich nicht korrigieren ließen. Die Psyche eines Häftlings werde bei der Eingangsuntersuchung schon deshalb untersucht, weil der Fokus auf alle Zustande gelegt werde, die den Gefangenen in den nächsten Stunden und Tagen gefährden könnten. Diese Vorgehensweise könne der Sachverständige aufgrund eigener früherer Tätigkeit in einer JVA so angeben. Angesichts des Anhaltens der polymorphen psychotischen Störung nach der ersten Tat für zumindest mehrere Wochen wäre es untypisch, wenn bei demselben Störungsbild - unterstellt ein solches habe zum Tatzeitpunkt vorgelegen - dieses nach der zweiten Tat so schnell abgeklungen wäre. Schließlich habe der Sachverständige den Angeklagten selbst am 09.09.2021 in der JVA gesehen und beurteilt. Dabei seien keinerlei Auffälligkeiten festzustellen gewesen Insbesondere seien hinsichtlich der zweiten Tat Auswirkungen einer - nur als Verdachtsdiagnose anzunehmenden und in ihrem Schweregrad fraglichen - Persönlichkeitsstörung nicht feststellbar gewesen.
127
Der Sachverständige hat widerspruchsfrei und für die seine Ausführungen kritisch würdigende Kammer unter Einbeziehung der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen nachvollziehbar dargelegt, warum er keinerlei Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit und/oder Steuerungsfähigkeit hat feststellen können. Insbesondere hat er auf zahlreiche Nachfragen der Kammer und der Verteidigung nachvollziehbar darlegen können, dass trotz der Ähnlichkeiten der beiden Tatabläufe angesichts des völlig unterschiedlichen psychischen Zustands des Angeklagten nach den jeweiligen Taten bei der ersten Tat eine psychiatrische Erkrankung, aufgrund derer die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war, festgestellt werden kann, bei der zweiten Tat jedoch jede Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit sicher ausgeschlossen werden kann.
128
Der Zeuge … hat angegeben, dass er in der Frühschicht eine Haftsache übernehmen sollte und den ärztlichen Bereitschaftsdienst zur Prüfung der Haftfähigkeit geholt habe. Er habe den Angeklagten nochmals belehrt. Der Angeklagte habe einen „ziemlich glasklaren Eindruck“ gemacht, ein Einfluss von Alkohol und/oder Drogen sei nicht erkennbar gewesen Der Angeklagte habe alles verstanden, was der Zeuge ihm gesagt habe. Der Angeklagte habe verstanden, was er gemacht haben solle, er habe aber nichts unterschreiben wollen Auch mit der Sicherstellung des Hammers sei er nicht einverstanden gewesen. Einwände gegen die Haftfähigkeit hätten nicht bestanden. Der Angeklagte habe keine Auffälligkeiten gezeigt und habe „völlig normal“ gewirkt. Auch diese glaubhafte Angabe des Zeugen … belegt - wenn auch nicht als Einschätzung eines Mediziners - die Ausführungen des Sachverständigen zumindest dahin, dass keine erheblichen Auffälligkeiten ersichtlich gewesen seien, die eine psychische Erkrankung nahelegen würden.
129
Gleiches gilt auch aufgrund der auch insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen … dahin, dass sich der Angeklagte bei der Festnahme habe klar artikulieren können und kein Einfluss von berauschenden Mitteln erkennbar gewesen sei Ebenso hat der Zeuge … glaubhaft angegeben, dass kein Einfluss von Alkohol oder Drogen bemerkbar gewesen sei. Der Angeklagte habe weder nach Alkohol gerochen, noch seien seine Sprechweise oder seine Bewegungen auffällig gewesen. Auch die Zeugin … konnte glaubhaft angeben, keine Anhaltspunkte für Drogen oder andere Rauschmittel festgestellt zu haben.
130
Die von den Zeuginnen … und … sowie den Zeugen … und … geäußerten Aussagen des Angeklagten gegen den Staat und die Polizei hat der Sachverständige in seine Beurteilung einfließen lassen. Die negative Einstellung gegenüber staatlichen Institutionen sei beim Angeklagten nicht als krankhaft einzuordnen
E. Rechtliche Würdigung
I. Tat vom 24.07.2019
131
Durch die Tat vom 24.07.2019 hat sich der Angeklagte der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit tatlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte gem. §§ 114 Abs. 1, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 303 Abs. 1, 303c, 22, 23, 52 StGB schuldig gemacht.
132
Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt nicht vor, weil es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch handelte.
133
Entgegen der Anklageschrift war der Angeklagte nicht wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung gem. §§ 250 Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 22, 23 StGB zu verurteilen, da es jedenfalls an dem erforderlichen finalen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und (vermögensschädigendem) Nötigungserfolg fehlt. Denn nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen hatte der geschädigte Zollbeamte … seinen Versuch, den Angeklagten zu einer freiwilligen Zahlung zu bewegen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ohne Unterstützung von weiteren Kräften durchzuführen, für den Moment bereits aufgegeben. Diesen Entschluss des Geschädigten hat der Angeklagte auch eindeutig erkannt, weil der Geschädigte auf die Aussage des Angeklagten, dass der Geschädigte nur mit dem SEK ins Haus komme, mit „ok, in Ordnung“ geantwortet hatte, sich bereits umgedreht hatte und weglief, also die Vollstreckungshandlung bereits eingestellt hatte.
