Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 19.09.2022 – 102 AR 5/22
Titel:

Zuständigkeitsbestimmung Störungsklage gegen Mieter und Eigentümer

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
WEG § 43 Abs. 2
GVG § 23 Nr. 2 c
Leitsätze:
1. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bezieht sich aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht nur auf die örtliche, sondern in entsprechender Anwendung auch auf die sachliche Zuständigkeit.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Zuständigkeitsbestimmung kommt nicht in Betracht, wenn das Amtsgericht für einen Streitgenossen als WEG-Gericht und für den anderen aufgrund des allgemeinen Gerichtsstands zuständig ist.  (Rn. 24 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, WEG-Gericht, Mieter, Störungsklage, Streitwert, allgemeiner Gerichtsstand
Vorinstanz:
AG München vom -- – 1294 C 21846/20 WEG
Fundstellen:
ZWE 2023, 231
LSK 2022, 24909
BeckRS 2022, 24909

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin zu 1), der Kläger zu 2) und die Beklagte zu 1) sind jeweils Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … straße …, München. Die Beklagte zu 2) war Mieterin der im Sondereigentum der Beklagten zu 1) stehenden, im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Nr. 4. Die Beklagte zu 1) errichtete auf einem Teil des Gemeinschaftseigentums einen Zaun, durch den der ausschließlich für ihre Wohnung nutzbare Gartenanteil faktisch vergrößert wurde. Die Beklagte zu 2) stellte im Jahr 2020 auf diese Fläche ein Trampolin sowie - bereits im Jahr 2018 - auf die Terrasse der von ihr angemieteten Wohnung eine im Sommer als Sonnenschutz dienende Stoff- / Stahlkonstruktion (von den Klägern als „Pavillon“ bezeichnet).
2
Die Kläger behaupten, der Pavillon wirke sich negativ auf das Erscheinungsbild der Gesamtanlage aus und sei eine optische Beeinträchtigung. Ferner bestehe für die Wohnung der Klägerin zu 1), die sich direkt oberhalb der Terrasse befinde, eine erhöhte Einbruchsgefahr durch Besteigen des Pavillons. Dieser sei eine unzulässige bauliche Veränderung. Die Kläger haben mit ihrer beim Amtsgericht München eingereichten Klageschrift vom 30. November 2020 beantragt,
1.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, den auf der Gemeinschaftsfläche des Anwesens … straße …, … München, im Süden errichteten Zaun gemäß Anlage K 2, blau markiert, zu entfernen.
2.
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, das sich auf der Gemeinschaftsfläche des Anwesens … straße …, … München, im Süden befindliche Trampolin, ersichtlich auf Anlage K 2, grün markiert, zu entfernen.
3.
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, den sich auf dem Anwesen … straße …, … München, befindlichen Pavillon gemäß Anlage K 2, gelb markiert, zu entfernen.
4.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Anwesen … straße …, … München, einen Zaun gemäß Anlage K 2 auf der Gemeinschaftsfläche zu errichten.
5.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Anwesen … straße …, … München, ein Trampolin gemäß Anlage K 2 auf der Gemeinschaftsfläche sowie einen Pavillon gemäß Anlage K 2 auf dem Grundstück aufzustellen.
3
In der Klageschrift haben die Kläger den Streitwert für die Anträge 1 bis 3 und 5 mit jeweils 1.000,00 € und für den Antrag 4 mit 500,00 €, insgesamt 4.500,00 € angegeben. Des Weiteren haben sie für den Fall, dass der Streitwert bezüglich der Beklagten zu 2) über 5.000,00 € liegen sollte, beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Angelegenheit zur Bestimmung der Zuständigkeit an das „zuständige höhere Gericht“ zu leiten.
4
Das Amtsgericht hat im Beschluss vom 4. Dezember 2020 den Streitwert vorläufig auf 4.500,00 € festgesetzt und dabei auf die zutreffende Begründung in der Klageschrift verwiesen. Gleichzeitig hat es den rechtlichen Hinweis erteilt, infolge des ab dem 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen WeMoG sei die Prozessführungsbefugnis der Kläger für Klagen auf Beseitigung von Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums und für entsprechende Unterlassungsklagen entfallen. Der Rechtsstreit müsse für erledigt erklärt werden.
5
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 einen neuen Antrag wie folgt eingereicht:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
6
Dieser Antrag ist den Beklagten am 13. Januar 2021 zugestellt worden, die Klageschrift vom 30. November 2020 jeweils an die Beklagtenvertreter am 20. bzw. 21. Januar 2021.
