Inhalt

OLG München, Beschluss v. 15.09.2022 – 34 Wx 114/22
Titel:

Verfügungsbeschränkung führt zur unrichtigen Grundbucheintragung

Normenketten:
GBO § 19
BGB § 1365
Leitsätze:
1. Besteht der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich, wenn der Ehegatte bei größeren Vermögen über mehr als 90% seines Vermögens verfügen will. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei mehreren Rechtsgeschäften, die wegen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs wirtschaftlich einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, sind die einzelnen Werte insgesamt zu berücksichtigen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anwendung des § 1365 BGB setzt weiter voraus, dass der Erwerber bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts positiv weiß, dass es sich bei dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen des Vertragspartners handelt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsberechtigung von der sachenrechtlichen Verfügungsberechtigung ableitet, hat das Grundbuchamt somit von Amts wegen zu prüfen, ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach kann sich ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
6. Wenn insoweit aufgrund bestimmter Anhaltspunkte begründete Zweifel an der Wirksamkeit der Verfügung auftauchen, die sich allerdings nicht nur aus den vorliegenden Eintragungsunterlagen zu ergeben brauchen, sondern auch sonst bekanntgeworden sein oder auf der Lebenserfahrung beruhen können, so ist das Grundbuchamt zur Beanstandung berechtigt und verpflichtet. Denn es ist seine Aufgabe, nach Möglichkeit eine Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verhindern. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
7. Zur Anwendung des § 1365 BGB ist weiter erforderlich, dass der Erwerber positiv weiß, dass es sich bei dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen seines Gegenübers handelt, oder dass er zumindest die Umstände kennt, aus denen sich dies ergibt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Eintragung, Grundbuch, Grundbuchamt, gesamte Vermögen, positive Kenntnis, Beanstandung, Zugewinngemeinschaft, Bewilligungsberechtigung
Fundstellen:
FamRZ 2024, 19
RNotZ 2023, 168
BeckRS 2022, 24407
NJW 2023, 159
LSK 2022, 24407

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 9.3.2022 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
III. Der Beteiligte zu 3 trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dort entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.528.636 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks A-Str. 10 eingetragen. Sie ist mit dem Beteiligten zu 3 verheiratet. Die Beteiligten zu 1 und 3 leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, leben mittlerweile aber getrennt.
2
Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2020 gründeten zwei Kinder - S. Z. und P. Z. - sowie ein Enkel - O. Z. - der Beteiligten zu 1 und 3 die „Z. A-Str. GbR“, die Beteiligte zu 2. In derselben Urkunde einigten sich die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 über den Übergang des Eigentums an dem oben genannten Grundbesitz auf letztere und bewilligten und beantragten die Eintragung im Grundbuch. In Ansehung der gesamthänderischen Beteiligung der Kinder der Beteiligten zu 1 am Vermögen des Erwerbers sollte die Einbringung als Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgen.
3
Im Hinblick auf diese Übertragung erklärte der Beteiligte zu 3 mit Anwaltsschriftsatz vom 29.10.2020, bereits mit notarieller Urkunde vom 31.3.2020 habe die Beteiligte zu 1 das Grundstück B-Str. 11 schenkungsweise an die „Z. B-Str. GbR“, voraussichtlich bestehend aus denselben Personen, übertragen. Bei den beiden Grundstücken handle es sich um nahezu das gesamte Vermögen der Ehefrau i.S. von § 1365 BGB, da diese neben den genannten Immobilien sowie einer Gewerbeimmobilie in der C-Str. 10 über kein nennenswertes Vermögen verfüge. Für die A-Str. 10 errechne sich nach dem Vergleichswertverfahren ein Grundstückswert von circa 11,3 Mio. € und für die B-Str. 11 nach dem Sachwertverfahren ein solcher von etwa 7,2 Mio. €. Es sei zu befürchten, dass die Ehefrau auch den Grundbesitz in der C-Str. 10 verkaufe, der nach dem Ertragswertverfahren mit circa 1,5 Mio. € zu bewerten sei. Er habe seine Zustimmung nach § 1365 BGB nicht erteilt und werde diese auch nicht erteilen. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 3.11.2020 trug der Beteiligte zu 3 ergänzend vor, den Beschenkten sei bekannt, dass es sich bei den Verfügungen nahezu um das Vermögen im Ganzen handle. Aufgrund der Verträge und der dort angesetzten Werte der Immobilien B-Str. 11 und A-Str. 10 hätten sie auch Kenntnis über die Bewertung, da sie stets involviert gewesen seien.
