Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.08.2022 – M 10 E 22.3618
Titel:

Erfolgloser Eilantrag auf Unterlassung von Äußerungen in einer Pressemitteilung der öffentlichen Hand (Gegenschlag)

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1
BGB § 1004
Leitsätze:
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch einen Verein im Rahmen seines Vereinszwecks vor Äußerungen von Amtsträgern, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken, wenn diese gegen das Willkürverbot oder das Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßen. (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Zuge der Waffengleichheit ist es auch einer Behörde zuzugestehen, dass sie auf einen öffentlichen Angriff, der jeglicher Grundlage entbehrt, reagiert und die "Rechtschaffenheit" der Behörde deutlich macht. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Pressemitteilung, Unterlassungsanspruch, einstweilige Anordnung, Äußerungsrecht, Gegenschlag
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.12.2022 – 7 CE 22.2168
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24843

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Presseerklärung des Antragsgegners auf der Webseite der Nationalparkverwaltung …
2
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung unter anderem den Vereinszweck verfolgt, einen verantwortungsvollen Umgang mit den Wildtieren und ihren Lebensräumen zu fördern, den Tierschutzgedanken zu erhalten sowie die Natur zu schützen.
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In der Vergangenheit hatte sich der Antragsteller in Pressemitteilungen auf seiner Webseite sehr kritisch über den Abschuss von Gämsen innerhalb des Nationalparks … geäußert. So veröffentlichte er unter anderem einen Beitrag mit der Überschrift „Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen, um Geierjunge zu füttern“, in dem es unter anderem hieß, „Nationalpark … erlegt nicht nur fleißig Gams im … Nationalpark, er erlegt sie auch noch am liebsten während der Schonzeit“.
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Das Landgericht Traunstein untersagte auf Antrag des Leiters der Nationalparkverwaltung mit Urteilen vom 15. April 2021 und vom 3. Februar 2022 dem Antragsteller die oben genannten Äußerungen.
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Am 21. Juni 2022 veröffentlichte der Antragsgegner auf seiner Webseite eine Pressemitteilung, wonach der Antragsteller gegen die Schonzeitaufhebung im Nationalpark Klage eingereicht habe. Der Antragsteller habe in einer Presseerklärung der Nationalparkverwaltung tierschutzwidrige Jagdpraktiken und den Schutzstatus des Gebiets gefährdende Sonderregelungen unterstellt. Weiter heißt es wortwörtlich: „Bereits im März 2022 war dem Verein wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark … untersagt worden.“ Nun unternehme der Verein einen weiteren Anlauf, etablierte und dem gesetzlichen Schutzziel dienende Maßnahmen zur Wildbestandsregulierung zu diskreditieren (...).
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022 beantragt der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München:
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Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufgegeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von Euro 5 bis zu Euro 250.000 zu unterlassen, folgende Äußerung zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen,
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„Bereits im März 2022 war dem Verein wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark … untersagt worden“,
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wenn dies geschieht wie in der Pressemitteilung des Nationalparks … Nummer … vom 21. Juni 2022 mit der Überschrift „Konzept zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark“.
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Nationalparkverwaltung regelmäßig jährlich abweichend von der gesetzlichen Schonzeitregelung Einzelanordnungen zur Schonzeitaufhebung erlasse. Der Nationalpark habe im vergangenen Jahr eine groß angelegte PR-Aktion zur Auswilderung von Bartgeiern durchgeführt. Zu dieser PR-Aktion zulasten der Gämse habe der Antragsteller entsprechend seinem Vereinszweck Stellung genommen. Er kritisiere, dass Gämsen im Nationalpark ohne Einhaltung einer Schonzeit zu reinen PR-Zwecken erlegt würden. Hiergegen habe sich die Nationalparkverwaltung außergerichtlich sowie gerichtlich gewendet; mit Urteil vom 15. April 2021 habe das Landgericht Traunstein die oben genannte Äußerung des Antragstellers mit einstweiliger Verfügung untersagt.