7
Die Beklagten haben Zurückweisung der Klage beantragt.
8
Sie sind der Ansicht, der Pavillon sei keine bauliche Veränderung und zulässig.
9
Zum 30. April 2021 zog die Beklagte zu 2) als Mieterin aus und entfernte das Trampolin sowie den Pavillon.
10
Die Kläger haben hierauf und in Reaktion auf Hinweise des Amtsgerichts mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021 ihre Anträge neu gefasst wie folgt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits bezüglich des Beseitigungsantrags des Trampolins (Klageantrag gem. Ziffer 2 der Klage vom 30. November 2020) sowie des Beseitigungsantrags des Pavillons (Klageantrag gem. Ziffer 3 der Klage vom 30. November 2020) zu tragen haben.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) die Kosten des Rechtsstreits in Bezug auf den Unterlassungsantrag, ein Trampolin sowie einen Pavillon [zu errichten], gemäß Klageantrag Ziffer 5 der Klage vom 30. November 2020 zu tragen hat.
3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, den auf der Gemeinschaftsfläche des Anwesens … straße …, … München, im Süden errichteten Zaun gemäß Anlage K 2 blau markiert, zu entfernen.
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Anwesen … straße …, … München, einen Zaun gemäß Anlage K 2 auf der Gemeinschaftsfläche zu errichten.
11
In der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2021 hat die Klagepartei die Anträge aus der Klageschrift vom 30. November 2020 i. V. m. den Anträgen aus dem Schriftsatz vom 18. Juni 2021 gestellt und im Folgenden ausgeführt, nur bezüglich des Pavillons, nicht aber hinsichtlich des Zauns und des Trampolins handele es sich um eine wohnungseigetumsrechtliche Streitigkeit, denn die betroffene Grundstücksfläche stehe nicht im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer, sondern - als Teil eines rechtlich selbständigen Wegs - in Bruchteilseigentum.
12
Mit Beschluss vom 22. Juli 2021 hat das Amtsgericht den Streitwert auf 13.000,00 € festgesetzt. Der Wert der Anträge 1 und 4 aus der Klageschrift sei vom Gericht mangels Anhaltspunkten frei zu schätzen. Für Zivilsachen gebe es keinen Regelstreitwert, so dass auf § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 RVG, § 30 Abs. 2 KostO zurückzugreifen sei. Der Mittelwert der in diesen Vorschriften enthaltenen Regelwerte betrage 5.000,00 € und sei mangels anderer Anhaltspunkte angemessen, zumal die Kläger ein erhebliches Interesse an der Beseitigung des Zauns bzw. dem Unterlassen einer Neuerrichtung hätten. Durch die Klageänderung vom 18. Juni 2021 werde der Streitwert nicht herabgesetzt.
13
Das Amtsgericht hat sodann im Beschluss vom 11. August 2021 die Klageanträge 1, 2, 4 und 5 (nur hinsichtlich des Trampolins) aus dem Schriftsatz vom 30. November 2020 und die Klageanträge 1 (nur hinsichtlich des Trampolins), 2 (ebenfalls hinsichtlich des Trampolins), 3 und 4 aus dem Schriftsatz vom 18. Juni 2021 abgetrennt. Die abgetrennten Anträge beträfen keine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit und seien nicht entscheidungsreif. Die im vorliegenden Verfahren verbliebenen Anträge zum Pavillon seien dagegen wohnungseigentumsrechtlich und entscheidungsreif.
14
Hinsichtlich des abgetrennten Teils ist ein gesondertes Verfahren angelegt worden.
15
Gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts vom 22. Juli 2021 hat die Beklagte zu 1) Beschwerde eingelegt. Eine endgültige Festsetzung sei noch nicht zulässig gewesen. Ferner belaufe sich der Streitwert auf maximal 4.500,00 €. Im Nichtabhilfebeschluss vom 15. September 2021 hat das Amtsgericht ausgeführt, es schätze den Wert für den Beseitigungs- und den Unterlassungsantrag bezüglich des Zauns auf jeweils 5.000,00 €. Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2021 den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts vom 22. Juli 2021 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine endgültige Festsetzung des Streitwerts hätten noch nicht vorgelegen.
