Titel:
Fehlende Vorstrafen sind ein wesentlicher Strafzumessungsgrund
Normenketten:
StPO § 267 Abs. 3
StGB § 46
Leitsatz:
Fehlende Vorstrafen bei einem 60-jährigen Angeklagten sind ein gewichtiger Strafzumessungsgrund, dessen Berücksichtigung es regelmäßig bedarf, was auch in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommen muss. (Rn. 16) (Rn. 172) (Rn. 173) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafzumessung, Alter, Vorstrafen, Urteilsgründe, Betäubungsmittel, Handeltreiben, Mittäterschaft, Beihilfe
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 30.06.2022 – 1 StR 185/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24832
Tenor
1. der Angeklagte F. H. der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in zwei Fällen,
2. der Angeklagte S. Sa. der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in zwei Fällen.
II. Die Angeklagten werden deshalb jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten verurteilt.
III. Es wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet
1. gegen den Angeklagten F. H. in Höhe von 35.005 Euro,
2. gegen den Angeklagten S. Sa. in Höhe von 4.355 Euro.
IV. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
(in Richtung des Angeklagten H. abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
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Das Verfahren wurde als Teil eines Komplexes aus drei Ermittlungsverfahren mit insgesamt fünf Beschuldigten geführt. Die beiden Angeklagten dieses Verfahrens organisierten den Transport von rund zweieinhalb Kilogramm Kokain im April 2020 und rund sechs Kilogramm Kokain im Mai 2020 von Belgien nach Deutschland. Von den Betäubungsmitteln aus der Einfuhr im April 2020 veräußerten die Angeklagten jeder jeweils circa ein Kilogramm weiter, für die Einfuhr im Mai 2020 war dies ebenfalls geplant, wurde durch die Sicherstellung am 28.05.2020 jedoch verhindert.
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Die Beschaffungsfahrten mit einem Pkw mit eingebautem Schmuggelversteck unter dem Fahrersitz führte der Angeklagte Sa. durch. Die Planung der Fahrten wurde von dem Angeklagten H. über dessen Neffen im Großraum Aa. organisiert, ebenso wurde die Weiterveräußerung an Abnehmer im Raum München von dem Angeklagten H. geplant.
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Der Angeklagte H. wurde am … 1969 im K. geboren und wuchs dort als viertes von fünf Kindern mit drei Schwestern und einem Bruder auf. Er besuchte zunächst die Grundschule und anschließend das Gymnasium, das er im Jahr 1987 erfolgreich abschloss. Nach Absolvierung des Wehrdienstes begann der Angeklagte H. ein Studium im Fach Maschinenbau, das er jedoch nach einem Jahr aufgrund der politischen Unruhen im Kosovo abbrechen musste. Der Angeklagte H. floh im Jahr 1991 nach Deutschland, zunächst nach Rheinland-Pfalz, und arbeitete dort in einer Gaststätte. Im Jahr 1993 heiratete er Vj. Pr. H.. Das Paar bekam einen Sohn und lebte zunächst gemeinsam in Deutschland. Als die Mutter des Angeklagten H. verstarb, ging die Familie zunächst wieder in den Kosovo zurück; nachdem die politischen Unruhen jedoch wieder zunahmen, floh sie 1998 nach Deutschland, diesmal in den Münchner Raum, und betrieb dort zunächst erfolglos zwei Asylverfahren. Kurz nach der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 2001 musste die Ehefrau des Angeklagten H. mit den beiden Kindern ausreisen, während der Angeklagte H. allein in Deutschland blieb. Ab dem Jahr 2005 gelang es der Familie H. zunächst Aufenthaltstitel und schließlich eine Niederlassungserlaubnis zu bekommen, so dass der Angeklagte H. seine Frau und seine Tochter 2012 wieder nach Deutschland holen konnte. Der Angeklagte H. arbeitete in dieser Zeit bei verschiedenen Tankstellen in Mü., Gau. und St., teilweise auch bei einer Reinigungsfirma und schließlich als Hausmeister in Festanstellung bei der inhabergeführten H. GmbH in St.. Hier hatte er verschiedene Aufgaben, insbesondere kümmerte er sich um die Post und unternahm Fahrdienste für die Familie H.. Er verdiente dort 1.700 Euro netto. Weiterhin arbeitete der Angeklagte H. freitags an einer Allguth-Tankstelle in der K. straße in Mü. auf 450-Euro-Basis.
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Der volljährige Sohn lebt mittlerweile in Slowenien, die Tochter weiterhin in der elterlichen Wohnung in der U. straße in St. und absolviert ein duales Studium bei der Firma H.. Für die gemeinsame Wohnung zahlt die Familie 665 Euro Warmmiete.
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Der Angeklagte H. verfügt aufgrund seiner Arbeitstätigkeit bei der Firma H. sowie der Al.-Tankstelle über ausreichende Einkünfte, um seinen Lebensunterhalt sowie (gemeinsam mit seiner Frau) auch den der Familie zu bestreiten. Die Finanzen der Familie sind solide. Der Angeklagte platzierte regelmäßig Wetten bei dem Sportwettenanbieter TIP. Schulden bestehen dennoch nicht.
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Der Angeklagte H. und seine Frau sind darüber hinaus Eigentümer einer Immobilie in Vu. im Ko., die sie im Jahr 2000 kauften und in den Folgejahren nach und nach umbauten.
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Der Angeklagte H. hat mehrere Verwandte im Großraum Aa., darunter die Söhne seines 2009 verstorbenen Bruders Mu. H., Li., La. und Ar. H., ferner Fl. Kr., der ebenfalls in der Region wohnt. Jedenfalls Li.H. ist ebenfalls in Betäubungsmittelgeschäfte involviert. Er wurde mit zwei weiteren Personen am 26.05.2019 am Hafen von Antwerpen im Besitz von 42 Kilogramm Kokain festgenommen und am 09.09.2019 gegen eine Kaution sowie Auflagen wieder aus der Haft entlassen.
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Größere gesundheitliche Probleme hat der Angeklagte H. nicht. Er leidet lediglich unter einer leichten Allergie gegen frühblühende Pflanzen und nimmt Medikamente für seine Schilddrüse.
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Der Angeklagte Sa. wurde am ... 1960 im Ko. geboren und wuchs dort als drittes von sieben Kindern mit drei Brüdern und drei Schwestern auf. Er schloss erfolgreich die Mittelschule mit einer Ausbildung zum Verputzer von Hausfassaden ab und ging dann im Jahr 1977 nach Slowenien, um dort zu arbeiten. Nach kurzer Rückkehr in den Kosovo zur Absolvierung des Wehrdienstes ging der Angeklagte Sa. wieder nach Slowenien zurück und arbeitete dort bis 1992 auf dem Bau. Im Jahr 1990 erlangte er die slowenische Staatsangehörigkeit.
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Der Angeklagte Sa. heiratete im Jahr 1979 Nemine Shatraj, das Paar hat sieben Kinder. Ne. Sh.reiste 1999 mit den Kindern erstmals nach Deutschland ein, der Angeklagte Sa. kam kurz darauf nach. Die Familie musste jedoch 2000 bereits wieder in den Kosovo ausreisen, nur die drei ältesten Töchter blieben in Deutschland. Nach dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union kehrte der Angeklagte Sa. mit seiner Frau und den weiteren Kindern 2005 endgültig nach Deutschland zurück. In den Jahren zuvor arbeitete der Angeklagte Sa. wieder auf dem Bau in Slowenien, in Deutschland dann teilweise ebenfalls auf dem Bau, teilweise auch als Lkw-Fahrer und als Fahrer bei der Post.
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Seit dem Jahr 2015 ist der Angeklagte Sa. aufgrund von Rückenproblemen krankgeschrieben und arbeitet seitdem auf 450-Euro-Basis bei dem Hausmeisterservice seines Sohnes L. Sa.. Das Gehalt wurde dem Angeklagten Sa. in bar ausgezahlt.
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Die Familie wohnte seit 2008 in der H. Straße 55 in St., seit Juli 2020 sind der Angeklagte Sa. und dessen Frau bei ihrem Sohn L. in dessen Haus am L.-berg ... in St. gemeldet. Le. Sa. trug auch die Miet- und Lebenshaltungskosten seiner Eltern.
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Der Angeklagte Sa. hat noch Restschulden aus dem Erwerb eines Mercedes ML 350, den er im September oder Oktober 2019 im K. für 22.000 EUR gekauft hat.
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Abgesehen von den Rückenschmerzen bestehen bei dem Angeklagten Sa. keine gesundheitlichen Probleme. Gegen seine Rückenschmerzen nimmt er täglich Ibuprofen.
III. Betäubungsmittelkonsum und Vorstrafen
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Weder der Angeklagte H. noch der Angeklagte Sa. konsumieren Betäubungsmittel.
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Die Angeklagten sind auch beide strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
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Der Angeklagte H. wurde im Jahr 2007 mit anderen Personen in Pi., Region Brescia (Italien) festgenommen, die dort in einem Haus ein professionelles Drogenlabor eingerichtet hatten, in dem 300 kg Heroin, 225 kg Paracetamol und 100 kg Koffein gefunden wurden. Der Angeklagte H. wurde mit Urteil des Tribunale ordinario di Brescia vom 23.07.2008 von sämtlichen Vorwürfen im Zusammenhang mit Drogendelikten mangels Tatnachweises freigesprochen.
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Die Angeklagten H. und Sa. wurden beide in dieser Sache am 28.05.2020 vorläufig festgenommen.
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Der Angeklagte H. befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 29.05.2020, Gz. ER VII Gs 1402/20 in Haft in der JVA Augsburg-Gablingen.
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Der Angeschuldigte Sa. befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 29.05.2020, Gz. ER VII Gs 1404/20 in der JVA München-Stadlheim.
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Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem Herbst 2019 begann der Angeklagte H. damit, Kokain im Kilobereich zu kaufen und im Raum Mü., St. und Hö. an der Donau gewinnbringend weiterzuverkaufen. Für die Weiterverkäufe nutzte der Angeklagte H. eine Dealerstruktur, bestehend aus Su. Gu. in Hö. an der D. sowie R. K. und V. Al. in M..
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Spätestens im Herbst 2019 kam der dem Angeklagten H. seit Jahren bekannte und freundschaftlich verbundene Angeklagte Sa. hinzu, der nach einvernehmlicher Absprache einerseits die Beschaffungsfahrten übernehmen und andererseits auch für ihn zum selbstständigen Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel erhalten sollte.
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Die Lieferantenkontakte und die notwendigen organisatorischen Maßnahmen steuerte der Angeklagte H. aufgrund seiner familiären Verbindung zu seinem Neffen Li.H. und dessen Kontakten zu den Lieferanten des Kokains in Belgien und in den Niederlanden. Die Beschaffungsfahrten führte nach der Vereinbarung zwischen den beiden Angeklagten der Angeklagte Sa. in enger Abstimmung mit dem Angeklagten H. durch. Der Weiterverkauf des eingeführten Kokains sollte wiederum über die Händlerstrukturen des Angeklagten H. im Großraum München, in Hö. an der D. oder über den Angeklagten Sa. direkt erfolgen.
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Zum Transport der Betäubungsmittel sowie des Bargeldes für deren Beschaffung kaufte der Angeklagte Sa. im September oder Oktober 2019 in Absprache mit dem Angeklagten H. einen Mercedes ML 350, den er von einem Bekannten im Kosovo für 22.000 Euro erwarb und am 25.11.2019 mit dem Kennzeichen … auf sich zuließ.
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In dieses Fahrzeug ließen die Angeklagten für die geplanten Beschaffungsfahrten ir der Folgezeit, jedenfalls vor dem 18.04.2020, ein Schmuggelversteck im Hohlraum unter dem Fahrersitz einbauen. Dieses war so gestaltet, dass es unter dem Teppich im Fußraum verborgen war, über den Ausbau einer verschraubten Metallplatte mittels eines Steckschlüssels jedoch zügig darauf zugegriffen werden konnte.
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In den Tagen um den 18.04.2020 vereinbarten die Angeklagten mit Li.H. die Einfuhr von zweieinhalb Kilogramm Kokain von Belgien nach Deutschland, die der Angeklagte Sa. im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML 350 transportieren sollte.
