Titel:
Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren
Normenketten:
BayKAG Art. 8 Abs. 1 S. 1
AO § 157 Abs. 2
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Regelung, Niederschlagswassergebühren nach überbauten und befestigten Grundstücksflächen zu berechnen, ist ein zulässiger Niederschlagswassergebührenmaßstab. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Satzungsgeber hat bei der konkreten Ausgestaltung, welche Flächen er als überbaut oder befestigt ansieht, einen weiten Ermessensspielraum; Pauschalierungen sind dabei grundsätzlich zulässig. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine „rechtskräftige Flächenfeststellung“ ist für die Festsetzung der gebührenrelevanten Fläche nicht erforderlich, da nach dem (anwendbaren) Grundsatz des § 157 Abs. 2 AO die Feststellung der Besteuerungs- bzw. Abgabenerhebungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht selbstständig anfechtbaren Teil des Gebührenbescheids bildet. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bezugnahme auf Flächenfeststellungsbogen, Hinreichende Bestimmtheit des Bescheids, Niederschlagswassergebühr, Teilversiegelung, Vollversiegelung, Niederschlagswassergebührenmaßstab, Pauschalierung, Bestimmtheit, Ermessen, Flächenfeststellung, Zweckverband
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24850
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren durch den Beklagten.
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Der Beklagte ist als Zweckverband zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung in den Gemeinden rund um den … See seit 1. Januar 2014 gemäß seiner Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung (Entwässerungssatzung - EWS) vom 16. Dezember 2013, zuletzt geändert mit Satzung vom 21. April 2016, als öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger zuständig für die Abwasserbeseitigung. Er erhebt aufgrund seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 16. Dezember 2013, zuletzt geändert mit Satzung vom 21. April 2016, von den angeschlossenen Grundstücken hierfür u.a. Niederschlagswassergebühren. Bemessungsgrundlage für die Niederschlagswassergebührenrechnung sind die überbauten und befestigten Flächen des Grundstücks, von denen aus Niederschlagswasser in die Entwässerungseinrichtung eingeleitet wird (§ 10b Abs. 1 BGS/EWS).
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Der Kläger war bis 22. März 2016 Miteigentümer des als Zufahrt zu mehreren Anwesen genutzten Wegegrundstücks Fl.-Nr. …, Gemarkung … (vgl. Auszug aus dem Grundbuch von …, Band …, Blatt …). Seitdem ist er Inhaber eines Nießbrauchrechts bezüglich dieses Grundstücks.
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Mit Schreiben vom 13. September 2013 bat der Beklagte den vorherigen Miteigentümer um Auskunft zu Größe und Beschaffenheit der Flächen auf dem Grundstück Fl.Nr. …, die in die öffentliche Kanalisation entwässern. In einem beigefügten Antwortbogen waren die vorläufigen Feststellungen des Beklagten zur Ableitung von Niederschlagswasser von befestigten Flächen auf diesem Grundstück eingetragen (vollversiegelte Fläche von 230 m²) und der vorherige Miteigentümer erhielt Gelegenheit, die Angaben zu korrigieren. Es wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten ermittelten Flächen zugrunde gelegt würden, falls keine Rückantwort eingehen sollte. Der vorherige Miteigentümer reagierte auf dieses Schreiben nicht.
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Mit Flächenfeststellungsbogen vom 9. September 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass für das Wegegrundstück eine gebührenpflichtige Gesamtfläche von 230 m² ermittelt worden sei.
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Mit Bescheid des Beklagten vom 9. September 2019 wurde gegenüber dem Kläger die Niederschlagswassergebühr für das Jahr 2015 auf 154,10 Euro und für den Zeitraum Januar bis Februar 2016 auf 25,68 Euro festgesetzt. Dabei wurde angegeben „Objekt: Nähe H.weg Flur Nr. … (Z. straße)“, wobei als Anlage zum Bescheid der Flächenfeststellungsbogen vom gleichen Tag mit dem Lageplan des Wegegrundstücks beigefügt wurde.