16
Mit Beschluss vom 13. Januar 2022 hat das Amtsgericht das Verfahren dem Bayerischen Obersten Landesgericht „zwecks Zuständigkeitsbestimmung bezüglich der Beklagten zu 2)“ vorgelegt. Die Klägervertreter haben auf einen Hinweis des Vorsitzenden vom 20. Januar 2022 ausgeführt, ein Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO werde in Bezug auf die nicht abgetrennten Klageanträge gestellt. Ferner werde angeregt, den Streitwert für diese auf 10.000,00 € festzusetzen.
II.
17
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
18
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig.
19
a) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bezieht sich aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht nur auf die örtliche, sondern in entsprechender Anwendung auch auf die sachliche Zuständigkeit (BGH, Beschluss vom 26. November 1997, XII ARZ 20/97, NJW 1998, 685 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, juris Rn. 4 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 7. Januar 2021, 18 AR 33/20, juris Rn. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2016, 32 SA 63/16, NZBau 2016, 758 Rn. 10; zu § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch BayObLG, Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 AR 190/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris Rn. 14). Die Zuständigkeitsbestimmung kommt unter anderem in Betracht, wenn eine Wohnungseigentumssache gegen den einen Streitgenossen mit einer sonstigen Sache der streitigen Zivilgerichtsbarkeit gegen einen anderen Streitgenossen verbunden wurde bzw. werden soll. Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Wohnungseigentumsgericht, § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG, hindert dabei die Bestimmung nicht (OLG Celle, Beschluss vom 7. Januar 2021, 18 AR 33/20, juris Rn. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2016, 32 SA 63/16, NZBau 2016, 758 Rn. 10; OLG München, Beschluss vom 25. Juni 2008, 31 AR 74/08, juris Rn. 2 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. November 1997, XII ARZ 20/97, NJW 1998, 685 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, juris Rn. 9).
20
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Bestimmungsentscheidung berufen, da das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist. Nach dem Vortrag der Kläger kommt für die Klage gegen die Beklagte zu 1) die Zuständigkeit des Amtsgerichts München, bei dem die Klage anhängig gemacht worden ist, nach § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WEG in Betracht. Für die Anträge gegen die Beklagte zu 2) hingegen wäre - bei einem Streitwert von 10.000,00 €, wie zuletzt von den Klägern behauptet - das Landgericht München I nach § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG, §§ 12, 13 ZPO zuständig. Dass beide in Betracht kommenden Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, führt nicht allein deshalb zu dessen Zuständigkeit für das Bestimmungsverfahren (BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris Rn. 12; Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 8 ff.).
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2. Eine Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, da für die vorliegend nach dem Abtrennungsbeschluss vom 11. August 2021 nur noch anhängigen Anträge gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) das Amtsgericht München sachlich zuständig ist.
22
a) Streitgegenständlich sind im hiesigen Verfahren nur noch die Anträge betreffend den Pavillon (Feststellung, dass die Beklagten zu 1] und zu 2] samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits, soweit von ihnen die Beseitigung des Pavillons begehrt worden ist, und dass die Beklagte zu 2] die Kosten des Rechtsstreits, soweit diese eine erneute Aufstellung des Pavillons zu unterlassen hatte, tragen sollten).
23
Die Anträge hinsichtlich des Zauns und des Trampolins hat das Amtsgericht mit Beschluss nach § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt.
24
b) Für den Beseitigungsantrag gegen die Beklagte zu 1) (bzw. den Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht) bezüglich des Pavillons ist das Amtsgericht unabhängig vom Streitwert nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WEG, § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG zuständig. Die Kläger haben insoweit nach ihrem ausdrücklichen Vortrag gerade als Wohnungseigentümer der WEG … straße …, München geklagt und einen Beseitigungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) in Bezug auf deren - mit dem Wohnungseigentum verbundenen - Sondernutzungsrecht an der Terrasse geltend gemacht. Der auf der Terrasse aufgestellte Pavillon beeinträchtige das Gesamterscheinungsbild der Anlage und erhöhe die Einbruchsgefahr für die darüberliegende Wohnung der Klägerin zu 1). Insoweit könnten nach dem Vortrag der Kläger schuldrechtliche Ansprüche aus § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 WEG gegen die Beklagte zu 1) als Wohnungseigentümerin in Betracht kommen (vgl. Scheller in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, WEG § 14 Rn. 20).
25
c) Für die gegen die Beklagte zu 2) als ehemalige Mieterin und Aufstellerin des Pavillons geltend gemachten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (bzw. die Anträge auf Feststellung der Kostentragungspflicht) ist das Amtsgericht München nach § 23 Nr. 1 GVG, §§ 12, 13 ZPO zuständig.