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Die Details besprachen die Angeklagten am 18.04.2020 ab 23:52 Uhr im Pkw des Angeklagten H.. Li.H. teilte den Angeklagten per Textnachrichten mit, dass er jeweils ein Kilogramm Kokain für jeden der Angeklagten und ein halbes Kilogramm Kokain für sich organisieren werde, das der Angeklagte Sa. inBr. abholen könne. Sein Onkel, der Angeklagte H., solle für sein Kilo 34.500 Euro, der Angeklagte Sa. unter Verrechnung seiner Vergütung für die Kurierfahrt 30.500 Euro zahlen. Für den Transport des halben Kilogramms an Li.H. werde dieser den Angeklagten Sa. mit 500 Euro entlohnen, der Angeklagte H. werde dem Angeklagten Sa. für den Transport seines Kilogramms Kokain 1.500 Euro zahlen. Weiterhin diskutierten die Angeklagten verschiedene Routen, damit der Angeklagte Sa. die zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Covid-19-Pandemie bestehenden Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Belgien am besten umgehen könne.
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Wie ebenfalls im Gespräch vom 18.04.2020 vereinbart, übergab der Angeklagten H. dem Angeklagten Sa. am Vormittag des 19.04.2020 das Bargeld für sein Kilogramm Kokain, damit er das Geld am Nachmittag desselben Tages in das Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML350 laden konnte.
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Entsprechend der zwischen den Angeklagten getroffenen Vereinbarung fuhr der Angeklagte Sa. am 21.04.2020 nachBr. und übernahm dort rund zweieinhalb Kilogramm Kokain von einem unbekannten Lieferanten. Gegen 18 Uhr führte er die Betäubungsmittel im Schmuggelversteck unter dem Fahrersitz des Mercedes ML350 über den Grenzübergang Aa.-Kö. oder Aa.-Li. nach Deutschland ein. Dort brachte er absprachegemäß circa ein halbes Kilogramm Kokain zu Li.H. in Aa., bevor er sich auf den Rückweg nach St. machte.
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In den folgenden Tagen, wahrscheinlich am 24.04.2020, veräußerte der Angeklagte H. rund ein Kilogramm Kokain entsprechend seiner Vereinbarung mit Su. Gu. vom 06.04.2020 für 40.000 Euro an diesen weiter. Aus diesem Verkauf bewahrte der Angeklagte H. an seinem Arbeitsplatz bei der F. H. GmbH in St.2.870 Euro Bargeld auf, in der Wohnung in der U. straße in St. weitere 2.125 Euro Bargeld.
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Ebenfalls in den folgenden Tagen oder Wochen veräußerte der Angeklagte Sa. mindestens 350 Gramm seines Kilogramms Kokain für 14.000 Euro an R. K. weiter. Die verbleibenden 645,73 Gramm lagerte der Angeklagte Sa. im Kofferraum seines Pkw Seat, amtliches Kennzeichen ... . Auch diese Menge an Kokain plante er gewinnbringend zu veräußern, was nur durch die Sicherstellung am 28.05.2020 verhindert wurde. Von dem eingenommenen Bargeld aus diesen Geschäften bewahrte der Angeklagte Sa. in seiner damaligen Wohnung in der H. Straße in St. 8.700 Euro und in seinem Portemonnaie weitere 945 Euro auf.
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Die beiden für die Angeklagten bestimmten Blöcke Kokain wogen jeweils mindestens 995,73 Gramm, der für Li.H. bestimmte Block wog mindestens 497,86 Gramm. 400,2 Gramm des für den Angeklagten Sa. bestimmten Kokains hatten einen Wirkstoffgehalt von 69,7 %, weitere für ihn bestimmte 245,53 Gramm hatten 67,6 %. Das restliche Kokain hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 62,6 % Kokainhydrochlorid.
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Nach der gleichen Vorgehensweise verabredeten die Angeklagten im Zeitraum ab dem 20.05.2020 eine weitere Beschaffungsfahrt von diesmal insgesamt sechs Kilogramm Kokain aus Belgien. Hierbei sollte der Angeklagte Sa. neben jeweils rund einem Kilogramm für die Angeklagten selbst, weiterhin rund drei Kilogramm für Li.H. und dessen familiäres Umfeld im Großraum Aa./Dü. einführen sowie rund ein weiteres Kilogramm für einen Abnehmer in Österreich.
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Auch hier stellte Li.H. den Kontakt zu dem Verkäufer des Kokains in Belgien her und traf auch die entsprechenden Vereinbarungen. Die familiären Kontakte des Angeklagten H. ermöglichten den Angeklagten auch in diesem Fall, auf die Lieferkontakte von Li.H. inBr. zurückzugreifen.
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Die Details des Geschäfts vereinbarten die Angeklagten in einem am 23.05.2020 zwischen 20:00 und 20:32 Uhr wiederum im Pkw Mercedes des Angeklagten H. geführten Gespräch. So sollte der Angeklagte Sa. insgesamt drei Kilogramm für Li.H. und dessen Umfeld im Großraum Aa. aus Belgien einführen und hierfür zwischen 3.000 und 4.500 Euro (1.000 bis 1.500 Euro pro Kilogramm Kokain) erhalten. Auch für ein weiteres Kilogramm Kokain für eine unbekannte Person in Österreich sollte der Angeklagte Sa. 1.000 bis 1.500 Euro Kurierlohn erhalten. Letztlich waren für die Angeklagten selbst jeweils ein Kilogramm Kokain für den selbstständigen Erwerb und Weiterverkauf bestimmt. Hierfür sollte der Angeklagte H. seinem Neffen Li.H. 32.000 Euro anzahlen, der Angeklagte Sa. sollte 31.000 Euro zahlen, im Übrigen sollte der restliche Kaufpreis mit dem Kurierlohn verrechnet werden. Der Angeklagte H. sollte dem Angeklagten Sa. 1.500 Euro Kurierlohn für die Einfuhr seines Kilogramms Kokain bezahlen.
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Der Angeklagte H. übergab dem Angeklagten Sa. in den auf das Gespräch folgenden Tagen 32.000 Euro Bargeld für das für ihn bestimmte Kilogramm Kokain. Dieses Bargeld verstaute der Angeklagte Sa. zusammen mit seinem eigenen Bargeld in Höhe von 31.000 Euro im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML 350.
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Im Zeitraum zwischen 26.05.2020 und 28.05.2020 absolvierte der Angeklagte Sa. sodann die vorab geplante Route und verbrachte insgesamt sechs Kilogramm Kokain von Belgien nach Deutschland:
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Am Nachmittag des 26.05.2020 fuhr der Angeklagte Sa. mit dem Pkw Mercedes ML 350 in St. los. Im Großraum Aa. kontaktierte der Angeklagte Sa. mehrere Personen aus dem familiären Umfeld des Angeklagten H., um entweder das Bargeld für den Betäubungsmittelerwerb bei den Abnehmern seiner Bestellungen abzuholen oder seinen Anteil und den Anteil des Angeklagten H. für die bestellten Betäubungsmittel zu bezahlen. So traf sich der Angeklagte Sa. zunächst mit Li.H. an dessen Wohnort in der P. straße 74 in Aa. und danach mit Arber H. bei dessen Firma „A. In.“ in der T. straße 74 in E., ehe er dann weiter zu dessen Wohnort in der O. Straße 42 in Wü. fuhr. Schließlich traf der Angeklagte Sa. bereits nach Mitternacht in einem Parkhaus in der A. Straße 6 in H. Fl. Kr..
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Nach der Übernachtung im Raum H./Al. fuhr der Angeklagte Sa. am 27.05.2020 morgens zunächst nochmal zu Li.H. nach Aa. und begab sich dann auf den Weg nach Br., wobei er unter Anleitung des Fahrers eines Pkw Smart, amtliches Kennz... mutmaßlich Ar. Da., am Grenzübergang Aa.-Li. die Grenze zwischen Deutschland und Belgien überquerte. Um 12:30 Uhr nahm der Angeklagte Sa. in Br. von Er. Te., einer Kontaktperson des nicht näher individualisierbaren Kokainlieferanten, im Bereich der Rue Ernest Laude und der Rue de Jerusalem inBr. sechs Blöcke Kokain in einer Einkaufstüte aus einem Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen ..., entgegen. Die sechs Blöcke Kokain mit einem Gewicht von jeweils ungefähr einem Kilogramm verstaute der Angeklagte Sa. im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes und fuhr hiermit kurz vor 15 Uhr über die Autobahn E40/BAB44 über den Grenzübergang Aa.-L. wieder nach Deutschland zurück.
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Hier fuhr der Angeklagte Sa. zunächst in das Parkhaus in der Al.-St.-Str. 6 in H., wo eine Übergabe von (mutmaßlich einem Kilogramm) Kokain an Fl. Kr. stattfand. Anschließend traf sich der Angeklagte Sa. mit Li.H. in dessen Firma „ConteX Aa Berufskleidung“ in der J. Straße 29 in Aa. und übergab diesem ebenfalls mindestens einen Block des in Br. abgeholten Kokains in einer weißen Plastiktüte. Anschließend fuhr der Angeklagte Sa. nach H., wo er sich am Abend mit einer nicht näher bekannten Person in der F. straße in L. traf und dieser ebenfalls (mutmaßlich ein Kilogramm) Kokain gegen Bargeld übergab. Insgesamt hatte der Angeklagte Sa. nach diesen Treffen drei der sechs Blöcke Kokain ausBr. übergeben.
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Nach der Übernachtung bei einem Bekannten in Br. fuhr der Angeklagte Sa. am frühen Morgen des 28.05.2020 nochmals in das Parkhaus in der A. Straße 6 in H. und übergab Fl. Kr. das in Ha.-L. am Vortag erhaltene Bargeld.
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Anschließend fuhr er nach St. zurück und traf dort am Nachmittag den Angeklagten H. an dessen Arbeitsstelle bei der Firma H., der ihm einen Stoffbeutel mit Vakuumbeutel und anderem Verpackungsmaterial für das Kokain übergab.
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Am frühen Abend fuhr der Angeklagte Sa. schließlich zur Baustelle am Haus seines Sohnes, Am L.-berg ... in St.. Dort verlud er zwei der Blöcke des Kokains aus dem Schmuggelversteck im Pkw Mercedes ML 350 in seinen Pkw Seat, amtliches Kennzeichen ... . Einen dieser Blöcke wollte der Angeklagte Sa. - entsprechend der Vereinbarung zwischen den Angeklagten - aufteilen, verpacken und an den Angeklagten H. oder dessen Abnehmer R. K. übergeben. Hierfür lagerte er im Anwesen Am L.-berg ... verschiedene Verpackungsmaterialien sowie mehrere Feinwaagen und ein Vakuumiergerät. Der Angeklagte H. plante, durch den Weiterverkauf des Kokains Gewinn zu erzielen. Den zweiten Block wollte der Angeklagte Sa. selbst gewinnbringend weiterverkaufen. Diese Weiterverkäufe versuchte der Angeklagte Sa. bereits am 28.05.2020 abends in die Wege zu leiten, indem er die möglichen Abnehmer R. K. und Mu. Le. telefonisch kontaktierte.
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Den dritten Block ließ der Angeklagte Sa. im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML 350. Dieses Kokain wollte er entsprechend der mit Li.H. getroffene Vereinbarung an eine nicht näher bekannte Person in Österreich liefern.
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Einer der in den Seat verladenen Blöcke Kokain wog 1.055,02 Gramm und hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 58,0 %, enthielt somit mindestens 611,9 Gramm Kokainhydrochlorid. Der andere verladene Block wog 1.008,18 Gramm und hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 65,3 %, enthielt somit mindestens 658,3 Gramm Kokainhydrochlorid. Der noch im Schmuggelversteck verstaute Block wog 931,79 Gramm und hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 60,6 %, enthielt somit mindestens 564,6 Gramm Kokainhydrochlorid. Die weiteren drei Blöcke, die der Angeklagte Sa. bereits im Großraum Aa ausgeliefert hatte, wogen jeweils ebenfalls mindestens 931,79 Gramm und hatten einen Wirkstoffgehalt von mindestens 53,0 %, enthielten somit ebenfalls jeweils mindestens 493,84 Gramm Kokainhydrochlorid.
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Da nicht feststellbar ist, welcher der beiden Blöcke aus dem Seat für welchen der Angeklagten bestimmt war, ist zugunsten der Angeklagten für beide davon auszugehen, dass der Block mit einem Gewicht von 1.055,02 Gramm und Wirkstoffgehalt von 58,0 %, damit 611,9 Gramm Kokainhydrochlorid jeweils für sie bestimmt war.
IV. Subjektiver Tatbestand
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Beide Angeklagten hatten vom Umfang der jeweils eingeführten Kokainmengen Kenntnis. Bezüglich ihrer eigenen Mengen strebten sie jeweils die gewinnbringende Weiterveräußerung an, hatten bezüglich der für andere bestimmte Mengen Kokain jedenfalls Kenntnis von der gewinnbringenden Weiterveräußerung Dritter und wollten, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangten.