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Die vom Antragsteller eingelegte Berufung sei nach einem Hinweis des OLG München zurückgenommen und dafür beantragt worden, dem Leiter des Nationalparks eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen. Auf die daraufhin erhobene Hauptsacheklage sei vom Landgericht Traunstein die einstweilige Verfügung vom 15. April 2021 mit Urteil vom 3. Februar 2022 bestätigt worden.
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Hiergegen habe der Antragsteller frist- und formgerecht Berufung eingelegt; das Verfahren beim OLG sei noch anhängig.
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Zwischenzeitlich habe der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München Klage gegen die Einzelanordnungen zur Schonzeitaufhebung erhoben. Dies habe der Nationalpark zum Anlass für seine beanstandete Presseerklärung genommen, um den Antragsteller gleichermaßen als notorischen Verbreiter sogenannter Fake-News darzustellen. Der Antragsteller und sein Anliegen zum Schutz der Gämsen sollten in aller Öffentlichkeit diskreditiert werden. Diese Erklärung habe eine weite Verbreitung gefunden und sei auch auf anderen Internetseiten zitiert oder verlinkt worden.
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Die streitgegenständliche Behauptung sei aus mehreren Gründen unzutreffend. So sei die Behauptung, dem Antragsteller seien „wiederholt“ - also mehrfach - unwahre Aussagen untersagt worden, falsch. Auch wenn es sich formal um zwei Verfahren gehandelt habe (einstweiliger Rechtsschutz einerseits, Hauptsacheverfahren andererseits), sei der jeweils selbe Lebenssachverhalt Gegenstand des Verfahrens gewesen; es handele sich um ein und dieselbe Äußerung. Unwahr sei ebenfalls die Behauptung, dem Antragsteller sei „gerichtlich…untersagt worden“; es liege bislang überhaupt keine abschließende gerichtliche Untersagung der streitgegenständlichen Äußerungen vor. Im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolge lediglich eine summarische Prüfung. Das Hauptsacheverfahren sei nicht abgeschlossen, da die Berufung noch anhängig sei. Dass also alles noch offen sei, verschweige der Nationalpark in seiner Verlautbarung tunlichst. Überdies sei die Behauptung, es seien Aussagen zur Wildbestandsregulierung untersagt worden, ebenfalls unwahr. Denn die in der Presseerklärung angesprochenen Gamsabschüsse hätten gerade keine Behauptungen ganz allgemein zur Wildbestandsregulierung betroffen. Die Presseerklärung habe sich ausschließlich mit dem Abschuss von Gämsen während der Schonzeit und der damit verbundenen Bartgeier-PR-Aktion befasst.
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Dem Antragsteller stehe ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Der Nationalpark habe mit seiner Presseerklärung hoheitlich und gerade in der öffentlich-rechtlichen Funktion als staatliche Einrichtung gehandelt.
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Die erforderliche Wiederholungsgefahr liege vor. Voraussetzung sei, dass ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen erfolgt sei und die konkrete Gefahr der Wiederholung drohe. Mit der bereits geschehenen veröffentlichten Berichterstattung werde die Wiederholungsgefahr indiziert. Es liege ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz vor, da eine unwahre sowie bewusst unvollständige Berichterstattung vorliege. Damit seien die unwahren Behauptungen zu unterlassen. Die streitgegenständliche Behauptung sei zudem bewusst unvollständig, da sie verschweige, dass die im zivilrechtlichen Verfahren streitgegenständlichen Äußerungen mitnichten endgültig untersagt seien. Eine Entscheidung des OLG München stehen noch aus. Eine bewusst unvollständige Berichterstattung sei rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln. Das Auslassen der Begleitumstände bewirke sehr wohl eine Stigmatisierung und Herabsetzung des Antragstellers. Zudem habe der Nationalpark gegen das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot verstoßen. Er habe mit der unwahren und unvollständigen Äußerung das Verfahrensgeschehen gerade nicht zutreffend wiedergegeben und damit gegen das staatliche Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot verstoßen. Es sei auch nicht ansatzweise ersichtlich, welches sachliche Ziel der Nationalpark mit seinen Äußerungen verfolge. Es liege auch keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenäußerung vor, die dem Beweis zugänglich sei.