26
Da die Beklagte zu 2) unstreitig nur Mieterin, nicht aber Wohnungseigentümerin war, kommen gegen sie keine schuldrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 WEG, sondern allenfalls sachenrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus § 1004 BGB in Betracht (vgl. Scheller, a. a. O., WEG § 14 Rn. 22 bis 24; BGH, Urt. v. 25. Oktober 2019, V ZR 271/18, juris Rn. 18). § 43 Abs. 2 WEG, § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG sind daher nicht anwendbar.
27
Ob die Kläger bezüglich der in der Klageschrift enthaltenen Anträge auf Beseitigung des Pavillons und Unterlassung der erneuten Aufstellung eine wirksame Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO oder nach § 263 ZPO in die Anträge auf Feststellung der Kostentragungspflicht vornehmen konnten (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 269 Rn. 18e; Seiler in Thomas/ Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, § 264 Rn. 8; Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 264 Rn. 34; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. Januar 1982, V ZR 50/81, NJW 1982, 1598 [juris Rn. 11]), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Auch ausgehend von den höheren Streitwerten der ursprünglichen Anträge betreffend den Pavillon (in der Fassung der Klageschrift vom 30. November 2020) ist das Amtsgericht München zuständig.
28
Eine Bemessung des Streitwerts des Beseitigungs- und des Unterlassungsanspruchs mit einem Wert von mehr als 5.000,00 € ist nicht plausibel zu begründen.
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aa) Der Wert einer Beseitigungsklage wird allgemein durch das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestimmt. Bei der Störung von Grundeigentum ist der Wertverlust maßgeblich, den die Sache durch die Störung erleidet (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2018, V ZB 218/17, NZM 2019, 349 Rn. 7; Beschluss vom 8. März 2012, V ZB 247/11, BeckRS 2012, 8271 Rn. 7; Beschluss vom 10. April 2008, V ZR 154/07, BeckRS 2008, 8608 Rn. 6). Der für die Beseitigung der Störung erforderliche Kostenaufwand ist dagegen grundsätzlich unerheblich. Die Kosten können nur mittelbar von Bedeutung sein, wenn sich aus ihnen ein Anhaltspunkt für die Wertminderung der Sache durch die Störung ergibt (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2018, V ZB 218/17, NZM 2019, 349 Rn. 7; Beschluss vom 10. April 2008, V ZR 154/07, BeckRS 2008, 8608 Rn. 6). Der Streitwert einer Unterlassungsklage bemisst sich am Interesse des Klägers am Verbot der Handlung, also der Unterlassung der Eigentumsbeeinträchtigung (Spohnheimer in BeckOGK, Stand 1. August 2022, BGB § 1004 Rn. 288; Bendtsen in Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 3 Rn. 15; Thole in Staudinger, BGB, Stand 1. Juli 2022, § 1004 Rn. 573).
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bb) Ausgehend hiervon lässt sich eine Bemessung des Streitwerts für den Beseitigungs- und den Unterlassungsanspruch mit mehr als 5.000,00 € nicht plausibel begründen.
31
Die Kläger haben in der Klageschrift den Streitwert bezüglich des Antrags Ziffer 3 (Beseitigung des Pavillons) und des Antrags Ziffer 5 (Unterlassung der Aufstellung eines Trampolins und eines Pavillons) mit je 1.000,00 € angegeben. Dem ist das Amtsgericht im Rahmen der vorläufigen Festsetzung des Streitwerts gefolgt, ohne dass von Seiten der Kläger oder der Beklagten hiergegen Einwendungen erhoben worden sind. Auch im Rahmen des (später vom Landgericht aufgehobenen) endgültigen Streitwertbeschlusses vom 22. Juli 2021 hat das Amtsgericht diese Anträge mit nur jeweils 1.000,00 € bemessen. Die Erhöhung des Gesamtstreitwerts von 4.500,00 € auf 13.000,00 € hat sich nur daraus ergeben, dass das Amtsgericht die Beseitigungs- und Unterlassungsanträge bezüglich des Zauns nunmehr mit je 5.000,00 € bewertet hat. Auch im Rahmen der Schriftsätze zu der Streitwertbeschwerde der Beklagten zu 1) haben weder die Beklagten noch die Kläger die Bewertung der Anträge Ziffer 3 und Ziffer 5 mit je 1.000,00 € in Frage gestellt. Die Kläger haben vielmehr im Schriftsatz vom 10. September 2021 ausdrücklich erklärt, der Streitwertbeschluss entspreche dem wirtschaftlichen Interesse der Kläger an den streitgegenständlichen Klageanträgen. Soweit die Kläger zuletzt im Schriftsatz vom 23. Februar 2022 anregen, den Streitwert für die noch verbliebenen streitgegenständlichen Anträge mit 10.000,00 € festzusetzen, erschließt sich dies nicht. Eine Begründung hierfür findet sich im Schriftsatz der Kläger nicht. Im Übrigen sieht der Senat auch keinerlei Anhaltspunkte, die eine deutliche Heraufsetzung der Streitwerte für den Beseitigungs- und Unterlassungsantrag bezüglich des Pavillons rechtfertigen könnten. Die von den Klägern behauptete optische Beeinträchtigung der Gesamtanlage durch den „Pavillon“, wie er aus den als Anlage K 2 und Anlage K 5 vorgelegten Fotos ersichtlich ist, erscheint allenfalls gering. Desgleichen vermag der Senat auch keine so signifikant erhöhte Einbruchsgefahr für die oberhalb gelegene Wohnung allein aufgrund der Metallgestänge des Pavillons zu erkennen, dass dies eine Erhöhung des Streitwerts rechtfertigen könnte.