134
Diese Würdigung im Hinblick auf die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung steht der Annahme eines tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte nicht entgegen, weil eine Diensthandlung des Geschädigten … noch vorlag. Denn alle Verhaltensweisen eines Amtsträgers, die zeitlich und örtlich in so engem Zusammenhang mit der jeweiligen Diensthandlung stehen, dass sie nach natürlicher Betrachtungsweise als deren Bestandteil erscheinen, sind als von dem Merkmal „Diensthandlung“ umfasst anzusehen. Deshalb gehört auch der Rückweg zum Fahrzeug nach einem Einsatz dazu (vgl. BeckOK StGB, 52 Ed., § 114 Rn. 4 i.V.m. § 113 Rn. 6).
II. Tat vom 31.07.2021
135
Durch die Tat vom 31.07.2021 hat sich der Angeklagte des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in jeweils drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1, 185, 194, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB schuldig gemacht.
136
Entgegen der Anklageschrift liegen hinsichtlich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der tateinheitlich begangenen Beleidigung nur jeweils drei tateinheitliche Fälle vor, da nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen nur drei Polizeibeamte bei der Fesselung des Angeklagten, gegen die der Angeklagte körperlichen Widerstand leistete, beteiligt waren und zudem nur drei Polizeibeamte die Beleidigung des Angeklagten wahrnahmen.
III. Tatmehrheit, § 53 StGB
137
Die beiden Taten vom 24.07.2019 und 31.07.2021 stehen zueinander in Tatmehrheit, § 53 StGB.
F. Strafzumessung
I. Tat vom 24.07.2019
1. Strafrahmen hinsichtlich § 224 StGB
138
Die Kammer nimmt unter Heranziehung der festgestellten verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB und der Tatsache, dass es sich nur um einen Versuch der gefährlichen Korperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 StGB handelte, einen minder schweren Fall im Sinne des § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB an, weshalb für die Bildung des Kombinationsstrafrahmens aus § 52 Abs. 2 StGB (dazu unter F.I.3.) der Strafzumessung eine Untergrenze von drei Monaten und eine Obergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde zu legen ist.
a) Regelstrafrahmen, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
139
Auszugehen ist von dem Strafrahmen aus § 224 Abs. 1 Hs. 1 StGB, also von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.
b) Minder schwerer Fall, § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB
140
Hier ist - unter Einbeziahung des bloßen Versuchs der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 StGB und der festgestellten verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB - ein minder schwerer Fall nach § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB anzunehmen, weshalb von einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen ist.
141
Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. In die damit gebotene Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen (st. Rspr. des BGH; siehe nur Urteil vom 20.09.2017 - 1 StR 112/17 und Urteil vom 15. März 2017 - 2 StR 294/16, NJW 2017, 2776 Rn. 16 m.w.N.).
142
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte Milderungsgrund - zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich - einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses Milderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (BGH, Beschl. v. 17.10.2017 - 3 StR 423/17 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 1.2.2015 - 1 StR 629/14 = NStZ 2015, 696; v. 3.3.2015 - 3 StR 612/14 - juris Rn. 7, v. 4.4.2017 - 3 StR 516/16 = NStZ 2017, 524 m.w.N.).
143
Ist der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als derjenige des minder schweren Falles oder andersherum der Strafrahmen des minder schweren Falles günstiger als der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen, ist dies in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2019, 2 StR 512/19, NStZ-RR 2020, 204, 205; Beschluss vom 17.10.2017, 3 StR 423/17, Rn. 5 bei juris, sowie Beschlüsse vom 11.08.1987, 3 StR 341/87, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl 4; vom 01.03.2001, 4 StR 36/01, Rn. 5 bei juris; vom 17.06.2010, 5 StR 206/10, NStZ-RR 2010, 305, Fischer, StGB, 68. Aufl., § 50 Rn. 5).
aa) Ablehnung eines minder schweren Falles ohne vertypte Milderungsgründe
144
Aus Sicht der Kammer sprechen die objektiven und subjektiven im Tatbild und in der Persönlichkeit des Angeklagten festgestellten Umstände ohne Einbeziehung der vertypten Milderungsgründe nicht überwiegend dafür, einen minder schweren Fall zu begründen, da keine ausreichende Abweichung vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle vorliegt
145
Zwar sprechen durchaus Umstände für die Annahme eines minder schweren Falles. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht vorbestraft und die Tatbegehung liegt mittlerweile etwa 20 Monate und damit länger zurück. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass der Angeklagte sich nach der Tat bis zum 04.09.2019 für sechs Wochen in einer stationären Unterbringung befand und damit eine freiheitsentziehende Maßnahme erlitt.