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Der Kläger hat am 6. Oktober 2019 gegen den Gebührenbescheid vom 9. September 2019 Widerspruch erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2020, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 19. Februar 2020, setzte die Regierung von O. unter Zugrundelegung eines Abflussbeiwerts von 0,9 die Niederschlagswassergebühr auf insgesamt 161,80 Euro herab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
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Der Kläger hat am 19. März 2020 Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben. Der Kläger beantragt (sinngemäß),
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den Gebührenbescheid vom 9. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Februar 2020 aufzuheben,
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Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass er im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheides nicht mehr Eigentümer des im Gebührenbescheid bezeichneten Grundstücks gewesen sei. Weiter handele es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Wegegrundstück nicht um eine voll befestigte Z. straße. Das Niederschlagswasser, welches auf dem Grundstück anfalle, werde nicht in die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten eingeleitet, weil die Regenwassereinläufe mittlerweile höher als der Weg liegen würden. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Klage bereits aufgrund fehlender Bezeichnung des Ortes bzw. Spezifizierung der Örtlichkeit Erfolg haben müsse. Zudem liege dem Bescheid keine rechtskräftige Flächenfeststellung zugrunde. Der Beklagte verkenne zudem, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im Eigentum mehrerer Grundstückseigentümer stehe. Eine satzungsrechtliche Grundlage, nach welcher der Kläger gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Gebühren herangezogen werden könne, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei somit verfassungswidrig. Im Übrigen sei den anderen Eigentümern kein Bescheid zugegangen, sodass Unwirksamkeit vorliege und auch keine Möglichkeit der Vollstreckung gegen den Kläger bestünde.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zum Teil unzutreffend sei. Das Niederschlagswasser werde über mehrere Abläufe in die Niederschlagswasserkanalisation aufgenommen. In rechtlicher Hinsicht wird weiter vorgetragen, dass die Einwendungen des Klägers bezüglich der gebührenrelevanten Fläche fehlgingen. Soweit der Kläger das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vermessung beanstande, verkenne er, dass ihn eine gesetzliche und satzungsmäßige Mitwirkungspflicht treffe. Die Einwände des Klägers gegen die gesamtschuldnerische Haftung gingen fehl. Die satzungsmäßigen Grundlagen in der BGS/EWS stünden in Einklang mit der Mustersatzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Mai 2008. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei dem Satzungsgeber bezüglich der Schuldnerauswahl ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Im Übrigen sei auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Heranziehung als Gesamtschuldner nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2020 führt der Beklagte vertiefend aus, dass die Vollversiegelung hinreichend dokumentiert worden sei, die Aufnahme der Örtlichkeit mittels Lichtbildern gestatte die Entwässerungssatzung ausdrücklich. Schließlich sei auch durch das Ergebnis einer Kamerabefahrung dokumentiert, dass das Niederschlagswasser auf dem Grundstück … in die öffentliche Entwässerungseinrichtung eingeleitet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten sowie die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden werden. Der Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 23. Mai 2022 ordnungsgemäß zum Termin geladen worden. Mit der Ladung ist auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden. Da der Bevollmächtigte des Klägers in seinem unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellten Terminsaufhebungsgesuch erhebliche Gründe weder substantiiert geltend gemacht noch nachgewiesen hat, war der Termin auch nicht aufzuheben (vgl. hierzu die ablehnende Vorsitzendenverfügung in der mündlichen Verhandlung).
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2. Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9. September 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere ist er entgegen der Ansicht des Klägers hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Soweit der Kläger vorträgt, bezüglich der erhobenen Niederschlagswassergebühr sei die Örtlichkeit im Bescheid nicht hinreichend spezifiziert, ist dem nicht zu folgen. Der Beklagte hat im verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass Grundlage für die Berechnung die Flächenfeststellung vom 9. September 2019 mit der Abrechnungsnummer … sei. Aus der dem Bescheid beigefügten Flächenfeststellung, die einen Lageplan enthält, ist das Objekt der Abgabenfestsetzung hinreichend bestimmbar (vgl. dazu bereits: VG München, U.v. 25.7.2019 - M 10 K 18.2150 - juris Rn. 24).