4
Mit Schreiben vom 24.11.2020, eingegangen beim Grundbuchamt am 26.11.2020, hat der Urkundsnotar die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch gemäß der Urkunde vom 8.10.2020 beantragt.
5
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 25.11.2020 die Auffassung vertreten, der übertragene Grundbesitz entspreche nicht annähernd dem Vermögen im Ganzen i.S. von § 1365 BGB. Es sei Vermögen in Form des Gewerbegrundstücks im Wert von mindestens 3,4 Mio. € sowie erhebliches Aktivvermögen - u.a. Forderungen gegenüber dem Ehemann i.H.v. 121.500 € aus einem Spekulationsgeschäft sowie 63.000 € aus der Vermietung der Gewerbeimmobilie - vorhanden. Die anderen Grundstücke seien im Schriftsatz des Beteiligten zu 3 exorbitant überbewertet worden. So sei der Wert der A-Str. 10 nach dem Ertragswertverfahren zu berechnen, derjenige der B-Str. 11 nach dem Vergleichswertverfahren.
6
Der Beteiligte zu 3 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 15.3.2021 die Grundstückswerte nun mit mindestens 11,7 Mio. €, mindestens 8,6 Mio. € bzw. maximal 1,85 Mio. € beziffert und in einem nachgereichten Schriftsatz vom 18.3.2021 ergänzt, die Immobilie C-Str. 10 sei allerdings unverkäuflich und daher praktisch wertlos. Über die angebliche Mietforderung der Beteiligten zu 1 sei ein Gerichtsverfahren anhängig.
7
Der Urkundsnotar hat seinerseits in einem Schreiben vom 16.3.2021 vorgetragen, das Grundstück C-Str. 10 sei im Rahmen der Erklärung über die Schenkungssteuer mit 3.868.800 € bewertet worden.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.3.2021 hat die Beteiligte zu 1 weitere Ausführungen zu den Grundstückswerten getätigt und auszugsweise ein Gutachten vom 4.5.2020 vorgelegt, das für die Immobilie B-Str. 11 einen Verkehrswert von 6.048.000 € ausweist.
9
In der Folge sind noch weitere Anwaltsschriftsätze zu den Grundstücksbewertungen ausgetauscht worden.
10
Schließlich hat das Grundbuchamt am 13.9.2021 eine Zwischenverfügung erlassen. Der beantragten Eintragung stehe entgegen, dass die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 strittig und daher die Zustimmung des Ehegatten in der Form des § 29 GBO vorzulegen sei. Dem Grundbuchamt lägen konkrete Anhaltspunkte vor, dass der Gegenstand des Geschäfts nahezu das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten ausmachen würden und dass die Vertragspartner dies bei Abschluss des Verpflichtungsvertrags gewusst hätten. Vertragspartner seien die Kinder der Veräußerin.
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Gegen diese Zwischenverfügung hat der Urkundsnotar mit Schreiben vom 21.9.2021 namens und im Auftrag der an der Urkunde Beteiligten Beschwerde eingelegt.
12
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 29.9.2021 nochmals Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung des Grundbuchamts vom 13.9.2021 aufzuheben und die Eintragung auf die Beteiligte zu 2 zu vollziehen. Sie hat u.a. eine von den Beteiligten zu 1 und zu 3 im Zusammenhang mit Fremdwährungsspekulationen unterzeichnete Vermögensauskunft für die finanzierende H.-Bank vom 24.6.2019 vorgelegt, wonach die Verkehrswerte der Grundstücke B-Str. 11 und C-Str. 10 jeweils 4.120.000 € und der des Grundstücks A-Str. 10 8.240.000 € betragen würden. Demzufolge mache der Wert des verbliebenen Grundstücks C-Str. 10 25% des Gesamtwerts der drei Immobilien aus. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1365 BGB lägen daher nicht vor. Zudem fehle es an der Kenntnis des Erwerbers von den entsprechenden Umständen. Den im Einzelnen dargestellten eigenen Berechnungen der Beteiligten zu 1 zufolge belaufen sich der Grundstückswert für die A-Str. 10 auf 6.528.636 €, für die B-Str. 11 auf 6.048.000 € und für die C-Str. 10 unter Fortschreibung eines Gutachtens vom 18.2.2004 auf 3.300.409 €. Demnach habe sie 20,78% ihres Vermögens behalten.