146
Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht allerdings die Tatausführung selbst, da der Angriff mit einem Spaten unter Berücksichtigung der Heftigkeit der Schläge, die zum Zerbrechen des Spatens geführt haben, besonders gefährlich war. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zwei nachfolgenden Schläge nur der Beschädigung des PKW galten und nicht mehr dem nunmehr im PKW sitzenden Geschädigten, dem aber jedenfalls der erste Schlag galt. Zudem handelte es sich um einen Angriff auf einen Geschädigten, der sich bereits entfernen wollte, sich keines Angriffs versah und keinerlei Schutzkleidung trug.
147
Zudem ist auch der strafschärfende Umstand zu berücksichtigen, dass der Angeklagte neben der versuchten gefährlichen Körperverletzung auch tateinheitlich zwei weitere Straftatbestände verwirklichte, die auch andere Rechtsgüter schützen sollen Eine Tat, bei der durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt worden sind, wird jedenfalls dann schwerer zu bewerten sein, wenn das in dem tateinheitlich begangenen Delikt verkörperte Unrecht von der den Strafrahmen bestimmenden Norm regelmäßig nicht erfasst wird (BGH NStZ-RR 2000, 104, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH, NStZ 1993, 434). Schutzgut des § 224 StGB ist die körperliche Unversehrtheit, Schutzgüter des § 114 StGB sind vorrangig der Individualschutz der Amtsträger und jedenfalls auch die staatlichen Vollstreckungsinteressen (Schönke/Schröder/Eser, StGB 30. Aufl., § 114 Rn. 1) und Schutzgut des § 303 StGB ist der Schutz des Eigentums.
148
Die insbesondere psychischen Folgen beim Geschädigten … sprechen aus Sicht der Kammer weder für noch gegen die Annahme eines minder schweren Falles.
149
Aus Sicht der Kammer ergibt eine Abwägung der vorgenannten Umstände, dass ein minder schwerer Fall, insbesondere aufgrund der Gefährlichkeit der Tatausführung trotz der fehlenden Vorstrafen und der länger zurückliegenden Tat mit anschließender sechswöchiger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht angenommen werden kann
bb) Ablehnung eines minder schweren Falles unter zusätzlicher Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB
150
Aus Sicht der Kammer reicht auch die Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs, § 23 Abs. 2 StGB, nicht aus, um einen minder schweren Fall zu begründen, da vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte dagegensprechen.
151
Die Strafrahmenwahl bei einem Versuch ist unter Berücksichtigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 2014, 136, 137 sowie BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 261/10 = wistra 2011, 18 [19] m.w.N.). Diese Maßgaben müssen nach Auffassung der Kammer auch gelten, wenn es - wie hier - darum geht, ob die ergänzende Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs zur Annahme eines minder schweren Falles führt.
152
Die Persönlichkeit des Angeklagten sowie die Tatumstände im weitesten Sinne wurden bereits unter F.I.1.b)aa) dargestellt. Die Bewertung der darüberhinausgehenden versuchsbezogenen Umstände sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles.
153
Es handelte sich um einen beendeten Versuch mit einer besonderen Nähe zur Tatvollendung. Denn die Tatvollendung scheiterte nur deshalb, weil der Geschädigte gerade noch kurz vor dem Treffer mit dem Spaten in seinen PKW einsteigen konnte und der Schlag somit nur das Dach des PKW traf bzw. an der B-Säule entlangschrammte. Die Tathandlung an sich hat der Angeklagte vollständig ausgeführt, da der Schlag bis zum Kontakt mit dem PKW durchgeführt wurde. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zwei nachfolgenden Schläge nur der Beschädigung des PKW galten und nicht mehr dem nunmehr im PKW sitzenden Geschädigten, dem aber jedenfalls der erste Schlag galt.
154
Der Versuch war zudem besonders gefährlich. Denn der Angeklagte führte den Schlag mit dem Spaten kraftvoll von oben mit der Schaufel voraus aus und nahm hier jedenfalls einen Treffer im Bereich des Oberköpers billigend in Kauf. Wäre der Geschädigte nicht rechtzeitig in den PKW eingestiegen, wäre ein Treffer in dieser Körperregion erfolgt, der mangels vorhandener Schutzausrüstung zumindest erhebliche Verletzungen hätte nach sich ziehen können.
155
Auch die kriminelle Energie spricht trotz der fehlenden Vorstrafen und der konkreten Tatumstände nicht entscheidend gegen die Annahme eines minder schweren Falles unter Heranziehung des Versuchs.
156
Aus Sicht der Kammer ergibt eine Abwägung - unter nochmaliger Würdigung der bereits unter F.I.1.b)aa) genannten Umstände - sowie der weiteren versuchstypischen vorgenannten Umstände, dass ein minder schwerer Fall, insbesondere aufgrund der Nähe zur Tatvollendung und der Gefährlichkeit des Versuchs, unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs nicht angezeigt ist.
cc) Annahme eines minder schweren Falles unter zusätzlicher Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB
157
Allerdings kommt die Kammer unter Einbeziehung der unter F.I.2.b)aa) und bb) genannten Umstände unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB sowie unter zusätzlicher Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB zu der Annahme eines minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB.