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b) Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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aa) Rechtsgrundlage für die Erhebung von Niederschlagswassergebühren im angegriffenen Bescheid ist die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 16. Dezember 2013 in der Fassung vom 21. April 2016, die eine gültige Stammsatzung, hier die Entwässerungssatzung vom 16. Dezember 2013, zuletzt geändert am 21. April 2016, voraussetzt.
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(1) Der Beklagte betreibt zu Recht als kommunaler Zweckverband die Abwasserbeseitigung für seine Mitgliedsgemeinden als öffentliche Einrichtung. Dem Beklagten obliegt insoweit auch die Satzungshoheit, vgl. § 4 Abs. 6 Satzung des Zweckverbands zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung in den Gemeinden rund um den … See vom 21. Juni 2013 in der Fassung der Änderung vom 23. Juli 2020 (Verbandssatzung) i.V.m. Art. 22 Abs. 2 Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gründung des Zweckverbands, der Änderung der Verbandsaufgaben sowie der Aufgabenübertragung durch die Verbandssatzung vom 21. Juni 2013 sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. hierzu bereits ausführlich: VG München, U.v. 25.7.2019 - M 10 K 18.2151 - juris Rn. 21 ff.). Die Änderung der Verbandssatzung vom 23. Juli 2020 ist im Hinblick auf den vorliegenden Streitgegenstand nicht entscheidungserheblich.
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(2) Die Entwässerungssatzung vom 16. Dezember 2013, zuletzt geändert am 21. April 2016, ist rechtlich nicht zu beanstanden (s. hierzu bereits: VG München, U.v. 25.7.2019, a.a.O., Rn. 26 ff.). Rechtsfehler der maßgeblichen Benutzungsregelungen sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
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(3) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 16. Dezember 2013 in der Fassung vom 21. April 2016 begegnet im Gebührenteil (§§ 9 ff. BGS/EWS), soweit er in entscheidungserheblicher Weise die Niederschlagswassergebühren betrifft, keinen rechtlichen Bedenken (s. zur Vorgängersatzung vom 16.12.2013: VG München, U.v. 25.7.2019, a.a.O., Rn. 29 ff.). Formelle Fehler im Hinblick auf das Zustandekommen der Satzung sind weder behauptet worden noch ersichtlich. Auch sind durchgreifende materielle Rechtsmängel nicht gegeben.
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(1) Die Regelung, Niederschlagswassergebühren nach überbauten und befestigten Grundstücksflächen zu berechnen (§ 9, § 10b Abs. 1 BGS/EWS) ist nach ständiger Rechtsprechung ein zulässiger Niederschlagswassergebührenmaßstab (so bereits: VG München, U.v. 25.7.2019, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.).
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Auch die Norm in § 10b Abs. 3 BGS/EWS zum Abflussbeiwert, mit dem die ermittelten Grundstücksflächen multipliziert werden, ist nicht zu beanstanden. Der Abflussbeiwert beträgt nach § 10b Abs. 3 Satz 3 BGS/EWS bei einem Normaldach 1,0, bei einem Gründach 0,5, bei vollversiegelten befestigten Flächen 1,0 sowie bei teilversiegelten befestigten Flächen 0,5. Dabei werden in der Vorschrift die Dach- und befestigten Flächen näher definiert, z.B. werden „Rasengittersteine, Ökopflaster [oder] Plattenbeläge mit einer Fugenbreite ab 2 cm“ als teilversiegelte befestigte Flächen eingeordnet.
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Der Satzungsgeber hat bei der konkreten Ausgestaltung, welche Flächen er als überbaut oder befestigt ansieht, einen weiten Ermessensspielraum. Pauschalierungen sind dabei grundsätzlich zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2009 - 20 ZB 08.3229 - juris Rn. 6 ff.; OVG Schleswig-Holstein, U.v. 14.4.2011 - 2 LB 23/10 - juris Rn. 57 ff.).