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Zudem liege ein Anordnungsgrund vor. Die Sache sei eilbedürftig, da die Presseerklärung vor einem Monat veröffentlicht worden und weiterhin online abrufbar sei. Dadurch wirke die Persönlichkeitsrechtsverletzung fort. Ein Abwarten einer Hauptsacheentscheidung sei ausgeschlossen.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 2. August 2022:
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
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Hierzu wird vorgetragen, die PR-Aktion zur Auswilderung von Bartgeierjungen sei nicht zulasten der Gämsen im Nationalpark erfolgt, sondern ausschließlich zugunsten der damals und künftig noch auszuwildernden Bartgeierjungen. Wegen dieses Auswilderungsprojekts wurde und werde keine einzige Gämse auf dem Gebiet des Nationalparks erlegt.
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Das einstweilige Verfügungsverfahren beim Landgericht Traunstein sei rechtskräftig zugunsten des Leiters der Nationalparkverwaltung abgeschlossen und stelle prozessual einen eigenen Verfahrenskomplex auch im Verhältnis zum nachfolgenden Hauptsacheverfahren mit dem gleichen (Hauptsache-) Streitgegenstand dar. Im nachfolgenden Hauptsacheverfahren habe das Landgericht Traunstein ein inhaltlich identisches, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Verbot gegen den Antragsteller ausgesprochen. Dieses Urteil sei zwar noch nicht rechtskräftig, aber existent und wirksam bzw. vollstreckungsrechtlich jederzeit durchsetzbar. Zudem sei neben der Verfügung gegen den Antragsteller selbst auch gegen den ersten Vorstand des Antragstellers persönlich im Rahmen eines eigenständigen einstweiligen Verfügungsverfahrens ein inhaltlich identisches Verbot erlassen worden.
22
Die streitgegenständliche Aussage sei sachlich zutreffend und damit wahr. Das Landgericht habe mit zwei verfahrensrechtlich selbstständigen Endurteilen gegenüber dem Antragsteller das mit Ordnungsmitteln bewehrte Verbot ausgesprochen. Beide Entscheidungen seien wirksam, sie seien - teils mit, teils ohne Sicherheitsleistung - vollstreckbar.
23
Eine relevante Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts des Antragstellers als juristischer Person des Zivilrechts sei nicht ausreichend dargetan. Die Aussagen des Antragsgegners seien objektiv wahr und schon deshalb zulässig. Sie seien auch nicht unvollständig und erst recht nicht bewusst unvollständig. Über die Vorläufigkeit oder Endgültigkeit der gerichtlichen Verbote werde weder eine Aussage getroffen noch entwickle der Leser der Pressemitteilung darüber eine irrige Vorstellung. Durch die Pressemitteilung erfolge auch keine Stigmatisierung und Herabsetzung des Antragstellers, sondern lediglich eine sachliche Darstellung über den aktuellen Prozessstand in der Auseinandersetzung der Beteiligten über Äußerungen zur Wildbestandsregulierung auf dem Gebiet des Nationalparks. Eine Verletzung des Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebots durch den Antragsgegner sei fernliegend. Die Pressemitteilung berichte in sachlicher und angemessener Form und Sprache über die bisherigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten.
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Der Antragsteller habe im Übrigen selbst durch seine rechtswidrige Mitteilung über angebliche Abschüsse von Gämsen während der Schonzeit und zum Zwecke der Fütterung von Bartgeierjungen die aktuelle Auseinandersetzung der Beteiligten begonnen.