158
Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass die Strafmilderungsgründe des § 21 StGB und des § 23 Abs. 2 StGB damit wegen § 50 StGB nicht mehr für eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB und nochmalige Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zur Verfügung stehen. Denn es ist vorliegend geboten, den für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Hs 2 StGB unter Einbeziehung der beiden vertypten Milderungsgründe zu wählen.
159
Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB, da er an einer akuten polymorphen psychotischen Störung litt, die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung führte. Hierzu wird auf die Ausführungen unter C.I.3. und D.III.2. verwiesen.
160
Da bei einer doppelten Minderung des Regelstrafrahmens über § 23 Abs. 2 StGB und § 21 StGB, jeweils i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 StGB, die Höchststrafe bei 5 Jahren 7 Monaten liegen würde, ist die Annahme eines minder schweren Falles mit einer Höchststrafe von 5 Jahren für den Angeklagten günstiger, da eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich nicht in Frage kommt. Daher ist es im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht entscheidend, dass bereits bei einer Milderung über § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Mindeststrafe auf 1 Monat herabgesetzt würde und beim minder schweren Fall eine Mindeststrafe von 3 Monaten vorgegeben wird.
dd) Keine weitere Milderung über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen § 50 StGB
161
Eine weitere Milderung des Strafrahmens über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bzw. über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB ist nicht zulässig, § 50 StGB.
2. Strafrahmen hinsichtlich § 114 StGB
162
Die Kammer nimmt unter Heranziehung der festgestellten verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB eine Strafrahmenverschiebung zu dem vorliegenden besonders schweren Fall nach §§ 114 Abs. 2, 113 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB vor, weshalb für die Bildung des Kombinationsstrafrahmens aus § 52 Abs. 2 StGB (dazu unter F.I.3.) der Strafzumessung ein Strafrahmen bis zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe zugrunde zu legen ist.
a) Regelstrafrahmen
163
Auszugehen ist von dem Regelstrafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB, also einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren.
b) Besonders schwerer Fall nach §§ 114 Abs. 2, 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB
164
Der Angeklagte hat hier das Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 113 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, indem er jedenfalls ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führte. Über § 114 Abs. 2 StGB gilt diese Regelung eines besonders schweren Falles auch für einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte.
165
Eine Ausnahme von der Regelwirkung ist auch unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB nicht angezeigt
aa) Keine Ausnahme von der Regelwirkung ohne vertypte Milderungsgründe
166
Eine Ausnahme von der Regelwirkung kommt hier nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht, da die objektiven und subjektiven im Tatbild und in der Persönlichkeit des Angeklagten festgestellten Umstände nicht ausreichen, um eine Ausnahme von der Regelwirkung zu begründen.
167
Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Ausnahme von der Regelwirkung in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Für die Entscheidung, ob die Regelwirkung des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall ausnahmsweise wegen gewichtiger Milderungsgründe entfällt, ist - ähnlich wie bei der Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falles - auf das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit abzustellen und zu prüfen, ob sich angesichts deutlich überwiegender Milderungsgründe die Bewertung der Tat als besonders schwerer Fall als unangemessen erweisen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 01.08.2017, 2 StR 185/17; BGH, Beschluss vom 11.04.2000, 1 StR 78/00, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13).
168
Zwar sprechen durchaus Umstände für die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht vorbestraft und die Tatbegehung liegt mittlerweile etwa 20 Monate und damit länger zurück. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass der Angeklagte sich nach der Tat bis zum 04.09.2019 für sechs Wochen in einer stationären Unterbringung befand und damit eine freiheitsentziehende Maßnahme erlitt.
169
Gegen die Ausnahme von der Regelwirkung spricht allerdings die Tatausführung selbst, da der Angriff mit einem Spaten unter Berücksichtigung der Heftigkeit der Schläge, die zum Zerbrechen des Spatens geführt haben, besonders gefährlich war. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zwei nachfolgenden Schlage nur der Beschädigung des PKW galten und nicht mehr dem nunmehr im PKW sitzenden Geschädigten, dem aber jedenfalls der erste Schlag galt.
170
Zudem handelte es sich um Angriff auf einen Geschädigten, der sich bereits entfernen wollte, sich keines Angriffs versah und keinerlei Schutzkleidung trug. Dabei ist auch zu sehen, dass der Angeklagte den Spaten als gefährliches Werkzeug eben nicht nur bei sich führte, was für §§ 114 Abs. 2, 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausreicht, sondern sogar verwendete.