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Die vorliegend in § 10b Abs. 3 Satz 3 BGS/EWS vorgenommene Differenzierung nach dem Ausmaß der Versiegelung ist nachvollziehbar, da sie daran ausgerichtet ist, ob Niederschlagswasser vom Boden nicht bzw. nur in unwesentlicher Weise aufgenommen werden kann (§ 10b Abs. 2 BGS/EWS) oder ob eine nicht unerhebliche Versickerung möglich ist. Dies ist auch im Hinblick auf die Unterscheidung von Plattenbelägen nach der Fugenbreite (kleiner als 2 cm oder mindestens 2 cm) der Fall, da bei einer Fugenbreite von weniger als 2 cm nur eine ganz unwesentliche Versickerung im Boden anzunehmen ist und die Fläche damit in nachvollziehbarer Weise als vollbefestigt angesehen werden kann.
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(b) Soweit in § 10b Abs. 7 Satz 4 BGS/EWS Änderungen der der Gebührenberechnung zugrundeliegenden Flächen erst im folgenden Veranlagungszeitraum Berücksichtigung finden, ist diese Regelung zwar rechtswidrig, führt aber nicht zur Gesamtnichtigkeit des Gebührenteils der Beitrags- und Gebührensatzung.
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Diese Vorschrift widerspricht dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz (vgl. Art. 8 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz - KAG, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz), da sie keine anteilige Berücksichtigung der Änderung bereits im Folgemonat vorsieht (so aber die Mustersatzung - Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.5.2008, Az. IB4-1421.1-166, AllMBl. S. 350). Dadurch wird der Vorteil, der aus der Benutzung der Entwässerungseinrichtung gezogen wird, nicht gerecht abgebildet. Die Rechtswidrigkeit dieser Regelung führt jedoch nur zu einer Teilnichtigkeit des Gebührenteils der Beitrags- und Gebührensatzung, da der Satzungsgeber bei Kenntnis der Unwirksamkeit dieser Norm den Gebührenteil im Übrigen aufrechterhalten hätte. Zudem sind Auswirkungen auf das Gesamtgefüge des Gebührenteils nicht erkennbar, da derartige Änderungen nicht sehr häufig vorkommen und daher mit Blick auf die Gesamtkalkulation lediglich als geringfügig einzuordnen sein dürften.
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(c) Entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei begegnet die in § 13 Abs. 3 BGS/EWS vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Gebührenschuldner keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist nach Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2b) KAG i.V.m. § 44 AO zulässig und in der Rechtsprechung anerkannt, da sie der Verwaltungsvereinfachung im Massengeschäft dient und zu einer möglichst ertragreichen Abgabenerhebung beitragen soll (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.1996 - 23 B 93.6 - juris Rn. 15; VGH Baden-Württemberg, U.v. 14.9.2018 - 2 S 731/18 - juris Rn. 26 ff.).
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bb) Der Einwand, den anderen Eigentümern sei kein Bescheid zugegangen, sodass der verfahrensgegenständliche Bescheid unwirksam sei und daher auch keine Möglichkeit der Vollstreckung gegen den Kläger bestünde, geht ins Leere. Der verfahrensgegenständliche Bescheid ist dem Kläger im Sinne von Art. 43 Abs. 1 Satz BayVwVfG bekanntgegeben und damit wirksam geworden, womit entgegen der Ansicht des Klägers nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die Möglichkeit der Vollstreckung besteht.
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cc) Der Beklagte hat die Rechtsgrundlage nach §§ 9 ff. BGS/EWS auch in zutreffender Weise auf den konkreten Fall angewandt.