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Mit Schriftsatz vom 18. August 2022 vertieft der Antragsteller seinen Vortrag.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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1. Das Gericht geht bei sachgerechter Auslegung des Antrags gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO nach dem aus der Begründung des Antrags erkennbaren Rechtsschutzziel davon aus, dass der Antragsteller nicht nur für die Zukunft die Unterlassung weiterer künftiger Äußerungen der inkriminierten Art begehrt, wie es zunächst der Wortlaut des Antrags nahelegt.
28
Die Formulierung im Antrag, es „zu unterlassen, folgende Äußerung zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen, …, wenn dies geschieht wie in der Pressemitteilung des Nationalparks … Nr. … vom 21. Juni 2022“, kann so verstanden werden, als wolle der Antragsteller lediglich gleichlautende Äußerungen oder Pressemitteilungen für die Zukunft verhindern, weil ja die beanstandete Äußerung bereits veröffentlicht ist. Fraglich wäre dann aber eine Wiederholungsgefahr.
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Aus der weiteren Begründung ergibt sich jedoch, dass gerade die zitierte Presseerklärung vom 21. Juni 2022 selbst untersagt werden soll. Aufgrund der jederzeit für jedermann zugänglichen Presseerklärung auf der Webseite des Antragsgegners wirkt gerade diese Erklärung auch für die Zukunft fort. Es wäre nicht sachgerecht, nur künftige Äußerungen, nicht aber diese noch auffindbare und fortwirkende Äußerung zu unterbinden.
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2. Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch wenn eine Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO).
32
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Antragsteller keinen den Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtfertigenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen und zugleich hinreichenden summarischen Prüfung auf der Grundlage der Stellungnahmen der Parteien ist es überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Unterlassung der vorbezeichneten Äußerungen auf der Webseite der Nationalparkverwaltung aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs zusteht.
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2.1 Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung - oder der Fortsetzung dieses Eingriffs - droht (BayVGH, B.v. 21.8.2018 - 5 C 18.1236 - juris Rn. 19). Als vom öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch geschütztes Rechtsgut kommt im Rahmen des hier maßgeblichen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht, das nicht nur die Privat-, Geheim- und Intimsphäre, sondern auch die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. „äußeren Ehre“ als des Ansehens in den Augen anderer, umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13). Art. 2 Abs. 1 GG sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, wozu auch das Recht gehört, ein Eindringen oder einen Einblick durch andere in diesen Bereich auszuschließen. Jeder darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann zwar zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt sein, jedoch gilt das nicht von vornherein. Vielmehr gebietet der hohe Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit, dass dem aus Gründen des Allgemeininteresses erforderlich erscheinenden Eingriff das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Fall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfG, U.v. 5.6.1973 - 1 BvR 536/72 - BVerfGE 35, 202/220 f.). So bietet Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Der Einzelne hat allerdings keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte. Aber auch wahre Berichte können das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind und die Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwiegen (vgl. BVerfG, B.v. 24.3.1998 - 1 BvR 131/96 - BVerfGE 97, 391/403 f.).
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2.2 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass in amtlicher Eigenschaft getätigte Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben (BVerwG, B.v. 11.11.2010 - 7 B 54/10 - juris Rn. 14 m. w. N.; BayVGH, B.v. 21.8.2018 - 5 C 18.1236 - juris Rn. 22; B.v. 6.7.2012 - 4 B 12.952 - juris Rn. 18; OVG Bremen, B.v. 10.9.2018 - 2 B 213/18 - juris Rn. 17). Ob die Grenze zulässiger Äußerungen überschritten ist, hängt von einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse des Einzelfalles ab (BVerwG, B.v. 27.3.1996 - 8 B 33/96 - juris Rn. 5).
35
Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist die hier betroffene Grundrechtsposition des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf das sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch der Antragsteller als juristische Person im Rahmen seines Vereinszwecks berufen kann (BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 16), umfasst den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken (st. Rspr. BVerfG; vgl. B.v. 14.7.2004 - 1 BvR 263/03 - juris). Hierzu zählen wie ausgeführt auch das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sogenannten „äußeren Ehre“ als des Ansehens in den Augen anderer.