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Sowohl Gewicht als auch Wirkstoffmenge sämtlicher Kokainblöcke wurde von den Angeklagten für möglich gehalten und waren von ihnen beabsichtigt oder jedenfalls in Kauf genommen.
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Darüber hinaus wussten die Angeklagten zu jeder Zeit, dass sie weder die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis noch eine Genehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für die Einfuhr von Betäubungsmitteln besaßen.
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Die Angeklagten waren zu den Tatzeitpunkten voll schuldfähig. Mangels Vorliegens eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB kommt eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit oder eine relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bereits im Ansatz nicht in Betracht.
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf deren eigenen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung. Für den Angeklagten H. beruhen sie zudem auf den insoweit übereinstimmenden Angaben seiner Ehefrau Vj. Pr. H. und seiner Tochter B. H..
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Die BZR-Auszüge wurden verlesen. Über die Erkenntnisse in Bezug auf das Verfahren in Brescia gegen den Angeklagten H. machte KHK Ho. Angaben, der Hauptsachbearbeiter der Ermittlungen gegen den Angeklagten H. war.
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Hinsichtlich ihrer Betäubungsmittelabstinenz beruhen die Feststellungen auf den Angaben der Angeklagten sowie den hierzu kongruenten Ergebnissen des toxikologischen Gutachtens bezüglich der ihnen jeweils am 28.05.2020 entnommenen Urin-, Blut- und Haarproben:
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Der toxikologische Sachverständige Prof. Dr. M. legte dar, dass in der Urin- sowie in der Blutprobe des Angeklagten H. keine Hinweise auf Betäubungsmittel oder deren Abbauprodukte gefunden werden konnten. Ein zunächst grenzwertiger Befund im Schnelltest des Urins in Bezug auf Amphetamine habe sich in der weiteren Untersuchung als nicht beweissicher feststellbar erwiesen. Im Übrigen seien nur Salicylsäure, Paracetamol und Cetirizin mit ihren Stoffwechselabbauprodukten nachgewiesen worden. Dies sei durch die Aufnahme von leichten Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten erklärbar und stünde nicht im Zusammenhang mit illegalen Betäubungsmitteln.
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Auch in der Urinprobe des Angeklagten Sa. seien keine Hinweise auf Betäubungsmittel gefunden worden, so dass auf eine Analyse der Blutprobe verzichtet worden sei. Die Analyse habe lediglich die Aufnahme von Ibuprofen ergeben.
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In den Haarproben beider Angeklagten seien Kokain und Benzylecgonin in geringen Mengen nachgewiesen worden. Die gemessenen geringen Werte ließen sich nicht mit einem regelmäßigen Konsum, wohl aber mit dem Kontakt mit Kokain beispielsweise über die Haut an den Händen in Einklang bringen oder allein mit einem Aufenthalt in einem Raum mit offenem Kokain, da diese kurzen Kontakte ausreichten, dass das sehr feinstaubige Kokain in die Haare gelange.
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Die Kammer macht sich die Ausführungen des Sachverständigen hierzu in der Hauptverhandlung aufgrund eigener Überzeugung zu eigen. Die Befunde hinsichtlich der geringen Werte von Kokain und Benzylecgonin lassen sich zwanglos mit dem tatsächlichen Umgang der Angeklagten mit Kokain im Rahmen der Transporte und beim Abpacken in Einklang bringen. Die nachgewiesene Einnahme von entzündungshemmenden Mitteln bei dem Angeklagten H. sowie die von Ibuprofen bei dem Angeklagten Sa. stimmen mit den Angaben der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung überein.
II. Feststellungen zum Sachverhalt
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Die Feststellungen zur Struktur der Gruppierung, zur Organisation der Betäubungsmittelgeschäfte sowie zu den Tatvorwürfen im April und Mai 2020 stehen zunächst aufgrund der glaubhaften Geständnisse der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung fest, die den angeklagten Sachverhalt, der auch Grundlage der Verurteilung wurde, vollumfänglich einräumten.
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Zu Beginn des dritten Verhandlungstages gab zunächst der Angeklagte Sa. über seinen Verteidiger an, den Sachverhalt wie in der Anklage zugrunde gelegt in subjektiver wie objektiver Hinsicht vollumfänglich einzuräumen. Er machte sich auf Nachfrage des Gerichts das Geständnis zu eigen und übernahm auch in seinem letzten Wort nochmals Verantwortung für die Tatvorwürfe.
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Der Angeklagte H. ließ im Anschluss durch Verteidigererklärung den Sachverhalt im Wesentlichen wie in der Anklage zugrunde gelegt und insoweit umfänglich einräumen, wobei auch er sich die Erklärung seines Verteidigers explizit zu eigen machte. Die im verlesenen Geständnis zunächst vorgenommene Einschränkung auf die für ihn selbst bestimmten Betäubungsmittel korrigierte er über seinen Verteidiger kurz danach insoweit, dass er doch den gesamten Umfang der Menge der transportierten und weitergegebenen Betäubungsmitteln aus den beiden Fahrten im April und Mai 2020 gekannt und auch bei der Beratung über Fahrtrouten und die weitere Vorgehensweise mitgewirkt habe. Einzig zum Lieferanten des Kokains wollte er aufgrund der familiären Verbundenheit keine Angaben machen.
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Den Geständnissen der Angeklagten waren Verständigungsgespräche vorausgegangen, die jedoch gescheitert waren. Die geständigen Einlassungen erfolgten mithin ohne zugesicherte Strafobergrenze.
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Zu den weiteren Details der Betäubungsmittelgeschäfte wollten sich die Angeklagten nicht äußern, die Geständnisse konnten jedoch durch die weitere Beweisaufnahme verifiziert werden:
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1. Zunächst konnte sich die Kammer anhand der Ausführungen der ermittlungsführenden Polizeibeamten KHK Ho. und KHM Pl. ein umfassendes Bild der Organisation der Betäubungsmittelgeschäfte verschaffen.
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KHK Ho. leitete die Ermittlungen gegen den Angeklagten H.. Er berichtete der Kammer schlüssig und widerspruchsfrei von den Anfängen des Ermittlungsverfahrens im Jahr 2018, als sich herausstellte, dass eine maßgebliche Lieferschiene von Kokain über St.lief und die Ermittler so zu dem Angeklagten H. führte. Nach und nach habe sich herauskristallisiert, dass die Betäubungsmittel über den Angeklagten H. von dessen Familie im Großraum Aa., insbesondere dem Neffen Li.H., nach St. gelangten. Spätestens die Festnahme von Li.H. mit 42 Kilogramm Kokain in Antwerpen am 26.05.2019 habe die Dimension aufgezeigt, in der Li.H. im Betäubungsmittelgeschäft auf Beschaffungsseite involviert sei.
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Von St. aus seien die Betäubungsmittel dann vom Angeklagten H. an verschiedene Händler im Raum Mü. und Hö. an der Donau weitergegeben worden. Die Struktur der Gruppe sei hierarchisch über den Angeklagten H. als „Kopf“ organisiert gewesen, der in Bezug auf die Händler V. Al., R. K. und Su. Gu. weisungsbefugt gewesen sei. Besonders deutlich sei dies in den abgehörten Gesprächen geworden. So habe der Angeklagte H. klare Anweisungen gegeben, was zu tun sei, wenn „gekommen werden muss“, dann seien die weiteren Beteiligten wie beordert zu ihm nach St. gekommen. Zudem habe er darüber bestimmt, wer in die Betäubungsmittelgeschäfte involviert sein dürfe. So habe sich R. K. beispielsweise zuvor bei dem Angeklagten H. vergewissern müssen, ob Si. Fu. als neuer Dealer „in Arbeit gebracht“ werden könne. Hierfür sei der Angeklagte H. zur Arbeitsstätte von R. K. gefahren, erst nach seiner Zustimmung habe F. dann Abnehmer Ku. beliefern dürfen.
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Von dieser hervorgehobenen Stellung des Angeklagten H. in der Gruppierung konnte sich die Kammer aufgrund des verlesenen Protokolls eines abgehörten Telefonats vom 10.09.2019 um 09:31 Uhr zwischen N. Ma., einem der Abnehmer der Betäubungsmittel, und dem Angeklagten H. überzeugen. In diesem besingt N. Ma. den Angeklagten H. auf Albanisch als „Oh Fi., oh du unser Fi., du der St. kontrolliert“, woraufhin der Angeklagte H. „Schon, schon“ erwidert.
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Der Zeuge KHM Pl., der das Ermittlungsverfahren gegen V. Al. und R. K. leitet, bestätigte diese hierarchischen Elemente. Auch er gab an, dass Anweisungen des Angeklagten H. innerhalb der Organisationsstruktur unmittelbar Folge geleistet wurde. Dies sei besonders auch aus der Kommunikation zwischen den Händlern hervorgegangen, die den Angeklagten H. als „Bac“ bezeichnet hätten, was im Albanischen die Bezeichnung für eine Respektsperson sei.
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Zudem schilderte der Zeuge anschaulich, dass sich auf dem überwachten Mobilfunkanschluss des sog. „Händlertelefons“ von Al. und Ku. regelmäßig unbekannte Anrufer meldeten, die eine „Pizza“ oder einen „weißen Passat“ bestellten, woraufhin in jedem der Fälle ein persönliches Treffen vereinbart wurde. Da weder V. Al. noch R. K. in der Gastronomie tätig oder mit Autohandel befasst waren, sei vielmehr naheliegend, dass jeweils Betäubungsmittel bestellt wurden, die bei den persönlichen Treffen dann übergeben worden seien.
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Die Tatsache, dass spätestens ab dem Herbst 2019 auch der Angeklagte Sa. involviert war und der Transport der Betäubungsmittel mit dem Mercedes ML 350 einen gemeinsamen Plan der Angeklagten darstellte, lässt sich zudem aus den insgesamt 14 Telefongespräche der Angeklagten miteinander zwischen dem 18.11.2019 und dem 25.11.2019 ableiten. In diesen unterhalten sich die Angeklagten detailliert über die Reparatur, Zulassung und TÜV-Abnahme eines Pkw Mercedes ML 350, die der Angeklagte Sa. vornehmen ließ, hierbei jedoch bezüglich jedes einzelnen Schrittes genaue Rücksprache mit dem Angeklagten H. hielt.
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Die Feststellungen zum Kauf des Mercedes ML 350 stehen aufgrund der glaubhaften Angaben des Angeklagten Sa. fest, der angab, es habe sich um einen Pkw mit mazedonischen Papieren gehandelt, den ihm ein Bekannter im Kosovo für 22.000 Euro auf Ratenzahlung verkauft habe. Die zum Schmuggelversteck getroffenen Feststellungen beruhen einerseits auf den Ausführungen von KHK B. zur Durchsuchung des Mercedes und den begleitend in Augenschein genommenen Lichtbildern, auf denen ein unter dem Fahrersitz eingebauter und verschließbarer Hohlraum zu sehen ist, der sich mit einem in der Seitenablage der Fahrerseite aufgefundenen Steckschlüssel über die Muttern der Schiene des Fahrersitzes öffnen ließ. So schilderte KHK B. anhand der Skizze des Pkws die Umfänge des Schmuggelverstecks. Er gab an, es habe sich um einen Hohlraum unter dem Fahrersitz gehandelt, auf den man über eine ungefähr 12 cm × 12 cm große Öffnung zugreifen konnte, wobei sich der etwa 17 cm hohe Hohlraum noch ein gutes Stück unter den Fahrersitz hinein erstreckte habe. Da der Teppichbelag darübergelegt wurde, seien die Öffnung bzw. der abnehmbare Deckel auf den ersten Blick nicht zu sehen gewesen. Jedoch habe man nur den Fahrersitz etwas zurückschieben und den Teppich anheben müssen, um darauf zuzugreifen. Über die angebrachten Muttern sei die Abdeckung mit einem Steckschlüssel leicht zu öffnen gewesen. Hiervon konnte sich die Kammer auch anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder der Spurensicherung überzeugen: Anhand des bei den Aufnahmen angelegten Maßstabs ist zu erkennen, dass die Öffnung etwa 13 cm Länge, 13,5 cm Breite und 16,5 cm Tiefe hatte und sich weiter unter den Fahrersitz erstreckte. Wegen des Verschlusses mit der Metallplatte ist der Hohlraum auf den ersten Blick im Fußraum praktisch nicht zu erkennen, insbesondere wenn, wie KHK B. ausführte, der Teppich noch darübergelegt wurde.