13
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.11.2021 die Zwischenverfügung aus formalen Gründen aufgehoben und im Übrigen die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
14
Der Beteiligte zu 3 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 30.11.2021 insbesondere vorgetragen, die Beschenkten hätten gewusst, dass es sich bei den beiden Immobilien um nahezu das gesamte Vermögen der Ehegatten handelte. Aufgrund der im Vorfeld erfolgten Bewertungen der Immobilien durch Haus + Grund im Hinblick auf die zu erwartende Schenkungssteuer sowie der im Rahmen der Schenkungsverträge angesetzten Werte der beiden Immobilien B-Str. 11 und A-Str. 10 hätten die Vorbezeichneten auch Kenntnis über den Wert der Immobilien gehabt. Sie seien stets in alles involviert gewesen. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 20.12.2021 hat der Beteiligte zu 3 ergänzend vorgetragen, unter Berücksichtigung von im Einzelnen aufgeführten Belastungen durch Grundschulden betrage die Quote des verbliebenen Vermögens 2,1%.
15
Selbst nach den unrealistischen Wertansätzen der Beteiligten zu 1 verblieben nur 10,9%, was nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln als Vermögensübertragung im Ganzen anzusehen sei. Aufgrund zahlreicher beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten auf dem Grundstück C-Str. 10 sei bei dessen Bewertung ein weiterer Abschlag angezeigt.
16
Am 21.1.2022 hat das Grundbuchamt einen rechtlichen Hinweis des Inhalts erteilt, dass der beantragten Eintragung das Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten bzw. deren Ersetzung durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 1365 BGB entgegenstehe, und umfangreiche Ausführungen zu den Grundstückswerten getätigt. Eine abschließende Bewertung der einzelnen Objekte durch das Grundbuchamt sei nicht möglich. Zur Erfüllung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzung hat das Grundbuchamt ausgeführt, zwar könne davon nicht allein aufgrund der engen Verwandtschaft ausgegangen werden, aber die Vertragspartner seien laut dem Vorbringen des Beteiligten zu 3 in die Besprechungen des Steuerberaters über die Vermögenslage eingebunden gewesen und hätten die Beteiligte zu 1 aufgrund ihres Alters erheblich unterstützt. Laut Vertrag zum Objekt B-Str. 11 hätten die Erwerber auch die Schenkungssteuer zu tragen gehabt. Der Vermögensstand mit drei Immobilien, die zum Teil wohl auch von den Erwerbern bewohnt würden, sei nicht derart kompliziert, dass Abkömmlinge hierüber keinen Überblick hätten. Dies wäre außerhalb jeder Lebenserfahrung.
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Mit Beschluss vom 1.3.2022 hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung der Beteiligten zu 2 untersagt, über das Grundstück A-Str. 10 zu verfügen. Zwar würden die Wertangaben der Beteiligten erheblich differieren. Im Rahmen der summarischen Prüfung sei jedoch die ernsthafte Möglichkeit, dass die Berechnungen des Beteiligten zu 3 zutreffen, als ausreichend anzusehen. Zu bejahen sei auch die positive Kenntnis der Gesellschafter davon, dass die Beteiligte zu 1 über nahezu ihr gesamtes Vermögen verfügte. Ausreichend sei die Kenntnis, dass dieses nahezu ausschließlich aus den drei Immobilien bestehe, eine anderweitige Vorstellung der Erwerber über deren Bewertung sei nicht beachtlich. Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat das Grundbuchamt am 9.3.2022 im Grundbuch ein Verfügungsverbot zugunsten des Beteiligten zu 3 eingetragen.