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(1) Der Einwand, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids nicht mehr Eigentümer des im Gebührenbescheids bezeichneten Grundstücks gewesen sei, geht fehl. Nach § 13 Abs. 1 BGS/EWS ist auch derjenige, der ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich berechtigt ist wie ein Eigentümer, Gebührenschuldner. Hierunter fällt der Kläger als Nießbrauchberechtigter, denn dem Nießbraucher steht gem. § 1030 Abs. 1 BGB das Recht zu, alle Nutzungen der Sache zu ziehen, d.h. im gebühren alle Vorteile, die der Gebrauch der Sache gewährt. Eigentum und Nutzungsrecht fallen mit der Bestellung des Nießbrauchs auseinander. Dem Eigentümer bleibt zwar das Recht erhalten, über die Sache ungeachtet des Nutzungsrechts des Nießbrauchers insoweit zu verfügen, als er sie etwa mit dem Nießbrauchrecht belastet veräußern könnte. Ein eigenes Nutzungsrecht kann der Eigentümer jedoch für die Dauer der Bestellung des Nießbrauchs gerade nicht beanspruchen (VG München, U.v. 25.7.2019, a.a.O., Rn. 37).
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(2) Soweit der Kläger das Fehlen einer „rechtskräftige[n] Flächenfeststellung“ bemängelt, kann er hiermit nicht durchdringen. Eine „rechtskräftige Flächenfeststellung“ ist entgegen der Rechtsansicht des Bevollmächtigten des Klägers für die Festsetzung der gebührenrelevanten Fläche nicht erforderlich, da nach dem (anwendbaren) Grundsatz des § 157 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) die Feststellung der Besteuerungs- bzw. Abgabenerhebungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht selbstständig anfechtbaren Teil des Gebührenbescheids bildet. Der angefochtene Bescheid weist die gebührenrelevante Fläche (von 230 m²) aus und ist insoweit konstitutiv. Bei dem Flächenfeststellungsbogen handelt es sich gerade nicht um einen Verwaltungsakt (ein solcher wäre nach der Rechtsprechung der Kammer rechtswidrig, vgl. hierzu: VG München, U.v. 25.7.2019, a.a.O., Rn. 39). Der Flächenfeststellungsbogen enthält keine Regelungswirkung; er hat lediglich informatorischen Gehalt.
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Die Zugrundlegung der Fläche von 230 m2 im Bescheid ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sich an der im Grundbuch angegebenen Wegfläche von 240 m2 orientiert und ausweislich der Lageplanskizze in geringfügigem Umfang Flächen herausgerechnet, was dem Kläger zugutekommt. Gegen diese Vorgehensweise, die ergänzend auf orthographische Luftbildaufnahmen gestützt worden ist, ist rechtlich nichts zu erinnern. Im Übrigen weist der Beklagte bezüglich der Ermittlung der gebührenrelevanten Fläche zurecht daraufhin, dass die Gebührenschuldner satzungsrechtliche und gesetzliche Mitwirkungspflichten treffen (vgl. § 10b Abs. 7 Satz 3, § 15 BGS/EWS, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i.V.m. §§ 90, 93 AO), denen jedenfalls der vorherige Miteigentümer nicht nachgekommen ist.
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(3) Ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage führt das Bestreiten des Vorliegens einer vollversiegelten Fläche im Sinne von § 10b Abs. 3 Buchst. b BGS/EWS. Der Beklagte weist zurecht daraufhin, dass der Vortrag des Klägers in diesem Punkt widersprüchlich ist. So führt der Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 26. August 2020 selbst aus, dass das „Regenwasser über den privaten Regenwasserkanal in die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten eingeleitet wird“.