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2. Das Geständnis der Angeklagten zur Beschaffungsfahrt im April 2020 konnte durch die folgenden objektiven Beweismittel bestätigt werden:
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a) Die Beschaffungsfahrt am 21. April 2020 vonBr. nach St.wird zunächst von einem Gespräch zwischen den beiden Angeklagten am 18.04.2020 zwischen 23:52 und 00:15 Uhr bestätigt, das sie im Pkw Mercedes, amtliches Kennz... des Angeklagten H. führten. In diesem Gespräch trafen die Angeklagten - unter Einbeziehung von Nachrichten Li.H.s über Mobiltelefone - die Vereinbarung, dass der Angeklagte Sa. in den nächsten Tagen zweieinhalb Kilogramm Kokain in Br. abholen sollte. Ein halbes Kilogramm sollte er zu Li.H. nach Aa. bringen, ein Kilogramm war für den Angeklagten H. zum Preis von 34.500 Euro bestimmt, ein weiteres für den Angeklagten Sa. zum Preis von 30.500 Euro. So schrieb Li.H. in einer Textnachricht (auf Albanisch, ins Deutsche übersetzt): „Ok, mein Lieber, ich gebe dann die Bestellung ab. Wenn ich denke, dass es gut ist, dann kaufe ich das, du holst es dann in Br. ab. (…) Wenn du herkommst, wir treffen uns dann also entweder in Brux, Werp oder Aa. Ok. Denn wir müssen auch bei mir in Aa. etwas Geld holen, denn man muss mit Geld in bar kaufen, sonst bekommt man nichts, (…). Mein Lieber nochmal also: 1 für dich, 1 für den Onkel und 0.5 für mich. Mein 0.5 lässt du in Aa. für 500 EUR.“ Die beiden Angeklagten beratschlagten dann über die Preise für ein Kilogramm. So schrieb Li.H. an den Angeklagten Sa.: „Und mit dem Onkel, mach wie du willst. Mehr als 1.500 EUR Preisnachlass kann ich ihm nicht anbieten. Verstehe mich nicht falsch, mehr kann ich aber nicht machen. (…) Ich biete ihm für 34.5 an, für deine Fahrt zahlt er dich also, von mir bekommst du also kein Geld, nur ausgleichen, für 30.“ Woraufhin der Angeklagte H. antwortete: „Ja, so ist es, ich sagte ihm, über 36 bei mir keine Chance, denn es lohnt sich dann nicht.“
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Anschließend diskutierten die Angeklagten aufgrund ihrer Erfahrungen mit vergangenen Fahrten verschiedene Routen für den Grenzübertritt zwischen Deutschland und Belgien und vereinbarten, dass der Angeklagte H. dem Angeklagten Sa. das Geld am 19.04.2020 vormittags geben werde, damit es der Angeklagte Sa. nachmittags im Pkw verstauen könne und so das Schmuggelversteck nur einmal öffnen müsse. Schließlich sprachen sie noch über die hohe Nachfrage in der letzten Zeit und einen Lieferanten in H., der jedoch als Mindestabnahmemenge „10 Stück“ habe, woraufhin der Angeklagte Sa. ausrechnete, „das bedeutet doch über 300.000 EUR, bei Gott“. Sie kamen schließlich überein, zunächst Li.H. zurate zu ziehen.
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Aus dem Gesamtkontext ergibt sich zweifelsfrei, dass die Zahlen „1“ und „0,5“ für Kilogrammmengen Kokain stehen und die Zahlen „30“, „34,5“ und „36“ für Einheiten von tausend Euro. Eine andere Interpretation ist im Gesamtkontext fernliegend.
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Weiterhin konnte die Fahrt durch die Inaugenscheinnahme zweier Lichtbilder des belgischen Automatic Number Plate Recognition System (ANPR) bestätigt werden, auf denen der Mercedes ML 350 mit dem Kennz... am 21.04.2020 um 17:48 Uhr auf der belgischen Autobahn E40 in Fahrtrichtung Deutschland auf Höhe der Ortschaft Eynatten, drei Kilometer vor dem Grenzübergang Aa-Kö. und Aa-Li. zu sehen ist.
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Ein weiteres Indiz für diese Einfuhr sind acht Abbruchstücke Kokain, die in einer C&A-Tüte im Kofferraum des Pkw Seat des Angeklagten Sa. vor dem Anwesen Am L.-berg 15 in St. sichergestellt wurden. Denn zumindest eines dieser Abbruchstücke stammt nach dem materialvergleichenden Gutachten des Sachverständigen Dr. S. mit hoher Wahrscheinlichkeit aus derselben Charge wie das bei R. K. am 28.05.2020 sichergestellten Betäubungsmittel. Der Sachverständige legte insoweit nachvollziehbar und schlüssig dar, dass zwar eine absolute Materialidentität nicht belegbar sei, die Zusammensetzung der Betäubungsmittelstücke mit Blick auf die Anteile des Wirkstoffs und der verschiedenen Begleitstoffe so prägnante individuelle Merkmale aufwiesen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Herkunft aus demselben Block bzw. jedenfalls aus derselben Charge auszugehen sei.
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Da eine Übergabe an Rame Kuqai jedoch nach der Einfuhr im Mai 2020 noch nicht stattgefunden haben kann, da die Betäubungsmittel noch am Abend der Einfuhr bei dem Angeklagten Sa. sichergestellt wurden, liegt nahe, dass der Einfuhr im Mai eine weitere Einfuhr von Betäubungsmitteln mit anschließender Veräußerung an R. K. vorausgegangen ist.
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b) Die eingeräumte Weiterveräußerung rund eines Kilos Kokain von dem Angeklagten H. an Su. Gu. ergibt sich weiterhin aus folgenden Beweismitteln:
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Ausweislich der anschaulichen Schilderungen von KHK Ho. zur Observation des Angeklagten H. traf sich dieser am 06.04.2020 mit Su. Gu. in Hö. an der D. zur Übergabe des Kaufpreises in Höhe von 40.000 Euro für das noch einzuführende Kilo. So ist dem abgehörten Gespräch vom 06.04.2020 der beiden außerhalb des Wagens des Angeklagten H. zu entnehmen, dass „40 Stück erledigt“ seien und der Angeklagte H. zum Schluss äußert: „Ich fahre nun fort, solange es noch hell ist, damit sie mich nicht anhalten, denn ich habe ja Geld dabei.“ Weiterhin bietet der Angeklagte H. Su. Gu. an, dass dieser eine der nächsten Beschaffungsfahrten durchführen könne, in dem er äußert: „Ja, wenn du es dir überlegst, mit dem Alten habe ich es riskiert (…)“. Auch den Bildern aus seinem Abschlussbericht, die die Kammer mit dem Zeugen KHK Ho. in Augenschein nahm, ist das Treffen der beiden am 06.04.2020 zu entnehmen. Im Gesamtkontext können bereits diese Erkenntnisse nur als Absprache hinsichtlich der Beschaffung von Kokain verstanden werden.
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Weiteres Beweismittel für das Veräußerungsgeschäft ist der verlesene Chatverlauf zwischen den Angeklagten H. und Su. Gu. zwischen dem 11.04.2020 und dem 23.04.2020. Auf mehrmalige Nachfrage Su. Gu.s am 11., 12. und 16.04.2020, ob es etwas Neues gebe, folgte dann am 16.04.2020 die Ankündigung des Angeklagten H., dass bald etwas komme und dann „morgen gekommen werden muss“. Auf die Nachfrage Gurguris, „Wer soll kommen, wohin?“ antwortete der Angeklagte H.: „Der Schneemann! Du sollst kommen!“.
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Dieser Chatverlauf zeigt im Gesamtzusammenhang der Beweismittel eine für den Angeklagten H. angesichts seines sonst durchweg konspirativen Kommunikationsverhaltens ungewöhnlich deutliche Formulierung. Offenbar ungeduldig angesichts der ständigen Nachfrage Gurguris nach Ware und dessen langsamer Auffassungsgabe, wählt der Angeklagte H. mit der Bezeichnung „Schnee“ die offensichtlich naheliegende Bezeichnung für Kokain, um ihn über die Lieferung zu informieren.
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Am 23.04.2020 verabreden sich die beiden anschließend zum „Kaffeetrinken“, was nach einhelliger Angabe der Ermittlungsführer KHK Ho., KHK B. und KHM Pl. in der Gruppierung für persönliche Treffen zur Besprechung von Betäubungsmittelgeschäften und Übergaben von Drogen oder Bargeld hierfür steht.
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c) Die von dem Angeklagten Sa. eingeräumte Veräußerung von ungefähr 350 Gramm Kokain an R. K. am 23.04.2020 für 14.000 Euro findet zudem durch folgende objektive Beweismittel Bestätigung:
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Zunächst schilderte der Sachverständige Dr. S., dass eines der bei R. K. gefundenen Abbruchstücke Kokain aufwies, das mit hoher Wahrscheinlichkeit aus derselben Charge stammte wie die Abbruchstücke des beim Angeklagten Sa. gefundenen Kokains (siehe hierzu bereits oben).
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Weiterhin wird sie gestützt von den von KHK B. analysierten Daten aus der Mobilfunküberwachung von R. K., welche mehrfache zeitliche und örtliche Überschneidungen zwischen R. K. und dem Angeklagten Sa. bzw. deren Mobilfunkgeräten anhand der an verschiedenen Mobilfunkmasten registrierten Mobilfunkdaten aufzeigten. KHK B. schilderte der Kammer anschaulich anhand einer Karte mit den Mobilfunkdaten R. K.s, dass sich dieser am 23.04.2020 erstmals gegen 10:00 Uhr von München Richtung St.in Bewegung gesetzt habe, sein Mobiltelefon dann von 10:09 Uhr bis 11:09 Uhr am Funkmasten St.eingeloggt gewesen sei, bevor es sich wieder Richtung München bewegt habe. Am selben Abend habe sich R. K. für ähnlich kurze Zeit, zwischen 21:07 Uhr und 21:26 Uhr nochmals im Bereich des Funkmastens in St.aufgehalten. In ähnlicher Auffälligkeit seien diese Überschneidungen am 25.04., 26.04., 01.05. 03.05., 10.05., 14.05. und 16.05.2020 zu beobachten gewesen. Angesichts des Fahrtweges und der nur kurzen Aufenthalte R. K.s in St.lägen Betäubungsmittelgeschäfte sehr nahe. Dem schließt sich die Kammer unter zusätzlicher Berücksichtigung der zeitlichen Nähe zur Beschaffungsfahrt vom 21.04.2020 vollumfänglich an.
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Der Veräußerungserlös von 14.000 Euro für die verkauften 350 Gramm Kokain ergibt sich aus einer Schätzung der Kammer ausgehend von dem Verkaufspreis von rund 40 Euro pro Gramm Kokain. Dieser Schätzung liegt einerseits zugrunde, dass der Angeklagte H. rund ein Kilogramm Kokain für 40.000 Euro an Su. Gu. verkaufte. Weiterhin nimmt die Kammer das Gespräch der Angeklagten vom 18.04.2020 als Anhaltspunkt. Hier diskutieren die Angeklagten, dass sich der Handel nur bis zu einem Einkaufspreis von 36.000 Euro lohne (siehe oben unter 1.). Ein Kilopreis von 40.000 Euro im Weiterverkauf erscheint aufgrund dieser Parameter mit einer Gewinnmarge von etwa 10 % als sehr wahrscheinlich. Mit Blick auf die regelmäßige Erhöhung der Grammpreise bei kleineren Mengen ist die Annahme eines Verkaufspreises von 14.000 Euro für 350 Gramm Kokain jedenfalls nicht überhöht.
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d) Das Gewicht für den für den Angeklagten Sa. bestimmten Block ergibt sich aus dem sichergestellten 645,73 Gramm und den bereits an R. K. verkauften 350 Gramm (in Summe somit 995,73 Gramm). Dieser Wert wurde auch für den Angeklagten H. zugrunde gelegt. Für das halbe Kilo für Li.H. wurde diese Zahl halbiert, so dass sich ein Gewicht von 497,86 Gramm ergibt.
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Der Wirkstoffgehalt der sichergestellten 645,73 Gramm ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen Dr. S.. So wurde für drei der acht aufgefunden Abbruchstücke (insgesamt 400,20 Gramm) ein Mindestwirkstoffgehalt von 69,7 % Kokainhydrochlorid festgestellt, für die restlichen fünf Abbruchstücke (insgesamt 245,53 Gramm) ein Mindestwirkstoffgehalt von 67,6 %. In Bezug auf die nicht mehr sichergestellten Mengen legt die Kammer den geringeren Wirkstoffgehalt (67,6 %) abzüglich eines Sicherheitsabschlags von 5 Prozentpunkten, somit 62,6 % zugrunde.