18
Die Beteiligte zu 1 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 7.3.2022 zwei Gutachten vom 25.2.2022 vorgelegt, die für das Grundstück A-Str. 10 einen Verkehrswert von 11.100.000 € und für das Grundstück C-Str. 10 einen solchen von 3.950.000 € ausweisen. Hieraus ergebe sich eine Quote von 26% des bei der Beteiligten zu 1 verbleibenden Grundstücks. Überdies seien die Indizien für eine etwaige Bindung an die Zustimmung des Ehepartners nicht erfüllt, da die Übertragung an eine andere Personengesellschaft nicht in zeitlichem und zugleich sachlichem Zusammenhang stünde. Weiter hat die Beteiligte zu 1 u.a. jeweils als „Eidesstattliche Versicherung“ bezeichnete Erklärungen der S. Z. und des P. Z. vorgelegt, wonach sie am 8.10.2020 der Meinung gewesen seien, dass die Immobilie A-Str. 10 einen Wert von 8.240.000 € und die Immobilie B-Str. 11 einen Wert von 4.120.000 € hätte. Diese Wertannahmen hätten auf plausiblen Werteinschätzungen des Beteiligten zu 3 gegenüber der H.-Bank 2019 beruht, denen sie Glauben geschenkt hätten.
19
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 9.3.2022 den Antrag zurückgewiesen. Die im rechtlichen Hinweis vom 21.1.2022 aufgezeigten Eintragungshindernisse seien in der gesetzten Frist nicht behoben worden. Inzwischen sei vom Beteiligten zu 3 beim Amtsgericht auch ein gerichtliches Verfügungsverbot hinsichtlich des Vertragsgegenstands erwirkt worden.
20
Mit Anwaltsschriftsatz vom 29.3.2022 hat die Beteiligte zu 1 wiederum Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Entscheidung des Grundbuchamts vom 9.3.2022 aufzuheben. Das Verfügungsverbot hindere die Eintragung im Hinblick auf § 17 GBO, § 878 BGB nicht. Im Übrigen setzt sich das Beschwerdevorbringen mit dem Vortrag des Beteiligten zu 3 auseinander und fasst das bisherige Vorbringen der Beteiligten zu 1 nochmals zusammen. Hierzu hat die Beteiligte zu 1 noch eine Bewertung durch den Haus- und Grundbesitzerverein vom 21.7.2020 vorgelegt, die zu Beträgen von 6.990.447 € für die Immobilie A-Str. 10 und 6.547.200 € für die Immobilie B-Str. 11 kommt.
21
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 26.7.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit gerichtlichem Hinweis vom 21.1.2022 sei die Zustimmung des Ehegatten bzw. deren Ersetzung durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 1365 BGB angefordert worden. Vorgelegt worden sei weder eine Zustimmung noch eine Ersetzung. Allerdings habe das Familiengericht mit Beschluss vom 1.3.2022 im Wege der einstweiligen Anordnung ein Verfügungsverbot zugunsten des Beteiligten zu 3 erlassen. Dieses sei auch bereits im Grundbuch eingetragen. Die vollständigen Gutachten seien erst nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses vorgelegt worden. Eine rechtzeitige Vorlage hätte allerdings auch keine andere Entscheidung zur Folge gehabt, da das Verfügungsverbot schon bestanden habe. Die Zweifel an der tatsächlichen Werthaltigkeit des verbleibenen Grundstücks in der C-Str. 10 hätten aber auch durch das Gutachten nicht beseitigt werden können. Die im rechtlichen Hinweis aufgeführten wertmindernden Punkte wie fehlende Mietzahlungen, unklare Mietverhältnisse, bestünden wohl nach wie vor. Ob der aufgeführte Ertragswert tatsächlich erzielt werden könne, sei deshalb fraglich. Der Kauf des Objekts im Jahr 2005 sei weit unter dem im früheren Gutachten angesetzten Wert erfolgt. Da die Beteiligte zu 1 ihren weiteren Grundbesitz übertragen habe und sie laut ihren Angaben kein weiteres Vermögen habe, verbleibe ihr nur noch das Grundstück in der C-Str. 10 zur Sicherung des Lebensunterhalts und etwaigen Zahlung von Zugewinnansprüchen. In Frage käme deshalb auch ein Ansatz des Liquidationswerts für dieses Objekt. Dieser liege in der Regel aber unter dem Verkehrswert.
II.
22
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
23
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 71 Abs. 1 GBO.
24
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
25
a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsberechtigung von der sachenrechtlichen Verfügungsberechtigung ableitet, hat das Grundbuchamt somit von Amts wegen zu prüfen, ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90/91). Danach kann sich ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Wenn insoweit aufgrund bestimmter Anhaltspunkte begründete Zweifel an der Wirksamkeit der Verfügung auftauchen, die sich allerdings nicht nur aus den vorliegenden Eintragungsunterlagen zu ergeben brauchen, sondern auch sonst bekanntgeworden sein oder auf der Lebenserfahrung beruhen können, so ist das Grundbuchamt zur Beanstandung berechtigt und verpflichtet. Denn es ist seine Aufgabe, nach Möglichkeit eine Unrichtigkeit des Grundbuchs zu verhindern (BGHZ 35, 135/139 f.).
26
b) Ob hier zunächst Anlass zu Zweifeln an der Wirksamkeit der Verfügung der Beteiligten zu 1 bestand, sei dahingestellt, weil diese zumindest im weiteren Verfahrensverlauf ausgeräumt wurden.
27
aa) Nach allgemeiner Ansicht ist § 1365 BGB auf der Basis der sogenannten Einzeltheorie zu interpretieren. Danach ist die Handlungsfreiheit eines Ehegatten durch die Zustimmungsbedürftigkeit nicht nur eingeschränkt, wenn sich das Geschäft nach den vertraglichen Erklärungen explizit auf sein ganzes Vermögen bezieht, sondern auch dann, wenn er über einzelne ihm gehörende Gegenstände verfügt, die jedoch wirtschaftlich im Wesentlichen oder nahezu sein gesamtes Vermögen ausmachen. Jedenfalls bei größeren Vermögen wie hier ist die Grenze bei 90% zu ziehen (BGH FGPrax 2013, 142/143; OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 772/774; OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90/91; OLG Celle FamRZ 2010, 562/563; OLG Jena FamRZ 2010, 1733/1734; OLG München FamRZ 2005, 272; OLG Köln NJW-RR 2005, 4/5; Grüneberg/Siede BGB 81. Aufl. § 1365 Rn. 6; MüKoBGB/Koch 9. Aufl. § 1365 Rn. 31). Mehrere Rechtsgeschäfte, die in ihrer Gesamtheit den Tatbestand des Gesamtvermögensgeschäfts erfüllen, je für sich betrachtet jedoch unbedenklich sind, bleiben zustimmungsfrei auch dann, wenn sie in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen. Alle Geschäfte sind dagegen gebunden, wenn sie nicht nur in zeitlichem, sondern zugleich auch in sachlichem Zusammenhang stehen und wirtschaftlich einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1015; MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 33).
28
bb) Ob nach dieser Maßgabe hier objektiv ein zustimmungspflichtiges Geschäft vorlag, kann allerdings offenbleiben, da es jedenfalls am subjektiven Tatbestand fehlt.
29
Denn zur Anwendung des § 1365 BGB ist weiter erforderlich, dass der Erwerber positiv weiß, dass es sich bei dem Geschäftsobjekt um das gesamte Vermögen seines Gegenübers handelt, oder dass er zumindest die Umstände kennt, aus denen sich dies ergibt (BGH FGPrax 2013, 142/143; OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 772/774; OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90/91; Senat vom 10.9.2009, 34 Wx 59/09 = NJW-RR 2010, 523/524; OLG Jena FamRZ 2010, 1733/1734; OLG Koblenz FamRZ 2008, 1078/1079; OLG Köln NJW-RR 2005, 104/105; BayObLG Rpfleger 2000, 265; MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 35; Grüneberg/Siede § 1365 Rn. 8). Insoweit kommt es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts an (BGHZ 106, 253/257; OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2018, 90; OLG Jena FamRZ 2010, 1733/1734; BayObLG Rpfleger 2000, 265; Grüneberg/Siede § 1365 Rn. 10; MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 38). Bei engen Verwandten liegt, sofern sie in Kontakt miteinander stehen, eine entsprechende Kenntnis nahe (BGH FGPrax 2013, 142/143; OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 772/774; a.A. MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 75).