171
Zudem ist auch hier gegen die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte neben dem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte tateinheitlich zwei weitere Straftatbestände verwirklichte, die auch andere Rechtsgüter schützen sollen. Eine Tat, bei der durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt worden sind, wird jedenfalls dann schwerer zu bewerten sein, wenn das in dem tateinheitlich begangenen Delikt verkörperte Unrecht von der den Strafrahmen bestimmenden Norm regelmäßig nicht erfasst wird (BGH NStZ-RR 2000, 104; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH, NStZ 1993, 434). Schutzgüter des § 114 StGB sind vorrangig der Individualschutz der Amtsträger und jedenfalls auch die staatlichen Vollstreckungsinteressen (Schönke/Schröder/Eser, StGB 30 Aufl., § 114 Rn. 1), Schutzgut des § 224 StGB ist die körperliche Unversehrtheit und Schutzgut des § 303 StGB ist der Schutz des Eigentums.
172
Die insbesondere psychischen Folgen beim Geschädigten Friedrich sprechen aus Sicht der Kammer weder für noch gegen die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung.
173
Aus Sicht der Kammer ergibt eine Abwägung der vorgenannten Umstände, dass eine Ausnahme von der Regelwirkung, insbesondere aufgrund der Gefährlichkeit der Tatausfuhrung, die weiter ging, als es das Regelbeispiel der §§ 114 Abs. 2, 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB voraussetzt, trotz fehlenden Vorstrafen und der länger zurückliegenden Tat mit anschließender sechswöchiger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht angenommen werden kann.
bb) Keine Ausnahme von der Regelwirkung unter zusätzlicher Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB
174
Die Kammer kommt unter Einbeziehung der unter F.I.2 b)aa) genannten Umstände auch unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB nicht zu einer Ausnahme von der Regelwirkung des besonders schweren Falles nach §§ 114 Abs. 2, 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
175
Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB, da er an einer akuten polymorphen psychotischen Störung litt, die zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung führte. Hierzu wird auf die Ausführungen unter C.I.3. und D.III.2. verwiesen.
176
Zwar würde gewichtig für die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten sprechen Die Kammer ist sich im Rahmen der Gesamtwürdigung jedoch bewusst, dass dann der vertypte Strafmilderungsgrund des § 21 StGB wegen § 50 StGB nicht mehr für eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB herangezogen werden könnte. Die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung wurde sich hinsichtlich der oberen Grenze des Strafrahmens (fünf Jahre) allerdings für den Angeklagten nachteiliger auswirken als bei der Milderung des Strafrahmens über §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB (drei Jahre neun Monate). Zudem ist zu sehen, dass sich bei Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung nach dem Grundtatbestand des § 114 Abs. 1 StGB eine erhöhte Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten ergeben würde, bei der Milderung über §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB hingegen für den Angeklagten günstiger auf die Mindestfreiheitsstrafe von nur einem Monat oder Geldstrafe nach Art. 12 I EGStGB (so BGH, Urteil vom 17.03.2015, 2 StR 379/14, NStZ 2015, 398, zust. Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 49 Rn. 4). Insgesamt erscheint daher die Strafrahmenmilderung über §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB für den Angeklagten günstiger, weshalb nach Abwägung aller Umstände eine Ausnahme von der Regelwirkung nicht angenommen wird.
c) Milderung des Strafrahmens über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
177
Nach Auffassung der Kammer führt die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten hier nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu einer Strafrahmenverschiebung, weshalb sich ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen ergibt.
3. Bildung des Strafrahmens nach § 52 Abs. 2 StGB
178
Nach § 52 Abs. 2 S. 1 StGB ist für die Strafzumessung damit der Strafrahmen aus § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB relevant, der die höchste Mindeststrafe von drei Monaten und die hochste Obergrenze von fünf Jahren vorsieht.
179
Der Strafrahmen der tateinheitlich verwirklichten Sachbeschädigung, der nach § 303 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, bleibt unberücksichtigt, weil sich daraus weder eine höhere Mindeststrafe (§ 52 Abs. 2 S. 2 StGB) noch eine höhere Höchststrafe (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB) ergibt.
180
Eine Sperrwirkung nach § 52 Abs. 2 S. 2 StGB kommt hier auch im Übrigen nicht zum Tragen.
4. Strafzumessungsgesichtspunkte
181
Über die bereits bei der Behandlung des minder schweren Falls unter F.I.1.b) bzw der Ausnahme von der Regelwirkung unter F.I.2.b) berücksichtigten Gesichtspunkte hinaus ist zugunsten des Angeklagten die aufgrund der Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie besonders belastende Untersuchungshaft zu berücksichtigen.
182
Die insbesondere psychischen Folgen beim Geschädigten … sind aus Sicht der Kammer weder zugunsten noch zulasten des Angeklagten zu gewichten.
183
Zulasten des Angeklagten ist jedoch die Höhe des durch die Sachbeschädigung entstandenen Schadens (6.011,52 EUR netto bzw. 7.153,71 EUR brutto) zu berücksichtigen. Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass der Schadensbetrag - ohne sein Zutun - von der Versicherung des Geschädigten übernommen wurde. Allerdings verblieb dem Geschädigten … als Schaden seine Selbstbeteiligung.