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Die Kammer legt somit auf Basis der nachvollziehbaren Analyseergebnisse des Sachverständigen, die sie sich zu eigen macht, folgende Werte zugrunde:
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Hinsichtlich der 995,73 Gramm Kokain für den Angeklagten H. mit (mindestens) 62,6 % Wirkstoffgehalt geht die Kammer von (mindestens) 623,32 Gramm Kokainhydrochlorid aus.
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Hinsichtlich der 995,73 Gramm Kokain für den Angeklagten Sa. hatten 400,2 Gramm eine Wirkstoffgehalt von 69,7 %, enthielten also 278,93 Gramm Kokainhydrochlorid. Weitere 245,53 Gramm hatten einen Wirkstoffgehalt von 67,6 %, enthielten somit 165,97 Gramm Kokainhydrochlorid. Für die restlichen 350 Gramm legt die Kammer den Mindestwert von 62,6 % zugrunde, so dass sich (mindestens) 219,1 Gramm Kokainhydrochlorid ergeben. Der gesamte Kokainblock enthielt mithin insgesamt (mindestens) 664 Gramm Kokainhydrochlorid.
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In Bezug auf die 497,86 Gramm Kokain für Li.H. mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 62,6 % ergibt sich eine Wirkstoffmenge von (mindestens) 311,66 Gramm Kokainhydrochlorid.
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3. Die geständigen Angaben der Angeklagten zu der Beschaffungsfahrt im Mai 2020 werden durch folgende objektive Beweismittel bestätigt und ergänzt:
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a) Im abgehörten Gespräch zwischen den Angeklagten am 23.05.2020 im Pkw Mercedes, amtliches Kennz... des angeklagten H. vereinbarten die Angeklagten untereinander und unter Einbindung von Li.H. via Mobilfunkkommunikation, dass dieser in den nächsten Tagen Kokain inBr. organisieren würde, wovon anschließend insgesamt sechs Kilogramm von dem Angeklagten Sa. nach Deutschland verbracht werden sollten. Hiervon sollte der Angeklagte Sa. bereits drei Kilogramm „für Dü.“ im Raum Aa./Dü. an Li.H. und sein Umfeld ausliefern sowie ein weiteres Kilogramm im Auftrag Li.H.s nach Österreich bringen. Hierfür verlangte der Angeklagte Sa. zunächst eine Vergütung von 1.500 Euro pro Kilogramm, da er, wie er im Gespräch ausführte, mindestens „sechs Mal öffnen“, also das Schmuggelversteck aufschrauben müsse, um Geld und Betäubungsmittel entgegenzunehmen und zu verstauen bzw. zu entnehmen. Li.H. entgegnete daraufhin, dass die Preise für Kurierfahrten gesunken seien, seit die Grenzen wieder geöffnet seien, da die Leute Arbeit suchten. Der Angeklagte Sa. nahm dem Angeklagten H. dann das Versprechen ab, dass dieser nochmal mit seinem Neffen über die Vergütung sprechen möge, schließlich handle es sich ja um dessen Familie.
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b) Der tatsächliche Fahrtverlauf ist anschaulich anhand der GPS-Verfolgung des Mercedes ML 350 und der Auswertung der Standortdaten des iPhone 6 des Angeklagten Sa. nachverfolgbar. Davon, dass bei den verschiedenen Stopps und Treffen jeweils Bargeld und Betäubungsmittel übergeben wurde, konnte sich die Kammer anhand der Observationsmaßnahmen überzeugen, die von dem Hauptsachbearbeiter des Verfahrens, KHK B. erläutert und mit der jeweiligen Station in Einklang gebracht wurden. Im Einzelnen stellte sich der Fahrtverlauf nach der überzeugenden Schilderung von KHK B. wie folgt dar:
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Der Angeklagte Sa. habe die Beschaffungsfahrt mit dem Mercedes ML 350 am 26.05.2020 um 14:40 Uhr an seiner Wohnadresse in der H. Straße 55 in St. begonnen. Er sei über die A 96 direkt nach Aa. gefahren, wo er um 20:56 Uhr die Wohnadresse Li.H.s in der P. straße 74 erreichte. Nach einem Aufenthalt dort sei der Angeklagte Sa. um 22:12 Uhr weiter nach E. gefahren, wo er um 22:29 Uhr an der Produktionsstätte der Firma „A. In.“ von Ar. H. in der T. straße ... angekommen sei. Um 23:38 Uhr sei der Angeklagte anschließend weiter zur Wohnadresse Ar. H.s in der O. Straße ... in Wü. gefahren. Nach einem Aufenthalt dort sei der Angeklagte Sa. schließlich um 00:55 Uhr noch in das Parkhaus der A. Straße in H. gefahren, dort endeten die Bewegungsdaten für den Tag.
97
Am 27.05.2020 um 07:30 Uhr habe die Route des Angeklagten Sa. aus dem Raum H./Al. zunächst nochmals zur Wohnadresse Li.H.s in Aa. geführt, anschließend habe er sich um 09:30 Uhr auf den Weg Richtung Belgien gemacht. Dort reiste er um 10:30 Uhr über den Grenzübergang Aa-Li. nach Belgien ein. Hier wurde anhand des vom Zeugen KHK B. erläuterten Observationsberichts des Mobilen Einsatzkommandos des LKA NRW vom 27.05.2020 mitsamt Bilddokumentation deutlich, dass der Angeklagte Sa. von dem unbekannt gebliebenen Fahrer des Pkw Smart ForTwo, amtliches Kennz... Unterstützung bei dem Grenzübertritt Aa.-L. hatte. Diese Person habe der Angeklagte Sa. an einer Bushaltestelle unmittelbar vor der Grenze getroffen.
98
Um 11:59 Uhr sei der Angeklagte Sa. in der R. Er. L. in Sch./Br. eingetroffen, wo er zunächst Er. Te. getroffen habe und mit diesem im Pkw Mercedes ML 350 weiter in die Av. Vol. gefahren sei. Mit der Observation habe, wie auf den zugehörigen Lichtbildern dokumentiert, festgestellt werden können, dass Er. Te. anschließend aus dem Kofferraum des in der Rue de Jerusalem geparkten VW Polo, amtliches Kennzeichen ..., eine augenscheinlich gefüllte, beige Einkaufstasche mit grünen Tragegriffen geholt habe und damit zu dem am Pkw Mercedes ML 350 wartenden Angeklagten Sa. gegangen sei. Nachdem E. T. auf der Beifahrerseite eingestiegen war, habe sich der Angeklagte Sa. ins Fahrzeuginnere gelehnt und dort mehrere Minuten hantiert. Nach sieben Minuten sei Er. T. mit augenscheinlich leerer Einkaufstasche wieder ausgestiegen.
99
In Zusammenschau mit den weiteren Vorgängen gehe er fest davon aus, dass sich in dieser Tasche die Betäubungsmittel befunden haben, die der Angeklagte Sa. in diesen sieben Minuten im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes verstaut habe.
100
Anschließend verließ der Angeklagte Sa. ausweislich der GPS-Daten sowie der korrespondierenden Observation Br. und reiste um 14:48 Uhr über die E40/BAB44, Anschlussstelle Aa.-L. wieder nach Deutschland ein.
101
Um 15:28 Uhr habe der Angeklagte Sa. das Parkhaus in der A. Straße in H. erreicht, wo er nach den Observationserkenntnissen eine männliche Person getroffen habe, die dem Aussehen nach Fl. Kr. entsprochen habe. Dieser habe das Treffen mit einer augenscheinlich gefüllten Umhängetasche verlassen und der Angeklagte Sa. habe nach dem Treffen auf der Fahrerseite knieend im Fußraum hantiert. Um 16:15 Uhr habe der Angeklagte Sa. dann das Ladenlokal Li.H.s in der J. Straße 29 in Aa erreicht, das er sogleich mit einer weißen Plastiktüte betreten und bereits um 16:17 Uhr ohne diese wieder verlassen habe.
102
Schließlich fuhr er weiter nach Hannover, wo er um 20:33 Uhr in der I.allee parkte. Wie sich aus dem vom Zeugen KHK B. erläuterten Observationsbericht des BKA vom 30.05.2020 ergebe, sei der Angeklagte Sa. aus seinem Pkw ausgestiegen, nach einigem Auf- und Ablaufen sei um 20:48 Uhr ein Pkw VW Golf, amtliches Kennz... mit einer unbekannten männlichen Person am Steuer angefahren. Zu dieser sei der Angeklagte Sa. zunächst ins Auto gestiegen, ehe er sich kurz darauf zu seinem Mercedes begeben habe und weggefahren sei, wobei ihm der VW Golf gefolgt sei. Nach kurzer Zeit hätten beide Fahrzeuge angehalten und die männliche Person sei beifahrerseitig in den Mercedes eingestiegen, während der Angeklagte Sa. am Fahrersitz hantiert habe.
103
Nach der Übernachtung in Br., sei der Angeklagte Sa. am 28.05.2020 nochmals in das Parkhaus in der A. Straße in H. gefahren, wo er um 09:02 Uhr angekommen sei und nochmals die männliche Person (höchstwahrscheinlich Fl. Kr.) getroffen habe. Schließlich sei die Heimfahrt nach St. über die A8 Richtung Mü. erfolgt. Der Angeklagte Sa. sei um 16:17 Uhr wieder zuhause in der H. Straße 55 in St. angekommen.
104
Die Kammer ist angesichts der die Geständnisse der Angeklagten ergänzenden detaillierten Schilderung von KHK B. der Überzeugung, dass der Angeklagte Sa. zunächst das Bargeld für die Betäubungsmittel im Raum Aa und anschließend sechs Blöcke Kokain in Br. abholte. Von diesen verteilte er im Rahmen seiner verschiedenen Stationen im Raum Aa. drei Blöcke im Bereich von jeweils rund einem Kilo Kokain, bevor er sich mit den restlichen drei Blöcken auf die Heimfahrt nach St. machte. Eine andere Interpretation der minutengenau dokumentierten Fahrt mit ihren zahlreichen Stopps und Treffen ist fernliegend.
105
c) Weiterhin ist die Kammer davon überzeugt, dass die Angeklagten nur durch die Sicherstellung an der gewinnbringenden Weiterveräußerung gehindert wurden, diese aber jedoch bereits fester Bestandteil des ursprünglich geplanten Vorgehens war.
106
Dies ergibt sich in Ergänzung zu den auch insoweit geständigen Einlassungen der Angeklagten zunächst bereits daraus, dass der Angeklagte H. dem Angeklagten Sa. unmittelbar nach dessen Rückkehr nach St.Verpackungsmaterial übergab. So schilderte KHK B., dass der Angeklagte Sa. direkt nach seiner Rückkehr nach St. am 28.05.2020 um 17:10 Uhr den Angeklagten H. an dessen Arbeitsstelle abholte. Beim Einsteigen in den Pkw habe dieser einen gefüllten Stoffbeutel mit sich geführt, den er beim Aussteigen um 17:45 Uhr nicht mehr bei sich gehabt habe. Wie sich bei der Durchsuchung des Anwesens Am L.-berg herausstellte, befanden sich in diesem Stoffbeutel Vakuumierbeutel und anderes Verpackungsmaterial.
107
Auf diesem sichergestellten Verpackungsmaterial befanden sich laut dem verlesenen daktyloskopischen Gutachten von EKHK B. vom 24.09.2020 Fingerabdrücke beider Angeklagter.
108
Weiterhin diskutierten die beiden Angeklagten in den beiden abgehörten Gesprächen vom 18.04.2020 sowie vom 23.05.2020 über Preise und Gewinnmargen pro Kilogramm Kokain. So äußerte der Angeklagte H. im Gespräch vom 18.04.2020 auf den Vorschlag Li.H.s, ihm das Kilo für 34.500 Euro zuzüglich Kurierlohn für den Angeklagten Sa. zu verkaufen: „Ja so ist es, ich sagte ihm, über 36 bei mir keine Chance, denn es lohnt sich dann nicht.“ Auf die Frage des Angeklagten Sa., ob er für die Lieferung im Mai 2020 ausreichend Geld zusammen habe, antwortete der Angeklagte H. im Gespräch vom 23.05.2020: „Ja. Ich schicke ihm also 32.000 EUR, den Rest dann das andere Mal. Wenn ich sie bekomme, dann schicke ich ihm natürlich schon jetzt, er hat sie mir aber noch nicht vorbeigebracht, ich zahle dann dich und ihn.“
109
Auch die Kontaktversuche des Angeklagten Sa. zu R. K., Mu. Le. und V. Al. sprechen für die geplante Weiterveräußerung. Diese ergeben sich aus der Auswertung des „Händlertelefons“ iPhone 7 des Angeklagten Sa.. Wie KHK B. berichtete, habe er bei der Auswertung festgestellt, dass der Angeklagte Sa. am 28.05.2020 bereits auf der Heimfahrt nach St. um 17:56 Uhr versuchte, R. K. zu kontaktieren, um 18:01 Uhr und um 18:56 Uhr Mu. Le.. V. Al. habe der Angeklagte Sa. sogar bereits am 26.05.2020 um 07:47 Uhr kontaktiert. Sämtliche genannte Personen waren nach den polizeilichen Erkenntnissen mit Kokainhandelsgeschäften tätig.