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3. Auf die Streitwerte der abgetrennten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche betreffend den Zaun und das Trampolin kommt es nicht an.
33
Zwar bleibt im Falle einer Prozesstrennung nach § 145 ZPO die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erhalten, auch wenn diese - etwa beim Landgericht - nur auf einer Addition der Streitwerte nach § 5 ZPO oder einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruhte (Wendtland in BeckOK ZPO, 45. Edition, Stand 1. Juli 2022, ZPO, § 145 Rn. 16; Greger in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 7; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 145 Rn. 7; Fritsche in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 145 Rn. 13), jedenfalls soweit die Klagehäufung zulässig war (Wendtland in BeckOK ZPO, § 145 Rn. 17; Fritsche in Münchener Kommentar zur ZPO, § 145 Rn. 13).
34
Dies ändert aber im vorliegenden Fall nichts. Ist das angerufene Amtsgericht auch unter Berücksichtigung der Streitwerte für die abgetrennten Anträge zuständig gewesen, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung, wie bereits ausgeführt, keinesfalls in Betracht. Hat hingegen vor der Verfahrenstrennung infolge des Streitwerts für die abgetrennten Anträge eine sachliche Zuständigkeit des Landgerichts bestanden, kommt ein „Erhalt“ einer einmal vorhandenen Zuständigkeit ersichtlich nicht in Betracht, weil das Verfahren vor der Trennung nicht beim Landgericht rechtshängig war (vgl. Greger in Zöller, ZPO, § 261 Rn. 12). Ob es bezüglich der abgetrennten Anträge nunmehr einer Zuständigkeitsbestimmung oder eventuell einer Verweisung bedarf, ist in dem abgetrennten neuen und gerade nicht im streitgegenständlichen Verfahren zu entscheiden.
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4. Eine Zuständigkeitsbestimmung ist auch nicht ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen veranlasst.
36
Dies kann der Fall sein, wenn das nach Ansicht des Senats zuständige Gericht erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hat (BayObLG, Beschluss vom 10. November 2003, 1Z AR 114/03, BayObLGR 2004, 85) oder derartige Zweifel bereits jetzt gegeben sind und durch eine Bestimmung des zuständigen Gerichts zum jetzigen Zeitpunkt Zuständigkeitsstreitigkeiten für das weitere Verfahren vermieden werden können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2015, 14 AR 2/15, MDR 2016, 179/180). Hier beruht die Annahme des Amtsgerichts, dass für eine der Streitgenossinnen - die Mieterin - keine Zuständigkeit des Amtsgerichts bestehe, ausweislich des Beschlusses vom 13. Januar 2022 auf einer Missinterpretation des eigenen Beschlusses über die Streitwertfestsetzung vom 22. Juli 2021. Denn nach der Begründung der Streitwertfestsetzung ist die streitwertabhängige Zuständigkeit des Amtsgerichts in diesem Prozessrechtsverhältnis zweifelsfrei gegeben.
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Sollte das angerufene Amtsgericht allerdings nach nochmaliger Prüfung Zweifel an seiner Zuständigkeit äußern, wird sich das Bayerische Oberste Landesgericht einer Gerichtsstandsbestimmung auf erneuten Parteiantrag nicht verschließen.
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5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957 Rn. 4 ff.).