5. Strafzumessung im engeren Sinne
184
Bei der Bemessung der konkreten Strafe hat die Kammer die unter Ziffer F.I.1.b) und F.I.2.b) und c) ausgeführten Erwägungen zu den konkreten Umständen der Tat sowie die unter F.I.4. zusätzlich angeführten Strafzumessungskriterien nochmals umfassend gegeneinander abgewogen, wobei die verminderte Schuldfähigkeit nur mit geringerem Gewicht berücksichtigt wurde. Von wesentlicher Bedeutung war diese in strafmildernder Hinsicht dennoch ebenso wie die fehlenden Vorstrafen und die sechswöchige Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Kammer hält eine Freiheitsstrafe von 2. Jahren 6 Monaten für tat- und schuldangemessen.
II. Tat vom 31.07.2021
1. Strafrahmen hinsichtlich § 224 StGB
185
Die Kammer sieht keinen Anlass, einen minder schweren Fall im Sinne des § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB anzunehmen. Da auch keine vertypten Milderungsgrunde vorliegen, ist für die Bildung des Kombinationsstrafrahmens aus § 52 Abs. 2 StGB (dazu unter F.II.2.) der Strafzumessung der Strafrahmen aus § 224 Abs. 1 Hs. 1 StGB von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde zu legen Die sich aus den tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen ergebenden Strafrahmen aus §§ 114 Abs. 1, Abs. 2, 113 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB bzw § 113 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB bzw § 185 StGB sehen weder höhere Untergrenzen noch Höchstgrenzen vor und bleiben daher unberücksichtigt.
a) Regelstrafrahmen, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
186
Auszugehen ist von dem Strafrahmen aus § 224 Abs. 1 Hs. 1 StGB, also von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.
b) Minder schwerer Fall, § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB
187
Hier ist ein minder schwerer Fall nach § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB abzulehnen, weshalb weiter der Regelstrafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe maßgeblich bleibt.
188
Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. In die damit gebotene Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen (st. Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 20.09.2017 - 1 StR 112/17 und Urteil vom 15 März 2017 - 2 StR 294/16, NJW 2017, 2776 Rn. 16 m.w.N.).
189
Aus Sicht der Kammer sprechen die objektiven und subjektiven im Tatbild und in der Persönlichkeit des Angeklagten festgestellten Umstände nicht überwiegend dafür, einen minder schweren Fall zu begründen, da keine ausreichende Abweichung vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle vorliegt.
190
Zwar verkennt die Kammer nicht, dass Umstände für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tatbegehung nur geringfügig und nicht einschlägig vorbestraft, da er nur wegen Straßenverkehrsdelikten jeweils im Strafbefehlswege zu Geldstrafen von 25 und 120 Tagessätzen verurteilt wurde. Zudem waren sowohl die körperlichen Folgen beim Zeugen … gering ebenso wie die psychischen Folgen bei den Zeugen … und …. Schließlich muss gesehen werden, dass der Zeuge … als Polizeibeamter darin trainiert ist, wie Angriffe mit Schlagwerkzeugen abzuwehren sind.
191
Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht allerdings die Tatausführung selbst, da der Angriff mit einem Hammer, der gegen den Kopf des Zeugen Kastner gerichtet war, besonders gefährlich war.
192
Zudem ist auch der strafschärfende Umstand zu berücksichtigen, dass der Angeklagte neben der gefährlichen Körperverletzung auch tateinheitlich drei weitere Straftatbestände verwirklichte, die auch andere Rechtsgüter schützen sollen. Eine Tat, bei der durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt worden sind, wird jedenfalls dann schwerer zu bewerten sein, wenn das in dem tateinheitlich begangenen. Delikt verkörperte Unrecht von der den Strafrahmen bestimmenden Norm regelmäßig nicht erfasst wird (BGH NStZ-RR 2000, 104; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH, NStZ 1993, 434) Schutzgut des § 224 StGB ist die körperliche Unversehrtheit, Schutzgüter des § 114 StGB sind vorrangig der Individualschutz der Amtsträger und jedenfalls auch die staatlichen Vollstreckungsinteressen (Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 114 Rn. 1), Schutzgut des § 113 StGB ist der Schutz staatlicher Vollstreckungshandlungen (Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl., § 113 Rn. 2) und Schutzgut des § 185 StGB ist die Ehre (BeckOK StGB, 52. Ed., § 185 Rn. 1).
193
Aus Sicht der Kammer ergibt eine Abwägung der vorgenannten Umstände, dass ein minder schwerer Fall, insbesondere aufgrund der Gefährlichkeit der Tatausführung trotz der geringfügigen Vorstrafen und der geringen Folgen nicht angenommen werden kann
2. Bildung des Strafrahmens nach § 52 Abs. 2 StGB
194
Nach § 52 Abs. 2 S. 1 StGB ist für die Strafzumessung damit der Strafrahmen aus § 224 Abs. 1 Hs 1 StGB relevant, der die die höchste Mindeststrafe von sechs Monaten und die höchste Obergrenze von zehn Jahren vorsieht.