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4. Für die bereits im Großraum Aa. abgelieferten Blöcke Kokain geht das Gericht pro Block von einem Gewicht von 931,79 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von (mindestens) 53 %, somit von (mindestens) 493,84 Gramm Kokainhydrochlorid pro Block aus. Dieser Schätzung liegen das Gewicht des kleinsten der sichergestellten Blöcke und für den Wirkstoffgehalt der geringste Wert der sichergestellten Blöcke abzüglich eines Sicherheitsabschlags von 5 Prozentpunkten (siehe detailliert hierzu oben) zugrunde. Ein weitergehender Sicherheitsabschlag beim Gewicht war nicht mehr veranlasst, weil der leichteste Block mit 931,79 Gramm in der Bandbreite der festgestellten „Kiloblöcke“ von der Referenzmasse 1000 Gramm bereits so weit nach unten abweicht, dass nicht davon auszugehen ist, dass in den Händlerkreisen relevant weitergehende Abweichungen nach unten noch als „Kilo“ Akzeptanz finden würden.
111
Gewicht und Wirkstoffgehalt der sichergestellten Blöcke Kokain ergeben sich aus den Angaben des Sachverständigen Dr. S.. In diesem kommt er zu dem Ergebnis, dass einer der im Pkw Seat gefundenen Blöcke 1.055,02 Gramm wog und einen Wirkstoffgehalt von mindestens 58,0 % hatte, somit mindestens 611,9 Gramm Kokainhydrochlorid enthielt. Der zweite verladene Block habe 1.008,18 Gramm gewogen und einen Wirkstoffgehalt von mindestens 65,3 % gehabt, somit mindestens 658,3 Gramm Kokainhydrochlorid enthalten. Der im Schmuggelversteck aufgefundene Block sei 931,79 Gramm schwer gewesen, habe einen Wirkstoffgehalt von mindestens 60,6 % gehabt und somit mindestens 564,6 Gramm Kokainhydrochlorid enthalten.
112
Auch in Bezug auf dieses Gutachten des Sachverständigen Dr. S. macht sich die Kammer die nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des Sachverständigen zu eigen.
113
Da die Blöcke im Pkw Seat vor der Veräußerung sichergestellt wurden, ist nicht mehr feststellbar, welcher der beiden Blöcke für welchen der Angeklagten bestimmt war. Da der Block mit einem Gewicht von 1.055,02 Gramm und Wirkstoffgehalt von 58,0 % die geringste Menge Kokainhydrochlorid, nämlich 611,9 Gramm aufwies, ist zugunsten beider Angeklagter davon auszugehen, dass dieser Block jeweils für sie bestimmt war.
III. Feststellungen zum subjektiven Tatbestand
114
Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der Angeklagten basieren auf deren eigenen geständigen Angaben in der Hauptverhandlung. Insbesondere gab der Angeklagte H. an, aufgrund der gemeinsam geführten Gespräche mit dem Angeklagten Sa. jeweils von der gesamten eingeführten Menge Kenntnis gehabt zu haben und nicht (entgegen seiner ursprünglich verlesenen Einlassung) nur von den jeweils für ihn bestimmten Kilogrammmengen.
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Die Angeklagten handelten vorsätzlich bezüglich der Organisation und des Transports der Betäubungsmittel von Belgien nach Deutschland sowie bezüglich der Betäubungsmittelgeschäfte. In diesem Zusammenhang besteht auch kein Zweifel daran, dass die Angeklagten hinsichtlich der Menge und des Wirkstoffgehalts dieser Betäubungsmittel mit jeder nach den Umständen des Falls in Betracht kommenden Möglichkeit einverstanden waren. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte für Umstände ergeben, aufgrund derer die Angeklagten im konkreten Fall von einem niedrigeren als dem festgestellten Wirkstoffgehalt ausgehen durften oder tatsächlich ausgegangen sind. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Betäubungsmittel für den Weiterverkauf bestimmt waren und die Angeklagten somit ein genuines Interesse daran hatten, im Rahmen ihrer Absprachen mit den Lieferanten möglichst „gute Qualität“, somit eine hohe Grammzahl und einen hohen Wirkstoffgehalt für jeden Kilogrammblock Kokain zu erhalten.
IV. Feststellungen zur Schuldfähigkeit
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Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten beruhen auf deren eigenen Angaben in der Hauptverhandlung sowie den Ergebnissen der Untersuchung der von dem Angeklagten freiwillig abgegebenen Blut-, Jrin- und Haarproben, wonach eine relevante Beeinflussung durch Alkohol, Arznei- oder Betäubungsmittel ausgeschlossen werden kann (siehe D.I.). Diese Erkenntnisse decken sich auch mit dem gewonnenen Eindruck von den Angeklagten in der mehrtägigen Hauptverhandlung, in der sie sich verständig, differenziert und höflich gaben; Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen oder relevante Persönlichkeitsakzentuierungen ergaben sich nicht.
117
1. Der Angeklagte H. hat sich aufgrund des unter C.II. festgestellten Sachverhalts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. mit Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, BtMG, 25 Abs. 2, 27 StGB strafbar gemacht.
118
a) Hinsichtlich der für ihn zum Weiterverkauf bestimmten Menge Kokain machte sich der Angeklagte H. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Täter strafbar, während er sich in Bezug auf die für den Angeklagten Sa. sowie seinen Neffen Li.H. bestimmten Betäubungsmittel wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat.
119
Zwar wurde der Transport von Betäubungsmitteln in deutsches Hoheitsgebiet von dem Angeklagten Sa. durchgeführt, der das Kokain über den Grenzübergang bei Eynatten von Belgien nach Deutschland brachte. Jedoch hat der Angeklagte H. diese Einfuhr erst ermöglicht, indem er die Fahrt organisierte. Er ist somit insoweit Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB. Denn Voraussetzung für die Einfuhr war der Kontakt zu Li.H., dem Neffen des Angeklagten H., der wiederum den Kontakt mit dem Lieferanten des Kokains in Br. herstellte. Die familiären Verbindungen des Angeklagten H. schafften somit die Basis für die Lieferschiene des Kokains nach St.. Während der Angeklagte H. die Organisation aufbaute, war der Mitangeklagte Sa. für die praktische Durchführung der Fahrt von Br. nach St.zuständig. Deutlich wird diese Arbeitsteilung zunächst aufgrund der Verfügungsgewalt des Angeklagten H. über den als Kurierfahrzeug dienenden Mercedes ML 350 mit dem eingebauten Schmuggelversteck. So bot er in einem Gespräch mit seinem Abnehmer Su. Gu. am 06.04.2020 diesem an, er dürfe das Fahrzeug ebenfalls für eine Kurierfahrt benutzen, obwohl der Angeklagte Sa. das Fahrzeug erworben hatte und als dessen Halter eingetragen ist. Die Organisationshoheit des Angeklagten H. zeigt sich des Weiteren im Gespräch vom 23.05.2020 zwischen den Angeklagten, als diese die Entlohnung des Angeklagten Sa. pro Kilo eingeführtes Kokain diskutieren. Hierbei zeigt sich der Angeklagte Sa. mit dem Angebot von Li.H. unzufrieden und bat den Angeklagten H. darum, für ihn zu verhandeln, da es sich schließlich um seine Familie handle. Insgesamt hat damit der Angeklagte H. in Bezug auf die Fahrt Tatherrschaft, mit der er jederzeit auf deren Durchführung und Ablauf prägenden Einfluss nehmen könnte. Andererseits oblag es dem Angeklagten Sa., die auch in seinem eigenen Interesse liegende Fahrt in ihrer Vielaktigkeit eigenverantwortlich, mithin ebenfalls mit Tatherrschaft durchzuführen. Aufgrund dieser Aufgabenteilung aus Organisation und Durchführung bei wechselseitigen Einflussmöglichkeiten liegt hinsichtlich des für den Angeklagten H. bestimmten Kokains mittäterschaftliches Handeln beider Angeklagter vor.
120
Hingegen ist der Angeklagte H. in Bezug auf die restliche Betäubungsmittelmenge als Gehilfe zu bestrafen, da er einen anderen bei dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat, nämlich der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, durch seinen Organisationsbeitrag unterstützte. Im Gegensatz zur Einfuhr des für ihn selbst bestimmten Blocks Kokain war sein Interesse am Taterfolg für die restlichen Mengen weitaus geringer, was sich auch darin wiederspiegelt, dass er den Angeklagten Sa. für den Transport seines eigenen Blocks bezahlte, während dieser die Entlohnung für das halbe Kilogramm Kokain für Li.H. mit diesem abwickelte.
121
Der Angeklagte H. wusste und wollte dabei, dass durch seine Organisation zwischen seinem Neffen und dem Angeklagten Sa. weitere eineinhalb Kilogramm Kokain eingeführt wurden. Da er die Einfuhr dieser Menge jedoch nicht als eigene Tat wollte, kommt vorliegend nur die Beteiligungsform der Beihilfe in Betracht.
122
b) Weiterhin verwirklichte der Angeklagte H. bezüglich des für ihn bestimmten Blocks Kokain den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
123
Der Verkauf dieses Blocks an Su. Gu. für den Preis von 40.000 Euro, bei einem Einkaufspreis von 34.500 Euro zuzüglich 1.500 Euro Kurierlohn an den Angeklagten Sa. fällt jedenfalls unter den weiten Begriff des Handeltreibens.
124
2. Der Angeklagte Sa. hat sich aufgrund des unter C.II. festgestellten Sachverhalts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. mit Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 27 BtMG strafbar gemacht.
125
a) Die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Angeklagten Sa. bezieht sich die gesamten zweieinhalb Kilo Kokain, die er als Fahrer im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML 350 aus Belgien über den Grenzübergang Ey. nach Deutschland transportierte, wobei er bei der Durchführung der grenzüberschreitenden Fahrt durchweg, wenn auch arbeitsteilig mit dem Angeklagten H., eigene Tatherrschaft hatte (vgl. oben I. 1. a))
126
b) In Hinblick auf das für ihn selbst bestimmte Kilogramm Kokain verwirklichte der Angeklagte Sa. daneben den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
127
Der weite Begriff des Handeltreibens umfasst dabei den Verkauf der 350 Gramm Kokain an R. K.. Aber auch in Bezug auf die noch nicht verkaufte, im Rahmen der Durchsuchung sichergestellten Menge, ist das Handeltreiben bereits vollendet. Denn mit Blick auf die transportierte Menge, die professionelle Vorgehensweise und die Kontakte zur Händlerstruktur liegt auf der Hand, dass der Angeklagte Sa. bereits Tätigkeiten zur Förderung des Absatzes auch in Bezug auf diesen restlichen Teil der Betäubungsmittel entfaltet hatte. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den zahlreichen im Rahmen der Durchsuchung des Anwesens Am L.-berg 15 in St. sichergestellten Verpackungs- und Händlerutensilien.
128
c) Bezüglich des halben Kilogramms Kokain für Li.H. sowie des Kilogramms Kokain für den Mitangeklagten H. liegt lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor.
129
In dem gewinnbringenden Verkauf des Kiloblocks Kokain von dem Angeklagten H. an Su. Gu. liegt die vollendete Haupttat vor. In Bezug auf die für Li.H. bestimmten Betäubungsmittel ist aufgrund der Organisation und hohen Professionalität seines Vorgehens bereits in der Bestellung des halben Kilos ebenfalls von einer eigennützigen, auf die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln gerichteten Tat auszugehen.
130
Als Beihilfehandlung sind der Transport und die Lieferung an die beiden Abnehmer ebenfalls geeignet, da sie die Haupttat förderten.