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2.2.1 Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers liegt im vorliegenden Fall nicht schon deshalb vor, weil die von ihm beanstandete Äußerung des Antragsgegners auf seiner Webseite falsch oder irreführend unvollständig wäre. Tatsächlich trifft es zu, dass dem Antragsteller wiederholt gerichtlich die Behauptung und Verbreitung von unwahren Aussagen zur Wildbestandsregulierung im Nationalpark … untersagt worden waren.
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Dem Antragsteller wurden vom Landgericht Traunstein mit Urteil vom 18. März 2021 im Verfügungsverfahren und nochmals mit Urteil vom 3. Februar 2022 die Äußerungen untersagt: „Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen, um Geierjunge zu füttern“ sowie „Nationalpark … erlegt nicht nur fleißig Gams im … Nationalpark, er erlegt sie auch noch am liebsten während der Schonzeit“.
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Diese beiden Entscheidungen sind „wiederholte“ Entscheidungen zum selben Streitgegenstand, den Äußerungen des Antragstellers. Es kommt nicht darauf an, dass eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bzw. Verfügungsverfahren und die spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen sind. Vom Antragsgegner kann auch nicht verlangt werden, dass er juristisch fein ziseliert in seiner Presseerklärung zwischen Eilverfahren und Hauptsacheverfahren unterscheidet. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Entscheidungen rechtskräftig sind oder noch ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist. Ausschlaggebend ist, dass diese Entscheidungen zwischen den Beteiligten ergangen sind und Wirkung entfaltet haben. Damit können diese Entscheidungen auch als wiederholt bezeichnet werden.
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Beide Äußerungen, die wörtlich zwar nur die Begriffe der Gämsen und Geier enthalten, sind auch im Zusammenhang als Aussagen zur Wildbestandsregulierung erkennbar. Die Einordnung unter diesen Oberbegriff der Wildbestandsregulierung ist fachlich nicht zu beanstanden.
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2.2.2 Ein Eingriff liegt auch nicht unter dem Gesichtspunkt vor, dass auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen können, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind und die Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwiegen.
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Dabei ist maßgeblich, dass zunächst der Antragsteller deutliche Kritik an der Nationalparkverwaltung geäußert hat. Insoweit konnte in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, die Nationalparkverwaltung habe sich mit ihrer Wildbestandsregulierung betreffend den Abschuss von Gämsen rechtswidrig verhalten.
42
Im Zuge der Waffengleichheit ist es auch einer Behörde zuzugestehen, dass sie ihrerseits auf einen derartigen öffentlichen Angriff, der nach den Feststellungen des Landgerichts Traunstein jeglicher Grundlage entbehrt, reagiert. Nachdem der Antragsteller seine unzutreffenden Vorwürfe in die Öffentlichkeit getragen hat, durfte auch der Antragsgegner in Erwiderung auf die Vorwürfe eine klarstellende Presseerklärung veröffentlichen. Insoweit bestand und besteht ein öffentliches Interesse daran, einer falschen Äußerung eines Dritten über angeblich rechtswidriges Vorgehen einer Behörde in der Öffentlichkeit entgegenzutreten und damit die „Rechtschaffenheit“ der Behörde richtigzustellen. Es ist auch nicht zu erkennen, warum diese öffentliche Richtigstellung für die Persönlichkeitsentfaltung des Antragstellers schwerwiegend ist oder seine Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwiegen. Die Äußerung des Antragsgegners ist sachlicher Art und keinesfalls beleidigend oder herabsetzend. Der soziale Geltungsanspruch des Antragstellers bzw. die „äußere Ehre“ als das Ansehen in den Augen anderer wird von der Pressemitteilung nicht verletzt.
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Damit ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Streitwertkatalog; der Streitwert wird bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben, da das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes voraussichtlich die Entscheidung der Sache vorwegnimmt.