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Durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme einer Teilversiegelung mit einem Abflussbeiwert von lediglich 0,5 (anstatt 1,0) bestehen nicht. Denn ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Fotografien (Bl. 9 ff.) befindet sich auf dem Grundstück ein Plattenbelag mit einer Fugenbreite von weniger als 2 cm. Die Annahme einer Vollversiegelung deckt sich mit der technischen Beschreibung eines Öko-Doppel-T-Verbunds seitens des Betonwerks … … GmbH (vgl. Bl. 2 Widerspruchsakte), die von einer Entsiegelung eines derartigen Verbunds von 10% ausgeht. Im Übrigen ist die Oberflächenbeschaffenheit des verfahrensgegenständlichen Wegegrundstücks hinreichend dokumentiert. Die Fotografien unterliegen auch nicht einem Verwertungsverbot, da sie entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei jedenfalls nicht im Wege des Hausfriedensbruchs erlangt worden sind. § 20 Abs. 1 EWS erlaubt gerade das Betreten von Privatgrundstücken durch die mit dem Vollzug der Satzung beauftragten Personen des Beklagten zur Überwachung der satzungsmäßigen und gesetzlichen Pflichten. Entgegen dem Widerspruchsbescheid ist schließlich ein Abflussbeiwert von 0,9 nicht heranzuziehen, da die Satzung des Beklagten als Abflussbeiwerte nur 1,0 und 0,5 vorsieht; vorliegend ist wie dargestellt der Abflussbeiwert 1,0 einschlägig. Die Annahme eines Abflussbeiwerts von 0,9 unter Berücksichtigung einer angenommenen Entsiegelung des Verbunds von 10% ermöglichen die insoweit abschließenden Regelungen in § 10b Abs. 3 BGS/EWS nicht.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Einwand, dass die Regenwassereinläufe im Boden höher als das Wegegrundstück liegen würden und daher kein Niederschlagswasser in die Entwässerungseinrichtung des Beklagten fließe. Der widersprüchliche Vortrag des Klägers, dass kein Niederschlagswasser in die Entwässerungseinrichtung des Beklagten einfließe, ist nicht nachvollziehbar, zumal er den Ausführungen des Beklagten zu den Ergebnissen der Kamerabefahrung nicht substantiiert entgegengetreten ist. Selbst wenn die Abläufe etwas höher als die Wegeflächen situiert sein sollten (nach den Fotografien dürfte dies jedoch allenfalls geringfügig der Fall sein), ist eine Entwässerung über die Abläufe möglich. Denn derartig gepflasterte Flächen werden üblicherweise mit einem leichten Gefälle zum Ablauf hin angelegt, so dass sich bei stärkerem Regen das Wasser um den Ablauf sammelt und das ansteigende Wasser letztlich in diesen hineinfließt. Jedenfalls würde der Einwand des Klägers auch nichts an der Gebührenpflicht ändern, da nach dem Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht nur das Wegegrundstück, sondern auch die Abläufe im Privateigentum des Klägers und der weiteren Miteigentümer stehen, so dass der Kläger sowie die Miteigentümer den behaupteten Mangel der Abflüsse selbst beheben müssten.
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(4) Die Rüge des Klägers, der Beklagte habe verkannt, dass es noch weitere Miteigentümer gebe, zielt sinngemäß auf die im Ermessen des Beklagten stehende Schuldnerauswahl bei Gesamtschuldnern ab. Nach § 13 Abs. 3 BGS/EWS sind mehrere Gebührenschuldner Gesamtschuldner. Die zuständige Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wen sie im Fall der Personenmehrheit als Schuldner heranzieht. Das Ermessen ist sehr weit. Erlaubt ist insbesondere eine Auswahl aus finanziellen oder verwaltungspraktischen Gründen. Innerhalb der dem Ermessen lediglich durch das Willkürverbot und eine offenbare Unbilligkeit gezogenen Grenzen kann die Behörde den Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, dessen Wahl ihr geeignet und zweckmäßig erscheint. Nicht einwenden kann ein Schuldner, dass es andere Gesamtschuldner gebe, die ebenfalls oder an seiner Stelle heranzuziehen seien. Die Ausübung des Ermessens bei der Auswahl unter mehreren Gesamtschuldnern verlangt in der Regel keine besondere schriftliche Darlegung (s. BVerwG, U.v. 10.9.2015 - 4 C 3/14 - juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 28.10.1996, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, U.v. 14.9.2018, a.a.O., Rn. 27).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Heranziehung des Klägers als Gesamtschuldner nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1 VwGO). Willkür- oder Billigkeitsgesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.