131
Im Gegensatz zu den für ihn bestimmten Betäubungsmitteln beschränkte sich sein Interesse am Taterfolg jedoch in erster Linie auf den Transport, da er für diesen auch von dem Mitangeklagten H. sowie Li.H. entlohnt wurde. Die Weiterveräußerung dieser eineinhalb Kilogramm Kokain stand für den Angeklagten Sa. weniger im Fokus. Er wusste und wollte jedoch, dass diese Betäubungsmittel in den Verkehr gebracht würden und wollte hierzu auch durch seine Handlung beitragen, so dass er mit dem erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz handelte.
132
3. Der Bundesgerichtshof legt in ständiger Rechtsprechung den Grenzwert der nicht geringen Menge für Kokain bei 5 Gramm Kokainhydrochlorid fest (BGH, Urteil vom 01.02.1985 - 2 StR 685/84).
133
Dieser Grenzwert wurde hinsichtlich der mindestens 995,73 Gramm Kokain für den Angeklagten H. mit mindestens 62,6 % Wirkstoffgehalt und somit mindestens 623,32 Gramm Kokainhydrochlorid mindestens um das 124,66-fache überschritten.
134
Die 995,73 Gramm Kokain für den Angeklagten Sa. enthielten 664 Gramm Kokainhydrochlorid, so dass die nicht geringe Menge in Bezug auf diesen Block um das 132,8-fache überschritten wurde.
135
Hinsichtlich der mindestens 497,86 Gramm Kokain für Li.H. mit mindestens 62,6 % Wirkstoffgehalt und somit mindestens 311,66 Gramm Kokainhydrochlorid mindestens um das 62,33-fache überschritten.
136
1. Der Angeklagte H. hat sich aufgrund des unter C.III. festgestellten Sachverhalts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. mit Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2, 27 BtMG strafbar gemacht.
137
a) Die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Angeklagten H. als Täter bezieht sich auch in diesem Tatkomplex auf den für ihn selbst bestimmten Kilogrammblock Kokain, der anschließend von ihm weiterverkauft werden sollte. Auch hier wurde die Fahrt von dem Angeklagten Sa. durchgeführt, die der Angeklagte H. durch seine Organisation ermöglichte, der somit als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zu sehen ist.
138
Bezüglich der drei Kilogramm Kokain „für Düsseldorf“, sowie des Kilogramms Kokain „für Österreich“ und des Kilogramms Kokain für den Angeklagten Sa. liegt lediglich eine Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor (s. ausführlich hierzu oben unter I.).
139
b) Weiterhin verwirklichte der Angeklagte H. bezüglich des für ihn bestimmten Kiloblocks Kokain den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auch wenn es aufgrund der Sicherstellung der Betäubungsmittel nicht mehr zu ihrer Veräußerung kam, spricht bereits die Menge des Kokains und die vorhandene Absatzstruktur mit Su. Gu., R. K. und V. Al. dafür, dass der Weiterverkauf unmittelbar geplant war und durchgeführt worden wäre, wenn nicht die Sicherstellung am Tag der Einfuhr dazwischengekommen wäre. Noch am Tag der Rückkehr übergab der Angeklagte H. dem Angeklagte Sa. eine Tasche mit Verpackungsmaterial. Zudem lassen die Diskussionen der Angeklagten, ab welchem Einkaufspreis es sich „lohnt“, keinen anderen Rückschluss als die Planung der gewinnbringenden Weiterveräußerung der Betäubungsmittel zu.
140
2. Der Angeklagte Sa. hat sich aufgrund des unter C.III. festgestellten Sachverhalts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. mit Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 27 BtMG strafbar gemacht.
141
a) Die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Angeklagten Sa. bezieht sich auch bei der zweiten Fahrt auf die gesamten rund sechs Kilo Kokain, die er als Fahrer im Schmuggelversteck des Pkw Mercedes ML 350 mit eigener Tatherrschaft ausBr. nach Deutschland brachte.
142
b) In Hinblick auf das für ihn selbst bestimmte Kilogramm Kokain verwirklichte der Angeklagte Sa. auch den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dabei genügt schon die Vorbereitung der Verpackung und des Verkaufs der für ihn bestimmten Kokainmenge für den Tatbestand des Handeltreibens. Denn dass der gewinnbringende Verkauf unmittelbar geplant war, zeigt sich an den zahlenreichen, im Rahmen der Durchsuchung des Anwesens Am L.-berg 15 in St.sichergestellten Verpackungs- und Händlerutensilien sowie an den bereits auf der Heimfahrt aus Belgien unternommenen Kontaktversuchen mit den Betäubungsmittelhändlern R. K. und Mu. Le..
143
Bezüglich der drei Kilogramm Kokain „für Düsseldorf“, des Kilogramms Kokain „für Österreich“ sowie des Kilogramms Kokain für den Mitangeklagten H. liegt lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor.
144
Aufgrund der bestehenden Organisation- und Händlerstruktur rund um Li.H. sowie der hohen Professionalität seines Vorgehens bereits in der Bestellung und Entgegennahme der Betäubungsmittel im Großraum Aa ist von dessen eigennütziger, auf die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln gerichteten Tat auszugehen.
145
Als Beihilfehandlung sind der Transport und die Lieferung an die Abnehmer ebenfalls geeignet, da sie die Haupttat förderten.
146
Wie bereits bei der Fahrt vom April 2020 beschränkte sich das Interesse des Angeklagten Sa. auf den Transport, da er für diesen von den Auftraggebern entlohnt wurde. Er wusste und wollte jedoch, dass die transportierten Drogen in den Verkehr gebracht würden und wollte hierzu auch durch seine Handlung dazu betragen, so dass er mit dem erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz handelte.
147
3. Auch die im Rahmen des zweiten Tatkomplexes transportieren Mengen überschreiten den Grenzwert der nicht geringen Menge um ein Vielfaches.
148
Da zugunsten der Angeklagten für beide davon auszugehen ist, dass der Block mit mindestens 611,9 Gramm Kokainhydrochlorid für sie selbst bestimmt war, während der Block mit mindestens 658,3 Gramm Kokainhydrochlorid für den jeweils anderen bestimmt war, überschritten sie hinsichtlich des jeweils für sie selbst bestimmten Blocks die nicht geringe Menge um das 122,38-fache.
149
Der Block „für Österreich“ enthielt mindestens 564,6 Gramm Kokainhydrochlorid, die drei Blöcke „für Düsseldorf“ jeweils mindestens 493,84 Gramm Kokainhydrochlorid.
150
Hinsichtlich der fünf Kiloblöcke Kokain (2.704,42 Gramm Kokainhydrochlorid), bei denen der Angeklagte H. als Teilnehmer der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tätig wurde, überschritt er die nicht geringe Menge somit um das 540,88-fache.
151
Der Angeklagte Sa. überschritt mit der Einfuhr der sechs Kiloblöcke Kokain (3.316,32 Gramm Kokainhydrochlorid) die nicht geringe Menge sogar um das 663,26-fache, die ihm im Rahmen der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zuzurechnende Wirkstoffanteil beträgt ebenfalls das 540,88-fache der nicht geringen Menge.
152
Die Kammer hält für den Angeklagten H. eine Gesamtstrafe von sechs Jahren sechs Monaten für tat- und schuldangemessen, die sich aus einer Einzelstrafe von vier Jahren sechs Monaten für den Tatkomplex im April 2020 und einer Einzelstrafe von fünf Jahren sechs Monaten für den Komplex im Mai 2020 zusammensetzt.
153
1. Für beide Tatkomplexe ergibt sich der Strafrahmen jeweils aus § 30 Abs. 1 Nummer 4 BtMG.
154
Da in beiden Tatkomplexen tateinheitlich mehrere Strafgesetze verletzt wurden, ist der Strafrahmen jeweils der Vorschrift zu entnehmen, die die schwerste Strafe androht (§ 52 StGB). Das ist vorliegend der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nummer 4 BtMG. Der niedrigere Strafrahmen des tateinheitlich verwirklichten § 29a Abs. 1 Nummer 2 BtMG sowie des ebenfalls tateinheitlich verwirklichten und gemäß §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildernden Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nummer 4 BtMG tritt gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB dahinter zurück.
155
2. Weder für den ersten noch den zweiten Tatkomplex liegt ein minderschwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG vor.
156
Für die vorzunehmende Gesamtbetrachtung sind alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichviel, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei müssen auch die Persönlichkeit des Täters, sein Gesamtverhalten, seine Tatmotive und die seine Tat begleitenden Umstände gewürdigt werden.
157
Zugunsten des Angeklagten H. spricht zunächst, dass sich dieser in der Hauptverhandlung vollumfänglich geständig gezeigt hat. Auch wenn das Geständnis erst im Rahmen der Hauptverhandlung und dort zu Beginn des dritten Verhandlungstages und erst nach einem Teil der Beweiserhebung abgelegt wurde und es zunächst noch inhaltlich eingeschränkt formuliert und anschließend nachgebessert wurde, so zeigte sich der Angeklagte H. der Kammer doch von Reue und Scham angesichts der Taten geprägt. Das Geständnis hat auch insofern ein beachtliches Gewicht, als es trotz einer gescheiterten Verständigung und somit ohne zugesagte Strafobergrenze abgelegt wurde. Der Angeklagte H. verbrachte sein fünfzigjähriges Leben bisher straffrei. Obwohl sein Leben im Jugend- und frühen Erwachsenenalter stark von der Balkankrise und den Bemühungen um einen Aufenthaltstitel in Deutschland geprägt war, gelang es dem Angeklagten H. fast dreißig Jahre lang, seinen Lebensunterhalt mit legaler Arbeit in der Gastronomie, bei Tankstellen und zuletzt sogar in Festanstellung als Hausmeister zu bestreiten. Dass er letztlich „dem schnellen Geld“ des Betäubungsmittelhandels erlag, machte ihm sichtlich zu schaffen.
158
Weiterhin ist zugunsten des Angeklagten H. zu berücksichtigen, dass die Taten schon länger zurückliegen und der zeitliche Abstand zwischen den Taten nach deren Aufdeckung und dem Urteil relativ lang war. Auch wenn es sich noch nicht um einen Fall von rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung handelt, da die Dauer angesichts der umfangreichen Ermittlungen nicht vermeidbar und die gesamte Dauer noch vertretbar war, berücksichtigt die Kammer, dass der Angeklagte H. bereits die lange Verfahrensdauer von einem Jahr und acht Monaten in der Unsicherheit des Ergebnisses der Strafprozess durchleben musste. Während dieser Zeit verhielt sich der Angeklagte H. in der Untersuchungshaft nach Schilderung der die Besuchsüberwachung durchführenden Beamten freundlich und angepasst; dieser Eindruck bestätigte sich auch in der Hauptverhandlung. In diesem Zusammenhang ist auch zu seinen Gunsten zu werten, dass sich der Angeklagte H. mit der Einziehung sämtlicher sichergestellter Gegenstände, insbesondere auch von 4.995 EUR Bargeld, einverstanden erklärt hat.
159
Demgegenüber spricht aber erheblich zu seinen Lasten, dass die Menge des eingeführten und veräußerten Kokains weit über dem Grenzwert für die nicht geringe Menge lag. Diesen überschritt allein der im ersten Tatkomplex für den Angeklagten H. bestimmte Block um das 124-fache. Im zweiten Tatkomplex ist die mit rund sechs Kilogramm Kokain nochmal deutlich größere Menge mit einem weiteren Vielfachen der nicht geringen Menge zulasten des Angeklagten H. zu berücksichtigen. Zudem ist die Art des Betäubungsmittels zu berücksichtigen. So ist Kokain in dem zu beachtenden Stufenverhältnis der verschiedenen Betäubungsmittelsubstanzen als „harte Droge“ einzustufen und gilt aufgrund seiner gesundheitsschädigenden, stark abhängig machenden Wirkung als sehr gefährliche Substanz, wobei die Kammer nicht verkennt, dass dieser Umstand bereits bei der Festlegung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge und damit bei der Berechnung des Faktors der Überschreitung dieses Grenzwerts Berücksichtigung findet. Zu seinen Gunsten berücksichtigt die Kammer aber, dass der Angeklagte H. hinsichtlich des jeweils größeren Teils der transportierten Kokainmenge lediglich als Gehilfe agierte. Ferner wirkt zu seinen Gunsten, dass die zweite Beschaffungsfahrt größtenteils polizeilich überwacht wurde. Tatsächlich konnte ferner zumindest die Hälfte der Betäubungsmittel sichergestellt werden. Dieser Teil der Betäubungsmittel konnte in der Folge sein Gefährdungspotential nicht mehr entfalten, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass ein polizeilicher Zugriff mit weitergehender Sicherstellung bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre.