195
Der Strafrahmen der tateinheitlich verwirklichten Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen, der nach § 185 Abs. 1 StGB bei Verwirklichung des Grundtatbestands eine Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe vorsieht, bleibt unberücksichtigt, weil sich daraus weder eine höhere Mindeststrafe (§ 52 Abs. 2 S. 2 StGB) noch eine höhere Höchststrafe (§ 52 Abs. 2 S. 1 StGB) ergibt.
196
Aus demselben Grund bleibt der Strafrahmen des tateinheitlich verwirklichten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB sowie derjenige des tateinheitlich verwirklichten tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte nach §§ 114 Abs. 1, Abs. 2, 113 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 1 StGB, der jeweils sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe vorsieht, unberücksichtigt. Insoweit sind keine Ausführungen dazu erforderlich, ob die Annahme einer Ausnahme von der Regelwirkung des besonders schweren Falles gerechtfertigt wäre.
197
Zwar ist bei tateinheitlich zusammentreffenden Delikten die Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, für jeden Tatbestand gesondert anzustellen. Verlangt ist dies jedoch nur im Hinblick auf die Entscheidung, welches Gesetz die schwerste Strafe androht Steht aber die Vorschrift fest, nach der die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB zu bestimmen ist, so muss der Tatrichter nicht zusätzlich erörtern, ob bei der nicht zum Zuge kommenden milderen Strafvorschrift außerdem ein minder schwerer Fall vorgelegen hätte (BGH NStZ 1993, 137, 138 unter Verweis auch auf BGHR StGB, vor § 1/minder schwerer Fall, Prüfungspflicht 1, OLG Rostock, Beschluss vom 09.01.2002, 1 Ss 165/01 I 69/01). Dies muss nach Ansicht der Kammer auch für die der Prüfung eines minder schweren Falles ähnliche Prüfung einer Ausnahme von der Regelwirkung eines besonders schweren Falles (vgl. BGH, Beschluss vom 01.08.2017, 2 StR 185/17, BeckRS 2017, 122520, Rn. 5) gelten.
3. Strafzumessungsgesichtspunkte
198
Über die bereits bei der Behandlung des minder schweren Falls unter F.II.1.b) berücksichtigten Gesichtspunkte hinaus ist zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er nur eine konkrete Beleidigung aussprach und dass Untersuchungshaft aufgrund der Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie besonders belastend ist.
199
Zulasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass die Beleidigung von drei Opfern wahrgenommen wurde und dass sich der geleistete Widerstand bei der Fixierung und Fesselung gegen drei daran beteiligte Vollstreckungsbeamte richtete.
4. Strafzumessung im engeren Sinne
200
Bei der Bemessung der konkreten Strafe hat die Kammer die unter Ziffer F.II.1.b) ausgeführten Erwägungen zu den konkreten Umständen der Tat sowie die weiteren unter Ziffer F.II.3. angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte nochmals umfassend gegeneinander abgewogen Die Kammer hält eine Freiheitsstrafe von 1. Jahr 9 Monaten für tat- und schuldangemessen.
III. Gesentstrafenbildurg
201
Gemäß § 54 StGB war aus diesen Strafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Summe der Einzelstrafen von 4 Jahren nicht erreichen durfte. Die Kammer hält eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 2 Monaten für insgesamt tat- und schuldangemessen.
202
Bei der Bildung der Gesamtstrafe sind nochmals sämtliche unter F.I.1.b), F.I.2.b) und c), F.I.4, F.II.1.b) und F.II.3. aufgeführten Zumessungsgesichtspunkte, auf die verwiesen wird, berücksichtigt worden.
203
Darüber hinaus ist auch ein Härteausgleich berücksichtigt worden, weil der Angeklagte vom 09.08.2021 bis zum 02.09.2021 eine Ersatzfreiheitsstrafe aus der Verurteilung BZR Nr. 1 (Az. 704 VRs 108455/20) von 25 Tagen und vom 03.09.2021 bis zum 31.12.2021 eine Ersatzfreiheitsstrafe aus der Verurteilung BZR Nr. 2 (Az. 704 VRs 112142/20) von 120 Tagen verbüßte. Dieser Härteausgleich ist in die Bemessung der Gesamtstrafe einzustellen und nicht bei der Feststellung der Einzelstrafen zu würdigen (BGH NStZ-RR 2020, 306, 306, BeckRS 2020, 19984, Rn. 8). Die Kammer hat diesen bei der ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt und zwar in Form eines Abzuges in Höhe von 2 Monaten.
204
Die festgesetzte Gesamtstrafe wird nach Würdigung der Kammer dem Gesamtgewicht der trotz weitgehend geringer Folgen aufgrund der jeweils besonders gefährlichen Tatausübung erheblichen Taten, denen schon aufgrund des zeitlichen Abstands von zwei Jahren jeweils eine nicht unerhebliche eigenständige Bedeutung zukommt, und insbesondere der Gesamtwürdigung der Person des vor der ersten Tat nicht und vor der zweiten Tat geringfügig vorbestraften und bei der ersten Tat an einer psychischen Erkrankung leidenden Angeklagten gerecht.
G. Keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
205
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde nicht angeordnet, da dieser zwar eine rechtswidrige Tat in einem sicher festgestellten Zustand der verminderten Schuldfähigkeit beging. Die diesem Zustand zugrunde liegende Erkrankung ist jedoch keine länger überdauernde Erkrankung, was Voraussetzung für eine Unterbringung nach § 63 StGB ist.
206
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (vgl. BGH, Beschlüsse vom 06.12.2018, 4 StR 367/18; vom 04.07.2012, 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 m.w.N.; und vom 26.03.2015, 4 StR 65/15, juris Rn. 4).
207
Bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB muss zweifelsfrei feststehen, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 01.07.2020, 6 StR 106/20; Urteil vom 17.06.2015, 2 StR 358/14, BGHR StGB § 63 Zustand 44, Beschlüsse vom 06.07.2016, 4 StR 210/16, und vom 16.01.2013, 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141).
208
Der Angeklagte hat zwei rechtswidrige Taten begangen. Allerdings steht nur hinsichtlich der Tat vom 24.07.2019 auch ein Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit bei Tatbegehung fest, was bereits dargestellt wurde (vgl. C.I.3., D.III.2., F.I.1.b)cc), F.I.2.c)). Dass die der verminderten Schuldfähigkeit zugrundeliegende Erkrankung eine länger andauernde ist, konnte die sachverständig beratene Kammer jedoch nicht sicher feststellen.
209
Der Sachverständige … hat ausgeführt, dass die beim Angeklagten vorliegende psychotische Störung typischerweise in relativ kurzer Zeit von Tagen, Wochen oder maximal Monaten abklinge. Da sich weder vor der Tat vom 24.07.2019 noch nach der daran anschließenden stationären Unterbringung Hinweise auf psychotisches Erleben gezeigt hätten, habe sich auch beim Angeklagten gezeigt, dass die vorübergehende Störung innerhalb von wenigen Monaten abgeklungen sei. Zwar ist es möglich, dass eine solche Phase wiederkommen könne, jedoch unwahrscheinlich. Selbst ein erneutes Auftreten dieser Krankheit würde zu derselben Diagnose einer akuten polymorphen psychotischen Störung führen. Erst wenn es zu anhaltenden Symptomen kommen würde, könne man über die Diagnose einer Schizophrenie als überdauernde Krankheit nachdenken. Dafür gebe es jedoch derzeit keine Anhaltspunkte. Insbesondere zeige der Zustand des Angeklagten nach der zweiten Tat vom 31.07.2021, dass diese nicht auf derselben Erkrankung beruhe, die eben keine überdauernde sei. Denn der Angeklagte sei in der JVA schon bei der Aufnahmeuntersuchung und bei weiteren Untersuchungen als explizit psychisch unauffällig eingeschätzt worden Eine zu dem Zustand bei und nach der ersten Tat vergleichbare Erkrankung, insbesondere wahnhafte Gedanken, hatte bei der Aufnahmeuntersuchung und den weiteren Untersuchungen am 02.08.2021 und 09.08.2021 auffallen müssen. Es wäre zudem als untypisch anzusehen, wenn bei dem ersten Auftreten der Krankheit ein Abklingen erst nach Monaten eintrete und beim zweiten Auftreten innerhalb kurzer Zeit.
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Die die vorstehenden Ausführungen kritisch würdigende Kammer konnte aufgrund der im Ergebnis nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen nicht sicher feststellen, dass die festgestellte akute polymorphe psychotische Störung eine länger andauernde Erkrankung ist Er hat nachvollziehbar dargestellt, dass diese Erkrankung keine überdauernde ist, die sich in Form von Schüben zeigt und auswirkt, sondern eine solche, die vollständig abklingt und dann in Zukunft nochmals auftreten kann, was allerdings als unwahrscheinlich eingeschätzt wurde. Die Unterschiede im Verhalten und dem psychischen Zustand bei und nach der ersten und der zweiten Tat hat der Sachverständige nachvollziehbar erklärt und damit dargestellt, dass die zweite Tat insbesondere nicht auf derselben Erkrankung wie die erste Tat beruhte.
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Die vom Sachverständigen gestellte Verdachtsdiagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung ändert hinsichtlich der fehlenden Voraussetzung einer länger überdauernden Erkrankung nichts, da diese Erkrankung schon nicht sicher festgestellt werden konnte.
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Da bereits die Voraussetzung einer länger andauernden Erkrankung bei der Begehung der im Sinne des § 63 S. 1 StGB erheblichen Anlasstat vom 24.07.2019 nicht sicher festgestellt werden konnte, kommt es auf die Gefährlichkeitsprognose nicht mehr an.
H. Kosten
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Der Angeklagte hat als Verurteilter die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, §§ 464, 465 StPO.