30
Demnach mag die Tatsache, dass es sich vorliegend beim Erwerber der Z. A-Str. GbR um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt, die mit S. Z., P. Z. und O. Z. aus zwei Kindern und einem Enkel der Beteiligten zu 1 besteht, einen konkreten Anhaltspunkt für eine Kenntnis von den Vermögensverhältnissen der Veräußerin liefern, zumal die beiden Kinder der Beteiligten zu 1 auch die Gesellschafter der Z. B-Str. GbR sind, die von dieser das Grundstück B-Str. 11 erworben hatte, und sie laut dem unbestrittenen Vorbringen des Beteiligten zu 3 in die Besprechungen mit dem Steuerberater über die Vermögenslage eingebunden waren und die Beteiligte zu 1 aufgrund ihres Alters erheblich unterstützten.
31
Indes reicht für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands des § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aus, dass jedenfalls S. Z. und P. Z. wussten, dass die Beteiligte zu 1 außer den drei Immobilien kein wesentliches Vermögen besaß. Die Kenntnis der das Vorliegen eines Gesamtvermögensgeschäfts im Sinne dieser Vorschrift begründenden Umstände setzt darüber hinaus voraus, dass auch eine entsprechende Vorstellung von den tatsächlichen Wertverhältnissen bestand (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 772/775). Ansonsten käme es in den einschlägigen Konstellationen letztlich doch nur auf die gegebenenfalls sogar erst nachträglich ermittelte objektive Situation an, während das einschränkende subjektive Kriterium der Kenntnis faktisch leerliefe. Auch im Hinblick auf eine solche Kenntnis bedarf es allerdings konkreter Anhaltspunkte, bloße Vermutungen und Unterstellungen genügen nicht (BGH FGPrax 2013, 142/143; Senat vom 10.9.2009, 34 Wx 59/09 = NJW-RR 2010, 523/524; BayObLG Rpfleger 2000, 265; MüKoBGB/Koch § 1365 Rn. 75). Vorliegend existieren jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere S. Z. und P. Z. zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 8.10.2020, über die hiernach erforderliche Vorstellung verfügten. Bis dahin lag nur Folgendes vor: Die vom Beteiligten zu 3 selbst mitunterzeichnete Vermögensauskunft vom 24.6.2019, die einen Immobiliengesamtvermögensstand von 16.480.000 € auswies, wovon 4.120.000 € auf das nunmehr verbleibende Grundstück C-Str. 10 entfielen; weiter das Gutachten vom 4.5.2020, das das Grundstück B-Str. 11 mit 6.048.000 € bewertete; schließlich eine Berechnung der Werte der Grundstücke A-Str. 10 und B-Str. 11 zum Zwecke der Ermittlung der Schenkungssteuer vom 21.7.2020, die zu Beträgen von 6.990.447 € bzw. 6.547.200 € gelangt. Alles andere ist spekulativ und liefert keine konkreten Anhaltspunkte für einen abweichenden Wissensstand zur fraglichen Zeit. Der Notar schließlich setzte bei der Beurkundung am 8.10.2020 für die Immobilie A-Str. 10 einen Wert von 6.666.666 € an. Die Berechnungen durch den Beteiligten zu 3 hingegen liegen erst nach diesem Zeitpunkt und können somit von vornherein nicht herangezogen werden, um eine Kenntnis der S. Z. und des P. Z. zu begründen, die den subjektiven Tatbestand des § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllen würde. Ob diese Berechnungen inhaltlich zutreffend sind, braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden. Legt man demgemäß die bis zum Beurkundungszeitpunkt bekannten Werte zugrunde, so ist selbst bei Annahme eines einheitlichen Lebensvorgangs im Hinblick auf die Übergabe der Grundstücke A-Str. 10 und B-Str. 11 die Wertgrenze von 90% keinesfalls erreicht.
32
c) Das Verfügungsverbot vom 1.3.2022 steht der begehrten Eintragung ebenfalls nicht entgegen. Denn gemäß § 878 BGB wird eine von dem Berechtigten nach § 873 Abs. 1 BGB abgegebene Erklärung nicht dadurch unwirksam, dass dieser in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist. Vorliegend trat die Bindung mit der Beurkundung der Auflassung am 8.10.2020 ein, der Eintragungsantrag war mit Eingang beim Grundbuchamt am 26.11.2020 gestellt. Ob mit der Eintragung des Verfügungsverbots am 9.3.2022 zudem gegen § 17 GBO verstoßen wurde und welche Folgen dies gegebenenfalls hat, bedarf daher keiner Klärung.
III.
33
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die Geschäftswertfestsetzung auf §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG.
34
2. Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO besteht nicht.