160
In Bezug auf beide Tatkomplexe ist hinsichtlich der Art und Weise der Tatbegehung zu berücksichtigen, dass die Angeklagten mit großer Professionalität vorgingen und einen erheblichen Organisationsaufwand betrieben, nicht zuletzt sogar ein passgenau für den Kokainschmuggel angefertigtes Versteck unter dem Fahrersitz des Mercedes ML 350 einbauen ließen. Auch die Ankaufstruktur über den Neffen des Angeklagten H. in Aa und die Absatzstrukturen über die Kokainhändler in Mü. und Umgebung zeugen von einem hohen Grad an kriminellem Einsatzbereitschaft beim Angeklagten H..
161
Letztlich ist dem Angeklagte H. noch zur Last zu legen, dass er in beiden Tatkomplexen mehrere Tatbestände tateinheitlich verwirklicht hat, was die mehrschichtige Art und Weise der Tatbegehung charakterisiert.
162
Bei einer Gesamtbetrachtung aller vorgenannten Umstände sowie der Erhöhung des Gesamtstrafübels durch die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist daher nach Überzeugung der Kammer die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30 Abs. 2 StGB weder geboten noch vertretbar.
163
3. Die angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte waren auch maßgeblich für die Zumessung der Strafe im engeren Sinn. Unter Abwägung der danach jeweils für und gegen den Angeklagten H. sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erachtet die Kammer unter Anwendung des maßgeblichen Strafrahmens für die unter C.II. geschilderte Tat eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten als tat- und schuldangemessen.
164
Für die unter C.III. geschilderte Tat hält die Kammer wiederum unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Strafzumessungsgesichtspunkten eine Enzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten als tat- und schuldangemessen.
165
Dabei hat die Kammer für beide Tatkomplexe insbesondere das Geständnis des Angeklagten H., aber auch die Menge an Betäubungsmitteln besonders gewürdigt.
166
4. Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von fünf Jahren sechs Monaten gem. §§ 53, 54 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden.
167
Die Kammer hat die oben dargestellten Strafzumessungsgesichtspunkte auch für diese Überlegungen herangezogen und gegeneinander abgewogen. Für die Gesamtstrafenbildung konnte zudem zugunsten des Angeklagten H. berücksichtigt werden, dass die beiden abgeurteilten Taten in engem zeitlichem, örtlichem und situativem Zusammenhang begangen wurden. Die beiden Beschaffungsfahrten fanden im Abstand von ungefähr einem Monat statt und liefen beide über die Kontakte in Belgien und Aa; anschließend wurden die Betäubungsmittel über die Abnehmerstrukturen im Münchner Raum weiterverkauft bzw. der Verkauf geplant. Unter Berücksichtigung dieser zeitlichen Nähe und Ähnlichkeit der Begehung der beiden Tatkomplexe hält die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten für tat- und schuldangemessen.
168
Die Kammer hält für den Angeklagten Sa. eine Gesamtstrafe von sechs Jahren sechs Monaten für tat- und schuldangemessen, die sich aus einer Einzelstrafe von vier Jahren sechs Monaten für den Tatkomplex im April 2020 und fünf Jahren sechs Monate für den Komplex im Mai 2020 zusammensetzt.
169
1. Auch hier ist der maßgebliche Strafrahmen der des § 30 Abs. 1 Nummer 4 BtMG (siehe hierzu ausführlich unter I., wobei sich keine Änderungen dadurch ergeben, dass der Angeklagte Sa. anders als der Angeklagte H. als Gehilfe bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und nicht der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu verurteilen war.)
170
2. In den Bezug auf den Angeklagten Sa. scheidet ein minderschwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG ebenfalls aus.
171
Die Kammer berücksichtigt im Rahmen der Gesamtbetrachtung wiederum sämtliche Umstände, die für die Bewertung von Tat und Täter in Betracht kommen.
172
Zugunsten des Angeklagten Sa. spricht zunächst ebenfalls sein vollumfängliches Geständnis in der Hauptverhandlung, wobei er ebenfalls zu Beginn des dritten Verhandlungstages seine Erklärung umfassend abgeben ließ und bestätigte, obwohl wegen des Scheiterns eines vorangegangenen Verständigungsversuchs eine zugesagte Strafobergrenze nicht vorlag. So zeigte sich der Angeklagte Sa. insbesondere auch in seinem letzten Wort voller Reue und übernahm Verantwortung für die Tat und ihre Folgen, was ihm in Gegenwart seiner Familie in der Hauptverhandlung ersichtlich nicht leichtfiel. Auch sein Leben sowie das seiner Familie war stark von der Flucht aus dem Kosovo nach Deutschland, sowie der jahrelangen Unsicherheit bezüglich eines sicheren Aufenthaltstitels geprägt.
173
Weiterhin zu seinen Gunsten wirkt, dass erhebliche Zeit zwischen den Taten und deren Aburteilung verging. Dies war in Anbetracht der umfangreichen Ermittlungen nicht vermeidbar und auch im Übrigen noch vertretbar, so dass es sich nicht um Fall der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung handelt. Jedoch berücksichtigt die Kammer die Länge des Verfahrens von einem Jahr und acht Monaten, die der Angeklagte Sa. in Unsicherheit des Ausgangs des Strafverfahrens verbrachte, zu seinen Gunsten. Hierbei war jedoch wiederum zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er in dieser Zeit entgegen den Bestimmungen der Justizvollzugsanstalt Mü.-St. während der Untersuchungshaft ein Mobiltelefon besaß und benutzte, um mit seiner Familie zu telefonieren. Positiv zu berücksichtigen ist wiederum, dass sich der Angeklagte Sa. in der Hauptverhandlung mit der Einziehung sämtlicher sichergestellter Gegenstände einverstanden erklärte, insbesondere auch mit der des Tatfahrzeuges im aktuellen Wert von geschätzt 20.000 EUR sowie 9.645 EUR Bargeld.
174
Demgegenüber sprechen aber gewichtige Gründe zulasten des Angeklagten Sa., die eine Annahme des minderschweren Falles in der Gesamtschau aller Umstände ausschließen. Zunächst wurde bereits durch die erste Einfuhr der circa zweieinhalb Kilogramm Kokain die nicht geringe Menge um ein Vielfaches überschritten. Im zweiten Tatkomplexes ist noch einmal mehr die erhebliche Menge Kokain zu sehen, die der Angeklagte Sa. transportierte. So handelte es sich um insgesamt rund sechs Kilogramm Kokain, einer Überschreitung der nicht geringen Menge um das 663,26-fache, von denen trotz polizeilicher Überwachung nur circa drei Kilogramm sichergestellt werden konnten. Nichtsdestotrotz berücksichtigt die Kammer aber, dass die Fahrt polizeilich überwacht wurde und es zu einer teilweisen Sicherstellung in St. kam, so dass nur die bereits im Großraum Aa abgelieferten Mengen Betäubungsmittel ihr Gefährdungspotential entfalten konnten, wobei auch hier berücksichtigt wurde, dass ein früherer polizeilicher Zugriff möglich gewesen wäre.
175
Auch die Art des Betäubungsmittels ist zu berücksichtigen. Aufgrund seiner hohen Gefährlichkeit ist Kokain innerhalb des Stufenverhältnisses illegaler Substanzen als sog. „harte Droge“ einzuordnen, wobei die Kammer aber nicht verkennt, dass dieser Umstand bereits in der Festlegung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge und damit bei der Berechnung des Faktors der Überschreitung dieses Grenzwerts Relevanz entfaltet.
176
Zu Lasten des Angeklagten Sa. spricht der erhebliche finanzielle und organisatorische Aufwand für den Einbau des Schmuggelverstecks im Tatfahrzeug sowie die Verwendung der Verschlüsselungssoftwäre SkyECC, die auf ein hochprofessionelles Vorgehen und eine hohe kriminelle Einsatzbereitschaft sprechen. Dem Angeklagten Sa. ist hier jedoch zugute zu halten, dass erst die Kontakt- und Absatzstruktur des Angeklagten H. die Geschäfte in diesem Umfang ermöglichten.
177
Letztlich berücksichtigt die Kammer auch, dass der Angeklagte Sa. jeweils mehrere Tatbestände tateinheitlich verwirklichte, was die Art und Weise der Tatbegehung charakterisiert, wobei zu seinen Gunsten wiederum zu berücksichtigen war, dass er in Bezug auf die nicht für ihn bestimmten Mengen Kokain das Handeltreiben nur in Form der Beihilfe verwirklichte.
178
Bei einer Gesamtbetrachtung aller vorgenannten Umstände sowie der Erhöhung des Gesamtstrafübels durch die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist daher nach Überzeugung der Kammer auch für den Angeklagten Sa. die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30 Abs. 2 StGB weder geboten noch vertretbar.
179
3. Die angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte waren auch maßgeblich für die Zumessung der Strafe im engeren Sinn. Unter Abwägung der danach jeweils für und gegen den Angeklagten Sa. sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erachtet die Kammer für die unter C.II. geschilderte Tat eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten als tat- und schuldangemessen.
180
Für die unter C.III. geschilderte Tat hält die Kammer eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten für tat- und schuldangemessen.
181
Für beide Einzelstrafen hat die Kammer insbesondere das Geständnis des Angeklagten Sa., aber auch die Menge an Betäubungsmitteln besonders gewürdigt.
182
4. Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von fünf Jahren sechs Monaten gem. §§ 53, 54 StGB auch für den Angeklagten Sa. eine Gesamtstrafe zu bilden.
183
Dabei waren alle oben bei der Bemessung der Einzelstrafen angeführten für und gegen den Angeklagten Sa. sprechenden Umstände nochmals heranzuziehen und gegeneinander abzuwägen.
184
Ferner konnte auch zugunsten des Angeklagte Sa. berücksichtigt werden, dass dieser die Transporte im Wesentlichen auf denselben Wegen mit dem Pkw Mercedes mit Schmuggelversteck und unter Nutzung derselben Lieferantenstruktur vornahm. Unter weiterer Berücksichtigung der zeitlichen Nähe und Ähnlichkeit der Begehung sowie dem inneren organisatorischen und strukturellen Zusammenhang der beiden Tatkomplexe hält die Kammer daher eine Gesamtstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen.
185
Über eine Einziehung war hier, nachdem die Angeklagten der formlosen Einziehung bereits in Bezug auf sämtliche sichergestellte Gegenstände zugestimmt hatten, nur noch hinsichtlich des Veräußerungserlöses für Betäubungsmittel aus der Beschaffungsfahrt vom April 2020 zu entscheiden.
186
Gegen den Angeklagten H. war gemäß §§ 73 Absatz 1, 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 35.005,00 EUR, gegen den Angeklagten Sa. die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 4.355,00 EUR anzuordnen.
187
Die beiden Angeklagten vereinnahmten durch die oben festgestellten Veräußerungen von Betäubungsmitteln nach der Beschaffungsfahrt vom April 2020 folgendes Bargeld: Der Angeklagte H. veräußerte das für ihn bestimmte Kilogramm Kokain insgesamt für 40.000 EUR an Su. Gu., der Angeklagte Sa. veräußerte 350 Gramm Kokain für 14.000 EUR an R. K. (siehe hierzu ausführlich unter C.II. und D. II.).
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Da dieses Geld aufgrund der zwischenzeitlich stattgefunden Vermengung nach § 948 BGB nicht mehr individualisierbar ist, war die Anordnung eines bestimmten Gegenstandes nach § 73 Absatz 1 StGB nicht mehr möglich, so dass die Einziehung von Wertersatz gemäß § 73c Satz 1 StGB auszusprechen war. Die für den Erwerb der Betäubungsmittel getätigten Aufwendungen waren gemäß § 73d Absatz 1 Satz 2 StGB nicht abzuziehen, da diese zur Begehung der Tat aufgewendet wurden.
189
Bei den Durchsuchungen bei dem Angeklagten H. wurden insgesamt 4.995,00 EUR Bargeld sichergestellt, bei dem Angeklagten Sa. insgesamt 9.645,00 EUR. Die Angeklagten erklärten sich in der Hauptverhandlung mit der formlosen Einziehung des Bargelds einverstanden. Da nicht auszuschließen ist, dass diese Beträge jeweils Teil des Verkaufserlös waren, waren die Beträge vom einzuziehenden Betrag abzuziehen.
190
Somit blieben als Einziehungsbeträge für den Angeklagten H. noch 35.005,00 EUR, für den Angeklagten Sa. noch 4.355,00 EUR.
191
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO.